Die Germanistik liefert Regalmeter über den bewussten Einsatz von Requisiten, von Ringen, Briefen, Dolchen oder Schmuck. Das alles hilft leider gar nichts, wenn das verflixte Ding vor seinem Bühneneinsatz nicht auf seinem Platz ist! Ehen scheitern an verlegten Ringen, Morde an vergessenen Messern und Besäufnisse an nichtgefüllten Gläsern, wenn die Requisite patzt. Oder natürlich der Schauspieler. Bei kleinen Häusern richtet man sich grundsätzlich selbst sein Zeug vor der Vorstellung her – vergisst man es, muss man dann in den intimsten und oder peinlichsten Momenten schnell mal kurz verschwinden, um den notwendigen Liebesbrief von den Hinterbühne zu holen. So ist es Bruno Jonas als Don Quijchote am Gärtner passiert, was ihn allerdings nicht weiter störte, sondern zu einem kabarettistischen Intermezzo über die Requisite verleitete.
Ein Kollege verzichtete dagegen auf seine Mordwaffe in der „Mausefalle“ und ging anstatt mit dem fehlenden Revolver, der sich verflixterweise auch nach längerer Suche nicht in der Anoraktasche finden ließ, würgend mit beiden Händen auf die Kollegin los. Ihre Verwunderung und Angst war an keinem Abend mehr so real, wie an diesem. Gott sei dank reagierte der eingreifende Polizist auch in dieser Vorstellung rechtzeitig, da die zudrückenden Daumen sicher mehr Schaden als die ungeladene Schreckschusspistole angerichtet hätten. Vor allem wenn es sich um eine typische Kollegin handelt!
Nicht nur Vergesslichkeit auch die Art der Requisitenzubereitung kann mitunter zu Problemen führen. Freut sich noch jeder Opernchor über Essbares bei Mahlszenen („Fresst nicht gleich alles bei der Ouvertüre weg!“), so fällt ein durstiger Statist wie in Stückls „Dreigroschenoper“ am Münchner Volkstheater nur zuleicht über die Freude eines frischen Bühnenbieres aus der Rolle. Selbiger zuzelte sein Bier bei der MeckiMesserHochzeit dermaßen genußvoll, dass ihm die seltene Statistenehre gebührte, die alleinige Aufmerksamkeit des Publikums neben nebensächlicher Trauung zu erlangen.
Im Boulevard auf kleiner Bühne sollte ich etwa 30 Vorstellungen lang eine Cola kippen – Jugendjargon der späten 60-er. Aus Kostengründen wurde diese jedoch mit Zuckercouleur getrickst, der zähflüssigen braunen Lebensmittelfarbe mit Sacharinnote zur Färbung von Soßen. Ein Tropfen in genug Wasser erzeugt Weißwein, etwas mehr Rosé, noch mehr Bordeaux und in Massen zum Colabrauen – Grausen. Ab der 3. Vorstellung nippte ich nur mehr am braunen Trank.
Vorsichtig wurde ich zudem mit intransparenten Flaschen nachdem in eine Champagnerflasche in der „Fledermaus“ mehrere Zigarettenkippen der letzten Feier anstatt reinem Bühnenwasser für den Perlweinakt schwamen. Unvergessen auch der Versuch dem Boandlkramer des „Brandner Kasper“ echten Enzian unterzujubeln – von dem der naive Tod bekanntlich 12 Stamperl auf der Bühne vernichten sollte. Leider kam uns der Kollege selbst bei der Derniere drauf und blieb beim Gebirgsselters. Als dann noch mein Jagdstutzen abhanden ging, feuerte ich aus allen Rohren einer – üblicherweise verdeckten Schreckschusswaffe und es gelang ein Highnoon am Blauberg.
Requisiteure sind Meister des Bauens, Tricksens, die Leute an den Neblern, die Regenschirme im Eimerchen abwaschen, damit sie auf der Bühne tropfen und wahrlich Schaumschlagen können ohne schmutzige Wäsche zu waschen. Sehr bedacht sind sie dabei natürlich ob des Wohls ihrer kleinen Erfindungen. „Mach das bloß nicht kaputt! Das haben wir nur einmal!“ klang vielleicht nur bei 007s Quartiermeister Q ebenso oft und bestimmt, wie von den sonoren Stimmen der ordnenden und konservierenden Requisite.
Nicht zu unterschätzen ist nämlich die Spiel- und Ärgerfreude der Kollegen. Jeder Junge spielt gern mit Schwertern und Pistolen. Bei einigen Bühnenkämpfen wird das zum Selbstzweck. Schauspieler sind und bleiben eben Kinder, weshalb die Theaterwissenschaft vielleicht der Requisitentheorie der Dramatiker eine ganz neue Spielttriebsdiskussion des Schauspielers und seiner geliebten Requisite folgen lassen sollte!
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