Die nächste und zugleich letzte (I stand corrected: vorletzte) Premiere im Gärtnerplatztheater vor dem großen Umbau ist eine Oper von Detlev Glanert mit einem Libretto von Werner Fritsch und Uta Ackermann. Sie handelt von Joseph Süß Oppenheimer, Geheimer Finanzrat am Hofe des württembergischen Herzogs Karl Alexander, wurde 1999 in Bremen uraufgeführt. Die Premiere wird die 6. Inszenierung dieses Stückes sein, was für eine moderne Oper schon ganz beachtlich ist.
Hört man den Namen des Protagonisten, so muss man fast unweigerlich an den unsäglichen Propagandafilm von Veit Harlan denken. Doch nicht erst im 3. Reich ist der markanten Figur Unrecht getan worden. Er fiel einem Justizmord zum Opfer, ausgelöst durch Intrigen und seine Prunksucht und dem Wunsch, geadelt zu werden. Glanert und seine Librettisten versuchen nicht, ihn zu idealisieren, sondern ihn als Menschen mit Licht- und Schattenseiten zu zeigen. Die Oper beginnt mit der Kerkerszene, zu der sie auch immer wieder zurückkehrt. Dazwischen gibt es Rückblicke ins Leben Joseph Süß’. Dies greift auch das Bühnenbild des bekannten Bühnenbildners Peter Sykora auf. Er unterteilt die Bühne mit Stelen, die die verschiedenen Räume begrenzen und gleichzeitig aber Durchblicke erlauben. So soll man, auch wenn die Handlung zum Beispiel in der Wunderkammer von Süß spielt, immer an den Kerker erinnert werden. Das Bühnenbild ist wohl eher zeitlos, während die ebenfalls von Sykora stammenden Kostüme eindeutig der Zeit des Geschehens zuzuordnen sind. Der Regisseur Guy Montavon, gebürtiger Schweizer und derzeit Intendant in Erfurt, kann sicher als die beste Wahl angesehen werden. Einerseits kann er als Nichtdeutscher unbefangener an den Stoff gehen, andererseits wird in seinem Opernhaus seit 10 Jahren jedes Jahr ein Werk uraufgeführt, er ist also mit neuer Musik bestens vertraut. Trotzdem habe er gezögert, berichtete er, nicht wegen Glanert, den er als einen der größten lebenden Komponisten bezeichnet hat, sondern wegen der schwierigen Thematik. Er zeigte sich begeistert von Komposition und Libretto, insbesondere die Chorteile hob er hervor. Aber auch Joseph Süß, der inmitten all der Hektik lyrisch und nobel seinem Ende entgegen gehe. Gary Martin, der die Partie übernommen hat, sang begleitet von Anke Schwabe am Flügel, zwei wirklich sehr schöne Beispiele. Ein weiterer musikalischer Beitrag kam von Karolina Andersson, die die Graziella singt. Montavon bezeichnete sie als comic relief, als Hofopernsängerin zeige sie die Relation zum Theater. Bezüge zum 3. Reich habe er weitgehend vermieden, die Ausgrenzung wegen Religionszugehörigkeit sei nicht zeitgebunden. Deutlich werde dieser Bezug allerdings beim Blick in den Orchestergraben, dort fehlen ganze Instrumentengruppen wie Hörner oder Streicher. Dies war nach 1933 ein häufiges Bild, da die Musiker jüdischer Abstammung Berufsverbot hatten und deshalb im Graben fehlten.
Der Komponist Detlev Glanert wird die Endproben begleiten und auch zur Premiere anwesend sein. Nach anfänglicher Skepsis hat mich dieser Vormittag überzeugt, dass es ein spannender Theaterabend wird. Die Vorstellung dauert rund 90 Minuten, außer bei der Premiere gibt es eine halbe Stunde vor Beginn eine Einführung, die man wohl nicht versäumen sollte.
Letzte Kommentare