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Interview mit Rüdiger Bach

Portraitfoto Rüdiger Bach ©️Beate Kellmann

©️Beate Kellmann

Ein brandneues Bühnenprogramm mitsamt professioneller CD und eine Buchpremiere in kürzester Zeit? Wer ist dieser Rüdiger Bach, der so umtriebig im Kulturbereich das große Rad dreht während die Welt sich bis vor kurzem noch in einer Schockstarre befand? Ich war neugierig und habe mich mit Rüdiger getroffen um mit ihm über Anstehendes, Vergangenes, Vergnügliches und Trauriges sprechen.

Hallo Rüdiger, vielen Dank für die Möglichkeit Dich interviewen zu dürfen.

Ja, da danke ich aber auch Dir für die tolle Möglichkeit für mich, eben auch durch New Star Media, dass solche Dinge möglich sind. Also danke auch für die Einladung.

Sehr gerne. Fangen wir doch mit etwas Seichtem an: Wie kommt denn ein Badener nach Bayern? Und sag jetzt nicht mit dem ICE!

(lacht) Das ist eine sehr gute Frage. Das lag daran, dass ich auf die Bühne wollte seit ich klein war. Und in meiner Heimat in Karlsruhe war ich dann auf der Badischen Schauspielschule, aber nach zwei Jahren dachte ich mir, dass das nicht so ganz das ist was ich mir wünsche und ich brauche noch mehr Vielfalt, auch für meine Rollen und um damit zu arbeiten obwohl ich damals auch schon auf der Bühne stand. Die Schule gibt es übrigens nicht mehr seit zig Jahren. Und so kam ich nach München, das war der Grund. Dort war ich dann beim Zinner Studio, das wohl inzwischen nicht mehr existiert und auch seit damals schon vier Mal umgezogen ist. Ich war damals noch in der Corneliusstraße und dort habe ich mir den – sozusagen – letzten Schliff verpasst bei anderen Lehrern. Das war letztendlich der Grund wie ich nach München gekommen bin. Rückblickend betrachtet sicherlich auch um aus dieser Enge zu entfliehen, ein neues Leben und einen Neuanfang zu beginnen. Das war der Grund.

Der klassische Weg wäre ja eigentlich nach Berlin zu gehen, dort wird es ja auch internationaler. Das hat Dir nicht getaugt?

Berlin hat mich damals (überlegt) überhaupt nicht interessiert. Und ich weiß nicht warum München, aber es war dann so. Und inzwischen bin ich länger in München als ich in Karlsruhe geboren und aufgewachsen bin.

Reden wir doch zu deinem neuen Stück. Holger F., wie kam es dazu? Du hast es ja auch selbst geschrieben, nicht wahr?

Ja, die Idee kam, da ich inzwischen schon fast 40 Jahre in diesem Beruf arbeite und möchte immer noch gerne Neues entdecken und mich auch weiterentwickeln. Ich habe eine ganz tollen Schauspielcoach, den Matthias Bayer, wir hatten eine schöne Arbeit zusammen gemacht und als ich nach Hause kam dachte ich plötzlich „aus der Figur kann man doch was machen“. Und schon war ich am Aufschreiben eines Konzepts von Holger F. Frag mich nicht warum ich auf Holger F gekommen bin, ich kenne überhaupt keinen Holger – mit Ausnahme meines Kollegen Holger Wilhelm, den ich sehr schätze. Er spielt bei Dahoam is Dahoam den Gregor. Eine Inspiration war von Wittenbrink, das Stück „Männer“, das sind elf Männer im Fußballstadion und der Abend erzählt sich nur über Lieder. Es gibt also keinen Text. Da dachte ich, dass das doch auch alleine funktionieren kann. Und so war innerhalb von Minuten das Konzept entworfen. Dass die Geschichte von Holger in 14 Liedern erzählt wird. Nur eine Geschichte zu erzählen über den Neuanfang und dass Holger sich mit Anfang 50 noch entwickelt, zu sich stehen kann und sich auch endlich offen zu seinem Schwulsein bekennen kann. Und dass sich eben aus einem verklemmten, schüchternen Mann, der bei seiner Mutter wohnt, weil diese kränkelt, der Vater hat die Familie schon lange verlassen. Zu diesem hatte Holger auch ein starkes, inniges Verhältnis, er ist jedoch aus Verpflichtungsgefühl bei der Mutter geblieben. Die Mutter ist auch nicht die Tollste, sie kann keine Gefühle zeigen, etc. Aber diese Geschichte erzählt sich wirklich sehr gut über den Abend, an dem ich bereits die ganze Zeit herumprobiere. Und das war mir einfach wichtig – ohne Glitzer und Glamour. Es hat ganz klar etwas mit LGBT zu tun, soll aber auch den ruhigen Nachbarn von Nebenan zeigen. Es soll vom Klischee wegkommen und zeigen, dass schwul immer schrill. Laut und mit bestimmten Sachen assoziiert wird. Sondern es kann auch das Mauerblümchen sein. Das Stück beginnt damit, dass die Mutter stirbt und Holger hat natürlich nun die Aufgabe alles zu organisieren und die Wohnung, in der er gewohnt hat aufzulösen. Er kommt an, die Wohnung ist schon halb ausgeräumt und nimmt Abschied, aber dies markiert auch den Start in ein neues Leben trotz alledem. Um sich am Schluss der Welt zeigen zu können und sagen kann: „Das bin ich. Und das war schon immer in mir.“ Die Mutter weißt es, sie wusste auch von seinem früheren Freund. Dieser stellte ihm aber ein Ultimatum, damit er sich zwischen Partner und Mutter entscheiden muss. Und in seinen jungen Jahren hat er sich aber für die Mutter entschieden und blieb bei ihr. Holger geht jedoch gereift in sein neues Leben. Letztendlich geht es darum auch mit Holger zu zeigen sichtbar zu sein. Sichtbar, wie ich es auch als Schauspieler Rüdiger Bach bin.

Klingt für mich auch nach einem ödipalen Stockholm-Syndrom, wenn er sich immer für die Mutter entscheidet. Mich würde interessieren, was kannst du hier von deiner Persönlichkeit reinflechten, abgesehen von Deinem Bedürfnis auch sichtbar zu sein? Du bist ja vergleichsweise schnell ausgebrochen und in die weite Welt gezogen.

Das stimmt, ich glaube ich habe mit Holger gar nicht so viel gemeinsam, weil ich einfach nicht so lange gewartet hätte. Ich hatte keine Mutter, die ich pflegen musste. Ich hatte auch keinen Vater, den ich pflegen musste. Ich hatte kein so tolles Verhältnis weder zur Mutter noch zum Vater. Und hier ist es ganz stark, vielleicht sind da auch Sehnsüchte dabei, einen starken Vater zu haben, der Segelboote mit dir baut, mit dir was unternimmt. Ja, dass ein Vater die Familie verlässt. Aber jedoch nicht wegen einer Geliebten sondern weil die Frau permanent fremd geht. Diesen Mut zu haben, den hatte mein Vater nicht. Das war ganz schlimm für ihn, er hat meine Mutter sehr geliebt. Mein Vater ist inzwischen schon länger verstorben, das hat ihn glaub ich sehr beschäftigt. Hier lass ich jedoch den Vater gehen, hier darf er diese Stärke haben, auch wenn es dem Kind weh tut, aber ich denke vielleicht versteht ein Kind das eher im Laufe des Lebens diese Stärke zu schätzen. Es ist beides nicht toll, jedoch für klare Verhältnisse zu sorgen, da sollten die Kinder wissen woran sie sind. Denn sie spüren es doch, Kinder spüren viel, viel mehr als man denkt. 

Scheint also auch ernste Töne anzunehmen im Verlauf des Stücks?

Ja, also es ist keine heitere Abendveranstaltung mit viel Schenkelklopfen. Es ist ein Abend der Unterhaltung, da sind vielleicht Lieder dabei, die man erstmal gar nicht kennt. Und die sind alle neu arrangiert worden für mich, das war ein sehr kostspieliges Playback will ich sagen. Ich will einfach unabhängiger sein damit als mit Livemusik. Ein Lied musste unbedingt rein. Ich wollte es erst original auf Englisch singen, wie Conchita Wurst. Und da wurde ich aber drauf angesprochen, dass alles andere ja auch auf Deutsch gesungen wird. Ich singe nun mal auch auf Deutsch weil es meine Muttersprache ist und ich mich damit am Besten in allen Gefühlen ausdrücken kann. So habe ich dann einen neuen, deutschen Text dazu verfasst – und das war wirklich sehr schwer, so das es auch auf Holger passt. Aber es ist uns geglückt.

Sehr schön, was möchtest du denn alles beim Publikum bewirken? Du hast gesagt es soll unterhalten, es soll aber auch mit ernsten Tönen den Mann von nebenan zeigen. Was ist denn nun dein grundsätzlicher Wunsch, was der Zuschauer denken soll wenn er sich dein Stück angeschaut hat?

Ganz viele, ich möchte die Menschen berühren, begeistern und unterhalten. Die Leute werden dann auch nachdenken. Und wenn ich sie damit entlassen kann aus dem Abend, das ist einfach immer schön. Ich möchte jetzt nicht, dass alle die Regenbogenfahne auspacken, denn darum geht es nicht. Es geht um einen Menschen und darum, dass Menschen sich unterhalten lassen können und auch mal Corona vergessen können.

Gutes Stichwort, das wollte ich als nächstes ansprechen. Der Schaffensprozess war dann vermutlich zum größten Teil in den Lockdowns? Oder war das schon vorher im Köcher?

Coverfoto Nimm dich sebst bei der Hand von Rüdiger BachNein, eben nicht. Ich muss ehrlich sagen, mir hat der Lockdown und Corona viel kreativen Schub gebracht. Im ersten Lockdown habe ich mein Buch geschrieben, das Buch „Nimm dich selbst bei der Hand“. Dann kam der zweite Lockdown, da entstand Holger. Und jetzt im dritten, sehr langen Lockdown fingen dann schon die Vorbereitungen an. Ich habe auch gedreht und habe generell immer gearbeitet, auch während der Lockdowns. Und immer versucht eine optimistische Stimmung zu behalten, was bei den Nachrichten gar nicht so leicht ist. Das wurde durch Beschränkung rein auf die Tagesschau leichter. Aber generell hieß es positiv bleiben, denn ansonsten kann man es auch gleich komplett lassen. Davon habe ich mich befreit und hab gearbeitet.

Das heißt auch für Aktionen wie #allesdichtmachen von diversen Schauspielkolleg*innen war auch kein Verständnis da?

Nein, denn man muss doch eine Hoffnung haben und sich nicht selber aufgeben. Wenn es mal nicht so läuft, diese Phasen hatte ich auch, auch wenn ich eine tolle Agentur habe. Man kann jedoch selber wirklich vieles tun. Man kann diese Zeit nutzen, eine Sprache lernen, Sport machen. Oder sich auch einfach fortzubilden und an sich selbst zu arbeiten. Man kann sich nicht nur auf eine Agentur verlassen und sonst ausschließlich z.B. kellnern und auf den großen Dreh warten. Das ist leider sehr illusorisch, es muss noch mehr sein. 

Was wäre denn dein Tipp an junge Schauspieler:innen, Anwärter:innen, die das gerade machen mit deinem Beispiel der Gastronomie um über die Runden zu kommen?

Das kann man ja machen mit dem Arbeiten in der Gastro. Man darf jedoch nicht das Ziel aus den Augen lassen, was will ich eigentlich. Zum Beispiel ein Stimmtraining zu machen. Genau zu überprüfen wo ich hin will. Und dass man sich auch Leute sucht, die einen fördern und auch zu Höchstleistungen anstupsen. Auf keinen Fall denken, dass man schon entdeckt wird und dann eine geile Karriere losgeht. Ich empfehle den Kolleg:innen: Kauft mein Buch „Nimm dich selbst bei der Hand“, denn es ist nicht teuer, überall auf Bestellung erhältlich und es sind wertvolle Tipps drin. Und meine Formulierungen sind da nicht moralinsauer, denn ich wollte nicht wirken wie ein Oberlehrer. Es geht einfach um Erfahrungsberichte von mir und was kann ich weitergeben. Diese Tipps hatte ich damals nicht, der Beruf hat sich ja in den Jahrzehnten wahnsinnig gewandelt.

Portraitfoto Rüdiger Bach ©️Beate Kellmann

©️Beate Kellmann

Alles klar, du hattest ja auch schon im Vorgespräch erwähnt, dass du zu zweit durchs Leben gehst. Ist dein Partner denn auch im „Business“?

Nein, das glaub ich würde nicht gut gehen.(gestikuliert) Ich mag das, wenn ich nach Hause komme und abschalten kann. Ich finde der Beruf nimmt einen großen Teil ein und das ist absolut in Ordnung. Aber es gibt auch das normale Leben. Ich entspanne beim Putzen, beim Backen und beim Kochen. Ich habe normale Gespräche und hab nicht nur Schauspielerfreunde. Das Leben findet ja auch draußen statt und findet außerhalb des Berufs statt. Und wenn ich etwas spielen will, das im Leben spielt, dann muss ich auch raus in dieses Leben. Und ich möchte mir auch einfach mal was Seichtes auf Netflix ansehen wie Downton Abbey. Aber zuhause sich um die alltäglichen Dinge zu kümmern und dabei beobachten, dabei entstehen ja auch Ideen. 

Gehen wir doch nochmal zurück zu deinem Buch, ein Mutmachbuch

Absolut, es ist ein Mutmachbuch und es soll animieren. Gerade in Coronazeiten nicht aufzugeben, sich nochmal neu zu überdenken, auf Reset mit sich selbst zu gehen und zu schauen wo man steht und was man ändern kann. Auch wenn man schon älter ist, es funktioniert. Man kann immer wieder neu und von vorne anfangen oder Sachen an sich entdecken. Ich glaube wenn man mit sich im Klaren ist gehen auch Türen auf. Und wenn man aus dem Gedankenkarussell aussteigt und die Gedanken über z.B. ausbleibende Buchungen zurück lässt – sich selbst zu sagen: „Stop, ja das ist so. Jetzt werde ich was ändern.“ Das hab ich selbst auch durchlebt, wie vermutlich jeder Schauspieler. Man weiß nicht was kommt, aber man strahlt es eben auch aus. Das wird wahrgenommen, dass man an sich arbeitet. Aber Mut soll dieses Buch machen. Ich habe als Beispiel auch erst mit 48 den Führerschein gemacht.

Und das ist ja auch gar nicht schlimm. Sag doch mal, wie ist das denn nun mit dem Musiktheater? Möchtest du dich da auch für zukünftige Projekte hin orientieren oder kann es auch in ein ganz anderes Genre gehen?

Ja, das kann alles sein. Ich habe zum Beispiel auch schon viel Musical gemacht. Ich hab den Lebkuchenmann gemacht, ich habe „Sugar“ gespielt, das ist das Musical zu „Manche mögen‘s heiß“. Ich kucke mal was kommt, möchte damit jetzt erstmal gastieren. Habe das Stück jedoch eigenproduziert ohne Förderung. Ich biete als Lesung das konträre Programm „Brachland“ an, das ist eine Auftragsarbeit aus der Feder meines lieben Freundes, Autor und Regisseur Brian Lausund zum Thema Rechtsextremismus und Rassismus. Das ist schon ziemlich harter Tobak. Ich wollte hier als Schauspieler etwas machen, da ich finde, dass man als solcher eine Verantwortung hat, auch auf politischer Ebene. Und dass man hier eine Haltung zeigen sollte.

Okay, aber würdest du dann auch von dir behaupten, du wirst mit deiner Entwicklung und dem Alter auch unbequem, möchtest mehr aufrütteln, mehr ansprechen?

Unbequem würde ich nicht sagen, aber ein Stück machen wollen, dass neben seichter Unterhaltung eben wie beim Stück Holger F. auch Sichtbarkeit signalisiert. Ich möchte wahrgenommen werden, als Schauspieler und als Mensch.

Gerade in der aktuellen Zeit wird ja seichte Unterhaltung gerne konsumiert, da es von z. B. Politik und Gesundheitswesen ablenkt. Hast du für dich Bedenken, dass ein Stück wie Holger F. überhaupt honoriert wird und nicht wegen des allgemeinen Hungers nach einfachen Themen aus dem Zeitgeist fällt?

Nein, ich denke nicht. Es ist ja weiterhin Unterhaltung und auch wenn es nicht seicht ist, ist man deshalb ja nicht realitätsfremd oder weltfremd. Man weißt was passiert. Aber man braucht Theater, Fernseher, die Leute brauchen Kunst. Als Ventil oder als gemeinsames Erlebnis ins Theater zu gehen, das brauchen die Menschen.

Ohne jetzt das Ende zu verraten, aber die Idee ist ja, dass man Holger auf seinem Weg hinaus in die große weite Welt begleiten soll. Zeichnest du da was vor oder brichst du das Ganze dann abrupt ab und gibst dem Publikum die Gelegenheit sich die Zukunft von Holger selbst weiterzudenken?

Vielen Dank, lieber Rüdiger, ich bin auf jeden Fall jetzt schon sehr neugierig.

Die Premiere von „Holger F.“ von Rüdiger Bach findet am 01.10.2021 um 19 Uhr im Kleinen Theater Haar statt. Karten können unter https://kleinestheaterhaar.reservix.de/events bezogen werden.

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