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Interview mit Titus Müller

[singlepic id=1161 w=240 h=320 float=left]Lieber Titus, herzlichen Dank, dass du dich zu einem Interview bereiterklärt hast. Stellst du dich uns kurz vor?

Ich bin 34, lebe in München, und wenn ich nicht gerade Computer spiele, lese, einen Film gucke oder mit meiner Frau spazieren gehe, schreibe ich Romane.

Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Ich hab immer gern gelesen, auch als Kind schon. Ich war eine Leseratte, sozusagen. Habe aber nie darüber nachgedacht, wer eigentlich die ganzen Bücher schreibt und dass das auch ein Beruf sein könnte. Das kam bei mir dann so: Mit 17, 18 habe ich angefangen, Gedichte zu schreiben, weil ich unglücklich verliebt war. Dann habe ich angefangen, Kurzgeschichten zu schreiben, und dann meinen ersten Roman so mit 22. Als ich 24 war, ist er veröffentlicht worden, das war Der Kalligraph des Bischofs. Während des Studiums habe ich drei weitere Romane veröffentlicht, viel geschwänzt, und nach dem Studium einfach weitergeschrieben. Ich hab nie anständig gearbeitet. (Lacht.)

Wie findest du deine Geschichten, oder finden sie dich?

Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt. Ich lese viel, ich rede mit Leuten, gucke mir Sachen an … So begegnen einem viele Geschichten. Das ist traurig, dass man weiß: Ich kann von all dem, was ich da Tolles sehe, nur eine begrenzte Menge aufschreiben und in Romanform bringen, weil mein Leben natürlich nicht endlos dauert. Deshalb muss ich immer auswählen. Ich habe einen dicken Ideen-Ordner mit Themen, über die ich gerne noch schreiben will, und rede immer mit dem Verlag und sage: „Das sind drei Sachen, die mir momentan Spaß machen würden. Was würdet ihr euch als nächstes wünschen?“ So geht es immer weiter.

Hast du einen bestimmten Schreibrhythmus, und was tust du, wenn es mal nicht so gut läuft?

Einen richtigen Rhythmus habe ich eigentlich nicht. Also keine festen Arbeitszeiten. Ich stehe morgens auf, wenn ich ausgeschlafen bin, setze mich an den Computer und murkele vor mich hin, bis ich in die Geschichte zurückgefunden habe. Dann schreibe ich ein paar Stunden, und am Abend höre ich auf. Ich habe natürlich ein Seitenpensum, was ich versuche, jeden Tag zu erreichen. Wenn das nicht klappt, bin ich ganz frustriert. Meine Frau sieht mir das schon am Gesicht an abends, sie weiß sofort, ob ich zufrieden bin mit dem Geschriebenen oder nicht. – Meistens, wenn man nicht vorankommt, hat das Gründe, die in der Geschichte liegen. Dann muss man herausfinden: Was passt nicht, welche Figuren verhalten sich vielleicht unlogisch oder sind nicht motiviert, nicht aktiv genug. Hat man das herausgefunden, geht es auch wieder gut voran.

Wie und wo schreibst du am liebsten? Brauchst du bestimmte Bedingungen dafür?

Ich schreibe gerne zu Filmmusik. Und ich kann sehr gut im Zug schreiben. Meine Frau hat schon ernsthaft vorgeschlagen, ich sollte mit dem Zug herumfahren, ohne Ziel, einfach so, weil ich da am produktivsten bin. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich im Zug keinen Internetzugang habe. Ich habe das bewusst nicht angeschafft, dass ich da ins Internet kann. Es klingelt kein Telefon, ich kann nicht zum Kühlschrank oder zum Briefkasten gehen. Im Grunde gibt es nur den Rechner und mich, dann geht es am besten. Man kann auch immer mal aus dem Fenster gucken, sieht die schöne Landschaft vorbeiziehen. Das ist der ideale Ort, und der zweitbeste ist mein Schreibtisch zuhause.

Hast du dann sozusagen einen musikalischen Soundtrack für ein Buch? Lässt du dich von Musik inspirieren?

Naja, es ist nicht so, dass ich ein bestimmtes Album während eines Romans immer höre, sondern ich weiß, jetzt kommt eine romantische Szene oder eine Action-Szene oder was auch immer, und dementsprechend suche ich dann die Musik aus, die ich an dem Tag höre. Ich habe ganz viele Filmmusik-Alben und wechsele die ab, weil es ja sonst langweilig wird.

Aber ausschließlich Filmmusik?

Ja, fast ausschließlich – ich überlege gerade. Also auf jeden Fall Instrumentalmusik, nichts mit Sprache, weil mich das ablenken würde. Afro Celt Sound System höre ich auch manchmal, das ist keine Filmmusik, aber reine Instrumentalmusik, zu der ich gut schreiben kann.

Hat das einen bestimmten Grund, außer dass es nur Instrumentalmusik ist?

Filmmusik ist dafür geschrieben, Emotionen zu wecken und einen innerlich aufzuwühlen, ohne dass sie sich dabei in den Vordergrund drängt. Man denkt nicht: Aha, jetzt spielt eine Oboe, oder: Da kommen die Hörner. Man konzentriert sich nicht auf die Musik. Das ist ideal für das Schreiben. Ich werde in eine emotionale Stimmung versetzt, ohne dass die Musik mich vom Schreiben ablenken würde. Ich komme in eine richtige Strömung rein, die mich weiterzieht. Das verhindert Ablenkungen, weil ich ja der Musik folge, sozusagen. Das kann man schwer beschreiben.

Welche Phase eines Buches ist für dich die anstrengendste?

Ich glaube, die anstrengendste Phase ist das erste Drittel. Denn in dieses erste Drittel fällt immer die große Enttäuschung: Auch das wird kein 110-prozentiges Buch, sondern ein 80-prozentiges. Wenn man eine Idee hat, denkt man sich immer, das wird DIE Geschichte, die wird die ganze Welt verändern! Dann schreibt man los und merkt, es wird ein guter Roman, aber auch er hat seine Schwächen. Entweder gibt es in der Dramaturgie irgendeine Schwäche, die sich nicht ausbügeln lässt, weil die Geschichte nun mal so geht. Oder eine Figur ist doch nicht so umwerfend, wie ich sie mir vorgestellt habe. Schwächen sind immer dabei. Dann muss man versuchen, die Stärken der Geschichte zu finden und sie zum Leuchten zu bringen, damit sie die Schwächen überstrahlen und es ein guter Roman wird.

In welchem Genre möchtest du gerne noch mal schreiben, und was hält dich bisher davon ab, es zu tun?

Vielleicht schreibe ich irgendwann einmal einen Roman, der in der Gegenwart spielt. Mich hält die Sorge davon ab, dass ich Sachen beschreiben müsste, die jeder in seinem Alltag erlebt. Wie kann man davon so erzählen, dass sie interessant sind? Wenn ich eine Zeitreise mache, dann ist für mich alles spannend: Was essen die Leute, was haben die an, wie sieht ihr Alltag aus? Aber wenn es heute spielt, dann muss die Geschichte auf eine andere Art spannend sein. Das Heute kennt jeder. Sollte ich jemals diesen Gegenwartsroman schreiben, wird es bestimmt eine abstruse Geschichte, damit sie trotzdem für mich reizvoll ist, auch wenn sie heute spielt.

Könntest du dir vorstellen, irgendwann mal einen „Love-and-landscape“-Roman zu schreiben?

Ja, das könnte ich mir gut vorstellen. Das Dumme ist nur: Ich habe nicht jahrelang in Kenia oder Australien gelebt. Nur mal ein Jahr in den USA. Amerika ist nicht exotisch genug, fürchte ich.

Welches Genre liest du selbst am liebsten, und hast du einen Lieblingsautor?

Ich lese alles durcheinander. Natürlich historische Romane, aber auch Science Fiction, Fantasy, Sachbücher, Klassiker, alles mögliche. Das brauche ich so. Wenn es jeden Tag Nudeln geben würde, wäre es mir auch langweilig. Ich gehe immer an das Regal mit den ungelesenen Büchern und denke: Worauf habe ich jetzt Lust? Und dann ziehe ich eines heraus. Ich habe auch keinen Autor, von dem ich sagen würde, das ist mein Lieblingsautor.

Und hast du literarische Vorbilder?

Auch nicht wirklich. Ich lese einfach viel, und von jedem lerne ich ein bisschen was.

Du hast ja historische Romane veröffentlicht und auch – im Stil von C.S. Lewis vielleicht –  Ratgeber-Bücher, die ich persönlich leider noch nicht kenne. Welches von den beiden bevorzugst du?

Die historischen Romane sind ganz klar meine Favoriten. Das ist das, was ich hoffentlich mein Leben lang machen kann. Es hängt natürlich auch davon ab, ob die Leute das Genre weiterhin lieben oder nicht. Die kleinen Alltagsglück-Bücher schreibe ich einfach, weil mir lustige Sachen passiert sind, die ich auch erzählen will. Sie passen in keinen historischen Roman, deshalb fasse ich sie alle paar Jahre zu einem kleinen sympathischen Büchlein zusammen.

Du wohnst seit kurzem in München. Gibt es eine Stadt, wo du dir vorstellen könntest zu leben, oder wo du gerne leben möchtest außer in München?

Ach, so viele! Ich würde gerne mal in Moskau leben, in London, in New York. In Berlin habe ich schon achtzehn Jahre verbracht, würde aber gerne auch dort mal wieder sein. Oder in Hamburg. Am liebsten würde ich immer ein paar Jahre in einer anderen Stadt verbringen. Ich habe Zigeunerblut. Aber ich habe eine Frau geheiratet, die kein Zigeunerblut hat, sondern feste Wurzeln. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum sie so attraktiv für mich ist. Das heißt, ich bleibe hier und lebe meine Städteträume in den Büchern aus.

Wie hoch ist dein aktueller SUB?

Ich bin da bestimmt nicht so schlimm wie du. Ich habe, glaube ich, vielleicht siebzig ungelesene Bücher. Du wahrscheinlich siebenhundert.

Über 1100.

Wahnsinn! Das ist sicher eine schöne Bibliothek.

Du warst 2002 Mitbegründer der Autorenvereinigung „Quo Vadis“, die Vereinigung für Autoren historischer Romane. Was hat euch dazu bewogen, diese Vereinigung zu gründen?

Ich habe Ruben Wickenhäuser bei einem Treffen vom Schriftstellerverband kennengelernt. Abends liefen wir zur U-Bahn und haben gesagt: Mensch, für die Krimiautoren gibt es das Syndikat, und für uns, die wir historische Stoffe mögen, gibt es irgendwie nichts. Daraufhin haben wir Leute zusammengetrommelt, die historische Romane schreiben, und haben „Quo Vadis“ gestartet. Am Anfang war es für mich sehr, sehr wichtig, weil ich wenig Ahnung davon hatte, wie das Verlagsgeschäft läuft. Mein erster Roman stand erst kurz vor der Veröffentlichung. Da war es toll, von erfahrenen Kollegen zu lernen und zu hören, was eine übliche Auflagenzahl ist und was die anderen bezahlt bekommen. Wenn man sich  austauschen kann, ist das viel wert.

Demnächst jährt sich ja der Untergang der Titanic zum hundertsten Mal. Du hast in deinem letzten historischen Roman Tanz unter Sternen davon erzählt, er spielt zum großen Teil auf der Titanic. Kam dir die Idee zum Buch im Hinblick auf den Jahrestag, oder war das unabhängig davon?

Nein, ich wollte schon seit Jahren dieses Buch schreiben. Zuhause sind die Stapel an Büchern zur Titanic gewachsen und gewachsen, etliche hatte ich mir von einem Titanic-Fan schicken lassen, um mich in den Stoff einzulesen. Aber im Verlag hieß es immer: Warte bis 2012. Weil die natürlich den Jahrestag als Verkaufsargument im Blick hatten. Und so habe ich all die Jahre gewartet und nur ab und an Ausstellungen besucht. Und dann war es endlich dran.

Wie hat sich die Recherche gestaltet für diesen Roman?

Für Tanz unter Sternen musste ich sehr genau recherchieren. Es gibt Titanic-Freaks, die kennen jede Türklinke auf dem Schiff und wissen, wer in welcher Kabine gewohnt hat. Ich habe nach Lesungen Gespräche geführt über einzelne Passagiere und deren Lebenslauf. Die kennen alles. Also musste das möglichst stimmen im Roman. Bei Blessing sind sie ganz verblüfft, dass bisher sich keiner gemeldet hat und gesagt hat: „Hey, die Schraube dreht aber andersrum!“ oder so. Eigentlich haben sie damit gerechnet, bei diesem Thema. Vielleicht gibt es auch solche Fehler, und die Fans waren einfach nett genug, nicht zu meckern. Ich habe mich wirklich tief reingekniet, bis hin zu den genauen Bauplänen vom Schiff, wo ich geprüft habe: Wo geht die Fluchtleiter lang? Ich habe versucht, es sehr genau zu machen.

Bei diesem Unglück sind sehr viele Menschen gestorben. Hat dich das während des Schreibens emotional belastet?

Vielleicht ist es gar nicht so sehr der Tod – also dass ich sage: Oh, es sind 1.500 Menschen gestorben –, sondern mehr das einzelne Schicksal, das mich berührt hat. Wenn man eine Weile von jemandem liest, wird er einem vertraut, und man leidet mit ihm. Es gibt ja einige autobiografische Berichte der Überlebenden, und auch Berichte über Leute, die gestorben sind, von anderen, die sie noch in den letzten Stunden erlebt haben. Das geht einem dann schon nahe.

Sind diese Berichte auch ganz konkret eingeflossen in die Romanhandlung?

Als Rohmaterial, natürlich. Aber man kann in einem Roman nicht alles erzählen, was man recherchiert hat. Zum Beispiel kommen die Postbeamten nicht vor, obwohl sie mich seltsam berührt haben. Die Titanic hatte ja eine große Postabteilung mit vielen Postsäcken aus Europa, die unterwegs sortiert wurden. Als die ganzen Briefe schon im Wasser schwammen, haben die Postbeamten noch versucht, die Einschreibebriefe herauszufischen, mit der Begründung: Wenigstens die Einschreiben sollen zugestellt werden. Ein ähnliches stures Pflichtbewusstsein hatten die Heizer. Sie sind noch runter ins Schiff gestiegen, wo längst klar war, dass die Titanic untergeht, nur, damit sie die Kessel beheizen und der Strom länger läuft. So konnte länger um Hilfe gemorst werden und die Passagiere hatten Licht. Da sind Menschen sehenden Auges in den Tod gegangen, um noch anderen eine Chance zu geben.

Wann hast du dich entschieden, ob und wer deiner Protagonisten sterben muss?

Das hat sich während des Schreibens noch verändert. Ich hatte anfangs einen Plan – ich habe immer einen Plan, wenn ich losschreibe. Als ich dann dabei war, den Untergang zu schildern, ist alles anders gekommen.

Ist der 14.4.2012 dann jetzt ein besonderes Datum für dich?

Ich weiß nicht. Ich habe eher ein schlechtes Gewissen dabei. Überall wird jetzt von der Titanic berichtet, auf der Titelseite vom SPIEGEL, im Radio, im ZDF kommt ein neuer Titanic-Mehrteiler, die Kinos bringen den alten Film noch mal in 3D, und ich schwimme mit meinem Buch irgendwie in diesem Strom mit. Aber ich erzähle ja eigentlich einzelne Schicksale. Tanz unter Sternen ist an Personen angelehnt, die es wirklich gab. Mein Pastor, die Hauptfigur, ähnelt in vielem einem gewissen Pastor, der da wirklich auf der Titanic war. Deshalb das schlechte Gewissen. Das Leben von Menschen ist doch nichts, womit man Kohle macht! Andererseits ist es eben so, dass ich mehr Leute dafür begeistern kann, das Buch zu lesen, wenn es zu einer Zeit erscheint, wo sie sich sowieso mit dem Thema beschäftigen.

Aber wenn du eine historische Person zum Vorbild nimmst oder in deinem Roman mitbehandelst, dann ist es ja im Prinzip auch nichts anderes, du zeichnest ja dann auch den Lebensweg nach, oder?

Genau.

Ist es dann anders, weil es einfach so zeitlich nah ist?

Weißt du, ich fand das damals so blöd, als Der Schwarm erschien und kurz darauf der schlimme Tsunami passierte. Das gab mir einen bitteren Geschmack, zu merken, dass der Tsunami dem Verkauf vom Schwarm nützte. Ich weiß nicht, ob ich mich richtig erinnere, ob es da Talkshow-Auftritte von Frank Schätzing gab. Jedenfalls dachte ich damals: So etwas will ich für mich nicht. Aber irgendwie gehört man dann doch zum Literaturbetrieb dazu, wo es um solche Daten geht. Jetzt ist es hundert Jahre her, jetzt reden alle wieder darüber. Es ist eine Gratwanderung.

Dein soeben erschienener Roman Der Kuss des Feindes spielt in einer ganz anderen Zeit. War der Umstieg für dich schwer?

Das ist ja das Schöne an meinem Beruf. Ich kann überall mal hinreisen. Das hat mir großen Spaß gemacht. Ich freue mich auch schon auf den nächsten Roman. Jetzt schreibe ich ja gerade einen, der zur Nazi-Zeit spielt, und dann werde ich wieder ein Stückchen in die Vergangenheit zurückgehen. Das ist toll, diese Abwechslung zu haben. Für den Kuss des Feindes nach Kappadokien zu fliegen und durch die unterirdischen Höhlenstädte zu kriechen, war für mich ein herrliches Abenteuer.

Stellst du uns den Roman kurz vor?

Der Kuss des Feindes spielt um das Jahr 800 herum, es geht um den Kampf zwischen Christen und Muslimen.  Es gab ja auch Zeiten, wo sie friedlich zusammengelebt haben, was ich ein sehr ermutigendes Phänomen finde. Damals aber war es ein Kampf gegeneinander, weil sich die Christen nicht den Arabern unterwerfen wollten, die dort in der Region die vorherrschende Macht waren. Deshalb haben sich die Christen in unterirdische Städte zurückgezogen. Bis zu 10 Etagen tief, mit bis zu 10.000 Menschen in einer großen unterirdischen geheimen Stadt. Oben hat man dann die Eingänge mit Steinen verschlossen. Ich erzähle eine Liebesgeschichte, in der sich der Sohn des Hauptmanns dieses arabischen Heers, das die Stadt der Christen sucht, in eine junge Christin verliebt und auch den Zugang zur geheimen Stadt findet. Das kann er aber seinem Vater nicht sagen, weil ja dann die Stadt angegriffen wird.

[singlepic id=1162 w=240 h=320 float=right]Erzählst du uns eine Anekdote aus deinem Schriftstellerleben?

Ach, ich habe viel Lustiges auf den Reisen erlebt. So etwas steht dann in diesen Glücksbüchern, die du noch nicht kennst. In Leipzig beispielsweise hatte mein Anschlusszug mal 20 Minuten Verspätung. Deshalb bin ich in die Lounge gegangen, um per E-Mails abzurufen und ein bisschen zu arbeiten. Nach knapp 20 Minuten dachte ich: Jetzt sollte ich aber mal schnell zum Gleis runtergehen. Es gibt ja keine Durchsagen in der Lounge. Man weiß nicht, ob der Zug doch schon nach 15 Minuten fährt. Ich renne also zum Gleis, und da steht dran: Hannover. Ich steige in den Zug, die Türen gehen zu, der Zug fährt ab, und bleibt bleibt dann nach ein paar Minuten stehen. Mitten auf der Strecke. Ich denke: Hä? Normalerweise kommt eine Durchsage: Wir bleiben stehen, weil vor uns der Gleisabschnitt besetzt ist, oder sowas. Es kam aber keine Durchsage. Ich bin durch den Zug gegangen, und der war leer. Es war kein Mensch drin. Ich habe mit dem Handy die Hotline der Deutschen Bahn angerufen und habe das Problem geschildert. Die haben gesagt: Steigen Sie auf keinen Fall aus! Die Hotline hat den Bahnhof Leipzig angerufen, der Bahnhof Leipzig hat den Lokführer angerufen, der kam durch den Zug zu mir und ist mit mir über die Gleise den weiten Weg zurück zum Bahnhof gelaufen. Ich musste seine Warnweste tragen, so eine orangenfarbene, damit mich kein Zug erwischt. Er hatte nur noch seine schwarze Lederjacke an. Er sagte: „Wenn Ihnen was zustößt, bin ich geliefert.“ Im Bahnhof sind wir von den Schienen auf den Bahnsteig hochgeklettert. Die Reisenden haben mich angegafft. Zum Glück hat man mich nicht mit einer Ansage über die Lautsprecher begrüßt. Die haben mir später erklärt, dass dranstand: Ankunft aus Hannover, nicht: Abfahrt nach Hannover, und dass mein Zug auf ein anderes Gleis verlegt worden sei, das sei durchgesagt worden. Aber in der Lounge gibt es keine Durchsagen.

Du bist ein erfolgreicher Schriftsteller. Was ist das Schönste an deinem Beruf, und was ist das Nervigste?

Das Schönste ist, dass ich Sachen beobachten kann, über Dinge staunen kann, und dann kann ich es mit anderen Leuten teilen. Das ist natürlich toll, wenn einen etwas fasziniert, und man kann andere in diese Faszination mit hineinnehmen. Und das Nervigste ist vielleicht immer das Zittern: Wird der nächste Roman auch wieder seine Leser finden? Weil ja mein Leben darauf gegründet ist. Klar, ich könnte auch etwas anderes zum Lebensunterhalt machen. Aber seit zehn Jahren lebe ich vom Schreiben, und bin immer wieder gespannt: Wie kommt der nächste Roman an?

Meine letzte Frage: Gibt es eine Frage, die du schon immer beantworten wolltest, die aber noch nie gestellt wurde?

Bisher wollte nie jemand wissen, ob ich schon mal in eine Lehrerin verliebt war. Das war ich! In der Grundschule. In meine Deutschlehrerin.

Vielen Dank für dieses Interview!

Gerne!

(Das Interview wurde geführt am 3. April 2012 in München.)

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