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Der Wildschütz, 23.1.2018, Gärtnerplatztheater

Schon bei der Ouvertüre wird dem Zuschauer klar, dass es an diesem Opernabend alles andere als brav zugeht. Auf den geschlossenen Vorhang wird bereits beim Einlass ein prächtiger Hirsch projiziert, der sich später mit einer Hirschkuh vergnügt. Und tatsächlich gehen manche Gags in dieser Inszenierung sehr unter die Gürtellinie.

Foto: Christian POGO Zach

Aber erst einmal ein paar Worte zum Stück: Der reife Schulmeister Baculus lässt sich und seine junge Braut Gretchen bereits eine Woche vor der Hochzeit feiner. Zumindest meint er das, denn seine Gattin in Spe scheint wenig angezogen von ihm und auch die Gäste verspotten das Paar. Dann erhält der Bräutigam auch noch einen Brief vom Grafen von Eberbach, der ihm sein Amt aberkennt. Gretchen hatte sich zur Hochzeit einen Wildbraten gewünscht und deshalb ging Baculus heimlich im Wald des Grafen auf die Jagd. Gretchen bietet sich an, bei dem Adeligen um Gnade zu bitten, doch der eifersüchtige Schulmeister schickt stattdessen einen vermeintlichen, sehr femininen Studenten, der die verkleidete Schwester des Grafen ist. Sie will heimlich den Mann kennen lernen, mit dem sie ihr Bruder verheiraten will. Dieser Anwärter gastiert gerade als Stallmeister getarnt im Schloss, wo ihm die Frau des Grafen verfällt. Dummerweise ist diese jedoch seine Schwester. So entsteht ein heiteres Verwirrspiel um Verkleidung und Gelüste, das jedoch auch denjenigen den Spiegel vorhält, die meinen, mit Macht und Geld alles erreichen zu können.
Georg Schmiedleitner zeigt uns hier eine wunderbar schräge Inszenierung und das im wahrsten Sinne des Wortes. Das minimalistische Bühnenbild mit langen weißen Vorhängen wird von einer überdimensionalen Schützenscheibe dominiert, die als Spielfläche genutzt wird, aber ebenso als großes Bild. Manchmal muss man die Darsteller und Statisten schon bewundern, dass sie sich bei der zeitweise sehr schiefen Spielfläche halten können. Lediglich das Schaukeln ist in manchen Szenen etwas störend, etwa wenn die Gräfin in beschriftetem Riesenkleid (eine absolut geniale Kostüm-Idee von Alfred Mayerhofer!) antike Tragödien rezitiert. Aber sonst ist es durchaus spannend, dass die Bühne des Gärtnerplatztheaters endlich einmal in einer Inszenierung zeigen darf, was sie kann. Da spielen die Darsteller gekonnt auf und mit der Drehbühne und der Chor samt Kinderchor taucht aus den Tiefen des Bühnenbodens auf. An Tempo fehlt es dieser Inszenierung also nicht! Trotzdem brauchen die Gags erst einmal ein wenig Zeit, um zu zünden. Manche Ideen wie die unnützen Hochzeitsgeschenke oder die Kinder, die ihren Lehrer mit Tafel-Schmierereien verspotten sind zwar witzig, im ersten Teil ist wird jedoch manchmal etwas zu viel Wert auf Slapstick und weniger auf das Vorantreiben der Handlung glegt. Dafür passt diese Übertreibung gerade nach der Pause wunderbar und lässt kaum ein Auge trocken. In der bereits erwähnten Szene mit de Gräfin und ihren Tragödien muss Martin Hausberg als Diener Pancratius mit Nebelmaschine und Donner-Blech über die Bühne fegen und die Billardpartie, die Graf von Eberbach und Baron Kronthal um das vermeintliche Gretchen austragen wird mit überdimensionalen Queues zum typisch männlichen Imponiergehabe mit eindeutig zweideutigen Anspielungen. Soweit sind die Herren der Schöpfung also nicht von dem brunftigen Zwölfender entfernt, der auf der Schützenscheibe thront.
In der Vorstellung am Dienstag feierte der Großteil der Besetzung seine Premiere und ich muss ein großes Lob aussprechen, dass ich selten eine deutsche Oper textlich so gut verstanden habe. Die Sprechpassagen wirken zwar manchmal etwas gekünstelt, doch das verzeiht man den Sängern angesichts des hervorragenden Spiels und vor allem einer grandiosen Mimik sehr gerne. Vor allem Liviu Holender als Graf von Eberbach und Martin Hausberg als Pancratius wirken aber auch in den Dialogen natürlich und vor allem urkomisch.

Foto: Christian POGO Zach

Natürlich werden beim Wildschütz vor allem Typen gezeigt, doch das ist in meinen Augen mehr als passend für eine Komödie. Vor allem das ständige Wetteifern der Männer ist die treibende Kraft der Inszenierung. Christoph Seidl ist ein herrlich eifersüchtiger Baculus, der genau weiß, dass er für Gretchen nur eine Notlösung ist und deshalb ihr gegenüber den strengen Lehrer denn den liebevollen Gatten mimt. Der Graf und der Baron sind zwar eigentlich Freunde, doch würden sie sich für ihre Triebe mit einem Lächeln auf den Lippen das Messer in den Rücken rammen. Holender und Alexandros Tsilogiannis geben die eitlen und stolzen Gockel, die aber schon eine Kleinigkeit aus dem Konzept bringt und sie dann doch ganz schnell zu leidenden Memme macht. Letztendlich sind es die Frauen, die die Zügel gekonnt in der Hand haben. Sophie Mitterhuber spielt ihren Bruder und den angeblichen Stallmeister, in den sie sich verliebt, gekonnt gegeneinander aus und gibt ihrer Figur dabei etwas liebevoll Schelmisches. Dagegen steht Anna Agathonos als – nicht mehr ganz so junge – Gräfin, die ganz genau weiß was sie will und nicht nur beim Theaterspielen das Zepter in die Hand nimmt.
Musikalisch kann man an niemandem etwas aussetzen, die Solisten und der Chor sind sowohl gesanglich wieder erstklassig und zeigen wieder jede Menge Spielfreude, die das Publikum ansteckt. Das Orchester begleitet dabei unter der (wie mir gesagt wurde sehr kurzfristigen) Leitung von Oleg Ptashnikov die Sänger mit viel Schwung.
Wer also Spaß an einer Komödie mit Irrungen und Wirrungen hat und auch vor etwas derberem Humor nicht zurückschreckt, ist bei beim Wildschütz im Gärtnerplatztheater bestens aufgehoben und kann sich auf einen amüsanten und musikalisch einwandfreien Abend freuen!

Foto: Christian POGO Zach

 

Dirigat: Oleg Ptashnikov
Regie: Georg Schmiedleitner
Choreografie: Ricarda Regina Ludigkeit
Bühne: Harald Thor
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Licht: Wieland Müller-Haslinger
Video: Raphael Kurig, Thomas Mahnecke
Choreinstudierung: Felix Meybier
Dramaturgie: David Treffinger

Graf von Eberbach: Liviu Holender
Die Gräfin, seine Gemahlin: Anna Agathonos
Baron Kronthal, Bruder der Gräfin: Alexandros Tsilogiannis
Baronin Freimann, Schwester des Grafen: Sophie Mitterhuber
Nanette, ihr Kammermädchen: Valentina Stadler
Baculus, Schulmeister: Christoph Seidl
Gretchen, seine Braut: Jasmina Sakr
Pankratius, Haushofmeister des Grafen: Martin Hausberg
Ein Hochzeitsgast: Thomas Hohenberger

Chor, Kinderchor Orchester und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Weitere Termine: 30.01. / 16.02. / 23.02. / 09.03. / 04.04. / 17.04. / 02.06. um 19.30 Uhr; 11.02. um 18 Uhr

https://www.gaertnerplatztheater.de/de/produktionen/wildschuetz.html/m=345

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