Das war die erste Vorstellung dieser Oper für mich überhaupt, muss ich vorausschicken. Musikalisch fand ich es unglaublich spannend, aber die Inszenierung kann man getrost in die Tonne treten. Eigentlich die Nicht-Inszenierung. Denn was sich auf der Bühne abspielte, mutete mir eher konzertant als szenisch an. Und dann diese greisligen Kostüme! Meine Freundin meinte, eine Orgie in schwarz-weiß-grau, und damit hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Einzig das rote Kleid von Frau Gruberova zu Beginn war sehenswert.
Der Chor holperte am Anfang ein bisschen, ansonsten hat es mir musikalisch sehr gut gefallen. Frau Gruberova sang wunderschön und strahlend, lediglich in der Tiefe klang sie in meinen Ohren nicht ganz so gut. Aber ein Erlebnis ist eine Vorstellung mit ihr allemal und die letzte Szene war phänomenal. Herausragend war auch Silvia Tro Santafé als Orsini, so eine schöne Mezzostimme habe ich selten gehört. Bei den Männern glänzte Charles Castronovo als Gennaro, aber auch die anderen Rollen waren gut besetzt. Ein Opernabend, der mir sicher im Gedächtnis bleiben wird.
Kleine Anekdote am Rande: sowohl zu Beginn wie auch am Ende der Pause war die Mittelloge fast leer, aber während der Vorstellung war sie voll belegt. Später erzählte mir jemand, dass dort ein ehemaliger Landesvater gesessen hätte. Manche Leute haben es anscheinend nicht nötig pünktlich zu sein. Und müssen dann nicht von der Engelsloge aus zusehen.
Great minds think alike – ich bin ganz deiner Meinung. Lucrezia Borgia ist ab sofort zu einer meiner Lieblingsopern avanciert – musikalisch so was von genial, aber leider in einer Inszenierung, wie ich sie so lieblos dahingeklatscht noch nie gesehen habe. Einzig Lucrezias Kostüme fand ich interessant: Im ersten Akt stand da eine junge Frau in einem tollen roten Satinkleid auf der Bühne, im letzten Akt eine Matrone, doppelt so alt und doppelt so breit, in einem schwarzen Samtkleid. Das Programmheft behauptete, es handele sich beide Male um die Gruberova. Hach, was bin ich oberflächlich! Die drei Hauptrollen waren glasklar und einfach ganz großartig gesungen, den Rest fand ich eher unbedeutend. (Wobei ich grundsätzlich den etwas wärmeren, dunkleren Klang des Gärtnerplatztheaters bevorzuge.) Besonders hat mich Charles Castronovo beeindruckt – was für eine Tenorstimme! Und Bühnenpräsenz hat er auch. Wie wird er erst singen, wenn er mal alt, verfettet und häßlich ist? Ich kann es kaum erwarten! Das Bühnenorchester hat mich ganz persönlich ziemlich irritiert – man hört Musik, aber man sieht die Musiker nicht spielen, was bei mir den Ärger über die fast konzertante Aufführung streckenweise durch das skurrile Gefühl ersetzte, daß das vielleicht alles nur Playback war, so wie bei Modern Talking? Wobei ich mir die Aufnahme mit Castronovo sofort kaufen würde …