Wenn einer eine Reise tut, dann geht er in n die Oper. Das ist in Spanien nicht immer ganz leicht und auf Gran Canaria schön gar nicht. Aber jetzt hatte ich das Glück, dass das schöne Theater Pérez Galdós in Las Palmas bespielt wurde. Den Wink des Schicksals muss man nutzen. Die Handlung ist schnell erzählt: Vater stört Liebespaar, kommt im Handgemenge um, Liebhaber wird verfolgt, am Ende kommt der Tod. Klingt wie Don Giovanni, war aber La Forza del Destino.
Diese Verdi-Oper stand bei mir in den letzten gut 30 Jahren, die ich regelmäßig ins Theater gehe, noch nicht auf dem Programm. Es wurde also Zeit, diese herrliche Musik zu genießen. Dazu in diesem wunderschönen Theater. Die Inszenierung wirkte etwas sehr statisch. Vielleicht lohnt sich für 3 Vorstellungen auch eine lange Probenzeit nicht? Das Bühnenbild bestand aus einem in die Unendlichkeit laufenden karierten Boden. Einzelne Karos wurden angestrahlt, so wussten die Sänger, wo sie zu stehen hatten. An der Decke wiederholte sich das Ganze, wobei diese in einer Szene überdimensionale Stifte herunterließ, ein anderes Mal ein in Karoresten leuchtendes Kreuz, und die sich zum Schluss in einige Puzzleteile auflöste. Das war schon beeindruckend. Bis auf ein paar Hocker oder Bänke sowie einen Karokäfig blieb die Bühne ansonsten leer. Nur einige schwarzmaskierte Statisten, die auch einmal am Bühnenrand Irgendetwas um warfen, waren stets präsent. Es war also ratsam, sich die Handlung vorher anzueignen. Im Gegensatz zu dieser modernen Bühnenbildgestaltung waren die Kostüme im Stil der Renaissance gehalten. Die Handlung ist im Barock angesiedelt …
Sae Kyung Rim als Leonora strahlte gesanglich. Das kannte ich schon von ihrer Aida im Prinzregententheater. Aquiles Machado als Don Alvaro war der stimmlich passende Partner. Die Stimme von Sergey Murzaev war mir für den Don Carlo zu alt. Alle drei bekamen regelmäßig Szenenapplaus. Auch die kleinen Rollen waren gut besetzt und der Chor rundete alles harmonisch ab. Fantastisch war der Liveklang, den ich insbesondere bei Operetten immer mehr vermisse.
Besucht wurde die Premiere von La Forza del Destino im Teatro Pérez Galdós in Las Palmas de Gran Canaria.
Sae Kyung RIM – Leonora
Aquiles MACHADO – Don Alvaro
Sergey MURZAEV – Don Carlo
In Sung SIM – Guardiano
Pietro SPAGNOLI – Fra Melitone
Belén ELVIRA – Preziosilla
Jeroboám TEJERA – Marquese/Alcaide
Andrea GENS – Curra
Francisco NAVARRO – Trabucco
Elu ARROYO – Chirurgo
Sergio ALAPONT – Dirección musical (musikalische Leitung)
Alfonso ROMERO – Dirección escénica (Regie)
Carlos SANTOS – Escenografía (Bühnenbild)
Sergio PALADINO – Asistente de dirección de escena y de movimiento escénico
José FERNÁNDEZ “Txema”- Iluminador
Laïla BARNAT- Repertorista
Laura NAVARRO – Regiduría general y Jefa de escenario
ORQUESTA FILARMÓNICA de GRAN CANARIA
CORO de la ÓPERA de LAS PALMAS DE GRAN CANARIA
Olga SANTANA – Dirección (Chorleiterin)
Am zweiten Tag meiner großen Kulturwoche zog es mich diesmal in sehr vertrautes Gelände, den Theatersaal der Seniorenresidenz Augustinum im Münchner Norden. Tatsächlich stehe ich dort mehrmals im Jahr selbst auf der Bühne. Doch für den bunt gemischten Opernabend des Theater Werks München, einer Organisation die Schauspieler bei der Weiterbildung unterstützt, saß ich zum ersten mal im Zuschauerraums dieses großen und akustisch sehr guten Theatersaals.
Foto: Holger Borggrefe
Das Ensemble war bunt gemischt mit verschiedenen Altersstufen, Stimmlagen und Typen, einige der Sänger hatten für dieses szenische Konzert eine neue Rolle für ihr Repertoire einstudiert, vor allem aus Verdis Rigoletto wurde deshalb viel geboten (das bekanntlich auf Le roi s’amuse von Victor Hugo basiert).
Eröffnet wurde der Abend aber zunächst mit einem mir sehr bekannten und lieben Operetten-Stück, „Zwei Märchenaugen“ aus der Zirkusprinzessin, in dem die Akteure des Abends sich vorstellten. Das Zirkusthema war aber am Rest des Programms kaum noch zu erkennen, abgesehen von dem Narren Rigoletto. Begleitet wurde der Abend von einer Puppenspielerin mit Handpuppen, die zwar putzig anzusehen waren, deren Sinn sich mir persönlich jedoch kaum erschlossen hat, da nur sehr wenig Interaktion zwischen den Puppen und den Darstellern stattfand und man sich auf der großen Bühne schwer auf zwei verschiedene Dinge konzentrieren kann.
Musikalisch und spielerisch war dieses Konzert jedoch mit der Begleitung durch Pianistin Elena Arnovskaya sehr sehens- und hörenswert. Die Requisiten und das Bühnenbild waren sehr minimalistisch, was den Übergang zwischen mehreren Szenen sehr vereinfachte. Auch bei vielen Kostümen wurde nur mit kleinen Details eine Rolle dargestellt, etwa mit einer Augenklappe für Wotan oder einen Schild für Fricka in einer Szene aus Wagners Walküre.
Besonders beeindruckend waren die Darbietungen aus Rigoletto, vor allem die Szenen zwischen dem Titelhelden – dargestellt von Omar Garrido – und Isabella Schmitt als dessen Tochter Gilda, mit deren dramatischen Tod auch der Konzertabend endete. Beide konnten die Vater-Tochter-Beziehung mit viel Emotion und gesanglichem Geschick darstellen. Auch der Bariton Benoit Pitre konnte das Publikum als Méphistophélès aus Faust und Lindorf aus Hoffmans Erzählungen in seinen Bann ziehen.
Foto: Holger Borggrefe
Bei dieser Reise durch die Opern- und Operettenwelt konnten die zwölf internationalen Sänger also durchweg überzeugen und ließ es sich auch nicht anmerken, dass einzelne im Publikum scheinbar etwas überfordert waren und die Arien und Szenen mit Kommentaren und dem Rascheln von Bonbonpapier ergänzen wollten. Ich als Fan der Opernmusik hatte jedoch einen wundervollen Abend.
Sänger: Omar G. Garrido, Isabell Schmitt, Adam Sanchez, Martha O’Hara, Loren Madrid, Michael Baba, Denise Seyhan, Benoit Pitre, Ekaterina Kardakova, Roland Albrecht, Annette Lubosch, Frits Kamp
Schauspieler: Thomas Höltzel, Oleg Tynkov, Gertraud Loibl, Ulrich Naumann, Horst Kalchschmid
Klavier: Elena Arnovskaya
Figurentheater: Mariana Browne
Violine: Cristian Roibu
Regie: Kristina Wuss
Musikalische Leitung: Andreas Pascal Heinzmann
Vocalcoach: Ks. Felicia Weathers
Wenn man eine Oper schon mehr als zwei Dutzend Mal gesehen hat und auf einmal einen ganz neuen Aspekt darin entdeckt, dann sind das genau die Sternstunden, für die es sich lohnt, Zeit und Geld zu investieren und Stücke mehrfach – sogar in derselben Inszenierung – zu sehen. So geschehen gestern in der Bayerischen Staatsoper mit “Madama Butterfly” von Puccini.
Altbekannte Handlung voller Schmalz und Herzschmerz: Amerikanischer Marineoffizier heiratet auf japanische Art (Scheidung jederzeit ohne Umstände oder Formalitäten durch einfaches Verlassen der Ehefrau möglich) eine Geisha aus einer guten, aber verarmten Familie. Problem bei der Sache ist nur, das das junge Mädchen sich ernsthaft in den Ausländer verliebt hat und voller Treue an der Beziehung festhält, auch längst, nachdem dieser wieder nach Amerika abgereist ist, “um eine echte Amerikanerin zu heiraten”. Operndramaturgisch bleibt ihr nur der Freitod, denn “in Ehren sterbe, wer nicht in Ehren leben kann”.
Die Münchner Inszenierung von 1973 gibt durch viele Knickse und gefaltete Hände eigentlich eine unterwürfige und stets lächelnde Cio Cio San vor – umso erstaunlicher, wie es die südamerikanische Sopranistin María José Siri trotzdem schafft, ihre Butterfly durchaus selbstbewusst zu gestalten: Als ein Mädchen mit Prinzipien und Werten, die auch die Konsequenzen zu tragen bereit ist. Von der Familie verstoßen gibt sie in ihrem Stolz auch dem Werben des reichen Yamadori nicht nach, weil sie felsenfest davon überzeugt ist, dass ihre Ehe mit Pinkerton – obwohl in Japan geschlossen – Bestand hat. Was oft (gerade in dieser Inszenierung) als kindliche Naivität und Trotzköpfigkeit dargestellt wird, macht Maria José Siri in einer anderen Deutung absolut plausibel. So wie sie singt, ist Cio Cio San nicht das unbedarfte Mädchen, das zu Unterwürfigkeit erzogen wurde, sondern eine junge Frau, die sich konsequent für ihren Geliebten entscheidet, wohl wissend, dass ihr dieser nicht dieselben tiefen Gefühle entgegenbringt wie sie ihm. Eine junge, mutige Frau, die mit stolz erhobenem Haupt die Demütigungen ihrer Familie und der Gesellschaft trägt, bis hin zum Tod. Absolut sicher in allen Stimmlagen verleiht Maria José Siri der Figur unglaubliches Leben und überzeugt auf ganzer Linie.
Zweite Überraschung an diesem Abend war die Interpretation des B. F. Pinkerton durch den sibirischen Tenor Alexey Dolgov. Noch nie habe ich einen so wenig “schön gesungenen” Pinkerton gehört wie gestern. Zunächst war ich befremdet und vermisste weiches Timbre und italienische Tenorseligkeit. Aber schon bald wich dieses Befremden der Erkenntnis: Dieser Pinkerton ist ein Eisklotz, rücksichtslos und mit Prinzipien: America for ever! (Er hätte genausogut “America first” singen können…) Da passt eine Japanerin nicht als Ehefrau. Und schmachtende Töne eben auch nicht. Alexey Dolgov gibt einen knallharten Typen, der sich nicht im Ansatz bemüht, die kulturelle Verschiedenheit zwischen Amerika und Japan auch nur zu sehen, geschweige denn, sich darauf einzulassen. So hochmütig und fast schon verächtlich habe ich noch keinen Sänger mit den Ahnenfigürchen der Butterfly herumspielen gesehen – darstellerisch und stimmlich. Genauso rücksichtslos wie er mit den Gefühlen von Cio Cio San spielt ist er am Ende auch gegen sich selbst. In der einzigen Arie zeigt Alexey Dolgov, dass er durchaus “schön” kann – kurz erlaubt es der Sänger seiner Figur, auch mal Gefühl zu zeigen (Addio, fiorito asil), aber es ist nur eine Traumwelt, die er ja nie so zulassen konnte. Der Mut, den Butterfly von Anfang an hatte, den hat dieser Pinkerton nie besessen. “Ich bin ein Feigling” … bei Dolgov könnte der Text genauso lauten “ich bin ein Arschloch”.
Gewohnt mitfühlend war die großartige Okka von der Damerau als Suzuki. Matthew Grills legt seinen Goro als spitzbübischen Kuppler an, der jedoch tiefes Mitgefühl für Cio Cio San zeigt – mehr als ich es bisher bei dieser Rolle wahrgenommen habe.
Daniele Callegari leitete das Bayerische Staatsorchester souverän und mit typisch italienischem Schwung, immer vorwärtsdrängend und nie langweilig, er gibt den Orchestersolisten den nötigen Raum, nicht nur mit den Kollegen im Graben, sondern mit der Bühne zu kommunizieren.
Insgesamt ein herrlicher Abend, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Bravi tutti!!!
Nur noch 26. und 30.01.2018, jeweils 19 Uhr in der Bayerischen Staatsoper (Restkarten).
Musikalische Leitung Daniele Callegari
Inszenierung Wolf Busse
Bühne Otto Stich
Kostüme Silvia Strahammer
Chor Stellario Fagone
Cio-Cio-San Maria José Siri
Suzuki Okka von der Damerau
B. F. Pinkerton Alexey Dolgov
Kate Pinkerton Niamh O’Sullivan
Sharpless Levente Molnár
Goro Nakodo Matthew Grills
Der Fürst Yamadori Sean Michael Plumb
Onkel Bonzo Peter Lobert
Yakusidé Oleg Davydov
Der Kaiserliche Kommissär Boris Prýgl
Dieses Video zeigt zwar nicht die Inszenierung der Bayerischen Staatsoper, aber man kann sich einen guten Eindruck von der Sängerpersönlichkeit von Maria José Siri machen.
Schon bei der Ouvertüre wird dem Zuschauer klar, dass es an diesem Opernabend alles andere als brav zugeht. Auf den geschlossenen Vorhang wird bereits beim Einlass ein prächtiger Hirsch projiziert, der sich später mit einer Hirschkuh vergnügt. Und tatsächlich gehen manche Gags in dieser Inszenierung sehr unter die Gürtellinie.
Foto: Christian POGO Zach
Aber erst einmal ein paar Worte zum Stück: Der reife Schulmeister Baculus lässt sich und seine junge Braut Gretchen bereits eine Woche vor der Hochzeit feiner. Zumindest meint er das, denn seine Gattin in Spe scheint wenig angezogen von ihm und auch die Gäste verspotten das Paar. Dann erhält der Bräutigam auch noch einen Brief vom Grafen von Eberbach, der ihm sein Amt aberkennt. Gretchen hatte sich zur Hochzeit einen Wildbraten gewünscht und deshalb ging Baculus heimlich im Wald des Grafen auf die Jagd. Gretchen bietet sich an, bei dem Adeligen um Gnade zu bitten, doch der eifersüchtige Schulmeister schickt stattdessen einen vermeintlichen, sehr femininen Studenten, der die verkleidete Schwester des Grafen ist. Sie will heimlich den Mann kennen lernen, mit dem sie ihr Bruder verheiraten will. Dieser Anwärter gastiert gerade als Stallmeister getarnt im Schloss, wo ihm die Frau des Grafen verfällt. Dummerweise ist diese jedoch seine Schwester. So entsteht ein heiteres Verwirrspiel um Verkleidung und Gelüste, das jedoch auch denjenigen den Spiegel vorhält, die meinen, mit Macht und Geld alles erreichen zu können.
Georg Schmiedleitner zeigt uns hier eine wunderbar schräge Inszenierung und das im wahrsten Sinne des Wortes. Das minimalistische Bühnenbild mit langen weißen Vorhängen wird von einer überdimensionalen Schützenscheibe dominiert, die als Spielfläche genutzt wird, aber ebenso als großes Bild. Manchmal muss man die Darsteller und Statisten schon bewundern, dass sie sich bei der zeitweise sehr schiefen Spielfläche halten können. Lediglich das Schaukeln ist in manchen Szenen etwas störend, etwa wenn die Gräfin in beschriftetem Riesenkleid (eine absolut geniale Kostüm-Idee von Alfred Mayerhofer!) antike Tragödien rezitiert. Aber sonst ist es durchaus spannend, dass die Bühne des Gärtnerplatztheaters endlich einmal in einer Inszenierung zeigen darf, was sie kann. Da spielen die Darsteller gekonnt auf und mit der Drehbühne und der Chor samt Kinderchor taucht aus den Tiefen des Bühnenbodens auf. An Tempo fehlt es dieser Inszenierung also nicht! Trotzdem brauchen die Gags erst einmal ein wenig Zeit, um zu zünden. Manche Ideen wie die unnützen Hochzeitsgeschenke oder die Kinder, die ihren Lehrer mit Tafel-Schmierereien verspotten sind zwar witzig, im ersten Teil ist wird jedoch manchmal etwas zu viel Wert auf Slapstick und weniger auf das Vorantreiben der Handlung glegt. Dafür passt diese Übertreibung gerade nach der Pause wunderbar und lässt kaum ein Auge trocken. In der bereits erwähnten Szene mit de Gräfin und ihren Tragödien muss Martin Hausberg als Diener Pancratius mit Nebelmaschine und Donner-Blech über die Bühne fegen und die Billardpartie, die Graf von Eberbach und Baron Kronthal um das vermeintliche Gretchen austragen wird mit überdimensionalen Queues zum typisch männlichen Imponiergehabe mit eindeutig zweideutigen Anspielungen. Soweit sind die Herren der Schöpfung also nicht von dem brunftigen Zwölfender entfernt, der auf der Schützenscheibe thront.
In der Vorstellung am Dienstag feierte der Großteil der Besetzung seine Premiere und ich muss ein großes Lob aussprechen, dass ich selten eine deutsche Oper textlich so gut verstanden habe. Die Sprechpassagen wirken zwar manchmal etwas gekünstelt, doch das verzeiht man den Sängern angesichts des hervorragenden Spiels und vor allem einer grandiosen Mimik sehr gerne. Vor allem Liviu Holender als Graf von Eberbach und Martin Hausberg als Pancratius wirken aber auch in den Dialogen natürlich und vor allem urkomisch.
Foto: Christian POGO Zach
Natürlich werden beim Wildschütz vor allem Typen gezeigt, doch das ist in meinen Augen mehr als passend für eine Komödie. Vor allem das ständige Wetteifern der Männer ist die treibende Kraft der Inszenierung. Christoph Seidl ist ein herrlich eifersüchtiger Baculus, der genau weiß, dass er für Gretchen nur eine Notlösung ist und deshalb ihr gegenüber den strengen Lehrer denn den liebevollen Gatten mimt. Der Graf und der Baron sind zwar eigentlich Freunde, doch würden sie sich für ihre Triebe mit einem Lächeln auf den Lippen das Messer in den Rücken rammen. Holender und Alexandros Tsilogiannis geben die eitlen und stolzen Gockel, die aber schon eine Kleinigkeit aus dem Konzept bringt und sie dann doch ganz schnell zu leidenden Memme macht. Letztendlich sind es die Frauen, die die Zügel gekonnt in der Hand haben. Sophie Mitterhuber spielt ihren Bruder und den angeblichen Stallmeister, in den sie sich verliebt, gekonnt gegeneinander aus und gibt ihrer Figur dabei etwas liebevoll Schelmisches. Dagegen steht Anna Agathonos als – nicht mehr ganz so junge – Gräfin, die ganz genau weiß was sie will und nicht nur beim Theaterspielen das Zepter in die Hand nimmt.
Musikalisch kann man an niemandem etwas aussetzen, die Solisten und der Chor sind sowohl gesanglich wieder erstklassig und zeigen wieder jede Menge Spielfreude, die das Publikum ansteckt. Das Orchester begleitet dabei unter der (wie mir gesagt wurde sehr kurzfristigen) Leitung von Oleg Ptashnikov die Sänger mit viel Schwung.
Wer also Spaß an einer Komödie mit Irrungen und Wirrungen hat und auch vor etwas derberem Humor nicht zurückschreckt, ist bei beim Wildschütz im Gärtnerplatztheater bestens aufgehoben und kann sich auf einen amüsanten und musikalisch einwandfreien Abend freuen!
Foto: Christian POGO Zach
Dirigat: Oleg Ptashnikov
Regie: Georg Schmiedleitner
Choreografie: Ricarda Regina Ludigkeit
Bühne: Harald Thor
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Licht: Wieland Müller-Haslinger
Video: Raphael Kurig, Thomas Mahnecke
Choreinstudierung: Felix Meybier
Dramaturgie: David Treffinger
Graf von Eberbach: Liviu Holender
Die Gräfin, seine Gemahlin: Anna Agathonos
Baron Kronthal, Bruder der Gräfin: Alexandros Tsilogiannis
Baronin Freimann, Schwester des Grafen: Sophie Mitterhuber
Nanette, ihr Kammermädchen: Valentina Stadler
Baculus, Schulmeister: Christoph Seidl
Gretchen, seine Braut: Jasmina Sakr
Pankratius, Haushofmeister des Grafen: Martin Hausberg
Ein Hochzeitsgast: Thomas Hohenberger
Chor, Kinderchor Orchester und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Weitere Termine: 30.01. / 16.02. / 23.02. / 09.03. / 04.04. / 17.04. / 02.06. um 19.30 Uhr; 11.02. um 18 Uhr
Es gibt wenig, was bei mir untrennbar mit Weihnachten verbunden ist: Wiener mit Kartoffelsalat und dem höllisch scharfen Kren aus dem Garten meines Opas und ein Besuch der Aufführung von Hänsel und Gretel im Gärtnerplatztheater am 23.12., meistens gleich beide Vorstellungen.
Damit klappt es zwar auch in diesem Jahr nicht, aber immerhin steht nach fünf Jahren ohne die Wiederaufnahme dieses zauberhaften Stückes an. Manche finden sie kitschig, aber im Gegensatz zu allen anderen Inszenierungen, die ich bisher gesehen habe, die Neuinszenierung an der Bayerischen Staatsoper, in Covent Garden und an der Komischen Oper, wird hier nichts reininterpretiert, was nicht da ist. Auch wenn ich der Meinung bin, dass diese Oper nicht wirklich kleinkindgerecht ist, weil sie erstens einfach zu lang und zweitens von der Musik für Kinder nicht unbedingt ansprechend ist, sollte man als Regisseur schon darauf Rücksicht nehmen, dass es in den allermeisten Fällen als Familienstück beworben wird und keine Kinderleichen im Kühlschrank wie Schlachtvieh auf der Bühne zeigen. Die Inszenierung nach Peter Kerz, die am Gärtnerplatztheater gezeigt wird, ist märchenhaft und sehr atmosphärisch. Insbesondere der Abendsegen hat es mir hier angetan, das ist einfach nur ein wunderschönes Bild.
Deshalb freue ich mich sehr, dass dieses Stück wieder auf dem Spielplan steht. Und weil ich mich so gefreut habe, habe ich mir aus Versehen eine Karte für eine Vorstellung doppelt gekauft. Und damit ihr Euch auch ein Bild machen könnt, verlose ich eine Karte für die Vorstellung am 17.12.2017 um 15 Uhr. Ein bisschen Stehvermögen müsst ihr mitbringen, denn es handelt sich um einen Stehplatz. Die Sicht ist aber sehr gut und die Akustik auch. Alles, was ihr dafür tun müsst, ist bis zum Samstag 16.12.2017, 10 Uhr folgende Frage zu beantworten:
Von wem stammt die Musik zu Hänsel und Gretel?
Schickt mir Eure Antwort einfach per Kontaktformular mit Angabe Eures Namens und einer Telefonnummer, die Übergabe erfolgt dann vor der Vorstellung.
Seit einigen Jahren sind die Produktionen der Sarré Musikprojekte bekannt für ihre einzigartige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Musiktheaterbereich. Mit der diesjährigen Weihnachtsproduktion Zauberflöte für Familien übertreffen sie jedoch alles bisher dagewesene.
Eine Oper, die nicht für Kinderstimmen geschrieben ist, nur mit Kindern und Jugendlichen aufzuführen, geht das überhaupt? Verena Sarré und Regisseurin Julia Riegel haben es gewagt und herausgekommen ist eine phänomenale Produktion, bei der selbst gestandene Opernbesucher eine Gänsehaut bekommen haben, weil sie diesen Moment erleben durften. Oder wie soll man es anders beschreiben, wenn eine Jugendliche eine fast perfekte erste Arie der Königin der Nacht singt, verstärkt zwar, aber ansonsten absolut großartig.
Die technische Seite war zwar noch etwas ausbaufähig, aber das wurde durch die Spielfreude der jungen Darsteller und die entzückende Inszenierung wieder wettgemacht. Man merkt dass sowohl Frau Sarré wie auch Julia Riegel gerne mit jungen Menschen arbeiten und sich voll auf sie einlassen können. Das Stück wurde leicht gekürzt und behutsam modernisiert, um es der heutigen Lebenswelt der jungen Generation anzupassen. Da sieht ein Prinz Tamino dann aus, als ob er gerade dem nächsten Manga entstiegen wäre und ein Monostatos hat etwas gollumhaftes an sich. Beides passt aber hervorragend ins Stück. Überhaupt sind die Kostüme von Eva-Maria Beldig sehr schön und passend, genau wie das einfache, aber wandlungsfähige Bühnenbild von Caroline Neven Du Mont.
Regisseurin Julia Riegel machte aus einem (wenn wir ehrlich sind) manchmal etwas langatmigen Stück einen kurzweiligen Abend, der aber trotzdem zum Nachdenken anregte. Jung und alt wurden gleichermaßen angesprochen und schon allein das ist eine sehr schwierige Aufgabe.
Eine sehr gute Idee fand ich, die Rollen der Damen, Sklaven, Priester und Knaben mit mehreren Kindern zu besetzen, so hatte man einerseits mehr Tiefe und andererseits konnte man mehr Kinder in die Produktion einbinden. Die Hauptrollen waren durchweg gut bis sehr gut besetzt. Allen gemeinsam war, dass sie sehr gut darstellten und auch wussten was sie darstellten. Insofern kann man die Vorbereitung dieser außergewöhnlichen Produktion gar nicht hoch genug loben.
Man kann nur hoffen, dass die fünf Vorstellungen vor Weihnachten nicht die Einzigen bleiben, denn diese zauberhafte Zauberflöte hat große Aufmerksamkeit verdient.
Mitwirkende:
Sarastro Simon Riegel
Königin Arabella Wäscher
Tamino Stefan Genevaux
Pamina Laetitia Stemp
Papageno Jonas Schleuning
Papagena Rosalie Zwenzner
Monostatos Lorin Wäscher
Sprecher Leonard Dick
Damen, Sklaven und Priester, Knaben und Knäbinnen: Kinder und Jugendliche der Sarré Musikprojekte & Akademie
[singlepic id=2128 float=left]Letztens beschwerte sich doch jemand in meiner Timeline, dass im August in München kulturell nix los wäre. Hat anscheinend noch nie was von der Oper in der Pasinger Fabrik oder der Kammeroper München gehört, die am 27.8. wieder Premiere mit La Finta Semplice haben. Und von Kristina Wuss.
Eine Spezialität der jungen Regisseurin ist es, die oft ungewöhnlichen Räume in ihre Inszenierungen miteinzubeziehen, in diesem Fall die die ehemalige Kommandozentrale der Münchner Feuerwehr. Leicht vergammelte Hallen, eine Bibliothek, ein Waschraum (mit einer fantatstischen Akustik), eine Kommandozentrale. Das Publikum lies sich neugierig an die verschiedenen Orte führen, geleitet von Escamillo oder dem Chor, schaute durchs Fenster auf die Szene. Dazu kam eine hervorragende Personenführung, angepasst an die Örtlichkeit und die ausgewählte Szene. Neben Opern von Puccini von Le Villy bis Madama Butterfly gab es auch Arien und Duette aus Carmen, Nabucco, Cenerentola, Manon, I Capuleti e i Montecchi, La Gioconda und La Wally. Mit über dreieinhalb Stunden Spieldauer war das Opernpasticcio ein Tick zu lang, es war zwar jede Szene für sich hervorragend gesungen und gespielt, aber hier hätte vielleicht doch etwas gekürzt werden können. Besonders spannend fand ich, dass alles relativ offen war und außen herum das Leben des Viertels unbeeindruckt weiterging. Das nenne ich mal gelunge Integration von Kultur in den Alltag.
Die Klammer bildeten Auszüge Wilhelmine von Hillerns Roman Die Geierwally und Nüsse. Waren das die harten Schalen, von denem im Programmheft die Rede war? Einige der Charaktere trugen ihre wie Monstranzen vor sich her, andere warfen sie zornig zu Boden und zertraten sie. Stoff für Diskussionen gab es genug an diesem Abend.
Besonders beeindruckend war die sängerischen Leistungen an diesem Abend. Einundzwanzig Sänger und Sängerinnen boten an diesem Abend eine durchgängig sehr gute Leistung, Zu den Höhepunkten zählte Astrid Mathyshek als Angelina in La Cenerentola und Elsa Kodeda als Butterfly.
Leider gibt es für die letzte Vorstellung am 4.8. nur noch wenige Karten und Zusatztermine sind trotz des gewaltigen Ansturms und der Begeisterung des Publikums nicht geplant.
Astrid Mathyshek, Lenka Möbius, Manolito Mario Franz, Melanie C. Horner, Anne Funk Hansen, Roland Albrecht, Verena Barth, Oscar Quezada, Elsa Kodeda, Joachim Fuchs, Ingrid Zacharias, Adrian Berthely, Denise Felsecker, Jessica Mechtulinsky, Susanne Luise Spahn, Doris S. Langara, Nicola Cembalo, Benjamin Hirt, Frits Kamp, Barbara Poseck, Veronika Benning, mit Kunstwerken von Jörg Besser, Torsten Mühlbach, Stanislav Vajce, Münchner Premiere Maschinenwesen foolpool.de, Erzähler Jochen Striebeck
Leitung: Max Auerbach Musikalische Leitung: Julio Mirón Inszenierung: Kristina Wuss Kostüm: Ralf Rainer Stegemann Lichtdesign: Michael Pichlbauer, Sascha Tillard Produktionsleitung: Agnes Burger
Service / Pressekontakt werkmünchen
Kristina Wuss, Dachauer Straße 112d, 80636 München,
[singlepic id=2042 w=320 h=240 float=left]2012 mit der Götterdämmerung quasi von hinten begonnen, fand der Dessauer Ring an diesem Abend mit einer intelligenten und humorvollen Inszenierung von Rheingold seinen zum Gesamtkonzept passenden Abschluß.
Regisseur und scheidender Staatsintendant André Bücker hat auch hier das Konzept des Rings – Bauhauselemente als Reminiszenz an den Aufführungsort und die Geschichte der Medien – konsequent umgesetzt. Spielte die Walküre noch zur Hochzeit des Filmes, wurde das Rheingold an den Beginn der bewegten Bilder verlegt. Die Rheintöchter befinden sich in einem Zootrop, einer bewegten Bildergeschichte gleich wirken ihre Bewegungen und immer wieder blitzt das Gold auf, um das sich alles dreht. Die Bühne (Jahn Steigert) und die Kostüme (Suse Tobisch) sind ganz in Weiß gehalten mit einem roten Farbtupfer bei Loge und einer farbigen Überraschung am Schluß. Jeder hat eine charakteristische Kopfbedeckung, die Kostüme deuten auf spätes 19. Jahrhundert hin. Zusammen mit weißen Scherenschnitten als Projektionen, die die Personen doubeln, aber durch abweichende Handlung auch noch mehr Tiefe verleihen, ergibt sich ein spannendes Gesamtbild. Es könnte kalt und klinisch wirken, hat aber tatsächlich einen anderen Effekt: man sieht genauer hin und ist weniger abgelenkt, achtet mehr auf die Bewegungen und die Mimik.
[singlepic id=2041 w=320 h=240 float=right]Walhall in der zweiten Szene zeigt schon Anklänge an den Brünhilden-Felsen, ein verbindendes Element aller vier Teile, genauso wie der Rundvorhang, auf den die Projektionen (Frank Vetter, Michael Ott) auch diesmal eine weitere Ebene einführen. Die Nibelungen sind Kinder, die Mönchen in Skriptorien gleich, im Akkord Bilder, vielleicht für ebenso ein Zootrop wie es in der ersten Szene gezeigt wurde, anfertigen, das Gold wird durch Filmrollen symbolisiert. Hier manifestiert sich Bückers Grundlage: wer die Macht über die Erzählung hat, hat die Macht über die Welt.
[singlepic id=2040 w=320 h=240 float=left]Die Sänger sind überwiegend aus dem ganz hervorragenden Ensemble besetzt. Katharina Göres aus Berlin, die bereits in der Carmen schon kurzfristig eingesprungen war, zeigte ihre Wandelbarkaeit als Woglinde. Zusammen mit den beiden anderen Rheintöchtern Jagna Rotkiewicz und Anne Weinkauf flirtete sie prächtig mit Alberich und mahnte als Greisin am Ende die übermütigen Götter. Javid Samadov als Donner, David Ameln als Froh und Angelina Ruzzafante als Freia mögen manchmal, freiwillig oder unfreiwillig, etwas zu slapstickhaft rübergekommen sein, passten aber ganz hervorragend zu dem eigentlich heiteren Stück. Die Riesen Fasolt (Stephan Klemm) und Fafner (Dirk Aleschus) waren das nicht nur körperlich, sondern auch stimmlich. Der Alberich von Stefan Adam war herrlich verdruckst, Ivan Tursic als Mime unterwürfig. Anja Schlosser hatte einen kurzen, aber einprägsamen Auftritt als Erda, die Fricka von Rita Kapfhammer machte dem Wotan richtig Dampf. Die beiden Abräumer des Abends waren aber Albrecht Kludszuweit als Loge und Ulf Paulsen als Wotan. Ausgleichend der eine und herrisch und fast schon verschlagen der andere, dabei stimmlich auf höchstem Niveau.
[singlepic id=2039 w=320 h=240 float=right]Die Anhaltische Philharmonie unter Antony Hermus leistete Großartiges, der Abend war ein musikalischer Höchstgenuß und lässt großes erwarten für die beiden kompletten Ringe im Mai und Juni, die übrigens dann in der richtigen Reihenfolge gespielt werden. Das wird sicher auch noch einmal sehr spannend, die Rückwärtsentwicklung dann vorwärts zu erleben. Für den Juni-Ring gibt es noch wenige Restkarten.
[singlepic id=2023 w=320 h=240 float=left]Carmen ist sicher eine der meistgespielten Opern in Häusern rund um den Globus und damit eine der am schwierigsten auf die Bühne zu bringenden, denn schliesslich muss ja immer etwas Neues her und der Zuschauer hat nicht nur szenische, sondern auch musikalische Vergleichsmöglichkeiten ohne Ende. Das Anhaltische Theater Dessau überzeugte mit einem musikalisch großartigen Abend, der keine Vergleiche zu scheuen braucht.
[singlepic id=2022 w=240 h=320 float=right]Das Neue hier war, dass Regisseurin Jana Eimer die Geschichte aus der Sicht Don Josés erzählte, was mich leider nicht überzeugte. Auch wenn ihr mit Marcel Reijans ein stimmlich und szenisch fantastischer Tenor zur Verfügung stand (alles andere wäre vermutlich auch ein Desaster geworden), so hatte sie doch in der Titelrolle mit Rita Kapfhammer ein Ensemblemitglied, die das Haus von den Füßen gerissen hätte, wenn man sie in den Mittelpunkt stellen würde. Statt dessen muss Rita Kapfhammer die Habanera zur Hälfte auf dem Rücken liegend singen (und jagt einem trotzdem noch Schauer über den Rücken), sieht im ersten Akt schon aus wie der leibhaftige Tod und trägt eine mausfarbene Perücke. Und trotzdem zeigte sie die sinnliche und erotische Seite der Carmen, als ob sie tatsächlich die feurige Spanierin ware.
Ich hatte insgesamt den Eindruck, dass die Musik sich dem Szenischen unterordnen musste, so geriet zum Beispiel das Schmugglerquartett sehr wackelig, was vermutlich an der Hyperaktivität auf der Bühne lag. Und das Schlussbild wäre großartig gewesen, hätte Don José seine Carmen nicht von hinten erstochen. Das war kein Mord aus Leidenschaft, sondern aus Heimtücke. Dem Opfer beim Zustechen in die Augen zu sehen ist der Gipfel der Unterwerfung. Die Interpretation der Micaela als Sternenkranzmadonna war so überhöht, dass sie schon wieder fast parodistisch wirkte. Cornelia Marschall bezauberte in der Partie mit glockenhellem Sopran.
[singlepic id=2021 w=320 h=240 float=left]So blieb manches an Fragen offen, weil vieles sich dem unterordnen musste, dass Don José die Handlung, wenn er eigentlich gar nicht auf der Bühne ist, entweder heimlich mitansieht oder halluziniert. Dabei war die Bühne sehr klug durchdacht, ein schräg liegendes großes Kreuz auf einer Drehbühne, das immer wieder neue Räume öffnete und am Ende in blutrotes Licht getaucht ein sehr starkes Bild abgab.
Der Chor war von Helmut Sonne hervorragend einstudiert und auch sehr spielfreudig, ebenso wie der Kinderchor (Dorislava Kuntscheva). Musikalisch war dieser Abend ein Genuß, die anhaltische Philharmonie unter Daniel Carlberg schwelgte in der Musik Bizet und dank der großartigen Sänger wird dieser Abend auch lange im Gedächtnis bleiben.
[singlepic id=2020 w=320 h=240 float=right]Musikalische Leitung Daniel Carlberg, Inszenierung und Bühnenkonzept Jana Eimer, Konzeptionelle Mitarbeit André Bücker, Ausführende Bühnenbildner Nicole Bergmann | Nancy Ungurean, Kostüme Katja Schröpfer, Choreografie Joe Monaghan, Chor Helmut Sonne, Kinderchor Dorislava Kuntscheva, Dramaturgie Ronald Müller
Carmen, Zigeunerin Rita Kapfhammer; Don José, Sergeant Marcel Reijans; Escamillo, Stierfechter Ulf Paulsen; Micaela, Bauernmädchen Cornelia Marschall; Remendado, Schmuggler David Ameln; Dancaïro, Schmuggler Adam Fenger; Frasquita, Zigeunerin Alexandra Joel; Mercédès, Zigeunerin Anne Weinkauf; Zuniga, Leutnant André Eckert; Moralés, Sergeant Pawel Tomczak; Lillas Pastia, Schankwirt Philipp Feige; Stimme Josés Gerald Fiedler; Opernchor des Anhaltischen Theaters; Extrachor des Anhaltischen Theaters; Kinderchor des Anhaltischen Theaters; Statisterie des Anhaltischen Theaters; Anhaltische Philharmonie
[singlepic id=1993 w=320 h=240 float=left]Nach einer äußert eindrucksvollen Spielzeit 2013/14 setzt das Staatstheater am Gärtnerplatz seine Erfolgsserie mit einer herausragenden Produktion von Benjamin Brittens Peter Grimes fort.
Es herrscht eine düstere und bedrückende Atmosphäre in einem kleinen Fischerdorf an der Ostküste Englands. Der Fischer Peter Grimes, ein Außenseiter in der Dorfgemeinschaft, muss sich einer gerichtlichen Untersuchung stellen, weil sein Lehrling auf hoher See verstorben ist. Es wird zwar auf Unfalltod entschieden, aber in den Augen der Dorfbewohner bleibt ein Makel. Es wird ihm nahegelegt, keinen Jungen mehr als Lehrling zu nehmen oder endlich zu heiraten.
Grimes möchte aber Ellen Orford, die verwitwete Lehrerin des Ortes, erst heiraten, wenn er ihr etwas zu bieten hat. Er glaubt dann, die bösen Zungen am Ort zum Schweigen bringen zu können. Er bekommt durch die Vermittlung des Apothekers am Ort und mit Hilfe Ellens einen neuen Lehrling. Als diese blaue Flecken am Körper des Jungen entdeckt, verliert sie alle Hoffnung auf einen Neuanfang, aber sie steht immer noch zu Peter.
[singlepic id=1994 w=240 h=320 float=right]Als eine Delegation der Dorfbewohner zu Grimes Hütte kommt, befiehlt dieser dem Jungen eine Steilküste hinunter zu springen. Dabei stirbt der Lehrling. Nun wenden sich die Dorfbewohner endgültig gegen Peter Grimes und sein Freund Balstrode legt ihm nahe, auf dem Meer Selbstmord zu begehen.
Regisseur Balázs Kovalik verlangt sehr viel von seinem Ensemble. Da muss Peter Grimes dramatische Ausbrüche hinlegen, während er den Jungen trägt oder Ellen Orford wird an den Armen hochgezogen. Aber die Mühe lohnt sich: herausgekommen ist ein packender Theaterabend ohne Längen trotz Überlänge, der den Zuschauer atemlos zurücklässt.Die Bühne von Csaba Antal besteht nur aus zwei schwenkbaren und höhenverstellbaren Metallbrücken, einem durchsichtigen Plastikvorhang sowie einem schwenkbaren Container und doch schafft es Kovalik, die fast schon klaustrophobische Atmosphäre des Fischerdorfes auf die Bühne des schönen Prinzregententheaters zu bringen. Vor allem der Vorhang ist fast schon genial in seiner multifunktionalen Eigenschaft, er symbolisiert den Reg en genausogut wie die Steilküste.
[singlepic id=1995 w=320 h=240 float=left]Inn einem der berührendsten Momente des Abends stehen sich Ellen und Grimes auf den Brücken gegenüber, nur wenige Zentimeter getrennt und doch unüberwindbar auseinander. In dem Moment, in dem die Brücken nach hinten auseinander schwenken, ist ihr Schicksal entschieden. Wenn Martin Hausberg als Hobson die Trommel schlägt und der Chor im Gleichschritt von der Bühne marschiert, breitet sich Gänsehaut um Publikum aus. Die Kostüme von Mari Benedek verorten die Handlung in den späten Fünfzigern oder frühen Sechziger Jahren und das passt hervorragend zu dieser Oper auch wenn sie etwas früher entstanden ist.
Mit verantwortlich für die schon fast gruselige Stimmung an diesem Abend ist das herausragende Licht von Michael Heidinger. Er spielt mit den Scheinwerfern, lässt sie fast auf den Bühnenboden herunterfahren und ordnet der Figur des Peter Grimes ein gespenstisches grünes Licht zu. Dabei nimmt er aber auch in Kauf, dass das Publikum teilweise geblendet wird, aber an so einem starken Abend nimmt man das gerne in Kauf.
[singlepic id=2002 w=240 h=320 float=right]Perfekt wird dieser Abend durch eine geniale Sängerriege, allen voran Gerhard Siegel in der Titelrolle und Edith Haller als Ellen Orford. Die beiden zeichnen authentische und berührende Rollenportraits. Ebenfalls zur ersten Sängeergarde gehört Ashley Holland als Captain Balstrode, dem einzigen Freund von Peter Grimes. Das hervorragende Ensemble setzt sich fast ausschliesslich aus festen Sängern des Hauses (Holger Ohlmann, Frances Lucey, Elaine Ortiz Arandes, Ann Katrin Naidu, Martin Hausberg und Snejinka Avramova) sowie Juan Carlos Falcón und dem bereits aus Semele bekannten Bass István Kovács.
Betonen muss man hier mal wieder die Vielseitigkeit dieses phänomenalen Chors und des ebensolchen Orchester. Seit Beginn der Spielzeit haben sie bereits eine Operette und ein Musical gespielt und zeigen hier nun eine schwierige Oper auf allerhöchstem Niveau. Nicht zu Unrecht wird dieser Chor als einer der besten Opernchöre in Deutschland gehandelt. Marco Comin führt das Orchester zu neuen Höhen und betont die musikalische Qualität des Hauses.
Ein berauschender, denkwürdiger Abend!
Peter Grimes
Oper
Musik von Benjamin Britten, Libretto von Montagu Slater nach George Crabbe
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