Das Durchhalten
„Monsieur Wagner a de beaux moments, mais de mauvais quart d’heures.“
Nicht, dass er selber, der Signore Rosssini dagegen gefeit wäre, doch er hat recht. Ja manchmal – und bei Gott eben nicht nur beim Bayreuther Marathon – zieht es sich und selbst als größter Enthusiast spürt man die Längen gerade auf den Stehrängen und in den Schenkeln. Den Oberkörper auf die Brüstung geladen, ein Bein auf dem Tritt, das andere voll belastet und der Sopran will und und will noch immer nicht sterben…
Ausdauer und theatrale Sportivität sind natürlich Voraussetzung für den Begeisterten, doch manches Mal könnte es einem die Regie wirklich einfacher machen. Müssen die Nonnen denn ohne Umbau und Unterbau stundenlang in diesem Bunker verharren und die Serailbewohner auf diesen abwechslungslosen Sofas dahinsimmern und –singern?
Würd nicht ein bisserl Licht und Bums und Nebel und Feuerwerk alles ein bisserl aufpeppen? Meister Goethe hat doch die richtige Einkaufsliste fürs Spektaktel, dass bitte nicht nur beim Vorspiel sondern allüberall am Theater Verwendung finde:
„Drum schonet mir an diesem Tag
Prospekte nicht und nicht Maschinen.
Gebraucht das groß, und kleine Himmelslicht,
Die Sterne dürfet ihr verschwenden;
An Wasser, Feuer, Felsenwänden,
An Tier und Vögeln fehlt es nicht.
So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus,
Und wandelt mit bedächt’ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.“
(natürlich Vorspiel, Faust I)
Aber bitte zur rechten Zeit!
Nicht nur ewig Hölle und ein Hauch Himmel am Ende. Das ko(s)mische Feuerwerk und Wasserspiel am Ende des Münchner Liebestrankes (Verzeihung: Elisirs) konnte mich nicht mehr aus der Einödenstimmung von zwei Akten in postzivilisatorischem Grau samt Mähdrescher und Endzeitstimmung reißen. Musste das ganze Budget auf dreißig Sekunden Schlussbammbamm aufgespart werden, wo man schon bei der Ouvertüre ein paar Sterne werfen könnte?
Bei einer 3D-Turandot kürzlich war die ganze Eishockeymannschaft zumindest samt Schlittschuhen und Eisfläche schon im ersten Akt auf der Bühne. Die haben sie sich nicht (auf)gespart. Und kurzweilig wars zumindest. Auch was für den Sportschaufan.
Bei einer Zauberflöte am Gärtner dacht ich gar im Rang, ich sei eingenickt und zu lang geblieben, als eine Putzfrau über die Bühne kehrte. Aber nein, keine Sorge, es war die Pamina im, …äh mit Eimer.
Es muss ja nicht immer Bregenz mit Wackelkopf und Schifferlfahrt und Stunt und Feuer und Wasserballett sein. Wir sind ja auch im Kleinen geduldig und duldsam. Wenn die Qualität stimmt, dann stehen wir es durch und denken gar nicht ans Bein, weil Bass und Bariton und und und uns schweben ließen.
Na ja spätestens zum Applaus kann man sich ja kräftig ausschütteln und gymnastisch rhythmisch ein Bewegungsintermezzo hinlegen. Einige ölen ja sogar schon zwischen den Akten ihre Stimmbänder neu, vom langen Schweigen mit gutturalen Buhu-Lauten. Dazu zähle ich aber nicht. Viele müssen dann halt auch – wohl wegen Arthritis früher gehen. Verständlich vielleicht, wenn man am regem Wehnenleiden oder wehem Regieweinen leidet.
Wieder andere nutzen ein Zwischennickerchen um sich fürs Finale neu zu erwecken. Nur ein Herr verschnarchte leider kürzlich das lucevan le stelle, weil halt da das Vorspiel zu leise war. Das konnte bei der himmelschreiend lauten und lauteren Lola in Cuv nicht passieren, da heizten die Pollyestersounds so lautstark ein, dass einige Abonnenten ihr eigenes Kopfschütteln nicht mehr hören konnten. Dafür waren sie wach. Und durften im Sprechtheater noch dazu sitzen oder manchmal aussitzen bis diese verquaste Reise ans Ende der Geduld und in die frühen Morgenstunden am Resi sein schwer identifizierbares Ende nahm. In der Oper steht Sänger und Stehplatzender bis zum Abbruch oder Zusammenbruch, wie Wotan zu Zeiten der ersten Krampfader weiß:
Zusammenbreche,
was ich gebaut!
Auf geb’ ich mein Werk;
nur Eines will ich noch:
das Ende,
das Ende! – Walküre II.,2.
Na Meister Wälse, das kommt doch dann auch 2 Stunden bzw. 2 Tage später. Aber was soll’s Vergessen wir nicht:
Tja, die Oper hat die großartigste Stunden, doch einige zähe, wehe Momente.
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