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Marina am 10. Oktober 2019 00:02 Am vergangenen Samstag schaffte ich es endlich wieder in das gemütliche Kleine Theater Landshut, auf dessen Bühne im Dachstuhl eines mittelalterlichen Hauses ich schon viele großartige Theaterabende erleben durfte. In einem Blog, für den ich zuvor geschrieben hatte, habe ich viele Male über dieses unscheinbare doch künstlerisch herausragende Haus berichtet.
Bereits am Freitag feierte das berühmte Werk “Medea” des antiken Dichters Euripides unter der Regie von Sven Grunert Premiere. Ich durfte die zweite Vorstellung besuchen und in der ersten Reihe ganz nah am Geschehen sein.
Das antike Drama folgt dem Abenteuer der Argonauten: Jason hat mit seiner Frau Medea, die aus Liebe zu ihm ihre Heimat und Familie verraten hat, in Korinth Zuflucht gefunden. Dort verlässt er Medea jedoch, um die Tochter des Königs Kreon zu heiraten. Er behauptet, dies nur zu tun, damit auch seine erste Frau und ihre gemeinsamen Kinder in ihrer neuen Heimat integriert werden. Dieses Argument ist jedoch nicht sehr überzeugend, die tief verletzte Medea schwört Rache und soll deshalb mitsamt ihrer Kinder verbannt werden. Durch List und falsche Unterwürfigkeit kann sie diese Strafe jedoch etwas hinauszögern und hat somit genug Zeit, die Prinzessin und Kreon zu vergiften. Auch tötet sie ihre Kinder und lässt Jason mit dem Schmerz zurück, alle die er liebte verloren zu haben.
Auf der kleinen Bühne wurde von Helmut Stürmer ein recht minimalistisches Bühnenbild entworfen. Große, graue
Foto: Gianmarco Bresadola
Papierquadrate an der Rückwand erinnern an Stadt- oder Palastmauern, die Darsteller sitzen auf schlichten, schwarzen Hockern und dazwischen verstreut symbolisieren Sand und Folien das Meer Korinths. Im Bühnenboden sind Glasplatten eingelassen, die mit Sand bedeckt sind und der Magierin Medea als eine Art Ritualplatz dienen, jedoch auch einen Geheimgang bedecken. Seitlich stehen rote, beschriftete Wände, deren Farbe an Blut erinnern und die die zentralen Motivationen Medeas wie Verrat und Rache präsent machen.
Die Kostüme von Irina Kollek sind modern, jedoch alle schwarz. Die meisten der Darsteller sind barfuß, nur die Amme und der Erzieher, die auch die Rolle des Chors übernehmen, tragen Schuhe. Sie kommentieren die Handlung und reden den Protagonisten ins Gewissen, können deren Verlauf jedoch nicht lenken. Dabei charakterisieren die Kostüme die Figuren durchaus gut. Medea etwa entfernt im Laufe des Stückes immer mehr Lagen ihrer Kleidung, was man vielleicht so interpretieren kann, dass sie sich durch ihre Handlungen immer verwundbarer macht. Jason trägt einen Anzug, jedoch ohne Hemd und mit einem dünnen Streifen einer Art Kriegsbemalung um den Kopf, als wolle der ehemalige Krieger sich in die neue Zivilisation integrieren, was ihm jedoch noch nicht ganz gelingt.
Wenn die Inszenierung auch nur etwa 80 Minuten dauert, so ist die angespannte Energie vom ersten Moment an groß, vor allem angesichts der Hauptdarstellerin Louisa Stroux, die anfangs würdevoll mit dem Goldenen Vlies über den Schultern auf die Bühne schreitet, die ganze Zeit jedoch den Anschein erweckt, als tobe in ihr ein emotionaler Kampf. Sie erklärt dem Publikum scheinbar kühl ihre grausamen Pläne, allein als der Mord an ihren Kindern bevorsteht bricht der innere Konflikt nach Außen. Stroux ist fast permanent auf der Bühne und bringt eine unglaubliche Spannung hervor, von der man als Zuschauer ebenfalls gepackt wird.
Ihr gegenüber steht Andreas Sigrist als Jason, der seinen Charakter extrem schwer durchschaubar macht. Seine wahren Motive werden nicht wirklich klar, er stürzt sich nach wie vor lüstern auf Medea – ob er dies aus Dominanz oder Gefühlen zu ihr tut wird nicht klar, was die Spannung zwischen den beiden Hauptfiguren nur noch erhöht. Seine scheinbar freundliche und überlegte Art trifft auf den blanken Hass Medeas. Seine Fassade bricht erst nach dem Mord an seinen Kindern, als er verzweifelt zusammenbricht.
Ergänzt werden die beiden Kontrahenten von vier weiteren Charakteren. Das langjährige Ensemblemitglied des Kleinen Theaters, Stefan Lehnen, spielt den würdevollen und gütigen König Kreon, der mit seiner ruhigen Art einen emotionalen Gegenpart zur aufgewühlten Medea darstellt und dadurch von ihr ausgenutzt wird. Allgemein verwendet Medea ihre Reize durchaus, um ihr Ziel zu erreichen. Ihrem Verbündeten Ägeus (Knud Fehlauer), der noch mit deutlicher „Kriegsbemalung“ auftritt und dem sein Darsteller einen kriecherischen und doch ehrlichen Charakter verleih, unterwirft sie sich scheinbar, lässt sich von ihm liebkosen und ringt ihm so einen Schwur für ihren Schutz ab.
Foto: Gianmarco Bresadola
Wie bereits erwähnt greifen Katja Amberger als Amme und Rudi Knauss als Erzieher nicht wirklich in die Handlung ein, sie versuchen eher zwischen den verfeindeten Fronten zu vermitteln, was ihnen jedoch nicht gelingt. Trotzdem sorgt vor allem Amberger zu Beginn des Stücks und in den Schilderungen des Mords an Kreon und seiner Tochter für Gänsehaut.
Tatsächlich bleibt es in dieser Inszenierung des Intendanten Sven Grunert bei Schilderungen, auf der Bühne wird keine körperliche Grausamkeit gezeigt. Die seelischen Leiden Medeas und zuletzt auch Jasons sowie ihr Konflikt werden dafür umso mehr in den Mittelpunkt gerückt. Der Regisseur zeigt die Titelheldin ganz klar als das Opfer der Umstände. In der griechischen Antike war das Werk Euripides’ ja bereits wegen seiner Thematik umstritten, Medea schien jedoch eher als die Böse gesehen zu werden. Hier werden die Figuren so charakterisiert, dass man Medeas extremes Handeln nachvollziehen – wenn auch nicht gutheißen – kann. Jason scheint hier vielmehr der rationale doch grausame Antagonist zu sein, der erst durch die grausamen Taten seiner ehemaligen Geliebten seine menschliche Seite zeigt. Als Medea flieht, bleibt er erstarrt von seinem und auch ihrem Schmerz zurück.
An folgenden Terminen wird “Medea” noch gezeigt: So 3.11., 19.00 Uhr / So 24.11., 19.00 Uhr / Sa 14.12., 20.00 Uhr
Regie: Sven Grunert
Bühne: Helmut Stürmer
Stückfassung / Dramaturgie: S. Grunert, G. Madiar
Assistenz: Maria Wimmer
Kostüme: Irina Kollek
Requisite: Linda Vankova
Technik: Jürgen Behl, Philipp Degünther, David Schreck
Medea: Louisa Stroux
Jason: Andreas Sigrist
Kreon: Stefan Lehnen
Ägeus / Chor: Knud Fehlauer
Erzieher / Chor: Rudi Knauss
Amme / Chor: Katja Amberger
https://www.kleinestheater-kammerspiele-landshut.de/spielzeit-20192020/spielzeitprogramm/repertoire/medea.html
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Marina am 18. Juni 2019 23:42 Wo könnte man eine Theaterversion zu Victor Hugos berühmtesten Roman – der außerhalb Frankreichs wohl vor allem durch die Zeichentrick-Verfilmung von Disney berühmt wurde – wohl besser aufführen als zu Füßen der Burg Trausnitz, in der mittelalterlichen Altstadt Landshuts? Im Prantlgarten, einem rekonstruierten Stück Stadtmauer, hat das Ensemble des Landestheater Niedernbayern am vergangenen Freitag sein Quartier bezogen. Bestens ausgerüstet mit Deckenverleih und gratis Mückenspray für die zahlreichen Zuschauer wurden Bühnenbild und Tribünen inmitten des kleinen Skulpturenparks aufgebaut. Ein großes Glück, dass das Wetter uns hold blieb, denn diese Inszenierung hatte an diesem Ort eine ganz besondere Wirkung. Aber dazu später mehr.
Foto: Peter Litvai
Der Autor Matthias Hahn strickte aus dem Werk Hugos ein Stück, in dem die Charaktere im Mittelpunkt stehen. Dabei kann er natürlich nicht die gesamte Handlung des Romans einbringen, der ganz nebenbei bemerkt mein wohl liebstes literarisches Werk ist. Umso gespannter war ich auf diesen Theaterabend. Ein wenig mutet es wie die Darbietung einer mittelalterlichen Wanderbühne an, wenn auch in etwas größeren Dimensionen, wenn die Darsteller Kostüme und Rollen wechseln und durch rote Vorhänge auftreten. Durch die Inszenierung führt dabei Victor Hugo persönlich, beziehungsweise er schlüpft in die Rolle des erfolglosen Autoren Pierre Gringoires, der im Roman tatsächlich eine große Rolle spielt, in vielen Verfilmungen jedoch außer Acht gelassen wird. Auf der Suche nach einem Platz zum Essen und Schlafen landet Gringoire aus Versehen im Hof der Wunder, dem Reich der Zigeuner, Bettler und Gaukler. Er soll wegen seines unerlaubten Eindringens gehenkt werden, durch eine Hochzeit rettet ihn jedoch die schöne Tänzerin Esmeralda. Um diese Frau drehen sich auch die gesamte Handlung und vor allem die Interessen der männlichen Protagonisten. Der Priester Claude Frollo hatte eigentlich nur die Wissenschaft und den Glauben im Sinn, bis er durch den Tanz Esmeraldas so betört wird, dass er in einen Wahn verfällt. Er schickt seinen Schützling, den missgestalteten Außenseiter Quasimodo los, um die Schöne zu entführen. Dieser wird jedoch vom Hauptmann Phoebus davon abgehalten und an den Pranger gestellt. Die junge Frau aber verliebt sich in den Soldaten, der jedoch bereits verlobt ist und den eigentlich nur Esmeraldas jungfräulicher Körper reizt. Da Frollo sie nicht bekommen kann, ermordet er Phoebus scheinbar und schiebt der Zigeunerin die Schuld in die Schuhe, woraufhin diese gefoltert und zum Tode verurteilt wird. Quasimodo, der auch Gefallen an der gutmütigen Frau findet, rettet sie jedoch und versteckt sie in der Kathedrale Notre Dame. Durch eine List kann Frollo sie jedoch ihrem Henker ausliefern: Phoebus.
Foto: Peter Litvai
Tatsächlich habe ich die Gespräche ein paar Zuschauern belauschen können, die bisher wohl tatsächlich nur den Disneyfilm kannten und von der düsteren Originalhandlung durchaus überrascht waren. Dabei ist die Inszenierung selbst tatsächlich recht farbenfroh und fantasievoll. Die Wasserspeier Notre Dames wandern schon vor Beginn der Vorstellung schweigsam durch den Prantlgarten, posieren mit den Zuschauern für Fotos und sind auch während der Vorstellung auf der Bühne omnipräsent. Dies tut der Inszenierung optisch auch sehr gut, denn das Bühenbild von Philipp Kiefer fand ich mit den verschiedenen Ebenen, Winkeln, Vorhängen und Treppen zwar durchaus spannend, die Optik mit hellem Holz wollte jedoch für mich nicht so ganz zu dem Handlungsort passen: der Kathedrale Notre Dame und der mittelalterlichen Pariser Altstadt. Auch die Kostüme sind von den Epochen und Stilen her sehr durchmischt. Quasimodo etwa trägt mittelalterliche Leinengewänder, Phoebus’ Verlobte Gothic-Kleidung, Frollo eine moderne Soutane oder Hugo/Gringoire Kleidung des 19. Jahrhunderts. In dieser Hinsicht erinnert die Inszenierung also tatsächlich irgendwie an ein Wandertheater, in dem ja auch manchmal eine bunte Mischung an Kostümen herrschte. Da die Figuren in dieser Inszenierung auch alle der Fantasie Victor Hugos entspringen, störte mich der kunterbunte Kostümfundus auch tatsächlich weniger.
Die Handlung des Bühnenwerkes stellt die Geschichte der Romanvorlage sehr spannend und kompakt dar, vor allem zeigt das Ensemble eine große Leistung in der Darstellung der unterschiedlichen Charaktere. Der „Titelheld“ wird von David Lindermeier kindlich-sympathisch gezeigt. Er genießt die Aufmerksamkeit beim Narrenfest, wo sein Äußeres einmal nicht für Abscheu sondern für Ruhm sorgt. Sein eigener Wille ist jedoch seiner tiefen Treue gegenüber seinem Erzieher Frollo meist untergeordnet; ein Konflikt, den Lindermeier sehr rührend darstellt. Ella Schulz zeigt ihre Esmeralda äußerst facettenreich. Im einen Moment ist sie die selbstbewusste, verführerische Frau, angesichts ihres Helden Phoebus verliert sie diesen eisernen Willen jedoch und möchte sich diesem Mann entgegen all ihrer Ideale unterwerfen. Besonders zum Ende des Stückes, als Esmeralda gefoltert und gebrochen scheint, sorgte die Darstellerin bei mir für eine große Gänsehaut. Äußerst facettenreich zeigte auch Reinhard Peer den Widersacher Frollo, wobei dieser anfangs tatsächlich als unschuldiger Wissenschaftler und Beschützer von Quasimodo durchaus sympathisch wirkt. Erst als er durch Esmeralda seine männlichen Triebe entdeckt, verfällt er mehr und mehr seinem Wahnsinn. Besonders charismatisch zeigt Jochen Decker den Autoren Hugo als würdevollen Dreh- und Angelpunkt des Abends. Mit einem Schnipsen kann er die anderen Figuren erstarren lassen und die Handlung kommentieren. Der junge Hauptmann Phoebus ist mit Julian Ricker optisch durchaus ungewöhnlich besetzt, schlank und
Foto: Peter Litvai
jungenhaft. Trotz seinem Charisma gegenüber Frauen zeigt er gegenüber seiner engagierten zukünftigen Ehefrau Fleur eine gewisse Unsicherheit und Abneigung.
Zusammen mit den restlichen Kollegen, die ebenfalls in zahlreiche Rollen schlüpfen, zeigen die Schauspieler eine große darstellerische Leistung. Die Figuren des Stückes werden alles andere als typisiserend gezeigt, was dem Theaterabend extrem spannend und mitreißend macht. Auch die Regie-Arbeit von Markus Bartl zeigt ein klares Ziel: die Charaktere in den Mittelpunkt zu stellen und vor allem zu zeigen, dass man niemals eine Person nur eindimensional betrachten kann. Scheinbare Helden haben ihre dunklen Seiten und die Antagonisten können auch Menschlichkeit zeigen, so wie Frollo anfangs trotz aller Kritik von Außen zu Quasimodo steht. Immer wieder wird die doch recht tragische Handlung von komischen Situationen gebrochen, ohne die Grundstimmung ins Lächerliche zu ziehen. Etwa wenn der soeben niedergestochene Phoebus zum Umziehen in die Garderobe geschickt wird oder wenn Quasimodo die läutenden Glocken der nahen Martinskirche nachahmt. Überhaupt ist die Landshuter Umgebung mit ihrer Geräuschkulisse ein faszinierender Teil dieses Freilicht-Inszenierung. Durch die Geräusche von den Kirchen und Bäumen fühlt man sich in die Welt des Stücks versetzt. Ein unfreiwilliger Galgenhumor kommt schließlich auf, wenn Victor Hugo prophezeit, dass auch steinerne Monumente wie Notre Dame irgendwann verschwinden werden, denkt man an den kürzlichen Großbrand im französischen Gotteshaus.
Hoffen wir, dass das Wetter der Inszenierung auch weiterhin geneigt bleibt, denn die Wirkung des Glöckners von Notre Dame als Freilichtstück in einer mittelalterlichen Altstadt ist enorm. Die Darsteller zeigen überzeugende und spannende Charaktere und man hat mit dieser Inszenierung eine großartige Möglichkeit, den berühmten Roman jenseits von aller Disney-Verherrlichung kennen zu lernen.
Noch im Juni und Juli wird die Inszenierung unter freiem Himmel bzw. bei Regen in den Theatern gezeigt: In Landshut am 28./29./30.06. um 20 Uhr, in Passau am 22./23.06. und 5./6./7.07. um 20 Uhr sowie in Straubing am 18.06. um 19.30.
Regie: Markus Bartl
Ausstattung: Philipp Kiefer
Musik: Jürgen Heinmüller
Jochen Decker: Victor Hugo / Pierre Gringoire / Wasserspeier
Reinhard Peer: Claude Frollo / Wasserspeier
Alexander Nadler: Jacques Charmolue / Sieur Robert d’ Estouteville / Bettler / Wasserspeier
Julian Ricker: Phoebus de Chateaupers / Wache / Henker / Wasserspeier
Laura Puscheck: Fleur de Lys / Bettlerin / Wasserspeier
David Lindermeier: Quasimodo
Antonia Reidel: Einsiedlerin / Wirtin / Marktfrau / Bettlerin
Ella Schulz: Esmeralda
Joachim Vollrath: Clopin Trouillefou / Wache / Henker / Wasserspeier
Julian Niedermeier: Matthias Hungadi / Kanzlist / Wache / Wasserspeier
Mona Fischer: Eleanor Spicali / Wasserspeier
https://www.landestheater-niederbayern.de/events/291
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Marina am 13. Juni 2019 20:04 Es ist wieder Krimizeit: Traditionell zeigt das Blutenburg-Theater im Sommer ein kleiner besetztes, jedoch nicht weniger spannendes und unterhaltsames Stück für die warmen Monate. Die kriminelle Komödie von Wolfgang Kohlhaase und Rita Zimmer handelt von den Schwestern und Brauerei-Erbinnen Charlotte, Cäcilie und Clementine, die wieder einmal ein paar ruhige Tage in ihrer Sommerresidenz verbringen wollen. Alles andere als entspannt ist das jedoch für den völlig überarbeiteten und kränkelnden Butler Rudolf, der die Damen nicht nur bedienen darf, sondern ihnen auch seit Jahren schon Liebesdienste erweist. Zwar haben ihm alle drei – ohne das Wissen der Schwestern – eine Erbschaft versprochen, sind jedoch nicht bereit, ihm diese für eine Weltreise und frühzeitige Rente auszuzahlen. Als er droht, mit seinen Affären an die Öffentlichkeit zu gehen, planen die Schwestern das Ableben des Erpressers.
Foto: Volker Derlath
Das Bühnenbild ist sehr ungewöhnlich für das kleine Krimitheater, es zeigt einen idyllischen Garten mit Rollrasen, Bäumen und Vogelhäuschen. Der blaue Himmel im Hintergrund wird dabei mithilfe von Lichteffekten nicht nur für die verschiedenen Tageszeiten sondern auch surrealistisch anmutende Szenen angepasst. Ein Augenschmaus sind auch die Kostüme der Schwestern: Andreas Haun hat aus demselben Stoff drei völlig unterschiedliche Outfits geschneidert. Ein enger Rock für die ernste Firmenchefin Charlotte, ein kindliches Kleid für die Jüngste Clementine und ein sexy Mieder mit Dreiviertelhose für die sportliche Cäcilie.
Regisseur Konrad Adams spielt gekonnt mit den Kontrasten zwischen den ungleichen Schwestern. Sacha Holzheimer spielt die Älteste und gibt die strenge Business-Frau, die sowohl die Brauerei als auch ihre Geschwister gut unter Kontrolle hat und sich vor allem um Clementine mütterlich kümmert. Bei dieser muss man sich natürlich in dieser Inszenierung auch wirklich in Erinnerung rufen, dass die Damen in diesem Krimi alle nicht mehr blutjung sind, denn Petra Wintersteller zeigt einen kindlichen Charakter, der aber offenbar auf sehr „erwachsene“ Spielchen mit dem Butler steht und diese gerne an ihrem Teddybär demonstriert. Ute Pauer darf das „Sandwichkind“ spielen, die
Foto: Volker Derlath
resolute und etwas verrückte Cäcilie, die den Butler gerne in die Rolle eines von ihr vergötterten Militärs schlüpfen lässt. Die drei ungleichen Liebhaberinnen verlangen Blutenburg-Neuzugang Markus Fisher viel an Wandlungsfähigkeit ab, was er mit Bravour meistert. Vor allen Dreien gibt er den unterwürfigen, schwächelnden Bediensteten, steht er den Schwestern einzeln gegenüber spielt er ihre Anziehung ihm gegenüber gekonnt gegen sie aus.
Adams’ Inszenierung ist gewohnt kurzweilig und wird vor allem immer wieder von ungewöhnlichen Elementen wie Gesang, Tanz und Surrealem gebrochen. Natürlich kommt auch in diesem Stück das Kriminelle nicht zu kurz, dazu wird aber nicht zu viel verraten. Für einen lauen Sommerabend ist diese kurzweilige Krimikomödie jedenfalls durchaus passend.
https://www.blutenburg-theater.de/willkommen.html
Regie/Sound: Konrad Adams
Kostüme: Andreas Haun
Bühne: Peter Schultze
Licht: Tom Kovacs
Regieassistenz: Renée Schöfer
Cäcilie: Ute Pauer
Charlotte: Sacha Holzheimer
Clementine: Petra Wintersteller
Rudolf: Markus Fisher
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Marina am 14. Oktober 2018 22:51 Winterzeit ist Klassikerzeit in Münchens Kriminalbühne. Auch in dieser Saison zieht wieder die Krimikönigin Agatha Christie in das kleine Theater ein mit einem Werk, dessen – inzwischen politisch korrekter – Titel manchem Zuschauer vielleicht erst einmal fremd vorkommt. Doch spätestens, wenn eine junge Stimme das morbide Kinderlied “Zehn kleine Kriegerlein” zum Besten gibt, erkennt man den erfolgreichsten Krimi aller Zeiten.
Zehn verschiedene Personen werden für ein Wochenende auf eine einsame Insel eingeladen, wo sie sehe schnell feststellen, dass etwas nicht stimmt. Ihre Gastgeber, das Ehepaar Oddy, das eigentlich niemand kennt, sind nicht anwesend und plötzlich läuft eine Tonbandaufnahme, die jeden der Anwesenden des Mordes beschuldigt. Auch liegt eine umgedichtete Version des bereits genannten Kinderlieds an einer alten Hausorgel. Schnell müssen die Anwesenden feststellen, dass es sich um keinen Scherz sondern um tödlichen Ernst handelt und nach und nach sterben die Charaktere – wie im Lied vorausgesagt.
Foto: Volker Derlath
Agatha Christie ist manchmal ja in ihren Erklärungen sehr ausschweifend und langatmig, Regisseur Hardy Hoosman schafft es aber, das Stück trotzdem extrem spannend zu gestalten. Das liegt nicht nur an der dynamischen Inszenierung sondern auch an den interessanten und starken Charakteren, die von einem auserlesenen Ensemble verkörpert werden.
Der kleinen Bühne geschuldet entsteht unweigerlich eine große Spannung, wenn sich alle Charaktere in dem “Salon” drängen (wenn auch zusätzlich vor und hinter der Bühne gespielt wird). Je mehr von ihnen sterben, desto mehr steigen die Konflikte und die Anspannung der Figuren, unterstützt durch die teils unheimliche Lichtstimmung, Musik und Geräusche wie Gewitterdonnern und unaufhörliches Wellenrauschen.
Das zehnköpfige Schauspielerensemble schafft es, diese angespannte Atmosphäre über zweieinhalb Stunden aufrecht zu erhalten und trotzdem dabei jeder einzelnen Figur eine eigene Prägung und Geschichte zu geben. Christa Pillmann spielt die kaltblütige und arrogante Dame Emily Brent, die gerne ihre Mitmenschen herablassend beurteilt und keinerlei Anteilnahme an dem Tod anderer zeigt.
Foto: Volker Derlath
Weitaus gutmütiger wirkt da Konrad Adams als pensionierter Richter Sir Lawrence Wargrave, der versucht, die Gruppe moralisch zusammen zu halten. Dann ist da noch der scheinbar besonnene und erfolgreiche Nervenarzt Doctor Armstrong, gespielt von Florian Fisch, der in dieser Inszenierung jedoch schon zu Beginn mit zitternder Hand nicht sehr souverän wirkt. Das Ehepaar Rogers alias Katharina Friedl und Till Klewitz scheint auch vor der Anreise der Gäste der nicht sonderlich harmonisch. Er trinkt, sie ist genervt und beide kennen ihre Arbeitgeber nicht einmal persönlich, haben aus Geldmangel den Job jedoch angenommen. Deshalb müssen sie sich auch mit anstrengenden Besuchern wie dem penetranten Angeber Anthony Marston (Andreas Haun) und dem gezwungen unbekümmerten Lebemann Philip Lombard (Wolfgang Haas) herumschlagen, der mit der hübschen aber angespannt wirkenden Sekretärin Vera Claythorne (Irene Rovan) anbandeln möchte. Andere wie der vermeintliche Forscher Blore (Sebastian Sash) machen sich schon von Anfang an verdächtig, doch eigentlich stellt sich sehr schnell heraus, dass alle Anwesenden etwas zu verbergen haben. Ergänzt wird die Runde noch von dem pensionierten General Mackenzie, den Claus-Peter Damitz sehr gebrechlich und tattrig wirken lässt, dem Regisseur Hoosman in einem klaren Moment der Figur jedoch zusammen mit Irene Rovan einer der prägnantesten Szenen des Stückes gibt.
Christie hat mit der Vorlage wieder mal ein Werk geschaffen, in dem der Zuschauer bis zuletzt nicht weiß, was er von den Charakteren denken soll. Dieses Verwirrspiel treibt Hoosman in seiner Inszenierung auf die Spitze und trotz den kleinen Raums ist man im Publikum schnell versucht, jedes Detail aufnehmen zu wollen, was natürlich praktisch nicht möglich ist. Aber wäre es nicht auch langweilig, wenn man schon zur Pause erraten würde, wie das Stück ausgeht?
Die Wintersaison des Blutenburg-Theaters ist sehr häufig ausverkauft, wer also diesen perfekt inszenierten Klassiker sehen möchte, sollte sich beeilen!
Rogers: Till Klewitz
Mrs. Rogers: Katharina Friedl
Vera Claythorne: Irene Rovan
Philip Lombard: Wolfgang Haas
Anthony Marston: Andreas Haun
William Blore: Sebastian Sash
General Mackenzie: Claus-Peter Damitz
Emily Brent: Christa Pillmann
Sir Lawrence Wargrave: Konrad Adams
Dr. Armstrong: Florian Fisch
Regie / Sound: Hardy Hoosman
Kostüme: Andreas Haun
Bühne: Peter Schultze
Licht: Tom Kovacs
Regieassistenz: Melanie Kisslinger, Renée Schöfer
Weitere Vorstellungen bis 16. Februar 2019, Dienstag bis Samstag um 20 Uhr, Sonntags um 18 Uhr
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Marina am 22. Juli 2018 22:17
Foto Hofspielhaus
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Dieser Satz ist wohl eines der berühmtesten Zitate der Literaturgeschichte und stammt aus der nicht minder bekannten Erzählung Le pétit prince von Antoine de Saint-Exupéry, die 1943 in New York erschien.
Das Hofspielhaus zeigt nun im kleinen, stillen Hinterhof des Theaters die prominente Geschichte als berührendes Zweipersonenstück.
Ferdinand Schmidt-Modrow gibt den kindlichen Titelhelden, der von einem winzigen Planeten stammt und von seiner geliebten Rose auf die Reise geschickt wurde, nur um schließlich mitten in der Wüste der Erde zu landen. Dort begegnet ihm nicht nur eine Giftschlange, die ihm anbietet, ihm zurück nach Hause zu helfen, sondern vor allem der griesgrämige Pilot, gespielt von Martin Halm. Der hat eine Bruchlandung in der Wüste hingelegt und muss sein Flugzeug reparieren, bevor ihm das Wasser ausgeht.
Der Prinz findet den schlafenden Mann und bittet ihn darum, ein Schaf zu zeichnen. Der Pilot ist über die naive Art des Fremden und die Tatsache, dass er offenbar weder Nahrung noch Wasser braucht irritiert, die beiden freunden auch jedoch schnell an und der Prinz erzählt von seiner abenteuerlichen Reise. Dabei interagiert er mit Personen, die als Video überlebensgroß auf die Wand des Hinterhofs projeziert und von den namenhaften Schauspielern Veronika von Quast, Christiane Blumhoff, Stefan Murr, Gerd Lohmeyer und der Hofspielhaus-Chefin Christiane Brammer verkörpert werden. Dies funktioniert tatsächlich hervorragend, das Timing von Schmidt-Modrow passt wunderbar zu den Videos und durch kleine
Foto Hofspielhaus
Animationen und die runde Projektion fühlt man sich auf die kleinen fremden Planeten versetzt, auf denen der Prinz landet.
Aber das Highlight sind definitiv die beiden Darsteller auf der Bühne. Ferdinand Schmidt-Modrow spielt den Prinzen mit viel kindlicher Neugier und Begeisterungsfähigkeit. Trotzdem zeigt er den Charakter sehr mystisch, man weiß nicht genau, ob er nur ein Verrückter ist oder tatsächlich von einer anderen Welt stammt. Martin Halm, der mir bisher nur als Stimme bekannt war, gibt im Gegensatz dazu einen sehr raubeinigen und wütenden Piloten, der jedoch bald von der Geschichte und der Persönlichkeit des Prinzen fasziniert ist und ihn bis zum Ende unter- und beschützt. Das Spiel der beiden Darsteller und vor allem ihre Interaktion ist großartig und gerade zum Schluss des Stücks sehr bewegend. Auch musikalisch wird es an diesem Abend. Der Prinz spielt Ukulele und singt, was der Pilot nach der “Heimkehr” des Titelhelden weiterführt. Besonders schön fand ich die Idee, dass Halm eigentlich den ganzen Abend an einem hölzernen Modellflugzeug baut, um es am Ende dann in den Sternenhimmel zu hängen.
Der Kleine Prinz ist alles in allem ein wundervolles, bewegendes Märchen für Erwachsene, das vor allem durch die hervorragenden Darsteller von der ersten Minute an fesselt. Im Juli sind bereits alle Termine ausverkauft, allerdings wird die Produktion nach der Sommerpause im September nochmals aufgenommen.https://www.hofspielhaus.de/spielplan/detailansicht/der-kleine-prinz.html
Regie und Musik: Sascha Fersch
Der Kleine Prinz: Ferdinand Schmidt-Modrow
Der Pilot: Martin Halm
Die Rose: Christiane Brammer
Der Geograf: Christiane Blumhoff
Der Fuchs: Gerd Lohmeyer
Der Geschäftsmann: Stefan Murr
Die Königin: Veronika von Quast
Weitere Vorstellungen im September:
Donnerstag, 13. September, 20:00
Freitag, 14. September, 20:00
Sonntag, 16. September, 20:00
Donnerstag, 20. September, 20:00
Samstag, 29. September, 20:00
Sonntag, 30. September, 20:00
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Marina am 12. Juli 2018 19:02 Traditionen sind wichtig. Das ist nicht nur meinen Kollegen vom Feldmochinger Volkstheater und mir bewusst, sondern hat auch allgemein in der Kulturlandschaft mehr Aufmerksamkeit verdient, als es aktuell der Fall ist. Zu einer persönlichen Tradition ist es für uns inzwischen quasi geworden, dass wir bei unseren Kurzurlauben im Zillertal auch einen Abend der regionalen Theaterkultur widmen. Bei unserem letzten Ausflug gibt es zu den Theatertagen in Stumm, dieses mal verschlug es uns zum Kulturfestival SteudlTenn in Uderns.
Ist das Zillertal im Winter vor allem für Skitourismus bekannt, so hat es in den warmen Monaten tatsächlich eine großartige Vielfalt an Amateur- und Profitheater zu bieten. Auf die Empfehlung eines befreundeten Schauspielers hin fuhren wir am vergangenen Wochenende also hinunter ins Tal, um das musikalsiche Theaterstück Die stillen Nächte des Ludwig Rainer von Hakon Hirzenberger anzusehen. Der Name Ludwig Rainer sagte uns Bayern nichts, in Tirol scheint der Volkssänger jedoch auch heute noch berühmt und beliebt zu sein. Die Rainer-Sänger brachten im 19. Jahrhundert das Liedgut der Region in die ganze Welt, unter anderem machten sie das berühmte Weihnachtslied Stille Nacht (das in diesem Jahr sein 200-jähriges Jubiläum feiert) auch in Amerika bekannt. Das Stück des Festival-Organisators Hirzenberger hat eben Rainer selbst im Zentrum und erzählt seine Lebensgeschichte mit schlichten Mitteln aber dafür mit viel wundervoller Musik.
Foto: Christian Wind
Vier Darsteller und ein kleiner Chor sind fast permanent auf der Bühne, spielen Szenen aus der Biografie des Sängers, kommentiere diese Ereignisse jedoch im nächsten Moment oder zeigen eine alternative Version. Das sorgt immer wieder für viel Humor, der sich auch durch den Theaterabend zieht. Trotzdem spiegelt das Werk doch auch wider, wie schwer es in diesen Zeiten gerade in abgelegeneren Regionen für die Menschen war, sich irgendwie über Wasser halten zu können. Die ersten Rainer-Sänger schlossen sich aus dem Titelhelden, seiner Nichte Helene, Rainers späterer Frau Margarethe Sprenger und Simon Hollaus zusammen und traten anfangs vor allem in Europa auf. Nach den großartigen Versprechungen eines französischen Geschäftsmanns zogen die Sänger arglos in die USA, wo der Erfolg zunächst ausbleibt. Erst durch das bereits bekannte Weihnachtslied kam ein erster finanzieller Erfolg, trotzdem müssen sie nach einigen Jahren wieder in die Heimat zurückkehren. Zwar wird ihr Erfolg mit der traditionellen Musik ihrer Heimat weltweit immer größer, doch verraten sie mit Kitsch-Trachten und viel Show auch immer weiter ihre Kultur.
Das Konzept mag vielleicht nach viel österreichischem Heimat-Kitsch klingen, doch so sehr Ludwig Rainer allgemein geschätzt wird, so wird in diesem Stück auch deutlich gezeigt, dass er wohl ein sehr getriebener und schwieriger Mensch war. Er kann sich nie für einen Lebensweg entscheiden, schiebt die Schuld für Misserfolge gerne auf seine Kollegen, hat Probleme mit emotionalen Bindungen und zeigt allgemein eine cholerische Ader. Roland Jaeger spielt diesen launischen Patriarchen sehr emotional und vielschichtig und schafft es so, das Publikum von der ersten Minute an zu packen, obwohl man dem Charakter manchmal gerne eine Ohrfeige verpassen würde. Große Wandlungsfähigkeit zeigen die beiden Damen Juliana Haider und Caroline M. Hochfelner, die die verschiedenen Ehefrauen und Reisegefährtinnen Rainers darstellern. Hochfelner wandelt sich im Laufe des Stücks von der schüchternen Nichte Helene zur aufgekratzten Wirtstochter Anna. Haider spielt mit Margarethe Sprenger eigentlich einen etwas traurigen Charakter, schließlich wurde sie dem Stück zufolge nur von Rainer geheiratet, weil er enttäuscht über das Auflösen seiner Gruppe war. Obwohl sie die Geschichte ihrer Charaktere eher locker und beiläufig erzählt schwingt doch manchmal sehr viel Melancholie in allem mit. Der vierte im Bunde ist Andreas Haun – der dem Münchner Publikum unter anderem vom Blutenburgtheater bekannt sein könnte – als Simon Hollaus. Dieser scheint wie der ewige Kontrahent Rainers, widerspricht ihm gerne und macht im Laufe des Stücks sogar seine eigene Gesangsgruppe auf. Dieser Konflikt zwischen den beiden Herren wird zwar nicht in Aggressionen gezeigt, wird jedoch in Kleinigkeiten wie Mimik oder dem Verlassen der Hauptbühne sehr deutlich.
Foto: Christian Wind
Die vier Darsteller zeigen durchweg eine großartige darstellerische und gesangliche Leistung. Unterstützt von einem kleinen Chor und ein paar Instrumenten wird neben aller Historie vor allem die Tiroler Musik und Tradition zur Hauptfigur dieses Abends. Manche älteren Herrschaften im Publikum sangen die alten Lieder gerührt mit und auch, wenn ich bis auf eines kein einziges dieser Werke kannte, so berühren den Zuschauer die Texte und Melodien sehr. Das Bühnenbild ist sehr schlicht gehalten. An der Stallwand gibt es ab und zu Projektionen von Landschaften oder Gebäuden um die verschiedenen Reisestationen der Sänger zu zeigen, auf einer kleinen Erhöhung stehen ein paar Kisten und Bänke, auf dem sich der Chor und am Anfang auch drei der Schauspieler niederlassen, bevor sie nach und nach als Figuren in das Stück einsteigen.
Und auch uns „Fremden“ zeigt sich in der Musik wie im Stück, dass die Zillertaler Kultur scheinbar das Melancholische mit großer Lebensfreude perfekt vereinen kann. Ich und meine Begleiter waren jedenfalls hellauf begeistert von diesem Theaterabend und hoffen sehr, dass diese Produktion auch im nächsten Jahr wieder aufgenommen wird. Wir können nämlich auch außerhalb der Skisaison ein Wochenende im Zillertal mit ein wenig Kultur am Abend durchaus empfehlen.
DIE STILLEN NÄCHTE DES LUDWIG RAINER VON HAKON HIRZENBERGER / DI 3. JULI / MI 4. JULI / SA 7. JULI / SO 8. JULI
Autor/Regie: Hakon Hirzenberger
Bühne: Gerhard Kainzner
Kostüm: Andrea Bernd
Videoinstallation: Bernd Kranebitter
Licht: Sabine Wiesenbauer
Regieassistenz: Nadja Prader
Musikalische Leitung: Gerhard Anker
Chor: Anna Geisler, Sabine Lechner, Monika Lechner, Monika Pfister, Gerhard Anker, Martin Waldner und Sebastian Egger
Mit: Roland Jaeger, Juliana Haider, Caroline M. Hochfelner, Andreas Haun und Johannes Rhomberg
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Marina am 17. Juni 2018 22:59 © Volker Derlath
Seit nunmehr 132 Jahren schwebt ein großes Mysterium durch die bayerische Geschichte: der Tod des Märchenkönigs Ludwig II.. Noch immer sind sich die Menschen nicht einig, ob der entmündigte Monarch freiwillig im Starnberger See sein Leben ließ oder ob nicht nachgeholfen wurde.
Die Autoren Otto Beckmann und Anatol Preissler – der auch das Stück in Deutschlands ältester Kriminalbühne inszenierte – haben sich unter den Decknamen Dogberry und Probstein diesen Mythos vorgenommen und ihn in eine hinreißend absurde Komödie eingewoben.
Dabei begegnen uns, wie der Titel schon verrät, der berühmte Meisterdetektiv Sherlock Holmes und sein Kamerad John Watson. Die beiden werden eines Tages in London von einer geheimnisvollen Dame besucht, die sich als Therese von Bayern entpuppt. Sie sucht Hilfe für ihren Vetter Ludwig, der nicht nur das merkwürdige Verschwinden der Besatzung seiner Ägypten-Expedition zu verkraften hat, sondern nun auch noch von einer sprechenden Mumie im Keller seines Schlosses tyrannisiert wird. Die Mumie ist alles, was von der Expedition übrig ist und der König fürchtet durch den nächtlichen Spuk seinen Verstand zu verlieren. Also machen sich Holmes und Watson per Schiff, Eisenbahn und Transrapid-Kutsche auf den Weg nach Bayern. Auf ihrer Reise begegnen ihnen allerhand merkwürdige Gestalten wie sprechende Bilder, weihrauchende Gottesmänner und aufmüpfige Statuen.
Das klingt nach vielen Figuren auf der Bühne und tatsächlich kommen fast vierzig Charaktere in dieser Komödie vor. Für die stehen jedoch nur vier Darsteller auf der Bühne. Holmes und Watson werden von Julian Manuel und Uwe Kosubek gespielt, alle anderen Damen, Herren und Sonstiges von Wolfgang Haas und Martin Dudek. Das klingt schräg und ist es auch definitiv, das Publikum – inklusive mir – hat bei der Premiere kaum eine Sekunde ohne Lachen verbracht.
© Volker Derlath
Das Konzept dieser Komödie würde natürlich nicht ohne das richtige Drumherum nicht funktionieren. Das Bühnenbild von Peter Schultze ist für das Blutenburgtheater ungewohnt minimalistisch, aber so kann sich die winizige Bühne innerhalb von Sekunden dank kleiner Details von der Baker Street in ein Schiff, ein Zugabteil, eine Kirche oder eine Gruft verwandeln. Die zahlreichen, aufwändigen Kostüme stammen von Andreas Haun, den das Publikum eher als Darsteller auf der Bühne gewohnt sind und der für diese Produktion viele Wochen im Kostümfundus und an der Nähmaschine verbracht hat. Dabei hat tatsächlich quasi jede Figur ein vollwertiges Kostüm, was für die beiden Darsteller natürlich nicht nur kuschelig warm wird, sondern auch zu lustigen, sekundenschnellen Umzügen auf der Bühne führt.
Aber das Highlight dieser Inszenierung sind aber auf jeden die vier Darsteller. Julian Manuel ist ein jugendlich-aufgedrehter Meisterdetektiv, der ganz im Sinne der Romanvorlage auch unter Einfluss von Kokain seine genialen Schlüsse zieht. Er leitet das Publikum temperamentvoll durch die herrlich absurde Geschichte. Sein Freund Watson wird von Uwe Kosubek als sympathisch-tollpatschiger Frauenheld gespielt, außerdem darf er in die Rolle des Märchenkönigs persönlich schlüpfen. Die größte Herausforderung haben jedoch Wolfgang Haas und Martin Dudeck mit jeweils rund einem Dutzend Rollen. Haas spielt nicht nur eine bezaubernde Therese, sondern auch den völlig irren ehemaligen Hofapotheker oder einen urigen Kuhhirten. Vor allem durch seine Fähigkeit, verschiedene Dialekte überzeugend nachzuahmen, gibt er jeder Figur etwas Besonderes. Martin Dudeck darf nicht nur die liebliche Haushälterin Mrs. Hudson und einen sehr verstoiberten Minister spielen, sondern ist auch ganz ohne Reden wundervoll als Mumie. Dudeck kann wieder sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen, mit dem er regelmäßig die Lachmuskeln der Zuschauer strapaziert.
Dank der Regie von Anatol Preissler ist diese Komödie rasant und wird keine Sekunde langweilig. Es wird gesungen, getanzt, es gibt viel Slapstick und plötzlich kann es auch ganz still und ernst werden. Eine gute Mischung, bei der nicht nur Sherlock Holmes- und König Ludwig-Fans auf ihre Kosten kommen.
Fünfmal die Woche kann man die vier Herren auf der Bühne des kleinen Theaters erleben, Infos zum Kartenvorverkauf sind auf der Webseite zu finden.
http://www.blutenburg-theater.de/sitzplan.html
weitere Termine: bis 21. Juli und von 21. August bis 29. September, Dienstags bis Samstags um 20 Uhr
Julian Manuel: Sherlock Holmes
Uwe Kosubek: Dr. Watson
Wolfgang Haas: Therese von Bayern / Breznverkäuferin / Echo / Bauer / Kapitän / Amor / Apotheker / Pfarrer Blasius / Sekretär Huber / Hofnarr / Schauspieler / Agatha Christel / Fischer / Schulz
Martin Dudeck: Mrs. Hudson / Schaffner / Schwabe / Hercules Peugeot / Diener / Wirt / Gärtner / Waschweib / Pfarrer Dominikus / Mumie / Kutscher / Lutz / Ritter / Schauspieler / Dr. v. Gudden / Folterkeller-Ehrhardt
Regie: Anatol Preissler
Kostüme: Andreas Haun
Bühne: Peter Schultze
Sound: Andreas Harwath
Licht: Tom Kovacs
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Marina am 11. Mai 2018 00:17 Der Sturm von William Shakespeare ist wohl unangefochten mein liebstes Theaterstück. Daher besuche ich natürlich möglichst alle Inszenierungen dieses Werkes in meiner Nähe. Als ich im Programm des Landestheater Niederbayern vom Bayerischen Sturm gelesen habe, musste ich natürlich mal wieder ins schöne Landshut in das Theaterzelt reisen (das Stadttheater wird im Moment renoviert). Es war die siebte Inszenierung des Sturms, die ich bisher gesehen habe und sicherlich die interessanteste Interpretation dieses Werkes.
Foto: Peter Litvai
Regisseur Wolfgang Maria Bauer versetzte die gesamte Handlung des elisabethanischen Schauspiels an sich in den Kopf Prosperos, eines an Alzheimer erkrankten Patienen in einer bayerischen Pflegeanstalt. Der ältere Mann sitzt meist vor einem Computerbildschirm, der Bilder einer tropischen Insel zeigt. Um ihn herum diskutieren die Schwestern und Pfleger anfangs über ihren Berufsalltag und ein geistig verwirrter Mitpatient versucht mit ihm zu kommunizieren und setzt sich dann schließlich ins Publikum. Zunächst gibt es also nicht viel Shakespeare zu hören, bis man schließlich während eines Anfalls in die Gedankenwelt des Kranken eintaucht. Dort lernt man den Luftgeist Ariel kennen, den treuen Diener Prosperos, der sich nun völlig klar und würdevoll als verstoßener Herzog Mailands sieht. Auch trifft der Zuschauer auf den Wilden Caliban, der jedoch anfangs nicht die menschliche Sprache beherrscht, sondern erst vom gestrandeten Trinculo tiefstes Bairisch lernt. Alle anderen Figuren erscheinen in der Gestalt des Krankenhauspersonals. Von da an läuft die Handlung von Shakespeares Werk, wenn auch stark gekürzt und mit weniger Personen (so wurden unter anderem der König von Neapel und sein Bruder gestrichen) ab, immer wieder unterbrochen von Ausflügen in die „Realität“. So reicht der Patient Propsero etwa die Hand seiner Lieblingskrankenschwester bzw. in seiner Fantasie seiner Tochter Miranda dem sympathischen Pfleger Ferdinand alias Prinz von Neapel. Diese Wechsel werden durch das Lichtdesign immer deutlich angezeigt. Gerade gegen Ende werden diese Realitätswechsel immer häufiger. Und schließlich merkt man, dass die beiden reinen Fantasiegestalten für Prosperos Kampf mit seiner Krankheit stehen: Ariel für seinen klaren Verstand, Caliban für das Vergessen und die Unfähigkeit sich zu artikulieren.
Das Bühnenbild und die Kostüme von Aylin Kaip zeigen vor allem die Kontraste zwischen Fantasie und Realität. Das Krankenzimmer ist ein halbrunder, steriler Raum mit riesigen Milchglasfenstern, die in verschiedenen Farben beleuchtet werden und in denen sich verschieden große Öffnungen befinden, die ein wenig an die Schubläden erinnerten, mit denen Psychologen gerne die menschliche Erinnerung vergleichen. In die Kostüme fließen verschiedene Elemente aus der Klinik ein, Ariel ist zum Beispiel in reine, weiße Verbände gewickelt, während Caliban eine dreckige Zwangsjacke trägt. Die Decke des Kranken wird zum Herzogsmantel und stellt sich später als überdimensionaler Bucheinband heraus, da ja auch Wissen und Bücher für Shakespeares Helden eine wichtige Rolle spielen.
Olaf Schürmann zeigt als Prospero eine beeindruckende Leistung. Der Darsteller wirkt am Anfang tatsächlich wie ein kranker alter Mann, der sich nicht mehr richtig artikulieren und bewegen kann und nur noch wenige klare Momente zeigt. In seinen Gedanken ist er jedoch ein stolzer und würdevoller Herrscher. Katharina Elisabeth Kram macht dem Luftgeist Ariel mit fließenden, sanften Bewegungen und milder Stimme alle Ehre. Joachim Vollrath habe ich witzigerweise bei meiner allerersten Inszenierung des Sturms vor neun Jahren als Ariel gesehen, nun durfte er in die Rolle des Wilden Caliban schlüpfen, der anfangs trotz fehlender Sprache seiner Wut gegenüber Prospero Ausdruck verleihen kann. Reinhard Peer darf als Trinculo beziehungsweise Verrückter in der Klinik für die Lacher des Abends sorgen, was einem manchmal aber im Halse stecken bleibt, wenn uns die Tragik der Situation eines geistig kranken Menschen bewusst wird. Paula-Maria Kirschner, Mona Fischer, Laura Puscheck und Ella Schulz spielen zumeist die Krankenschwestern und zeigen zusammen mit dem „Kollegen“ Julian Niedermeier vor allem den Alltag des Pflegepersonals, der trotz allen Stresses auch noch Menschlichkeit und Güte beinhaltet.
Untermalt wird die Inszenierung von der Musik Johnny Cashs, die von einem Musiker, der jedoch nicht in die Handlung eingreift, life gespielt und zum Teil von den Darstellern auf Englisch und Bairisch gesungen werden.
Foto: Peter Litvai
Der einzig kleine Kritikpunkt war, dass ich mir unter dem Titel ein wenig mehr Einflüsse aus der bayerischen Kultur und Sprache erwartet hatte. Die einzig bairisch sprechenden Rollen sind Trinculo und Caliban und die Klinik befindet sich in Bayern. Trotzdem war ich jedoch in keinster Weise enttäuscht.
Man braucht eventuell ein wenig, um die Kombination zwischen der Pflegethematik und Shakespeares Stück zu verstehen, doch lässt man sich erst einmal darauf ein, ist Der bayerische Sturm ein spannender und bewegender Theaterabend. Noch bis 2. Juni haben Zuschauer in Landshut, Straubing und Passau diese herausragende Inszenierung zu sehen. Weitere Informationen können auf der Webseite des Landestheaters Niederbayern gefunden werden.
http://landestheater-niederbayern.de/events/235
Regie: Wolfgang Maria Bauer
Kostüme / Bühne: Aylin Kaip
Prospero: Olaf Schürmann
Antonia, seine Schwester: Paula-Maria Kirschner
Ferdinand: Julian Niedermeier
Caliban: Joachim Vollrath
Trinculo: Reinhard Peer
Miranda: Mona Fischer
Ariel: Katharina Elisabeth Kram
Zwei Krankenschwestern: Laura Puscheck, Ella Schulz
Johnny Cash: David Moorbach
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Marina am 9. Mai 2018 22:40 Das Schauspiel-Business ist ein hartes Pflaster. Soviel sollte jedem, der sich mit dem Beruf befasst, klar sein. In seiner schwarzen Komödie Blitzlichter erzählt uns Schauspieler und Regisseur Moses Wolff genau davon.
Auf der Suche nach der großen Karriere landen zwei junge Frauen, die selbstbewusste Bella und die naive Isi bei einer Agentur, deren Chefin sich schon beim Vorsprechen sehr herrisch gibt: während sie auf einem Thron umgeben von Schauspielerbiografien sitzt müssen die Mädchen vor ihr knien. Obwohl alles im ersten Moment schon dubios scheint, freuen sich Isi und Bella über die Aufnahme in der Agentur. Schließlich wurden sie schon an mehreren Schauspielschulen abgewiesen und hier winkt ihnen neben dem großen Geld auch Unterricht. Doch schnell stellt sich heraus, dass die Agenturchefin und ihr Assistent Ted lediglich Schauspielerinnen suchen, die sie mit einem Kredit an sich binden können und zur finanziellen Sanierung ihrer Firma an Werbungen, schlechte Serien und Sexfilmchen vermitteln. Außerdem müssen sich die beiden jungen Frauen nicht nur ein Zimmer sondern sogar ein Bett teilen. Der Frust über die Situation staut sich vor allem bei der forschen Bella an, sodass sie schließlich ihre Wut an Isi auslässt und sie nach allen Regeln der Kunst quält.
Foto: Verena Mittermeier
Die Idee und Geschichte des Stücks ist zweifelsfrei spannend und schlüssig, nur fand ich persönlich sehr schade, dass die Handlung eigentlich kaum die Gelegenheit hat, an Fahrt aufzunehmen. Ich weiß nicht, ob die Darsteller an diesem Abend einfach nur durcheinander waren oder das Stück so geplant ist. Auf jeden Fall wirkt der Text oft fast improvisiert, vor allem in den Dialogen zwischen den Agenturchefs. Das wirkte auf mich leider eher störend denn realistisch, weil es den Spielfluss stellenweise für mein Empfinden doch enorm bremste. Gegen Ende jedoch fieberte ich richtig mit den beiden Mädchen mit und das war auch wirklich großartig geschrieben und gespielt!
Bei den Darstellern und den von Wolff geschaffenen Figuren kann man tatsächlich nicht meckern, sie sind für eine schwarze Komödie passend überspitzt und bringen viel Situationskomik aber auch Nachdenkliches in den Abend ein. Der Kontrast zwischen den „Heldinnen“ könnte kaum größer sein. Isi, gespielt von Luzia Weiß ist in ihrem Auftreten völlig schüchtern und redet leise und unsicher. Sie will die Ausbildung eigentlich nur machen, um später als freie Künstlerin ernst genommen zu werden. Bella, dargestellt von Sandra Julia Reils dagegen weiß was sie will und scheut sich auch nicht, mit unfairen Mitteln für ihre Ziele zu kämpfen.
Der Autor und Regisseur selbst spielt den angeblichen Schauspielcoach Ted, der aber weniger am Unterrichten denn an den Körpern seiner Schülerinnen interessiert ist. Wolff gibt das Ekelpaket, der sich hinter einer kumpelhaften Fassade versteckt äußerst überzeugend. Völlig durchgeknallt wirkt die von Sandra Seefeld gespielte Agenturchefin Kim, die ihren Spielzeughund „Helene Fischer“ liebevoll hegt und pflegt und auch ihre Untergebenen behandelt wie Vierbeiner – inklusive Leckerlis, Halsbändern und Kommandos. Lustig sind die Situationen zwischen den vier sehr unterschiedlichen Figuren allemal, wenn einem auch manchmal das Lachen sehr schnell im Halse stecken bleibt.
Noch am 10, 24., 25. und 26. Mai sowie am 1. Juni sind die Blitzlichter um jeweils 20 Uhr im Hofspielhaus zu sehen. In jedem Fall wird hier dem Zuschauer die scheinbar heile Film- und Theaterwelt vor Augen geführt und das in einer durchaus unterhaltsamen Art und Weise.
https://www.hofspielhaus.de/spielplan/detailansicht/blitzlichter.html
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Marina am 27. April 2018 20:22 Vier Priester kommen in eine Bar.
Was wie die Einleitung eines Schenkelklopfers klingt ist der Beginn des neuen Werke aus der Feder von Heiko Dietz, seines Zeichens Schauspieler, Regisseur, Autor und Intendant des – leider immer noch heimatlosen – theater…und so fort (wir berichteten). Dabei bemerkt der Zuschauer schon bei der Lektüre des Programms, dass das Thema an diesem Abend alles andere als lustig ist, schließlich geht es um den in den letzten Jahren viel diskutierten sexuellen Missbrauch durch Geistliche. Doch Dietz versteht es auch in seinem neuen Stück geschickt, das Publikum auch immer wieder zum Schmunzeln zu bringen, ohne die Thematik ins Lächerliche zu ziehen.
Foto: Andreas W. Kohn
Aber wieder zurück zu unseren vier Priestern. Ein Kardinal, ein Bischof, ein Pfarrer und ein Vikar sind auf dem Weg zu einer Tagung an einem Bahnhof irgendwo im Nirgendwo gestrandet, ebenso wie das Geschwisterpaar Manfred und Angelika. Die Reisenden treffen in der heruntergekommenen Bahnhofskneipe von Mechthild aufeinander, in der sich bereits der eher wortkarge Stammgast Peter gemütlich gemacht hat. Die Priester packen ihr Kirchen-Quartett aus, wobei der Kardinal schummeln lässt. Schnell wird die Hierarchie unter den Kirchenmännern deutlich, muss der junge Vikar doch trotz verletztem Arm die Koffer der ganzen Gruppe schleppen. Da ist es für die Herren doch ungewohnt, als sie der resoluten Putzfrau Gabi begegnen und ihr versprechen müssen, die frisch geputzte Toilette sauber zu hinterlassen. Das Warten auf den nächsten Zug zieht sich hin, dabei helfen die merkwürdigen Ansagen des exzentrischen Bahnangestellten Sammi wenig, der sich kurz darauf ebenfalls der Runde anschließt.
Schnell merkt man jedoch, wie nervös Manfred Wiktimar angesichts der Geistlichen wird. Seine Schwester will ihn beruhigen und zurückhalten. Doch schließlich gesteht er dem Kardinal Silenz, dass sie vor Jahren ein Telefonat hatten, in dem Manfred um Hilfe gebeten hatte. Er wurde als Kind sechs Jahre lang zum Pfarrrer seiner Gemeinde sexuell missbraucht, hatte jedoch erst viele Jahre später den Mut dies öffentlich zu machen. Doch das führte nur dazu, dass ihn seine Familie verstieß und er durch die psychische Belastung zum Frührentner wurde. Durch dieses persönliche Schicksal entsteht unter den Anwesenden eine Diskussion über den Umgang mit der Kirche mit diesen Missbrauchsfällen, vor allem die Tatsache, dass die Täter lediglich versetzt und nicht strafrechtlich belangt werden und die Opfer dadurch keinen Frieden finden können. Vor allem Sammi mischt sich rege in die Diskussion, die Putzfrau steuert Fakten bei, nur Mechthild steht meist als Beobachterin hinter ihrer Theke und deeskaliert aufbrausende Situationen mit Getränken und beruhigenden Gesten.
Das Bühnenbild von Andreas Arneth wirkt schlicht und realistisch, auch die Kostüme von Lisa Fertner sind wenig abstrakt, passen also beide zu dem ungeschönten Ton des Stücks, in dem die Thematik des Missbrauchs ausgedrückt wird. Dabei sind durchaus mysteriöse Elemente in dieser Inszenierung, die dem Zuschauer doch vor Augen halten, dass es sich hier um Fantasie handelt. Wieso weiß Mechthild etwa was ihre Gäste trinken wollen, bevor die überhaupt das Lokal betreten? Und wieso scheint sie ein Gewitter heraufbeschwören zu können? Sammi und sie kontrollieren auch per Schnipsen die Musik, die merkwürdigerweise im Text auch die Situationen aufgreifen.
Die Darsteller schaffen es, dieses sicher nicht einfache Stück so überzeugend auf die Bühne bringen, allem voran Claus-Peter Damitz als Manfred, der auch wortlos zeigt, wie sehr seine Figur unter der Vergangenheit leidet. Vor allem, als ihn auch noch seine Schwester entnervt angreift, eine packende Szene von Petra Wintersteller. Josef Parzefall gibt dagegen den immer gut gelaunten Exzentriker, der die ernsten Themen eher von einer zynischen Seite begegnet und somit die Wut manches Anwesenden auf sich zieht. Konrad Adams gibt den scheinbar gutmütigen und diplomatischen Bischof Klemm, der trotzdem viel zu verheimlichen scheint. So soll etwa der verletzte Vikar Reinemann nicht erwähnen, was mit seinem Arm passiert ist. Dieser nimmt eigentlich in diesem Stück sogar die überraschendste Wendung, aber zu viel möchte ich an dieser Stelle nicht verraten.
Foto: Andreas W. Kohn
Die humoristischeren Figuren dieses Theaterabends sind schließlich die beiden Dialektsprecher: die bayrische Putzfrau (ein wundervolles Spiel von Waltraud Lederer), die ein strenges Regiment über die sanitären Anlagen führt und trotzdem intellektuell weit mehr zu bieten hat, als man anfangs meinen möchte. Und dann noch Stammgast Peter, gespielt vom Regisseur und Autor selbst, der sich aus allem heraushält und nur ab und zu im rheinländischen Dialekt ein Bier bestellt und nur anfangs über das Leben philosophiert.
Ich kann nur sagen: schaut euch dieses Stück an! Dietz schafft es, eine so schwierige Thematik gut recherchiert aufzuarbeiten und dabei alle Seiten glaubwürdig darzustellen: die Opfer, die Täter und die Menschen, die nur indirekt betroffen sind. Dabei wird die Kirche an sich nicht ausschließlich dämonisiert, doch die Fehler des Systems aufgedeckt.
Weitere Vorstellungen:
28.April 2018, 20.00 Uhr im TAMS-Theater
03./04./05./16./17./18./19. Mai 2018 im Theater Heppel und Ettlich
Regie: Heiko Dietz
Dramaturgie: Carmen Panknon
Bühne: Andreas Arneth
Kostüm: Lisa Fertner
Musik/Sound: Tobias Bosse
Assistenz/Probendouble: Lucia Rau
Probendouble: Bagdasar Khachikyan
Mechthild, Wirtin: Yvonne Brosch
Peter Tanach, Stammgast / Hermann, Postbote: Heiko Dietz
Gabi, Putzfrau: Waltraut Lederer
Georg Klemm, Bischof: Konrad Adams
Friedrich Silenz, Kardinal: Winfried Hübner
Günther Kowahl, Pfarrer: Johannes Haag
Karsten Reinemann, Vikar: Robert Ludewig
Manfred Wiktimar, Reisender: Claus-Peter Damitz
Angelika Austing, Reisende: Petra Wintersteller
Sammi, unerwünschter Gast: Josef Parzefall
https://www.undsofort.de/stueck/gottes-last,1092
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