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Corinna Klimek am 5. Oktober 2013 23:12 [singlepic id=1616 w=320 h=240 float=left]Das Anhaltische Theater Dessau überrascht immer wieder mit Inszenierungen, die man einfach gesehen haben muss. Auch wenn diese Norma etwas spartanisch daher kommt, hat sie doch eine intensive Ausdruckskraft, die man leider selten auf der Bühne findet.
Norma ist Hohepriesterin eines gallischen Kultes und hat eigentlich Keuschheit geschworen. Dennoch ist sie dem Prokonsul Pollione verfallen, der die römische Vorherrschaft durchsetzt und ihr Volk unterdrückt, sie hat sogar zwei Kinder mit ihm. Als ihr Volk auf einen Krieg gegen die Besatzer drängt, mahnt sie zur Ruhe. Pollione hat sich derweil eine Jüngere gesucht, Adalgisa, ebenfalls Priesterin, die von der vorhergegangenen Beziehung zwischen Norma und Pollione nichts wusste. Als sie davon erfährt, wendet sie sich von Pollione ab. Norma ist fassungslos und rächt sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie droht, die eigenen Kinder umzubringen, dann stachelt sie ihr Volk zum Aufstand gegen die Römer an. Sie nutzt ihre herausgehobene Stellung aus, um ihre privaten Rachegelüste zu befriedigen. Als Pollione als Menschenopfer dargebracht werden soll, schafft sie es nicht, ihm den Todesstoß zu versetzen. Sie bricht zusammen und gesteht ihrem Volk den Bruch ihres Keuschheitsgelübdes und den Verrat durch die Liebesbeziehung zum Feind. Das Volk wendet sich von ihr ab, Pollione erkennt doch noch seine Liebe zu ihr und sie gehen gemeinsam auf den Scheiterhaufen.
Norma ist wohl die die beste Belcanto-Oper, wird aber selten gespielt, weil sie so schwierig zu besetzen ist. Im Anhaltischen Staatstheater Dessau kam sie jetzt zur Eröffnung der 219. Spielzeit nach über 100 Jahren wieder auf die Bühne. Die Norma wird als klassizistisches Werk angesehen und die Edelheit und Schlichtheit sollen sich im Bühnenbild von Bernd Schneider widerspiegeln. Dieses besteht eigentlich nur aus drei Elementen: auf dem Boden herumliegende Stämme, die den Wald symbolisieren sollen. Ein ziemlich toter Wald, außerdem haben mich die Stämme im ersten Akt ziemlich genervt, weil die Akteure ständig drübersteigen mussten, das sah manchmal nicht sehr schön aus und hat auch eine große Unruhe hineingebracht. Allerdings ist ihre Verwandlung am Ende absolut fabelhaft und das hat mich wieder versöhnt. Dann der Mond, blutrot pulsierend hängt er über den Liebenden, die nicht sein dürfen, gelb-orange glühend feuert er die Kriegslust an. Die Bilder waren wirklich sehr schön, die der Mond gezaubert hat. Dann noch der Vorhang, mit vielen Durchgängen, mit dem konnte ich aber nicht wirklich was anfangen.
[singlepic id=1617 w=320 h=240 float=right]Die Kostüme bilden wage den Ansatz ab, die Handlung in die Vierziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts zu verlegen und damit die deutsche Besetzung von Frankreich anzudeuten. Sie sind nicht immer wirklich gelungen, die Norma sieht im ersten Akt aus wie eine Jahrmarktshellseherin und agiert auch so, die Römer stecken in schwarzen Ledermänteln, bei denen man aber dankenswerterweise auf irgendwelche aussagekräftige Symbole verzichtet hat.Hätte man mich zur Pause gefragt, wie es mir gefallen hat, wäre mein Urteil anders ausgefallen als am Ende. Der zweite Akt und hier ganz besonders der Schluß, das den Regieansatz von André Bücker, der sich mit dem Status von Müttern, die sich mit den Besatzern eingelassen haben, beschäftigt, besonders deutlich macht, lässt kleine Unzulänglichkeiten im ersten Akt vergessen. Das Ende ist ein so starkes Bild, dass das Publikum, das zuvor noch – nicht immer passend – ausgiebig klatschte, kollektiv den Atem anhielt und vor dem großen Beifallssturm noch ein, zwei Sekunden in Stille nachwirken lies.
Dem Anhaltischen Theater Dessau ist es gelungen, die sehr gute Sängerriege aus dem Ensemble heraus zu besetzen. Angelina Ruzzafante sang die schwere Partie der Norma fantastisch, ebenso wie Rita Kapfhammer, die die innere Zerrissenheit von Adalgisa auch noch hervorragend darstellte. Sung-Kyu Park erwies sich in der Partie des Pollione als echter Belcantotenor. Thomas Skambraks verlieh Orovese eine imposante Gestalt durch seine Stimme, mit der Darstellung der körperlichen Leiden von Normas Vater übertrieb er es am Schluss aber ein bisschen. Kristina Baran, Leszek Wypchlo, der von Helmut Sonne erneut hervorragend einstudierte Chor sowie die beiden kleinen Mädchen, die die Söhne Normas darstellten, ergänzten Hauptpartien sehr gut. Die Anhaltische Philharmonie unter Daniel Carlberg fand nach anfänglichen kleinen Schwierigkeiten zur gewohnten Höchstform und machte aus einem guten Abend einen besonderen Abend.
Anmerkung: Ich wurde von verschiedener Seite, manchmal freundlich, manchmal weniger freundlich, darauf hingewiesen, dass es sich bei Herrn Park nicht um einen Belcantotenor handelt. Das mag schon sein, ich bleibe dennoch bei meiner Meinung, dass er an diesem Abend eine tolle Leistung geboten hat.
Weitere Vorstellungen am 19.10., 31.10., 23.11., 25.12., 26.01., 14.02., 13.03., 23.03. und 18.04.14
Norma. Oper von Vincenzo Bellini
Musikalische Leitung Daniel Carlberg, Inszenierung André Bücker, Bühne Bernd Schneider, Kostüme Suse Tobisch, Chor Helmut Sonne, Dramaturgie Sophie Walz
Pollione, römischer Prokonsul in Gallien Sung-Kyu Park, Orovese, Haupt der Druiden Thomas Skambraks, Norma, seine Tochter, Oberpriesterin der Druiden Angelina Ruzzafante, Adalgisa,junge Priesterin Rita Kapfhammer, Clotilda, Vertraute Normas Kristina Baran, Flavio, Freund Polliones Leszek Wypchlo
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Corinna Klimek am 6. Juni 2013 23:34 Fast auf den Tag genau 124 Jahre ist es her, dass die Oper Esclarmonde des französischen Komponisten Jules Massenet während der Weltausstellung in der Pariser Opéra-Comique ihre Uraufführung hatte. Am Anhaltischen Theater Dessau wurde sie jetzt erstmals in Deutschland gespielt und man darf schon fragen, warum das so lange gedauert hat.
Kaiser Phorcas ist mit Hilfe von Zaubermächten an die Macht gekommen. Müde seines Amtes, will er seine Tochter Esclarmonde zur Kaiserin machen und ihr auch seine Zauberkräfte übertragen. Bedingung dabei ist, dass sie den Sieger eines Turniers an ihrem 20. Geburtstag heiratet und sich bis dahin nur verschleiert zeigt. Aber Esclarmonde ist verliebt, sie hat den Ritter Roland gesehen und ist ihm rettungslos verfallen. Bestärkt durch ihre Schwester Parseis, die eigentlich über sie wachen sollte, nutzt sie ihre Zauberkräfte, um Roland auf eine einsame Insel zu bringen. Dort gestehen sie sich ihre Liebe und verbringen eine Liebesnacht. Am Morgen muss Esclarmonde zurückkehren, verspricht Roland aber, jede Nacht bei ihm zu sein. Als seine Heimatstadt Blois angegriffen wird, stattet sie ihn mit dem Schwert des Heiligen Georg aus, das ihn aber nur so lange beschützt, wie er ihr treu ist. Mit Hilfe des Schwertes besiegt Roland den Anführer der Sarazenen. Zum Dank dafür soll Roland die Tochter des französischen Königs heiraten. Dieser lehnt dankend ab, kann seinen Unwillen wegen seines Versprechens an Esclarmonde aber nicht begründen. Als der Bischof ihm trickreich sein Geheimnis entlockt, erscheint Esclarmonde und ist entsetzt über den Verrat. Nur mit Hilfe ihrer Geister kann sie fliehen, Roland bleibt mit den Bruchstücken des Schwertes verzweifelt zurück. Phorcas kommt zurück aus seiner Einsiedelei und zwingt Esclarmonde, auf Roland zu verzichten, da dieser sonst sterben würde und sie Kaiserthron und Zauberkräfte verlieren würde. Roland möchte sterben und nimmt deshalb an dem Turnier teil, an dessen Ende Esclarmondes Ehemann bestimmt wird. Roland gewinnt das Turnier und kann endlich seine Esclarmonde rechtmäßig in die Arme schließen.
Ein Märchen für Erwachsene, ein Ritterroman sei Massenets Esclarmonde, und so wurde das Stück von Regisseur Roman Hovenbitzer in Szene gesetzt. Er setzt auf große Gesten, die das Geschehen manchmal etwas künstlich wirken lassen, was aber wiederum sehr gut in den Kontext des Ritterromans passt. Leider gibt es nicht ganz das zuvor in der Einführung von Operndirektor und Dramaturg Felix Losert versprochene Happy End, aber der Phantasie des Publikums sind keine Grenzen gesetzt. Die Bühne von Tilo Steffens besticht durch symbolträchtige Bilder und seine Kostüme lassen den Zeitrahmen offen. Besonders gut gelungen sind die Videoeinspielungen von Barbara Janotte, die sehr ästhetisch sind. Erwähnenswert ist auch das sehr schön gestaltete Programmheft im Art Nouveau Stil. Hier finden sich sehr viele Hintergrundinformationen, die zum Verständnis der Oper beitragen. Leider fehlen die Bilder fast gänzlich, vielleicht kann man hier über einen Einleger nachdenken.
Gesungen wurde an diesem Abend auf ganz hohem Niveau. Angelina Ruzzafante ließ ihren Sopran strömen und präsentierte die zahlreichen Spitzentöne glasklar, aber ohne Schärfe. Leider blieb ihre szenische Darstellung ein bisschen dahinter zurück, die heiße Liebe zu Roland wirkte etwas lendenlahm. Gesangstechnisch ihr kongenialer Partner war Sung-Kyu Park als Roland. Ebenfalls gesanglich und auch szenisch oberste Liga waren Rita Kapfhammer als Parseis und Ulf Paulsen als Kaiser Phorcas. Komplettiert wurde das hervorragende Ensemble durch David Ameln als Eneas, dem Verlobten von Parseis, und Nico Wouterse als Bischof von Blois. Der Chor, Extrachor und der freie Opernchor coruso waren von Helmut Sonne ganz hervorragend einstudiert. Die Anhaltische Philharmonie unter der musikalischen Leitung von Daniel Carlberg ließ die wunderbare und durchaus eingängige Musik von Massenet strömen. Ein Höhepunkt im musikalischen wie auch übertragenen Sinn war sicher das Zwischenspiel im zweiten Akt, das die Liebesnacht von Esclarmonde und Roland symbolisiert. Ein besonderes Lob gebührte an diesem Abend der Statisterie des Anhaltischen Theater Dessau. Die Darstellung der Geister und insbesondere die wirklich berührende Darstellung der von Roland abgewiesenen französischen Königstochter rundeten diesen fantastischen Opernabend ab.
Zum wiederholten Mal bereitet mir das Anhaltische Theater Dessau einen Opernabend, den ich nicht so schnell vergessen werde. Wer diesen gehobenen Schatz noch sehen möchte, hat noch am 15. und am 29.06.13 Gelegenheit dazu. Der Abend ist auch eine weitere Anreise wert.
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