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Das kommt mir spanisch vor, 07.04.2012, Gärtnerplatztheater

Das kommt mir spanisch vor heißt ja eigentlich, dass man etwas nicht versteht. Lustigerweise ist das spanische Pendant dazu esto me suena a chino (das kommt mir chinesisch vor) 😉 An diesem Abend blieb jedoch nichts unverstanden, denn die drei Ausnahmekünstler auf der Bühne verliehen dem Gesang und dem Spiel so viel Ausdruck, dass die den Stücken zu Grunde liegenden Emotionen immer sehr stark präsent waren.

Im ersten Teil gab es überwiegend Lieder aus Zarzuelas zu hören, dem spanischen Gegenstück zur Opéra comique oder zur deutschen Operette. Ihre mitreißenden und melodiösen Rhythmen ließen bei mir schon mal die Frage aufkommen, warum diese Stücke bei uns so wenig bekannt sind, geschweige denn gespielt werden. Hauptsächlich war es hier die Zarzuela Luisa Fernanda von Federio Moreno Torroba. Elaine Ortiz Arandes erklärte den Inhalt und zusammen mit den Übersetzungen im ausführlichen Programmheft konnte man sich ein gutes Bild von dem Stück machen. Die Stimmen der puertoricanischen Sopranistin und des kolumbianischen Baritons Juan Fernando Gutiérrez harmonierten prächtig miteinander, aber auch in ihren Solostücken überzeugten beide.

Am Flügel begleitet wurden die beiden Solisten von Liviu Petcu, der im zweiten Teil unter Beweis stellte, dass er nicht nur ein ganz ausgezeichneter Begleiter ist. Mit dem bekanntesten Tango von Astor Piazzolla Adiós nonino spielte er sich auch als Solist in die Herzen der Zuschauer. Die Sprache wechselte jetzt auch mal ins Französische oder Italienische und die Lieder wurde auch etwas bekannter, wie Bésame mucho, Funiculí, funicolá oder dem Chanson Française von Maurice Ravel.

Ein sehr interessanter, abwechslungsreicher Abend, der einen schönen Einblick in die südeuropäische Musikkultur gab.

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Die Liebe zu den drei Orangen, 24.11.2011, Gärtnerplatztheater

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Adieu, mon amour! Dabei haben wir uns gar nicht so oft gesehen, wir zwei, nur dreizehn Mal, aber es war Liebe auf den ersten Blick. Dabei bist Du gar nicht so traditionell daher gekommen, wie ich es eigentlich gerne mag, sondern warst immer ein bisschen schrill, ein bisschen laut, ein bisschen bunt. Aber eben nie zu schrill, zu laut, zu bunt. Im Gegenteil, Du warst unglaublich sinnlich und hast mir immer das Gefühl gegeben, dass alles richtig ist. Du hast mich gefangen genommen mit Deinen wunderschönen Bildern, hast mir die Musik Prokofjews nahe gebracht und mich für Otto Dix interessiert. Du hast mich fasziniert mit Deiner Ausstrahlung und in Atem gehalten mit deiner Spannung. Du bist das schönste, was am Gärtnerplatz in den letzten viereinhalb Jahren gespielt wurde.

Am 10.12.2011  kannst Du Dich ein letztes Mal in voller Pracht zeigen, aber ich werde nicht dabei sein, deshalb habe ich jetzt schon Abschied von Dir genommen. Danach wirst Du in der Versenkung verschwinden. Was für eine Verschwendung.

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Der geduldige Sokrates, 21.10.2011, Gärtnerplatztheater

Dieser Abend bestärkte mich mal wieder in meiner Auffassung, dass ein Wochentagsabo nichts für mich ist. Wenn ich mir vorstelle, dass ich jede Vorstellung mit den Menschen, die gestern Abend um ich herumsassen, verbringen müsste, hätte ich vermutlich schnell die Lust am Theater verloren. Ich konnte gar nicht so viele böse Blicke in alle Richtungen verteilen, wie sich in normaler Lautstärke unterhalten wurde. Und wenn es dann doch mal einigermaßen erträglich war, hörte man das Schnarchen des Herren hinter mir. Und am Ende dann dieses wirklich absolut unmögliche, despektierliche Hinausrennen, sobald sich der Vorhang geschlossen hat. Die Herrschaften, durch die Bank älteren Semesters,  waren alle mit dem Auto angereist, die Ausrede der unbedingt noch zu erwischenden Bahn zog also nicht. Sicher ist die Oper lang, aber wenn man sich nicht mal die Zeit nehmen will, den Akteuren des Abends den wohlverdienten Applaus zu spenden, sollte man besser zu Hause bleiben und seine Chips vor dem Fernseher in sich reinstopfen.

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Jetzt hab ich mir Luft verschafft, es wird Zeit, zum Wesentlichen zu kommen: Barockmusik kann Spaß machen! Ich hab ja insgesamt fünf Vorstellungen dieser hervorragend gemachten Inszenierung von Axel Köhler gesehen und ich kann mich nicht erinnern, in einer der anderen so viel geschmunzelt zu haben. Besonders die Szene, in der dem geduldigen Sokrates dann doch mal der Geduldsfaden reißt, war köstlich. Stefan Sevenich konnte hier sein komödiantisches Talent voll ausspielen. Und so ganz nebenbei sang er noch prächtig. Leider, leider wechselt er zur nächsten Spielzeit an die Komische Oper Berlin. Gut für Berlin, schlecht für München.

Vier ausgezeichnete Soprane braucht man für diese Beziehungskomödie und das schönste Theater Münchens kann sie mal eben aus dem Ensemble besetzen. Und dann auch noch doppelt. Das muss man erst mal nachmachen können. Heike Susanne Daum und Elaine Ortiz Arandes als die streitbaren Ehefrauen des geplagten Philosophen ebenso wie Ella Tyran und Christina Gerstberger als die leidenden und leidenschaftlichen Prinzessinnen bewiesen eindrucksvoll, dass die Qualität der Sänger an diesem Haus enorm hoch ist. Robert Sellier als Melitto und Gregor Dalal komplettierten den Reigen der sehr guten Sänger. Ebenfalls für das Haus spricht, dass die Partien der Schüler des Sokrates mit Chorsolisten besetzt werden können, mit Ausnahme des Pitho, gesungen vom dem jungen Talent Mauro Peter. Diesen Namen sollte man sich merken. Der Chor machte seine Sache wie immer sehr gut und dass mir eine Balletteinlage an diesem Haus mal uneingeschränkt gefallen würde, hätte ich vor fünf Monaten noch nicht gedacht. Denys Mogylyov als Adonis schafft das schier Unmögliche 😉

Ein sehr schöner Abend, leider war das mein letzter Sokrates, die Dernière am 29.10.2011, für die noch Karten vorhanden sind, verpasse ich leider. Wer das Stück noch nicht gesehen hat, sollte sich diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen.

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Madame Butterfly, 27.07.2011, Gärtnerplatztheater

Zum letzten Mal, diese Worte tun immer besonders weh, wenn einem eine Produktion gut gefällt. So erging es mir auch an diesem Tag. Seitdem ich diese wirkliche wunderbare, intelligente, einfach passende Inszenierung von Doris Dörrie zum ersten Mal gesehen habe, hat sie mich in ihren Bann gezogen. Die Übertragung ins heutige Japan funktioniert wirklich sehr gut und gefällt mir genauso gut wie die “authentische” der Staatsoper.
Obwohl mir das Orchester an manchen Stellen einfach zu laut war, habe ich diese Vorstellung sehr genossen. Die wirklich ausgezeichneten Solisten dieses Abends, allen voran die fabelhafte Elaine Ortiz Arandes, die dieses junge Mädchen so herzzereissend singt und spielt. Gregor Dalal glänzte als Sharpless und Adrian Xhema sang den Pinkerton wie immer sehr gut. Hans Kittelmann hat mir als Goro wirklich ausgezeichnet gefallen, ebenso wie Dirk Lohr und Franziska Rabl.
Ein würdiger Abschied für dieses tolle Stück.

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Interview mit Elaine Ortiz Arandes

[singlepic id=957 template=caption w=289 h=384 float=left] Vielen Dank, dass Sie Zeit gefunden haben, uns dieses Interview zu geben, während Ihrer sehr anstrengenden Probephase für die Butterfly, die am Freitag, den 10.6.2011 Wiederaufnahme hat – nach zwei Jahren?
Ich glaube schon. Ja.

Würden Sie sich kurz vorstellen, uns ein wenig über Ihren Werdegang erzählen?
Ich bin in Puerto Rico geboren. Am Konservatorium meiner Heimat habe ich studiert. Dort gibt es alljährlich einen Nationalwettbewerb. Die Finalisten gehen im Anschluss weiter zu einem darauf folgenden Regionalwettbewerb und danach geht es für die Gewinner nach New York. In New York habe ich dann letztendlich den Bruno-Walter-Preis der Metropolitan Opera auch gewonnen. Danach bin ich nach Mönchengladbach gegangen, da die Tochter meiner Gesangslehrerin, die in Düsseldorf als Sängerin engagiert ist, mir erzählte, dass es eine freie Stelle in meinem Fach gäbe und mir vorschlug, dafür vorzusingen. … Und es hat geklappt! In Düsseldorf war ich drei Jahre engagiert. Als Herr Schwarz – der ehemalige Chefdirigent hier am Gärtnerplatztheater – damals nach München gezogen ist, bat ich ihn, mir mitzuteilen, falls sich die Möglichkeit eines Vorsingens ergeben sollte. Er hat mich angerufen: „Jemand hat für morgen abgesagt. Kommst du?“ Ich habe den Nachtzug genommen… es war Dezember und es lag so viel Schnee (deutet Hüfthöhe an). Ich bin um fünf Uhr angekommen und wusste nicht, was ich bis zum Vorsingen tun sollte, da es so kalt war. Ich bin schließlich im Rischart Cafe gelandet. Dort habe ich bis neun Uhr gewartet und ging dann zum vereinbarten Vorsingen. Und hier bin ich, seit damals. Meine Gesangstechnik hatte ich von zuhause. In Mönchengladbach habe ich eine Gesangspädagogin kennen gelernt, Ingeborg Müller, die leider dieses Jahr, im Alter von 97 Jahren, gestorben ist. Mit ihr habe ich die Technik erarbeitet, die ich jetzt habe.

Wie kamen Sie zum Singen?
Ich habe immer gesungen. Seit ich klein bin. Wirklich, seit ich klein bin. Mit vier Jahren habe ich im Kindergarten mein erstes Solo gehabt. Es war Muttertag. Seit je her habe ich gesungen, im Chor, in der Schule, überall. Ich spiele ein bisschen Gitarre, meist Folkloremusik und habe hierfür auch ein kleines Ensemble gehabt. Studiert habe ich aber eigentlich und ursprünglich Klavier. Nicht Gesang, sondern Klavier! Ich bin auf das Konservatorium gegangen, um Klavier zu studieren. Dabei musste ich “Gesang” als Nebenfach nehmen … Wobei für mich völlig klar war und zwar von Anfang an, dass Singen das war, was ich machen wollte. Auch von der schauspielerischen Seite her, weil ich immer gern ein Clown gewesen bin.

Da kommen wir gleich zur nächsten Frage: Haben Sie Vorbilder – musikalisch oder auch szenisch?
Nein, denn meine musikalische Ausbildung fand grundsätzlich im Lieder Bereich statt. Ich kann mich noch erinnern, als ich neunzehn war, da habe ich zum ersten Mal Elisabeth Schwarzkopf gehört. Auf einer ganz alten Schallplatte – das war noch die Schallplatten-Zeit (lacht). Sie hat die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss gesungen. Mich hat die Musik von Strauss sehr beeindruckt … und die Worte. Ich kann mich noch genau erinnern, was für mich ein Ansporn war, Deutsch zu lernen: Es war das Wort “sonnenatmend”, in der Zeile “inmitten dieser sonnenatmenden Erde” aus dem Strauss-Lied “Morgen”. Ich fand diese Zusammensetzung so super, dass ich mich sofort an der Uni angemeldet habe, für einen Deutsch-Übersetzungskurs. Aber ich konnte kein Deutsch sprechen, als ich herkam.

Sie singen auf Deutsch, auf Italienisch …
Französisch. Sehr viel Französisch, bei meinen Liedern, denn ich singe sehr häufig Lieder.

Welche Sprachen sprechen Sie?
Spanisch ist meine Muttersprache. Englisch. Sonstiges. (lacht)

Hatten Sie in dieser Zeit auch internationale Auftritte?
Ich habe schon in Frankreich gesungen, ich habe in Holland Kammermusik gemacht. Wir waren in Japan, in USA, Österreich…. Aber hauptsächlich bin ich hier.

Wie bereiten Sie sich auf eine Rolle vor? Sie spielen ja auch immer sehr intensiv.
Ich bin sehr gründlich bei der Vorbereitung. Ich nehme mir so viel Zeit wie möglich, es kann vielleicht ein gutes Jahr sein, für die Vorbereitung – nicht für die Vorbereitung der Musik, sondern für die Vorbereitung der Rolle. Da lese ich wahnsinnig viel. Ich bewege mich gerne im Internet. Ich lese sehr viel über die Geschichte, über die jeweilige Zeit. Ich sehe Bilder an, ich höre Musik, ich schaue mir Vasen und Malerei an, sehr viel Malerei aus der Zeit… ich sehe Filme, ich suche wirklich gründlich ganz alte Filme. Für Giovanna d’Arco habe ich auf irgendeiner Internetseite wahrlich alte Filme gefunden…die ersten Filme waren von 1902, mit diesen ganz knappen Bewegungen … All die Sachen, die in dieser Zeit entstanden sind, interessieren mich. Und wie gesagt, ich lese viel, sehr viel!

Dann kommen wir zur Madame Butterfly. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Ich habe mich zuerst mit Japan befasst, mit der Geschichte von Japan. Die Original-Geschichte von John Luther Long – das Libretto von Puccini basiert darauf. Sie ist wunderschön. Bei den Aufnahmen fand ich keine, die dem entsprochen hat, wie ich Cio-Cio San empfinde. Denn ich finde, sie ist fünfzehn, und viele von diesen Aufnahmen – zum Beispiel die sehr berühmte Renata Tebaldi, das sind irrsinnige Röhren. (lacht). Nun bin ich ein wirklich lyrischer Sopran, und es passte mir auch von der Rolle her nicht. Sie ist fünfzehn. Sie ist sehr jung. Und wenn man diese Geschichte liest, dann merkt man – sie ist eine Nudel. (lacht) Ja wirklich, so eine ganz spritzige, ganz ungeformte – doch dann habe ich eineAufnahme gefunden mit der chinesischen Sängerin, Ying Huang. Sie ist ganz leicht. Es ist eine Madame Butterfly, die von Scorsese verfilmt wurde. Und das entsprach meiner Vorstellung. Weil sie so eine leichte Stimme ist. Haben Sie den Film „Die Geisha“ gesehen?

Nein.
Diesen Film müssen Sie sehen. Das ist ein phänomenaler Film. Beim „Making-of“ zu diesem Film erfährt man sehr viel darüber, was sie alles gemacht haben. Die Bewegungen und dergleichen. Außerdem habe ich sehr viel über die japanische Tee-Zeremonie, die Rituale gelesen. Der Wert von Ehre in der japanischen Gesellschaft, das ist sehr, sehr wichtig! Dieser Wert ist vielleicht das Allerwichtigste. Wenn du dann zu den Proben kommst und alle diese Informationen in dir hast, dann brauchst du nicht viel zu tun. Dann brauchst du wirklich nicht viel zu tun. Denn alle diese Informationen haben in deinem Gehirn schon eine Figur gebildet. So funktioniert es jedenfalls bei mir.

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Die Inszenierung von Doris Dörrie ist ja relativ modern. Passt Ihr Bild der Madame Butterfly dort hinein?
Ja. Ja, dazu erzähle ich eine Anekdote: Wir hatten ein kleines, junges Mädel als Assistentin. Sie war aus Japan und sollte uns helfen. Sie sagte immer zu uns: „Nein, ich bin total europäisiert. Ich bin schon lange in Europa.“ – Und irgendwann machte jemand einen Witz und sie kicherte so. (kichert und hält sich dabei in einer typisch japanischen Geste die Hand vor den Mund). Beim Japaner gibt es eine ganz bestimmte Körperkultur. So, wie sie sich bewegen. Die ist immer da und genau das hat Doris Dörrie beibehalten. Die äußeren Umstände, die haben sich geändert. Dafür hat sie uns Videos mitgebracht, um uns zu beweisen, was sie meinte. Sie hat ihr Regiekonzept keineswegs aus dem Ärmel geschüttelt. Es hatte ein Fundament. Das haben wir auch mit eigenen Augen gesehen – sie hat uns im Video alles gezeigt, was sie von uns verlangen wollte.

Und die Inszenierung gefällt Ihnen auch?
Super. Sie kam sehr gut vorbereitet. Ein Japaner – Tadashi Endo- er hat uns diese Körperbewegungen noch stärker verdeutlicht. Erster Probetag: Eine ganze Minute “Ja” sagen, das heißt unaufhörlich mit dem Kopf nicken. “Ja”… – eine ganze Minute lang. Das ist schon sehr viel Zeit. Dann eine volle Minute “Nein”. Kopfschütteln – Kopfschütteln – Kopfschütteln. Und schließlich: “Jein” (macht eine entsprechende Kopfbewegung dazu). Sie sagen immer “Jein”, denn sie dürfen ihr Gesicht nicht verlieren. Wenn sie “Jein” sagen und alles gut funktioniert, super! Wenn es hingegen nicht funktioniert, auch super!

Die Madame Butterfly ist eine sehr tragische Figur.
Finden Sie?

Ja. Sie ist stark, aber sie ist auch tragisch. Wie kommen Sie damit zurecht?
Ich denke, man muss sich auch in die Geschichte Japans hineinversetzen, in dieses Konzept der „Ehre“, was ich vorher erwähnt habe. Das Tragische ist, dass die Amerikaner dort sind, mit amerikanischen Gedanken. Eigentlich nimmt sie sich das Leben, weil das die ehrenvollste Geste ist. Allerdings tötet sie sich in der Originalgeschichte nicht. Im Original verschwindet sie. Sie, Suzuki und das Kind gehen weg. Und das ist ein sehr interessantes Detail.

Dann finden Sie das Ende der Oper stimmiger als die Geschichte?
Ich glaube, Puccini hat das sehr tragisch empfunden. Ich versuche, in der letzten Szene – ich muss dazu sagen, diese Idee habe ich im Gespräch mit meinem Mann entwickelt – nicht außergewöhnlich tragisch zu sein. Ich könnte sagen (energisch): Giocca, geh jetzt spielen! Also, dramatisch. Oder ich könnte sagen (sanft): Giocca, geh jetzt spielen. Also voller Sanftmut. Zu Beginn der Handlung ist sie fünfzehn, zum Ende etwa achtzehn. Da empfindet man den Tod – oder man empfindet das Leben – ganz anders. Das ist es. Natürlich kann niemand Madama Butterfly mit fünfzehn singen. (lacht). Aber man muss sich zurückversetzen können. Die Emotionen sind sehr leidenschaftlich. Deswegen kann sie das machen. Aber sie haben nicht das Gewicht, das eine Frau, die die Rolle mit Vierzig singt, bringen würde. Ich glaube, man muss immer zurückfühlen, genau wie bei Traviata. Wie habe ich mit fünfzehn geliebt? … Oder nehmen Sie Emilia Marty. Emilia Marty ist älter. Deswegen ist sie satt. Sie hat diese Haltung: „Ich will nichts mehr.“ Sie ist total satt vom Leben. Das Finale von Butterfly… ich finde, es ist wunderschön – wenn du zu einem Kind sprichst – es wird immer sehr dramatisch inszeniert. Aber ich finde, es sollte sein: „Ich will, dass du zu deinem Vater gehst.“ So, dass man es wirklich glaubt. Und dann kommt ein Pathos – warum muss ich noch eins draufsetzen? Ich denke, wenn du tragisch bist, dann brauchst du nicht noch einmal etwas draufzusetzen. Das Tragische entsteht aus der Situation.

Ich habe einmal eine italienische Fassung gesehen und bemerkt, dass genau dieser Satz in den Übertiteln nicht erschienen ist: Ich bin fünfzehn. Meinen Sie, dass der Zuschauer ein Problem damit haben könnte, dass sie so jung ist?
Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Es ist eine Tatsache. (lacht) Es gibt eine japanische Sitte: wenn sie ihr Alter sagen, sagen sie immer mehr, also älter als sie sind. In der Geschichte fragt Cho-Cho San den Konsul: “Wie alt sind Sie?” – Und er antwortet: „Dreißig.“ Und sie denkt: „Ah. Er ist jünger. Also brauche ich nicht so vornehm mit ihm zu sein.“ Er denkt jedoch in seiner amerikanischen Mentalität genau das Gegenteil. Er hat sich als jünger ausgegeben als er wirklich ist.

Das sind sehr interessante Details.
Wissen Sie, mit welcher Geste Einsamkeit in Japan dargestellt wird? Wenn zwei Personen am Tisch sitzen und eine Person sich selbst Tee einschenken muss – das ist der Inbegriff der Untröstlichkeit. Wenn jemand sich selbst Tee einschenken muss – der ist der einsamste Mensch der Welt. Wenn man das alles im Gehirn hat, dann versteht man jede Geste während der Teezeremonie. Man hat sich die Mühe gemacht, einem anderen einen Tee zu machen. Dadurch haben viele Dinge eine größere Bedeutung. Das kann man natürlich immer in Körpersprache umsetzen.

Haben Sie eine Wunschpartie?
Nein. Die habe ich schon gesungen.

Was ist Ihre Lieblingsrolle?
Butterfly ist eine Lieblingsrolle. – Nuri war eine Lieblingsrolle von mir. Nuri aus Tiefland, Herr Winter hat es inszeniert, – er hat in seine Regiekonzepte immer ein wenig Kontroverses eingebracht –  aber er hat eine wunderschöne Inszenierung gemacht. Nuri war ein behindertes Kind, autistisch. Ich habe mir diese Körperbewegungen angeschaut, stets unter dem Tisch, immer in Bewegung, das war sehr, sehr interessant…. Die Traviata natürlich. Alle Rollen, die ich zurzeit mache, sind eigentlich meine Wunschrollen. Ich dachte, ich könnte irgendwann „Elisabetta“ machen, in Don Carlo. Das wurde mir angeboten, aber dann hat es sich zerschlagen.

Können Sie uns schon verraten, was Sie in der nächsten Spielzeit singen werden?
Ich glaube, ich werde in Janaceks „Das schlaue Füchslein“ singen. Und ich glaube, es gibt ein Ballett mit Tschaikowski-Liedern.

Zum Abschluss: Welche Frage wollten Sie schon immer mal in einem Interview beantworten, aber es hat sie noch niemand gestellt?
Keine. (lacht) Keine. Ich bin sehr, sehr spontan. Wenn ich dieses Bedürfnis hätte, hätte ich es erfragt. Ich hätte gesagt: Fragen Sie mich dies.

Herzlichen Dank für dieses Interview!

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Madame Butterfly, 04.07.2009, Gärtnerplatztheater

Für mich heute beides zum ersten Mal: zum ersten Mal überhaupt Madame Butterfly und zum ersten Mal im Theater meines Vertrauens.

Bereits an der Eingangstreppe begrüßt mich eine goldene, winkende Katze, die mir vage bekannt vorkommt. Die Inszenierung überträgt die Handlung in das Japan der Gegenwart und ist unglaublich gut gelungen. Die Freunde sind Cosplayer, wobei ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich keinen einzigen erkannt habe. Besonders interessant finde ich, dass das Cosplay auch eine erotische Komponente hat. Amerikanische Attribute werden geschickt eingesetzt, und wie sich Butterfly aus ihrem Kokon befreit, ist sagenhaft.

Der Schluss ist sehr emotional und das ist der Verdienst der großartigen Elaine Ortiz Arandes. Aber auch ausnahmslos alle anderen haben mir in ihren Rollen sehr gut gefallen. Adrian Xhema ist toll als Pinkerton, ebenso wie Sonja Leutwyler als Suzuki und Florian Simson als Goro. Er hat mir vor allem zusätzlich noch darstellerisch sehr gut gefallen. Johannes Wiedecke legte einen fulminanten Kurzauftritt als Bonze hin. Torsten Frisch kannte ich noch nicht, sein Sharpless hat mir zugeagt. Komplettiert wurde das excellente Ensemble durch Frances Lucey, Dirk Lohr, Martin Hausberg, Rotraut Arnold und einige Chorsolisten und natürlich den Chor an sich. Auch das Orchester unter David Stahl war bestens aufgelegt. Das ist nochmal ein echtes Highlight, bevor die traurige Gärtnerlose Zeit anbricht.

Zur Pause war ich noch ziemlich aufgebracht, weil die letzten Takte bereits im Applaus untergingen. Leute, das Stück ist vorbei, wenn der Dirigent seinen Taktstock ablegt und nicht, wenn der Vorhang sich langsam schließt! Am Ende konnten sich wenigstens die Ich-klatsche-aber-als-Erster so lange zurückhalten, bis der letzte Ton einigermaßen verklungen war. Ich musste noch einen Moment innehalten, zu sehr hatte mich das Gesehene ergriffen. Tosender Applaus für alle Beteiligten.

Danke für einen wunderbaren Abend!

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