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Interview mit Jörn Hinnerk Andresen

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Herr Andresen, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, in der letzten heißen Probephase ein Interview zu geben. Würden Sie uns als erstes etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?
Ich habe, wie das so ist, relativ früh mit Klavierspielen angefangen, mit sieben Jahren. Danach kam noch Querflöte und Trompete dazu, im evangelischen Posaunenchor. Nach der Schule dann das Musikstudium in Dresden, erst für Schulmusik und dann für Chorleitung. Später noch das Zusatzfach Cembalo in Amsterdam, und eben auch der Kapellmeister-Abschluss, d.h. ich habe Dirigieren studiert.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?
Frederik Vahle, glaube ich? Ich weiß es nicht mehr. Alles mögliche. Sehr wenig Klassik, eigentlich.

Haben Sie das absolute Gehör?
Nein.

Sie sind unter anderem spezialisiert auf Barockopern. Was unterscheidet eine Barockoper von anderen Opern, die derzeit am Staatstheater am Gärtnerplatz gespielt werden?
Neben der Entstehungszeit natürlich und den ganzen spezifischen Eigenheiten wie Instrumentierung oder die Art der Spielweise oder auch die Art der Komposition jetzt im einzelnen ist vor allen Dingen der größte Unterschied, dass die Hörgewohnheit sich sehr geändert hat. Im Barock konnte eine Oper ein Spektakel von sechs oder sieben Stunden sein. Das Publikum kam und ging wie es wollte, es wurde gegessen, es war eigentlich eine Party mit Musik dabei. Manchmal waren die Geschichten so spannend, dass die Leute zugehört haben und die Sänger konnten so brillieren. Aber das Werk als geschlossene Einheit, die von Anfang bis Ende zu rezipieren ist, das ist doch eine Idee, die erst sehr viel später in der Klassik aufgekommen ist. Daneben gibt es natürlich unheimlich viele Unterschiede: Das Orchester ist sehr viel kleiner aber spezialisierter, mit Instrumenten, die heute nicht mehr gang und gäbe sind. Wenn ich jetzt anfange mit Lauten oder mit Theorbe oder Dulzian oder Zink, jede Zeit hat dazu ihr eigenes Instrumentarium. Wir können schon sagen, dass früher das Instrumentarium sehr viel farbiger war als heute das Kanonisierte, was wir haben im Orchester, mit dem normalen Bläsersatz und den Streichern.

Werden hier bei der Aufführung dann auch historische Instrumente eingesetzt?
Zum Teil. Das Orchester am Gärtnerplatz spielt auf seinen normalen Instrumenten, allerdings auf eine Art, die ich mal als „historisch informiert“ bezeichnen würde. Das heißt, wir kennen die Quellenlage ganz gut, wir wissen auch, wie Tempi in der Zeit genommen worden sind, wir wissen auch, wie Artikulation gespielt worden ist, ob Sachen kurz oder lang gespielt worden sind; wir können auch ziemlich genau sagen, wie die Besetzungen gewesen sind. Ganz einfaches Beispiel: Wenn zwei Oboen spielen, dann weiß man: Im Continuo spielt nicht das Cello oder der Kontrabass, sondern das Fagott. Es gibt also bestimmte Regeln, die aufgeschrieben worden sind. Das hat man lange Jahre ignoriert. Die historische Aufführungspraxis hat sich dieser Sachen angenommen und hat es wieder ins Leben gerufen. Was wir an historischen Instrumenten haben, ist natürlich der Arciliuto oder die Theorbe, ein Lauteninstrument, für das Continuo. Wir haben zwei historische Cembali, Nachbauten natürlich, weil die meisten Instrumente aus der Zeit heute kaum noch spielbar sind, oder unbezahlbar, oder beides sind. Wir benutzen auch eine Orgel im Orchestergraben, das sind so die historischen Instrumente. Es ist auch eine Blockflöte dabei, die ebenfalls nicht zum normalen Orchesterbetrieb gehört.

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Das Barock-Orchester – wird das in diesem Haus wirken?
Wir machen Folgendes: Wir fahren den Orchestergraben aus der tieferen Position in der er sich unter die Bühne erweitert, um ein größeres Orchester einzupassen, auf Saal-Niveau. Das heißt, dieses Orchester sitzt einen Meter höher. Dadurch ist der Graben zwar kleiner, aber das reicht uns für die relativ kleine Besetzung, die wir benutzen. Das Orchester klingt sehr viel präsenter, aber die Sänger sind auch besser zu hören. Die ganze Akustik dieses Hauses, oder der meisten Opernhäuser, die so gestaltet sind, ist eigentlich schon darauf abgestimmt, dass das Orchester hochgefahren ist. Das Orchester ist ja sonst immer ein akustisches Problem – häufig, dass es dann einfach zu laut ist für die Bühne. Diese Probleme haben wir in dieser Inszenierung – das kann ich jetzt nach der ersten Probe sagen – überhaupt nicht.

Mussten Sie musikalische Kompromisse eingehen?
Das muss man so sagen: Oper oder jede Art von Schauspielmusik sind ohne Frage immer ein musikalischer Kompromiss. Das reine Konzert erlaubt selbstverständlich andere Dinge. Auf der einen Seite birgt  natürlich auch der Kompromiss der Oper Möglichkeiten – dadurch, dass zum Beispiel ein Sänger bestimmte Sachen im Rezitativ langsam oder schnell macht, wo man vielleicht als Dirigent sagen würde: Das möchte ich jetzt aber doch anders haben. Aber es gibt Sachen, die gehen einfach nicht, weil es die Szene nicht so zulässt. Oder bestimmte Tempi sind zum Teil nicht möglich, weil die Entfernung so groß ist, dass man jetzt nicht hyper-schnell spielen kann an Stellen, die man vielleicht gerne rasant hätte. Auf der anderen Seite bringt ja natürlich das gerade wiederum auch Lebendigkeit in die Musik hinein. So eine aussermusikalische Idee wie eine Szene oder eine dramatische Entwicklung, die jetzt nicht originär musikalisch gedacht ist, in die Musik einzuführen, bringt natürlich auch einen Farbenreichtum in die Spielart und in die Musik. Das heißt, es ist ein Kompromiss, aber man gewinnt auch etwas dabei.

Die Oper „Der geduldige Sokrates“ dauert im Original über vier Stunden – muss der Zuschauer viel Sitzfleisch mitbringen?
Vier Stunden ist ohne Pause gerechnet, im Original, ne? (lacht) Das ist die reine Spiellänge, wir haben natürlich das auch unseren Hörgewohnheiten angepasst. Die Länge von vier Stunden entsteht daraus, dass man zwischendurch hinausgegangen ist früher und sich noch ein Bier geholt hat oder so. Mit vier Stunden wärst du auch nicht hingekommen seinerzeit. Es hat ja noch Ballett-Einlagen gegeben und so was. Wir haben das einigermaßen verschlankt, wir haben versucht, der Regisseur Axel Köhler und ich, Handlungsstränge zu glätten, dass wir einfach die Geschichten, die so wie in einer Soap-Opera sich episodenhaft nebenher entwickeln einfach stringenter erzählen können. Dem ist dann einiges an Musik zum Opfer gefallen, aber da muss man tatsächlich sagen, dass mir um jede einzelne Arie das Herz blutet. Ich wollte aber auch nicht mit dem Rasenmäher darübergehen und jede Arie ein bisschen kürzen, wie das häufig gemacht wird, dass man überhaupt keine Da-Capos mehr spielt (d.h. eine Wiederholung des ersten Teils einer Arie), das schafft dann eine sehr große Kurzatmigkeit bei den relativ kurzen Formen, die wir haben. Die Arien haben alle eine Länge von drei bis fünf Minuten. Wir haben uns dann einfach dafür entschieden, richtige Schnitte zu setzen und bestimmte Szenen einfach auch herauszuschneiden, und ich hoffe, dass es funktioniert. Wir werden wahrscheinlich 3:15 Stunden brauchen, mit Pause.

Auf der Internet-Seite des Gärtnerplatztheaters heißt es, „Der geduldige Sokrates“ sei „ein bahnbrechendes Werk für die Entwicklung der deutschen komischen Oper“. Können Sie das etwas näher erläutern?
Es gab seinerzeit, als die Ur-Oper uraufgeführt wurde, 1721 in Hamburg, so eine Bewegung, wo sich eine Art Spieloper entwickelt hat, aus der Opera Seria, die die dominierende Form war, mit großen Da-Capo-Arien, mit einer Handlung, die keine Handlung war, wie man es um 1700 auch bei Vivaldi noch viel findet, wo eigentlich keine wirkliche dramatische Entwicklung stattfindet. Gerade in Hamburg in dieser Oper am Gänsemarkt, die Telemann 1721 auch als Musikdirektor dann übernommen hat, hat sich dann eine Form entwickelt, wo italienische Arien, auch viel Sentimentales zu hören war, aber das Ganze eingepackt in eine deutsche Handlung, und der Sokrates war da eine der ersten Opern. Zwar jetzt nicht unbedingt die erste Oper, aber so wie es bei Telemann ist – das ist ein unfassbar genialer Komponist, der mit sehr, sehr leichter Hand ein breitestes Spektrum an Klangfarben, an musikalischen Einflüssen in diese Oper einfließen lässt. Von daher macht es schon einen großen Effekt, diese Oper zu spielen. In der Zeit waren ja verschiedene musikalische Strömungen präsent. Es gab den französischen Stil, es gab den italienischen Stil, es gab auch den so genannten deutschen Stil. Es findet sich eigentlich ein bisschen was von allem darin, und das Ganze verbunden durch eine sehr interessante Art der Rezitativbehandlung, die sehr lyrisch ist auf eine Art, aber trotzdem auch viel Rasanz und Tempo darbietet. Und man muss natürlich sagen, dass Telemann ein ganz großer Humorist ist. Er hat einen unwahrscheinlichen Spaß an kleinen Effekten, die sich vielleicht dem Hörer nicht unbedingt erschließen, aber wie er Charaktere anlegt in ihren Arien, auch lustige Charaktere, ist absolut bemerkenswert. Von daher ist es schon ein bahnbrechendes Werk, denn das Prinzip „Komische Oper“, also ein Lustspiel in eigentlich eine Opera-Seria-Form zu bauen, das ist eine relativ neue Idee der Zeit, ja.

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Zu Lebzeiten war Telemann ein berühmter und äußerst erfolgreicher Komponist. In der heutigen Zeit wird er vergleichsweise selten aufgeführt. Können Sie sich das erklären?
Der gängige Vorwurf ist immer, Telemann war ein Vielschreiber, das stimmt; er hat wahnsinnig viel geschrieben, aber er hat auch sehr lange gelebt. Niemand würde auf die Idee kommen, Mozart als Vielschreiber zu bezeichnen. Natürlich hat Mozart unwahrscheinlich viel geschrieben, aber durch das vorzeitige Ableben konzentriert sich das Werk auf bestimmte Highlights. Bei Telemann hat man eine unfassbare Fülle von zahllosen Werken, die bis jetzt noch gar nicht editiert vorliegen, das heißt, die können gar nicht aufgeführt werden, oder man müsste dann noch sehr viel Forschung betreiben. Mir geht es immer so: Jede Nummer von Telemann, die ich aufschlage, begeistert mich. Ich habe bis jetzt wirklich noch kein einziges Stuück gesehen, was man so als Gebrauchsmusik oder Füll-Musik bezeichnen würde. Und das gilt für den Sokrates in ganz besonderem Maße. Die Barockmusik verschwand ja aus dem öffentlichen Bewusstsein eigentlich so nach 1750. Da wurde halt ein anderer Stil gepflegt, es war nicht mehr modern, da hat man es vergessen. Erst Mendelssohn hat ja mit dieser berühmten Matthäus-Passion-Aufführung eine Renaissance der Barockmusik angeregt, aber natürlich auf Bach konzentriert. Es hat sich interessanterweise in Deutschland die Forschung erst auf Bach und dann auf Schütz gestürzt und hat diese beiden Komponisten auf ein Podest gehoben, auf das sie zweifellos gehören – nur im direkten Vergleich und ohne genauere Kenntnis der ganzen musikgeschichtlichen Umgebung in der Zeit kann man eigentlich die Bedeutung von Telemann gar nicht einschätzen, vor allem, wenn man sein Werk nicht kennt oder nur sehr stümperhaft aufgeführt sieht. Jetzt ist es so: Wir sind ja heute im riesigen Vorteil, dass wir mittlerweile wieder sehr kompetent so eine Musik historisch informiert spielen können, oder wir wissen über viele Sachen Bescheid, und plötzlich wird Musik lebendig, die vorher vielleicht mit dem herkömmlichen Sinfonieorchester gespielt oder mit Klavier statt Cembalo oder so vielleicht leblos daherkommt und die Farbigkeit der Musik dadurch gar nicht so präsent ist, wie das eigentlich seinerzeit gemeint war. Von daher steht Telemann immer so ein bisschen kurz vor der großen Renaissance, aber ob es dazu kommt, das weiß ich nicht. Es kann auch sein, dass die große Welle der Barockmusik so langsam abebbt, aber ich finde es sehr, sehr spannend. Ich muss sagen, jede Nummer von Telemann, die ich entdecke, finde ich brillant.

Glauben Sie, dass diese Inszenierung ein Revival auslösen könnte?
(Lacht) Das kann ich jetzt nicht sagen. Es ist so: Die Arbeit an dem Werk macht dem Regisseur und mir unfassbar viel Spaß, und auch den Sängern, dem Orchester. Es wird mit viel Leidenschaft gearbeitet, es ist wirklich ein intensives Ringen um dieses Werk. Wir genießen es sehr, das Stück mal zu machen, und das ist natürlich schon mal etwas, wo man als Interpret erst mal ganz dankbar ist, dass man so etwas mit diesem herrlichen Sängerensemble hier anfassen darf und mit dem tollen Chor, den wir hier haben. Auch mit dem Regisseur natürlich einen Riesen-Glücksfall haben, dass der so kompetent in der Barockmusik steht, da er ja selber ein weltberühmter Interpret ist.

Nachdem Regisseur Axel Köhler  ja auch ein Barock-Experte ist: Macht das die Zusammenarbeit einfacher oder komplizierter?
Nein, das macht es natürlich unfassbar viel einfacher. Wir sprechen eine Sprache. Ich muss Axel nicht erklären, warum ich jetzt im Continuo statt des Cembalos mal nur die Laute spielen lasse oder so was. Das sind Sachen, die erklären sich von selber. Auch die Art, wie Rezitative gesungen werden, sind wir uns ganz einig gewesen. Auch die Art, wie Tempi gefunden werden. Man muss sich das ein bisschen vorstellen wie eine ganz große Baustelle, wo man erst mal gucken muss: Ich habe einen Haufen Bausteine, und die müssen jetzt alle zusammengefügt werden, damit ich ein harmonisches Ganzes habe. Wenn da Dirigent und Regisseur nicht zusammenarbeiten, kann das im besten Fall irgendwie funktionieren, aber richtig toll wird es halt nicht. Es ist nicht so, dass wir uns in allem hundertprozentig einig sind, aber da ist auch ein großer Respekt voreinander. Mir persönlich macht es Riesen-Spaß, mit Axel zu arbeiten.

Warum, glauben Sie, hat Telemann den Sokrates als Hauptfigur gewählt? Griechische Philosophie ist ja nicht wirklich ein Opernthema.
In der Barockzeit waren antike Themen natürlich schon beliebt. Für das belesene Bürgertum war Sokrates, wie beispielsweise der Trojanische Krieg, die Ilias, der griechische Pantheon, wie viele andere Sachen aus der Zeit, selbstverständlich bekannt und präsent. Die Kernhandlung, der Streit zwischen den beiden Frauen von Sokrates, der dort so für viel Stimmung sorgt, das ist tatsächlich auch in der Zeit schon kolportiert gewesen, und das war allgemeines Wissen. Der Bürger, der da in die Oper ging, der wusste schon, wer Plato war, Xenophon, Alkibiades, Aristophanes, die waren bekannt. Letztendlich ist es natürlich so: Wie heute einfach eine Oper in eine alltägliche Situation hineingeschrieben werden könnte – wie bei „Cavalleria Rusticana“, wie das Leben von einfachen Menschen beschrieben wird, oder ein Konflikt in einem einfachen Milieu oder im alltäglichen Milieu – das war zu der Zeit undenkbar. Es gab diese antiken Themen, aber die handelnden Figuren sind dann immer Adelige, Prinzen oder eben hochstehende Philosophen wie der Sokrates. Dieser Vergleich mit der Soap Opera, was ich gerade gesagt habe, so dieses Verbotene-Liebe-Prinzip. Letztendlich ist der Konflikt total alltäglicher Kram, was da abgehandelt wird. Es geht um Positionsfindung in einem Machtgefüge, es geht um Familienstreitigkeiten, um Eifersucht, um Entscheidungsarmut, eigentlich um ganz normale Dinge. Das, was uns jeden Tag beschäftigt. Wie werden wir wertgeschätzt, was ist mit Respekt voreinander, und so weiter und so fort. Wo ist meine Position in der Hierarchie, solche Fragen. Da spielt viel hinein, was ganz alltäglich ist: Liebe, Eifersucht, da ist alles drin. Nur eben in einem Milieu, das aber im Grunde genommen mehr der Vorwand ist für schöne Kostüme und schöne Musik.

Muss man sich vorbereiten vor dem Besuch des Opernabends?
Ich hoffe, dass man mit dem offenen Ohr den Abend genießen kann. Ich glaube nicht, dass es „wehtut“, sich vorher mal die Handlung durchzulesen. Wobei die Art, wie Axel Theater erzählt, glaube ich, sich schon sehr gut selber erzählt, so dass es einfach sehr sinnfällig ist. Ich hoffe, dass die Sänger bzw. dass wir so textverständlich arbeiten, dass man das unmittelbar auch genießen kann. Vorbereitung schadet ja nie für einen Opernbesuch, aber – ach Gott, nö. Glaube ich nicht.

Muss man Barockmusik mögen, um Spaß zu haben an dem Abend?
Wenn man jemals im Kirchenchor mal eine Bach-Kantate gesungen hat oder mal in der Johannes-Passion war oder Matthäus-Passion, oder man hört die Eurovisions-Hymne, was weiß ich, Barockmusik ist ja präsent wie nix. Vivaldi, Vier Jahreszeiten, das ist der Stil, den wir spielen. Das ist eigentlich genau der Stil. Wir versuchen auch, es mit italienischem Aplomb anzugehen, das Ganze, und der Sache ein bisschen Wucht zu verleihen. Es ist überhaupt nichts Spezialisiertes. Wir versuchen natürlich, spezialisiert zu spielen, aber wir spielen so, dass die Musik verständlich wird. Das ist das Ziel. Es ist immer so eine Kategorisierung, wo man sagt, also, hier, schön, Romantik, Puccini oder Verdi, oder auch Mozart oder Beethoven oder so, das ist schön, da gehe ich hin, da kann ich unmittelbar genießen. Auf der anderen Seite, wenn Neue Musik darauf steht, oder eine Uraufführung oder spezialisierte Barockmusik, irgendwie weckt das Ängste, obwohl ich das gar nicht verstehe. Es geht ja einfach darum, dass man diese Musik schön spielt und das es Spaß macht. Das passiert von selber, eigentlich.

Haben Sie noch ein Wunsch-Werk, das Sie gerne einmal dirigieren würden?
Es gibt Werke, die ich schon dirigiert habe, die ich unbedingt noch einmal machen möchte, mit anderen Möglichkeiten. Die h-Moll-Messe möchte ich unbedingt noch einmal machen. In der Oper gibt es viele Werke, die ich noch nicht dirigiert habe, wo ich mich einfach überraschen lasse, was noch so kommt in meinem Leben. Nein, kann ich eigentlich nicht sagen. Für mich ist es so: Jedes neue Werk, das ich anfange, vielleicht noch idealerweise eines, das ich noch nicht mal gehört habe oder so was, schafft für mich die Möglichkeit, auch eine sehr eigene Sprache zu finden für die Interpretation. Das ist etwas, was ich sehr reizvoll finde. Deswegen ist so ein unbekanntes Werk, oder auch eine Uraufführung, für mich immer eine schöne Sache.

Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Spielzeit 2011/2012 geben, was werden Sie da machen?
Wir spielen den Sokrates wieder, und der Chor hat einigermaßen anspruchsvolle Aufgaben – und was weiter passiert, weiß ich jetzt noch gar nicht so genau. Da müssen wir uns überraschen lassen.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch!

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