Es ist wirklich immer wieder erstaunlich, zu welchen Leistungen Kinder und Jugendliche fähig sind, wenn sie entsprechend gefördert, aber nicht überfordert werden. Die Sarré Musikprojekte haben mit Starke Kids – Romeo + Julia 2017 erneut ein tolles Projekt auf die Beine gestellt.
Romeo und Julia lieben sich, aber ihre Liebe ist verboten, weil ihre Familien verfeindet sind. Diese Prämisse aus unzähligen Versionen des Stoffes haben die Kids aufgegriffen und unter der bewährten Regie von Julia Riegel in die Gegenwart geholt. Romeo ist ein Flüchtling, der nur mit seiner kleinen Schwester Maria nach Verona kommt und auf Asyl und ein Leben in Frieden und Freiheit hofft. Dort treffen sie auf die Montagues, eine Jugendbande, die sie freundlich aufnehmen. Bald kommt es jedoch zu den ersten Streitigkeiten mit den Capulets, einer weiteren Jugendbande. Romeo trifft Julia auf einer Party und beide verlieben sich in einander. Dies gefällt Paris jedoch nicht, der ein Auge auf Julia geworfen hat und er droht, Romeo als illegalen Flüchtling abschieben zu lassen. Bei einem Kampf zwischen den beiden verfeindeten Banden tötet Tybalt Mercutio, mit dem Romeo Freundschaft geschlossen hat. Im Affekt tötet darauf Romeo den Mörder des Freundes. Paris macht seine Drohung war und informiert die Behörden über den Aufenthaltsort von Romeo, worauf dieser abgeschoben wird. Jetzt erkennen alle Beteiligten ihre Fehler und die beiden Jugendbanden versöhnen sich.
Mashup-Theater nennt man die neuartige Herangehensweise an einen Stoff. Bekannt ist der Begriff schon länger aus der Musikszene, neuerdings wird er auch für Internet-Inhalte benutzt. Dabei werden zwei oder mehr Songs oder Posts so kombiniert, dass etwas Neues entsteht.
In diese ziemlich radikale, aber doch stringente Modernisierung des Stückes wurden per Videoeinspielung Nachrichtenschnipsel eingestreut und die Geschichte des Musikers Ahmad Shakip Pouya von ihm selbst und ihm nahestehenden Personen erzählt. So erfuhr der Zuschauer hautnah, was es heißt, in ein Land zurückkehren zu müssen, in dem man jederzeit damit rechnen muss, getötet zu werden und was es für ihn bedeutete, wieder zurückkehren zu dürfen. Das war sehr bewegend. Grandios war der Comic Relief der Amme von Julia, die Samuel Levermann brillant verkörperte.
Prokofjew trifft West Side Story, das trifft die musikalische Seite des Stückes wohl am Besten. Die Leidenschaft und Hingabe der jugendlichen Akteure erweckte die schwierige Geschichte zum Leben und berührte selbst hart gesottene Menschen. Besonders hervorzuheben ist die tolle Choreografie von Ben Schobel, die sowohl die explosiven Momente des Aufeinandertreffens der verfeindeten Jugendgangs fantastisch zum Leben erweckte als auch der Hoffnung auf ein besseres Leben im wörtlichen Sinne Ausdruck verlieh.
Stücke der Sarré Musikprojekte kann man eigentlich immer uneingeschränkt empfehlen. So auch dieses, das hoffentlich, nachdem es leider nur zwei Abend- und eine Schulvorstellung gab, irgendwann wiederaufgenommen wird.
Seit einigen Jahren sind die Produktionen der Sarré Musikprojekte bekannt für ihre einzigartige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Musiktheaterbereich. Mit der diesjährigen Weihnachtsproduktion Zauberflöte für Familien übertreffen sie jedoch alles bisher dagewesene.
Eine Oper, die nicht für Kinderstimmen geschrieben ist, nur mit Kindern und Jugendlichen aufzuführen, geht das überhaupt? Verena Sarré und Regisseurin Julia Riegel haben es gewagt und herausgekommen ist eine phänomenale Produktion, bei der selbst gestandene Opernbesucher eine Gänsehaut bekommen haben, weil sie diesen Moment erleben durften. Oder wie soll man es anders beschreiben, wenn eine Jugendliche eine fast perfekte erste Arie der Königin der Nacht singt, verstärkt zwar, aber ansonsten absolut großartig.
Die technische Seite war zwar noch etwas ausbaufähig, aber das wurde durch die Spielfreude der jungen Darsteller und die entzückende Inszenierung wieder wettgemacht. Man merkt dass sowohl Frau Sarré wie auch Julia Riegel gerne mit jungen Menschen arbeiten und sich voll auf sie einlassen können. Das Stück wurde leicht gekürzt und behutsam modernisiert, um es der heutigen Lebenswelt der jungen Generation anzupassen. Da sieht ein Prinz Tamino dann aus, als ob er gerade dem nächsten Manga entstiegen wäre und ein Monostatos hat etwas gollumhaftes an sich. Beides passt aber hervorragend ins Stück. Überhaupt sind die Kostüme von Eva-Maria Beldig sehr schön und passend, genau wie das einfache, aber wandlungsfähige Bühnenbild von Caroline Neven Du Mont.
Regisseurin Julia Riegel machte aus einem (wenn wir ehrlich sind) manchmal etwas langatmigen Stück einen kurzweiligen Abend, der aber trotzdem zum Nachdenken anregte. Jung und alt wurden gleichermaßen angesprochen und schon allein das ist eine sehr schwierige Aufgabe.
Eine sehr gute Idee fand ich, die Rollen der Damen, Sklaven, Priester und Knaben mit mehreren Kindern zu besetzen, so hatte man einerseits mehr Tiefe und andererseits konnte man mehr Kinder in die Produktion einbinden. Die Hauptrollen waren durchweg gut bis sehr gut besetzt. Allen gemeinsam war, dass sie sehr gut darstellten und auch wussten was sie darstellten. Insofern kann man die Vorbereitung dieser außergewöhnlichen Produktion gar nicht hoch genug loben.
Man kann nur hoffen, dass die fünf Vorstellungen vor Weihnachten nicht die Einzigen bleiben, denn diese zauberhafte Zauberflöte hat große Aufmerksamkeit verdient.
Mitwirkende:
Sarastro Simon Riegel
Königin Arabella Wäscher
Tamino Stefan Genevaux
Pamina Laetitia Stemp
Papageno Jonas Schleuning
Papagena Rosalie Zwenzner
Monostatos Lorin Wäscher
Sprecher Leonard Dick
Damen, Sklaven und Priester, Knaben und Knäbinnen: Kinder und Jugendliche der Sarré Musikprojekte & Akademie
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