Das Hofspielhaus hat sich für mich mittlerweile als Adresse für spannende und ungewöhnlichere Theaterabende eingebürgert, so war ich auch sehr neugierig, was mich bei der Musiktheaterperformance Vom Fliegen und Fliehen erwarten würde.
Die Geschichte nach einer Parabel von Ingeborg Bachmann klingt eigentlich recht simpel: eine kleine Angestellte in einem Callcenter landet durch Zufall in einem Laden, der Träume verkauft. Anfangs zögerlich versinkt die Protagonistin in diesen Träumen, die letztendlich ihr geregeltes Leben zerstören.
Dieses geregelte Leben wird anfangs von der Darstellerin Bervian Kaya (die zusammen mit dem Regisseur Sebastian Brummer die Performance erarbeitete) beinahe provokant dargestellt. Mit einem gezwungen zufriedenen Lächeln auf den Lippen und einer scheinbar unerschütterlichen Ruhe wiederholt sie in den ersten Minuten immer wieder pantomimisch den Tagesablauf ihrer Figur: aufstehen, Zähne putzen, essen, immer wieder dieselben Floskeln bei ihrem Job im Callcenter, schlafen gehen… Dieser scheinbar ewige Kreislauf wird erst unterbrochen, als sie ihren Wohnungsschlüssel nicht mehr finden kann. Auf der Suche nach Hilfe landet sie zufällig in einem kleinen, heruntergekommenen Laden mit einem großen Stapel schlichter Kisten. Der Inhaber des Ladens, gespielt von Fatima Dramé, ist im Gegensatz zur „grauen Maus“ der Hauptfigur ein lauter und bunter Zeitgenosse. Er schafft es, seine Kundin neugierig zu machen und zeigt ihr eine kleine Schachtel, die ihr einen Traum von Urlaub und Meer zeigt. Kurze Zeit später findet die Heldin einen herrenlosen Schatten, der den letzten Traum seines Besitzers nicht sehen konnte und daher nun alleine bleiben muss. Daher suchen die beiden im Laden nach einem neuen Traum, der zwar idyllisch beginnt, dann aber zum Albtraum von Krieg und Zerstörung wird. Davon traumatisiert flieht sie aus dem Laden und kann sich von da an nicht mehr auf ihren Alltag und ihre Arbeit konzentrieren und wird schließlich entlassen. Vorwurfsvoll wendet sie sich an den Ladenbesitzer und bricht schließlich im Laden zusammen, da es ihre Lebenszeit gekostet hat, den Träumen nachzuhängen.
Ich war nie ein Fan des „typischen“ Performance-Theaters, dieses Werk zeigt jedoch eine klare Handlung und Struktur, was es trotz der sehr philosophischen Thematik nicht allzu schwer macht, ihr zu folgen. Auch gibt es tatsächlich auch kleine humorvolle Momente, etwa wenn die Protagonistin ihren verlorenen Schlüssel nach dem Genuss von merkwürdigem grünem Bier aushustet oder wenn der Ladenbesitzer wirklich schlechte Witze reißt.
Auf der kleinen Bühne wird die Mystik des Themas sehr geschickt dargestellt mit von innen leuchtenden Kisten und der Projektion von Urlaubsbildern und dem einsamen Schatten. Die musikalische Untermalung dieser Szenen kommt zum Teil vom Band, wird aber auch virtuos life gespielt von der Saxofonistin Carolyn Breuer. Man versteht also auch ohne viele Requisiten, was erzählt wird.
Das Spiel der beiden Darstellerinnen ist jedoch definitiv das Fesselndste an diesem Abend, vor allem ihr Gegensatz. Die Protagonistin von Bervian Kaya wirkt zu Beginn immer kontrolliert, schüchtern aber doch zufrieden mit ihrem Leben. Doch ganz ohne Träume wirkt dieses Leben trist und leer. Fatima Dramé als Ladenbesitzer, der schon seit Jahrtausenden Träume verkauft, scheint die Hauptfigur am Anfang zu überfordern, doch ist hinter dieser überschwänglichen Fassade die Erkenntnis, dass in der heutigen Zeit selbst die Kinder verlernt haben zu träumen. Schließlich wünschen sich heute alle nur noch einen sicheren Job, Geld, einen perfekten Partner. Die Menschen leben nur noch um zu arbeiten und nicht anders herum.
Am 15. und 22. Februar gibt es noch einmal die Möglichkeit, diese Performance im Münchner Hofspielhaus zu sehen.
Mit Carolyn Breuer, Berivan Kaya und Fatima Dramé.
Regie: Sebastian Anton Maria Brummer
Bühnenbild: Peter Schultze
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