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Oper, lauwarm

Langsam frage ich mich, ob ich nicht anderen Opernhäusern gegenüber zu kritisch bin. Am Theater meines Vertrauens gefällt mir praktisch alles, ich komme aus den Vorstellungen und bin wahlweise aufgeheitert oder aufgewühlt, jedenfalls nie emotionslos. So wie am Mittwoch aus einer ausgesprochen unfeurigen Carmen in der BSO.

Auf den Sänger des Don José  war ich gespannt, kannte ich ihn doch bisher nur aus den Erzählungen meiner äußerst opernerfahrenen Kollegin. Stimmlich soll er ja in der vorhergehenden Vorstellung etwas indisponiert gewesen sein, davon habe ich zumindest nichts gemerkt. Allerdings gab er nicht das Bild eines schneidigen Offiziers ab, sondern bewegte sich über die Bühne, als ob ihm alle Knochen weh täten. Besonders im Kampf mit Escamillo  sah es leider so aus, als würden die beiden sich mit Staubwedeln duellieren. Leider fehlte auch seinem Widersacher das nötige Feuer, seine Stimme kam in der Galerie trotz fabelhafter Akustik nicht sehr gut an und seine Darstellung des Stierkämpfers lies irgendwie das Zwingende vermissen, das alle Frauen in seine Arme treibt. Die Sängerin der Titelfigur war angenehm zu hören, aber ihrer Stimme und insbesondere ihrer Darstellung fehlte völlig die erotische Anziehungskraft, die die Carmen sonst selbst für Frauen hat und so war dieses feurige Zigeunermädchen lediglich eine ordinäre Schlampe. Aber es gab auch Lichtblicke: Christian van Horn als Zuniga etwa und das Orchester unter Karel Mark Chichon. Das war schon sehr mitreißend, wie im Zuschauerraum das Licht mit einem Schlag ausgeht und das Vorspiel mit Macht einsetzt. Und die Akustik ist wirklich Klasse, ich hätte schwören können, dass die Triangel direkt neben mir war.

Und das absolute Highlight war Maija Kovalevska. Eine supertollle Stimme und ihre Micaela war grandios. Kein zartes Seelchen, sondern eine zupackende Frau, die auch schon mal den José hinter sich herzerrt, wenn er nicht spurt. Sie bekam verdientermaßen frenetischen Beifall.

Die Inszenierung ist eher traditionell, aber damit auch beliebig. Ich hatte die Carmen in der BSO schon vor etwa drei Jahren gesehen, aber sie ist mir mir nicht im Gedächtnis geblieben.

Nationaltheater

Carmen

Mittwoch, 7. Oktober 2009

19.00 – ca. 22.15 Uhr

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Oper, ähnlich

Heute bin ich zum ersten Mal in der Traviata in der Bayerischen Staatsoper. Der Stehplatz ist nicht allzu schlecht, auch wenn er keine Sitzmöglichkeit hat, dafür sind die anderen aber auch nochmal teurer. Die Feier bei Violetta findet teilweise im Freien statt, dass ist eine gute Idee, so spielt sich praktisch alles auf der Vorbühne ab, das macht es für die Sänger etwas leichter. Die Inszenierung gefällt mir so weit ganz gut, ohne Schnickschnack, aber meine persönliche Benchmark kommt ja erst noch. Schnell wird klar, warum es zwei Pausen braucht: bei der Menge von Flüssigkeit, der auf der Bühne verschüttet wurde, muss die vermutlich erst mal grundgereinigt werden. Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich es für eine Unsitte halte, sich nach jedem Akt zu verbeugen? Reicht der Applaus am Schluss nicht für die “großen” Stars?
Welche Krankheit hat die Violetta gleich noch mal? Das wird in dieser Inszenierung nicht deutlich und macht es unglaubwürdig, wenn sie von ihrem nahen Tod singt. Genauso wie die Liebe zu Alfredo ihre Entsprechung nicht in der Darstellung findet und damit oberflächlich bleibt. Aber am Unglaubwürdigsten ist hier ebenso wie in Hamburg die eigentlich unglaublich kraftvolle Chorszene der Zigeunerinnen und Matadore. Das kann man einfach nicht statisch und nur mit Gesichtsmasken spielen. Und was sollte der Zauberer? Gab auch keinen Applaus. Na, wenigstens singen sie gut.
Schön schlicht, das Bühnenbild und die Kostüme. Das ist das Beste, was ich über diese Inszenierung sagen kann. Lenkt nicht von den großen Emotionen dieser Oper ab.
Moment mal, welche Emotionen? Italienisch klingt zwar schöner, ist aber lange nicht so nah an meinem Herzen wie wenn ich verstehe, was gesungen wird Violetta darf am Schluss nicht sterben, sondern geht ins Licht, da habe ich schon vor Jahrzehnten bei “Ghost” einen Lachanfall bekommen. Himmel, ich will, dass sie fällt! Dann bin ich halt konventionell, um es mit Herrn Hiller aus der “Orchesterprobe” zu sagen.
Besondes bei “Di provenza Mar il suol” ist mir aufgefallen, dass es extrem langsam war. Muss aber gut gewesen sein, alle haben gejubelt.
Ich weiß, dass die Inszenierung am Gärtner ihre Schwächen hat, aber für mich ist sie immer noch um Längen besser als die heute gesehene.

La traviata

Nationaltheater
Samstag, 27. Dezember 2008
19.00 – ca. 22.05 Uhr

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Oper, eiskalt

CVH Debüt war der Anlass, mal wieder die Bohème anzusehen. Dieses Mal gefiel mir die Inszenierung deutlich besser als beim ersten Mal. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass man Opern zeitlos inszenieren kann, schließlich hat sie fast 40 Jahre auf dem Buckel. Der Platz im 4. Rang war auch sehr gut, ich hatte einen guten Überblick, nur das Orchester war manchmal etwas zu laut.
Anja Harteros hat wunderbar gesungen, das Debüt von CVH war gut gelungen und daneben hat mir noch Nikolay Borchev am besten gefallen, ich bin halt nun mal ein absoluter Bariton-Fan. Ein toller Abend!

Bayerische Staatsoper

La bohème

17.12.2008
19.30 – 22.10 Uhr

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Nachtgedanken, bedacht

Per  Zufall bin ich auf der Homepage des amerikanischen Bass-Baritons Christian van Horn (CVH for friends) gelandet. Er veranstaltet regelmäßig Postcards Sundays, bei denen er selbstgestaltete Postkarten vorstellt, die man dann anfordern kann. Das habe ich getan. CVH singt nämlich ab Dezember in München an der Staatsoper, weswegen ich auch ausnahmsweise meinem Gärtner untreu werde.

Christian van Horn Postcard Sunday

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