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Premiere Rheingold, 30.01.2015, Anhaltisches Theater Dessau

[singlepic id=2042 w=320 h=240 float=left]2012 mit der Götterdämmerung quasi von hinten begonnen, fand der Dessauer Ring an diesem Abend mit einer intelligenten und humorvollen Inszenierung von Rheingold seinen zum Gesamtkonzept passenden Abschluß.

Regisseur und scheidender Staatsintendant André Bücker hat auch hier das Konzept des Rings – Bauhauselemente als Reminiszenz an den Aufführungsort und die Geschichte der Medien – konsequent umgesetzt. Spielte die Walküre noch zur Hochzeit des Filmes, wurde das Rheingold an den Beginn der bewegten Bilder verlegt. Die Rheintöchter befinden sich in einem Zootrop, einer bewegten Bildergeschichte gleich wirken ihre Bewegungen und immer wieder blitzt das Gold auf, um das sich alles dreht. Die Bühne (Jahn Steigert) und die Kostüme (Suse Tobisch) sind ganz in Weiß gehalten mit einem roten Farbtupfer bei Loge und einer farbigen Überraschung am Schluß. Jeder hat eine charakteristische Kopfbedeckung, die Kostüme deuten auf spätes 19. Jahrhundert hin. Zusammen mit weißen Scherenschnitten als Projektionen, die die Personen doubeln, aber durch abweichende Handlung auch noch mehr Tiefe verleihen, ergibt sich ein spannendes Gesamtbild. Es könnte kalt und klinisch wirken, hat aber tatsächlich einen anderen Effekt: man sieht genauer hin und ist weniger abgelenkt, achtet mehr auf die Bewegungen und die Mimik.

[singlepic id=2041 w=320 h=240 float=right]Walhall in der zweiten Szene zeigt schon Anklänge an den Brünhilden-Felsen, ein verbindendes Element aller vier Teile, genauso wie der Rundvorhang, auf den die Projektionen (Frank Vetter, Michael Ott) auch diesmal eine weitere Ebene einführen. Die Nibelungen sind Kinder, die Mönchen in Skriptorien gleich, im Akkord Bilder, vielleicht für ebenso ein Zootrop wie es in der ersten Szene gezeigt wurde, anfertigen, das Gold wird durch Filmrollen symbolisiert. Hier manifestiert sich Bückers Grundlage: wer die Macht über die Erzählung hat, hat die Macht über die Welt.

[singlepic id=2040 w=320 h=240 float=left]Die Sänger sind überwiegend aus dem ganz hervorragenden Ensemble besetzt. Katharina Göres aus Berlin, die bereits in der Carmen schon kurzfristig eingesprungen war, zeigte ihre Wandelbarkaeit als Woglinde. Zusammen mit den beiden anderen Rheintöchtern Jagna Rotkiewicz und Anne Weinkauf flirtete sie prächtig mit Alberich und mahnte als Greisin am Ende die übermütigen Götter. Javid Samadov als Donner, David Ameln als Froh und Angelina Ruzzafante als Freia mögen manchmal, freiwillig oder unfreiwillig, etwas zu slapstickhaft rübergekommen sein, passten aber ganz hervorragend zu dem eigentlich heiteren Stück. Die Riesen Fasolt (Stephan Klemm) und Fafner (Dirk Aleschus) waren das nicht nur körperlich, sondern auch stimmlich. Der Alberich von Stefan Adam war herrlich verdruckst, Ivan Tursic als Mime unterwürfig. Anja Schlosser hatte einen kurzen, aber einprägsamen Auftritt als Erda, die Fricka von Rita Kapfhammer machte dem Wotan richtig Dampf. Die beiden Abräumer des Abends waren aber Albrecht Kludszuweit als Loge und Ulf Paulsen als Wotan. Ausgleichend der eine und herrisch und fast schon verschlagen der andere, dabei stimmlich auf höchstem Niveau.

[singlepic id=2039 w=320 h=240 float=right]Die Anhaltische Philharmonie unter Antony Hermus leistete Großartiges, der Abend war ein musikalischer Höchstgenuß und lässt großes erwarten für die beiden kompletten Ringe im Mai und Juni, die übrigens dann in der richtigen Reihenfolge gespielt werden. Das wird sicher auch noch einmal sehr spannend, die Rückwärtsentwicklung dann vorwärts zu erleben. Für den Juni-Ring gibt es noch wenige Restkarten.

Weitere Vorstellungen:
21.02.2015, 17:00 Uhr
05.04.2015, 19:00 Uhr
13.05.2015, 19:30 Uhr (Ring, ausverkauft)
23.06.2015, 19:30 Uhr (Ring)

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Premiere Götterdämmerung, 12.05.2012, Anhaltisches Theater Dessau

Nach diesem Abend weiß ich nun endgültig, dass ich mich vor der Musik Richard Wagners nicht zu fürchten brauche. Sie ist so bildgewaltig, so sprechend, dass sie mich in einen derartigen Rausch versetzt hat, wie es kein Alkohol und vermutlich auch keine Drogen bewirken können. Am ehesten ist es wohl mit einem fünfeinhalbstündigen Liebesrausch zu vergleichen, der hier noch durch die wirklich fabelhafte Inszenierung von André Bücker verstärkt wurde.
Im Prinzip könnte die Götterdämmerung Vorlage für Serien wie Denver und Dallas gewesen sein, hier wie dort geht es nur um Macht, Intrigen, Sex und Liebe. Der eine will durch den Ring die Welt beherrschen, der andere durch das Öl. Und weil die Geschichte wirklich zeitlos und ortsunabhängig ist, erzählt sie André Bücker nicht mit Wikingerkitsch, sondern als das, was sie ist: eine Zauberoper. Dabei verknüpft er geschickt die Oper mit der Spielstätte und präsentiert die Götterdämmerung in Bauhausästhetik mit klaren Formen und kräftigen Farben.

Schon das Eingangsbild fand ich überwältigend. Die drei Nornen sind mit mit langen Bändern mit dem “Himmel” verbunden, sie verweben diese auch wie bei einem Maibaumtanz, am Ende fallen diese wie abgeschnitten zur Erde. Das Spiel der Bänder setzt sich mittels Videoprojektionen (Frank Vetter, Michael Ott) auf dem Portal fort, das einem geöffneten Briefumschlag ähnlich sieht. Der Beginn setzte Maßstäbe für das, was noch kam. Ein Walkürenfelsen, der einem Kubus gleicht, aber einen überraschenden Weg nach oben innehat (Bühne Jan Steigert). Eine Gibichungenhalle, in der Aufzüge und eine bewegliche Plattform für Verwandlung und Distanz oder Nähe sorgen. Ein halbrundes Prospekt, das als Projektionsfläche dient oder als Abgrenzung. Alles wirkt so, als hätte Richard Wagner genau das im Sinn gehabt, als er die Götterdämmerung geschrieben hat.
Die Kostüme von Suse Tobisch sind fantastisch, ein Mix aus Antike und Science Fiction. Lediglich ausgerechnet beim Helden Siegfried hat sie daneben gegriffen, mit seinen stilisierten Bandagen sieht er aus wie Frankenstein und die Hülsen um seine Knie lassen ihn extrem x-beinig aussehen. Und warum der den ganzen Abend wie ein Storch durch den Salat über die Bühne stakst, hat sich mir auch nicht ganz erschlossen. Das ist aber zusammen mit den zwar super schönen und sehr faszinierenden, aber auf die Dauer für die Augen ermüdenden Projektionen schon das einzige, was ich an dieser Produktion auszusetzen habe. Mir hat die Regie wirklich ausgesprochen gut gefallen, die Deutung war für mich bis auf winzige Nuancen schlüssig. Die Bilder entfalten eine unglaubliche Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann.

Das wäre aber alles nur halb so schön, wenn nicht auch die musikalische Seite stimmen würde. Unter der Leitung von Antony Hermus zauberte die Anhaltische Philharmonie Bilder aus Klängen. Der Chor, verstärkt durch den Extrachor und “coruso”, den Ersten Freien Deutschen Opernchor, war durch Helmut Sonne ausgezeichnet einstudiert. Für die Partie der 3. Norn und der Woglinde war kurzfristig Sonja Freitag eingesprungen, die mir ja schon im Maskenball in Meiningen als Oscar positiv aufgefallen war. Anne Weinkauf als 2. Norn und Wellgunde war eher unauffällig, allerdings waren die Szenen der Nornen und der Rheintöchter auch nicht dazu geeignet, sich darstellerisch in Hochform zu präsentieren. Von ihrem ausgezeichneten, dramatischen Spiel und ihrer fantastischen Stimme konnte Rita Kapfhammer zumindest als Waltraute (auch 1. Norn, Flosshilde) das Publikum überzeugen. Ihre Warnung an Brünnhilde war so eindringlich, dass ich eine Gänsehaut bekam. Angelina Ruzzafante war als Gutrune eher zurückhaltend, aber nur im Spiel, ihre Stimme wies sie als starke Frau aus. Ein Erlebnis der ganz besonderen Art war die Gestaltung der Brünnhilde durch Iordanka Derilova. Stimme und Spiel passten perfekt zu der Partie und machten den Abend zu einem ganz besonderen Genuss.

Auch bei den männlichen Protagonisten gab es nur Superlative. Der Siegfried von Arnold Bezuyen war ein echtes Erlebnis und auch Ulf Paulsen als Gunther hinterließ einen bleibenden Eindruck. Stephan Klemm war vielleicht kein dämonischer Hagen, aber ein sehr menschlicher. Mir ist er noch bestens in Erinnerung als König in Die Liebe zu den drei Orangen am Gärtnerplatztheater und er enttäuschte mich auch an diesem Abend nicht. Nico Wouterse als Alberich fügte sich nahtlos in das tolle Ensemble ein. Besonders gut hat mir gefallen, dass beim Schlussapplaus sich auch die Techniker verbeugten, die an diesem Abend wirklich Schwerstarbeit geleistet hatten. Auch das Orchester durfte mit auf die Bühne und musste sich nicht im Graben verstecken. Das war ein würdiger Abschluss dieses denkwürdigen Abends, der vom Publikum mit lang anhaltenden Begeisterungsstürmen und Standing Ovations gefeiert wurde.

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