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Joseph Süß, 20.03.2012, Gärtnerplatztheater

Auch beim vierten Ansehen hat dieses Stück nichts von seiner Faszination verloren. Es gehört für mich auf jeden Fall zu den Top 3 der Neuproduktionen der letzten fünf Jahre. Die Gefühle, die Musik und Szene in mir auslösen, sind schwer zu toppen.

An den Reaktionen meiner Mitzuschauer kann ich ablesen, dass es ihnen ähnlich geht. Selbst das manchmal etwas schwerfällige Abopublikum geizt nicht mit Beifallsbekundungen. Leider haben anscheinend so viele Angst vor dem Thema und vielleicht auch vor neuer Musik, dass sie lieber fernbleiben als sich damit auseinanderzusetzen. Denen möchte ich zurufen: Wagt es! Es ist ein unvergesslicher Abend. Der Trailer kann zwar kaum das rauschhafte Gefühl vermitteln, das die Produktion bei mir bewirkt, aber vielleicht hilft er, ein paar Ängste abzubauen:

Die Besetzung ist wirklich vom Allerfeinsten: Gary Martin zeichnet ein vielschichtiges Porträt von Joseph Süß, dem Mann der hoch hinaus wollte und sehr tief fiel, weil er zufällig Jude war. Seine Bühnenpräsenz und seine tolle Stimme lassen einen mitjubeln und mitleiden. Besser geht es eigentlich nicht. Das kann man im Grunde von allen Akteuren sagen. Ich habe zwar keinen Vergleich, weil ich diese Oper noch nirgendwo anders gesehen habe, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man noch tiefer eindringen kann in Musik und Darstellung. Thérèse Wincent als Magdalena, die zu Joseph Süß steht, obwohl sie sich hätte retten können. Carolin Neukamm als engelsgleiche Naemi, die eines grausamen Todes stirbt. Was aber wohl nicht jeder mitbekommt, wie man einer Kritik entnehmen konnte. Karolina Andersson als Graziella, das Sängerpüppchen, das aber ganz schön durchtrieben ist. Mark Bowman-Hester als Weissensee, der auf dem Weg zur Macht seine Tochter und den Herzog opfert. Juan Gernando Gutiérrez als Magus, der Joseph Süß vor seinem Schicksal zu bewahren sucht. Thomas Peters, der nicht nur die Schlinge für Joseph knüpft, sondern ihn auch mit Worten seziert. Und schließlich Stefan Sevenich, der sich auch nicht von den Nachwehen eines grippalen Infektes abhalten ließ, den Herzog vor viriler Kraft strotzend zu geben.

Nicht genug loben kann man den Chor. Aufpeitschend, präzise in den Bewegungen, steigert er die Spannung bis zum unvermeidlichen Ende. Daran müssen sich größere Häuser messen lassen. Das Orchester unter Roger Epple agierte wie auch schon an den Abenden vorher konzentriert und trug seinen Teil zum Gesamterlebnis bei.

Das Must-See in dieser Spielzeit!

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