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Premiere “CHRIS Kolonko – So wie jetzt”, Hofspielhaus, 12.02.2020

Chris Kolonko
Foto ©Adrian Mußner

Ein Bericht von Marina Kolmeder und Adrian Mußner

 

MK: Wenn auch klein ist das Hofspielhaus wohl eine der vielfältigsten Kultureinrichtungen Münchens. Von Sprechtheater, Musicals, Poetry Slam bis Operetten – es gibt kaum etwas, das man nicht auf diese kleine Bühne bringen könnte. In der vergangenen Woche war schließlich etwas für mich völlig Neues auf dem Programm: die neue Show des bekannten Travestiekünstlers Chris Kolonko.

 

AM: Dieser ist Sänger, Entertainer, Travestiestar und Varietélegende. Vom gebürtigen Augsburger las man zuletzt in München von seiner Tributeshow „Marlene – The Concert of her Life“ in den Feuilletonspalten. Seitdem lag sein Fokus vermehrt auf dem Erstellen eigener Showkonzepte. So wurde schließlich der Augsburger Spiegelpalast ins Leben gerufen, der bereits in der zweiten Saison seine Gäste mit Dinner-Shows beglückt.

Aus meinen bisherigen Besuchen im Hofspielhaus weiß ich bereits: die Plätze sind begrenzt. Eine kleine Bühne, ein kleiner Zuschauerraum, ein noch kleinerer Innenhof für Inszenierungen im Sommer. Später erfahren wir, dass Chris wohl ähnliche Gedanken hatte, als er das erste Mal die Treppe hinunter zum rustikal bestückten Saal beschritt. Zitat: „Mein Keller ist größer – und hat mehr Charme.“

MK: Trotzdem lässt sich Kolonko von den beengten Verhältnissen nicht von einer großen Show abhalten. Die Bühne wurde kurzerhand zur Künstlergarderobe mit Schminkspiegel, Kleider- und Perückenständer umfunktioniert. Der Zuschauer kann vor der Vorstellung die Verwandlung aus nächster Nähe mitverfolgen und auch die zahlreichen Kostüm- und Perückenwechsel finden auf der Bühne statt – mit engagierter Hilfe von Klaus aus dem Publikum.

Chris Kolonko
Foto ©Adrian Mußner

AM: Ein Experiment sollte dies nun werden, betont Chris Kolonko bereits zu Anfang. Ein Rohdiamant, der bald vor mehr Publikum inszeniert wird. Und tatsächlich werden hier viele Barrieren überwunden. Bereits beim Einnehmen des Platzes offenbart sich das ganze Spektrum des heutigen Abends. Vorhang Fehlanzeige – man nimmt seinen Platz ein, vorzugsweise mit Aperitif, und sieht dabei zu wie Kolonko sich live auf der Bühne bereits in voller Montur schminkt. Die Bühne ist funktional, es gibt ein Klaver zur Begleitung durch den Pianisten

, einen Schminkplatz, der den Mittelpunkt darstellt, daneben noch eine Auswahl an Perücken und verschiedenen Kostümelementen, drapiert wie auf einer Garderobe. Kolonko sitzt vor seinem Spiegel auf einem Sattelhocker. Den Blick durch das Publikum schweifend, der Raum ist nun zum Bersten besetzt, erkenne ich ein paar Weggefährten Kolonkos sowie vorwiegend gut gekleidete Damen mit frechen, kurzen Haarschnitten, die wohl eine eingeschworene Fangemeinde von Kolonko sind. Der Blick geht wieder zurück zur Bühne. Huch, die Lippen sind ja schon fertig.

Und tatsächlich, Schlag 20 Uhr, das Licht verändert sich und wird wärmer. Kolonko trägt einen pudrigen Duft auf, der den Zuschauer schon kurz darauf erreicht. Das Experiment kann beginnen.

Die Show ist ein buntes Potpourri aus geschickt gewählten Chansons, die sowohl pure Lebensfreude versprühen als auch mit einem Augenzwinkern die Widrigkeiten des Lebens beleuchten. Kolonko wechselt zwischendurch die Kostüme ganz nonchalant in der Bühnenmitte, lediglich die Perückenwechsel finden blitzschnell und professionell statt. Quickchange oder gar ein kurzer Marlene-Auftritt kommen nicht vor. Warum auch? Der Abend ist eine Spielwiese für Neues – das wird auch durch den Textbuchständer verdeutlicht. Aufregend für Publikum und Künstler – das schafft Sympathie. Kurze Einlagen als Conférencière geben sich die Hand mit Gollwitzer-Federn. Chris beweist an diesem Abend, was alles möglich ist – Gesang, Moderation, Publikumsinteraktion, dabei gelingt auch noch die Illusion der Weiblichkeit – Kolonko ist ein Vollblut Maître de Plaisir.

Chris Kolonko
Foto ©Adrian Mußner

MK: Für mich, als Neuling in der Welt der Travestie war dieser Mix aus Verwandlung, Comedy und Musik ein großes Vergnügen. Besonders überrascht hat mich Kolonkos offener und humorvoller Umgang zum Thema Schönheits-Operationen, denen der Künstler alles andere als abgeneigt ist. Aber er stellt hierzu auch eine wichtige Aussage in den Raum: Man sollte solche Eingriffe für sich selbst machen, für die eigene Zufriedenheit. Und ja, man merkt, dass Chris Kolonko mit sich Selbst im Reinen ist und sein schillerndes Showleben geniesst. Ein unglaublich sympathischer und nahbarer Mensch, der es versteht zu begeistern.

AM: Wir wurden bestens unterhalten, wir empfehlen wärmstens einen Besuch. Mit „So wie jetzt“ bringt Chris Kolonko ein Programm auf die Bühne, das Grenzen sprengt und Einblicke liefert, die man nicht für möglich hält. Seien Sie experimentierfreudig!

Das Programm „CHRIS Kolonko – So wie jetzt“ ist in München bereits ausverkauft. Eventuelle Zusatztermine können Sie auf www.chris-kolonko.de einsehen. Für das Parktheater im Kurhaus Göggingen bei Augsburg sind noch Karten verfügbar.

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Premiere Im Weissen Rössl am Starnberger See, 02.05.2019, Hofspielhaus München

Foto: Verena Gremmer

Foto: Verena Gremmer

Dem Münchner Operettenliebhaber ist das berühmte Stück von Ralph Benatzky vermutlich schon in den größeren Dimensionen des Gärtnerplatztheaters über den Weg gelaufen. Umso spannender ist es, wenn eine kleine Bühne wie das Hofspielhaus dieses Werk auf die Bühne bringt. Da hier kein Platz für viele Solisten, Chor oder Orchester ist, hat es mich im Vorfeld durchaus neugierig gemacht.
Das Schönste war zunächst mal, dass die Musikbegleitung – ganz minimalistisch – mit Klavier und Gitarre live gespielt wurde. Bei einer vergangen Musiktheater-Produktion hat mir das viel zu laute Playback nämlich nicht wirklich zugesagt. Aber die fünf Solisten und zwei Instrumente reichen völlig, um den Liedern (eine Mischung aus den originalen Songs und passenden Fremd-Werken) die passende Stimmung zu verleihen.
Die Geschichte des unglücklich verliebten Oberkellners Leopold und der schönen Rösslwirtin wurde im Hofspielhaus wurde weiter westlich an den Starnberger See verlegt. Wie im Original steht zwischen dem Liebesglück der Anwalt Doktor Siedler, auf den die Wirtin ein Auge geworfen hat. Doch von da an ändert sich das Personal etwas, denn zusätzlich taucht noch ein griechischer Olivenöl-Händler mit seiner Tochter auf. Die beiden machen eine typische Bayern-Reise auf den Spuren König Ludwigs und nächtigen im Rössl, wo ihnen Leopold das Zimmer Doktor Siedlers zuteilt. Der verliebt sich in die schöne Griechin, die passenderweise sowieso von ihrem Vater verheiratet werden soll.
Stimmlich und darstellerisch eine absolute Wucht ist Maria Helgath als bairisch sprechende Wirtin, sie gibt ihrer Rolle das nötige Selbstbewusstsein, das angesichts ihres Doktor Siedlers ganz schnell in mädchenhafte Schwärmerei umschlägt. Leopold ist auch in der bayerischen Version des Rössls Österreicher, sehr sympathisch gespielt von Christoph Theussl, der neben einer angenehm natürlichen Gesangsstimme vor allem auch großes komödiantisches Talent beweist. Sehr unterhaltsam ist auch Georg Roters als grantiger Grieche, der sich gerne über die bayerischen Eigenheiten ärgert und mit Sprichworten um sich wirft. Er ist auch – mit Pagenmütze auf dem Kopf – für die Klavierbegleitung zuständig. Die reizende Tochter Theodora wird von Marina Granchette gespielt, mit unschuldigem Charme und viel Energie. Burkhard Kosche schließlich komplettiert als selbstbewusster und redegewandter Doktor Siedler das kleine Ensemble.

Foto: Verena Gremmer

Foto: Verena Gremmer

Das Bühnenbild von Jonas Klein ist für das Hofspielhaus gewohnt minimalistisch, trotzdem fehlt weder das heiß umkämpfte Balkonzimmer noch ein idyllischer Hotelgarten. Regisseurin Franziska Reng gelingt in ihrem Debüt auf jeden Fall eine unterhaltsame Inszenierung, in der die bekannte Operette geschickt auf das Wesentliche reduziert und mit einer Prise Lokalkolorit gewürzt wird. In jedem Fall ist es spannend zu sehen, wie ein solches Werk auch auf einer kleinen Bühne gespielt wird und dank des wunderbaren Ensembles, dem guten Spielfluss und sogar der ein oder anderen fetzigen Choreographie auch wirklich funktioniert.Mitwirkende: Maria Helgath, Marina Granchette, Burkhard Kosche, Christoph Theussl und Georg Roters

Dramaturgie und Regie: Franziska Reng
Kostüme: Uschi Haug
Bühnenmalerei: Jonas Klein

weitere Termine: 30./31. Mai und 15./21. Juni 2019, 20 Uhr
2. Juni 2019, 18 Uhr

https://www.hofspielhaus.de/spielplan/detailansicht/im-weissen-roessl-am-starnberger-see-977.html

 

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Premiere Der Kleine Prinz, 12.07.2018, Hofspielhaus

Foto Hofspielhaus

Foto Hofspielhaus

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Dieser Satz ist wohl eines der berühmtesten Zitate der Literaturgeschichte und stammt aus der nicht minder bekannten Erzählung Le pétit prince von Antoine de Saint-Exupéry, die 1943 in New York erschien.
Das Hofspielhaus zeigt nun im kleinen, stillen Hinterhof des Theaters die prominente Geschichte als berührendes Zweipersonenstück.
Ferdinand Schmidt-Modrow gibt den kindlichen Titelhelden, der von einem winzigen Planeten stammt und von seiner geliebten Rose auf die Reise geschickt wurde, nur um schließlich mitten in der Wüste der Erde zu landen. Dort begegnet ihm nicht nur eine Giftschlange, die ihm anbietet, ihm zurück nach Hause zu helfen, sondern vor allem der griesgrämige Pilot, gespielt von Martin Halm. Der hat eine Bruchlandung in der Wüste hingelegt und muss sein Flugzeug reparieren, bevor ihm das Wasser ausgeht.
Der Prinz findet den schlafenden Mann und bittet ihn darum, ein Schaf zu zeichnen. Der Pilot ist über die naive Art des Fremden und die Tatsache, dass er offenbar weder Nahrung noch Wasser braucht irritiert, die beiden freunden auch jedoch schnell an und der Prinz erzählt von seiner abenteuerlichen Reise. Dabei interagiert er mit Personen, die als Video überlebensgroß auf die Wand des Hinterhofs projeziert und von den namenhaften Schauspielern Veronika von Quast, Christiane Blumhoff, Stefan Murr, Gerd Lohmeyer und der Hofspielhaus-Chefin Christiane Brammer verkörpert werden. Dies funktioniert tatsächlich hervorragend, das Timing von Schmidt-Modrow passt wunderbar zu den Videos und durch kleine

Foto Hofspielhaus

Foto Hofspielhaus

Animationen und die runde Projektion fühlt man sich auf die kleinen fremden Planeten versetzt, auf denen der Prinz landet.
Aber das Highlight sind definitiv die beiden Darsteller auf der Bühne. Ferdinand Schmidt-Modrow spielt den Prinzen mit viel kindlicher Neugier und Begeisterungsfähigkeit. Trotzdem zeigt er den Charakter sehr mystisch, man weiß nicht genau, ob er nur ein Verrückter ist oder tatsächlich von einer anderen Welt stammt. Martin Halm, der mir bisher nur als Stimme bekannt war, gibt im Gegensatz dazu einen sehr raubeinigen und wütenden Piloten, der jedoch bald von der Geschichte und der Persönlichkeit des Prinzen fasziniert ist und ihn bis zum Ende unter- und beschützt. Das Spiel der beiden Darsteller und vor allem ihre Interaktion ist großartig und gerade zum Schluss des Stücks sehr bewegend. Auch musikalisch wird es an diesem Abend. Der Prinz spielt Ukulele und singt, was der Pilot nach der “Heimkehr” des Titelhelden weiterführt. Besonders schön fand ich die Idee, dass Halm eigentlich den ganzen Abend an einem hölzernen Modellflugzeug baut, um es am Ende dann in den Sternenhimmel zu hängen.
Der Kleine Prinz ist alles in allem ein wundervolles, bewegendes Märchen für Erwachsene, das vor allem durch die hervorragenden Darsteller von der ersten Minute an fesselt. Im Juli sind bereits alle Termine ausverkauft, allerdings wird die Produktion nach der Sommerpause im September nochmals aufgenommen.
https://www.hofspielhaus.de/spielplan/detailansicht/der-kleine-prinz.html

Regie und Musik: Sascha Fersch
Der Kleine Prinz: Ferdinand Schmidt-Modrow
Der Pilot: Martin Halm
Die Rose: Christiane Brammer
Der Geograf: Christiane Blumhoff
Der Fuchs: Gerd Lohmeyer
Der Geschäftsmann: Stefan Murr
Die Königin: Veronika von Quast

Weitere Vorstellungen im September:

Donnerstag, 13. September, 20:00

Freitag, 14. September, 20:00

Sonntag, 16. September, 20:00

Donnerstag, 20. September, 20:00

Samstag, 29. September, 20:00

Sonntag, 30. September, 20:00

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Blitzlichter, 03.05.2018, Hofspielhaus

Das Schauspiel-Business ist ein hartes Pflaster. Soviel sollte jedem, der sich mit dem Beruf befasst, klar sein. In seiner schwarzen Komödie Blitzlichter erzählt uns Schauspieler und Regisseur Moses Wolff genau davon.
Auf der Suche nach der großen Karriere landen zwei junge Frauen, die selbstbewusste Bella und die naive Isi bei einer Agentur, deren Chefin sich schon beim Vorsprechen sehr herrisch gibt: während sie auf einem Thron umgeben von Schauspielerbiografien sitzt müssen die Mädchen vor ihr knien. Obwohl alles im ersten Moment schon dubios scheint, freuen sich Isi und Bella über die Aufnahme in der Agentur. Schließlich wurden sie schon an mehreren Schauspielschulen abgewiesen und hier winkt ihnen neben dem großen Geld auch Unterricht. Doch schnell stellt sich heraus, dass die Agenturchefin und ihr Assistent Ted lediglich Schauspielerinnen suchen, die sie mit einem Kredit an sich binden können und zur finanziellen Sanierung ihrer Firma an Werbungen, schlechte Serien und Sexfilmchen vermitteln. Außerdem müssen sich die beiden jungen Frauen nicht nur ein Zimmer sondern sogar ein Bett teilen. Der Frust über die Situation staut sich vor allem bei der forschen Bella an, sodass sie schließlich ihre Wut an Isi auslässt und sie nach allen Regeln der Kunst quält.

Foto: Verena Mittermeier

Die Idee und Geschichte des Stücks ist zweifelsfrei spannend und schlüssig, nur fand ich persönlich sehr schade, dass die Handlung eigentlich kaum die Gelegenheit hat, an Fahrt aufzunehmen. Ich weiß nicht, ob die Darsteller an diesem Abend einfach nur durcheinander waren oder das Stück so geplant ist. Auf jeden Fall wirkt der Text oft fast improvisiert, vor allem in den Dialogen zwischen den Agenturchefs. Das wirkte auf mich leider eher störend denn realistisch, weil es den Spielfluss stellenweise für mein Empfinden doch enorm bremste. Gegen Ende jedoch fieberte ich richtig mit den beiden Mädchen mit und das war auch wirklich großartig geschrieben und gespielt!
Bei den Darstellern und den von Wolff geschaffenen Figuren kann man tatsächlich nicht meckern, sie sind für eine schwarze Komödie passend überspitzt und bringen viel Situationskomik aber auch Nachdenkliches in den Abend ein. Der Kontrast zwischen den „Heldinnen“ könnte kaum größer sein. Isi, gespielt von Luzia Weiß ist in ihrem Auftreten völlig schüchtern und redet leise und unsicher. Sie will die Ausbildung eigentlich nur machen, um später als freie Künstlerin ernst genommen zu werden. Bella, dargestellt von Sandra Julia Reils dagegen weiß was sie will und scheut sich auch nicht, mit unfairen Mitteln für ihre Ziele zu kämpfen.
Der Autor und Regisseur selbst spielt den angeblichen Schauspielcoach Ted, der aber weniger am Unterrichten denn an den Körpern seiner Schülerinnen interessiert ist. Wolff gibt das Ekelpaket, der sich hinter einer kumpelhaften Fassade versteckt äußerst überzeugend. Völlig durchgeknallt wirkt die von Sandra Seefeld gespielte Agenturchefin Kim, die ihren Spielzeughund „Helene Fischer“ liebevoll hegt und pflegt und auch ihre Untergebenen behandelt wie Vierbeiner – inklusive Leckerlis, Halsbändern und Kommandos. Lustig sind die Situationen zwischen den vier sehr unterschiedlichen Figuren allemal, wenn einem auch manchmal das Lachen sehr schnell im Halse stecken bleibt.
Noch am 10, 24., 25. und 26. Mai sowie am 1. Juni sind die Blitzlichter um jeweils 20 Uhr im Hofspielhaus zu sehen. In jedem Fall wird hier dem Zuschauer die scheinbar heile Film- und Theaterwelt vor Augen geführt und das in einer durchaus unterhaltsamen Art und Weise.

https://www.hofspielhaus.de/spielplan/detailansicht/blitzlichter.html

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Vom Fliehen und Fliegen, 25.1.2018, Hofspielhaus

Das Hofspielhaus hat sich für mich mittlerweile als Adresse für spannende und ungewöhnlichere Theaterabende eingebürgert, so war ich auch sehr neugierig, was mich bei der Musiktheaterperformance Vom Fliegen und Fliehen erwarten würde.
Die Geschichte nach einer Parabel von Ingeborg Bachmann klingt eigentlich recht simpel: eine kleine Angestellte in einem Callcenter landet durch Zufall in einem Laden, der Träume verkauft. Anfangs zögerlich versinkt die Protagonistin in diesen Träumen, die letztendlich ihr geregeltes Leben zerstören.

Foto: Peter Schultze

Dieses geregelte Leben wird anfangs von der Darstellerin Bervian Kaya (die zusammen mit dem Regisseur Sebastian Brummer die Performance erarbeitete) beinahe provokant dargestellt. Mit einem gezwungen zufriedenen Lächeln auf den Lippen und einer scheinbar unerschütterlichen Ruhe wiederholt sie in den ersten Minuten immer wieder pantomimisch den Tagesablauf ihrer Figur: aufstehen, Zähne putzen, essen, immer wieder dieselben Floskeln bei ihrem Job im Callcenter, schlafen gehen… Dieser scheinbar ewige Kreislauf wird erst unterbrochen, als sie ihren Wohnungsschlüssel nicht mehr finden kann. Auf der Suche nach Hilfe landet sie zufällig in einem kleinen, heruntergekommenen Laden mit einem großen Stapel schlichter Kisten. Der Inhaber des Ladens, gespielt von Fatima Dramé, ist im Gegensatz zur „grauen Maus“ der Hauptfigur ein lauter und bunter Zeitgenosse. Er schafft es, seine Kundin neugierig zu machen und zeigt ihr eine kleine Schachtel, die ihr einen Traum von Urlaub und Meer zeigt. Kurze Zeit später findet die Heldin einen herrenlosen Schatten, der den letzten Traum seines Besitzers nicht sehen konnte und daher nun alleine bleiben muss. Daher suchen die beiden im Laden nach einem neuen Traum, der zwar idyllisch beginnt, dann aber zum Albtraum von Krieg und Zerstörung wird. Davon traumatisiert flieht sie aus dem Laden und kann sich von da an nicht mehr auf ihren Alltag und ihre Arbeit konzentrieren und wird schließlich entlassen. Vorwurfsvoll wendet sie sich an den Ladenbesitzer und bricht schließlich im Laden zusammen, da es ihre Lebenszeit gekostet hat, den Träumen nachzuhängen.
Ich war nie ein Fan des „typischen“ Performance-Theaters, dieses Werk zeigt jedoch eine klare Handlung und Struktur, was es trotz der sehr philosophischen Thematik nicht allzu schwer macht, ihr zu folgen. Auch gibt es tatsächlich auch kleine humorvolle Momente, etwa wenn die Protagonistin ihren verlorenen Schlüssel nach dem Genuss von merkwürdigem grünem Bier aushustet oder wenn der Ladenbesitzer wirklich schlechte Witze reißt.
Auf der kleinen Bühne wird die Mystik des Themas sehr geschickt dargestellt mit von innen leuchtenden Kisten und der Projektion von Urlaubsbildern und dem einsamen Schatten. Die musikalische Untermalung dieser Szenen kommt zum Teil vom Band, wird aber auch virtuos life gespielt von der Saxofonistin Carolyn Breuer. Man versteht also auch ohne viele Requisiten, was erzählt wird.

Foto: Peter Schultze

Das Spiel der beiden Darstellerinnen ist jedoch definitiv das Fesselndste an diesem Abend, vor allem ihr Gegensatz. Die Protagonistin von Bervian Kaya wirkt zu Beginn immer kontrolliert, schüchtern aber doch zufrieden mit ihrem Leben. Doch ganz ohne Träume wirkt dieses Leben trist und leer. Fatima Dramé als Ladenbesitzer, der schon seit Jahrtausenden Träume verkauft, scheint die Hauptfigur am Anfang zu überfordern, doch ist hinter dieser überschwänglichen Fassade die Erkenntnis, dass in der heutigen Zeit selbst die Kinder verlernt haben zu träumen. Schließlich wünschen sich heute alle nur noch einen sicheren Job, Geld, einen perfekten Partner. Die Menschen leben nur noch um zu arbeiten und nicht anders herum.
Am 15. und 22. Februar gibt es noch einmal die Möglichkeit, diese Performance im Münchner Hofspielhaus zu sehen.

Mit Carolyn Breuer, Berivan Kaya und Fatima Dramé.
Regie: Sebastian Anton Maria Brummer
Bühnenbild: Peter Schultze

https://www.hofspielhaus.de/files/hsh/media/ProgrammePlakateFlyer/2018/DU_Flyeralarm_Spielplan_HSH_01-02-2018_420x594mm.pdf

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Der verrückte Handyladen, 09.11.2017, Hofspielhaus

Der verrückte Handyladen - Foto Thomas Wild

Der verrückte Handyladen – Foto Thomas Wild

Von der fleischfressenden Pflanze zum modernen Monster-Smartphone. Im Hofspielhaus feierte am Donnerstag das Musical Der verrückte Handyladen des Münchner Künstlers Thomas Erich Killinger seine fulminante Uraufführung.
Erzählt wird in der Inszenierung von Christiane Brammer eine sehr ähnliche Geschichte wie Alan Menkens Kult-Musical Der kleine Horrorladen aus dem Jahr 1982. Der Held Mugdan arbeitet in einem erfolglosen Handyladen, dessen Besitzer Herr Trumpf schon schließen möchte. Doch dann findet Mugdan in einem Kinderwagen ein merkwürdiges Handy, das er Mrs. Alice nennt und im Laden ausstellt. Schnell stellt auch heraus, das das Gerät smarter ist, als ein gewöhnliches Mobiltelefon. Ihm kann der junge Mann seine Sorgen und seine unglückliche Liebe zu seiner Kollegin Alice anvertrauen, die mit dem gewalttätigen Anwalt van Haylen zusammen ist und jeden Tag mit neuen Blessuren auftaucht.
Doch bald wird aus dem leuchtenden Smartphone als Kummerkasten ein humanoides Ungeheuer, dem Geschichten alleine nicht mehr reichen. Mugdan lockt also van Haylen in den – inzwischen florierenden – Handyladen, wo ihm Mrs. Alice die Persönlichkeit und schließlich das Leben aussaugt. Von da an geht scheinbar alles schief für Mugdan und er muss versuchen, seine große Liebe Alice zu beschützen und gleichzeitig seine “Schöpfung” am Leben zu erhalten. Daraus entwickelt sich eine schräg-trashige Geschichte, die vor allem Fans schwarzen Humors gefallen dürfte.
Was den Zuschauer erwartet lässt ja bereits das großartige Kostüm- und Bühnenbild von Tamara Oswatitsch erahnen. Alle Wände sind mit bunten und großformatigen Pop-Art-Bannern dekoriert, die Kostüme sind passend dazu für jeden Charakter in einem Farbton gehalten.

Der verrückte Handyladen - Foto Thomas Wild

Der verrückte Handyladen – Foto Thomas Wild

Die Darstellerin dieser Alice, Marina Granchette war übrigens sowohl darstellerisch als auch stimmlich ein absolutes Highlight des Abends. Sie hat eine wundervolle Stimme und eine und zeugt eine sympathische und unschuldige junge Heldin. Allgemein sind die Darsteller sehr gut gewählt und spielen, tanzen und singen mit viel Herzblut. Sebastian Killinger als Mugdan zeigt eine tolle Wandlung vom schüchternen Träumer zum leibhaftigen Superhelden. Sehr wandlungsfähig ist Sebastian Brummer, der gleich drei Figuren darstellt: den schleimigen Anwalt, den proletenhaften Geschäftsführer und den selbstverliebten Moderator.
Schade fand ich lediglich, dass die Sänger in leiseren Momenten stimmlich neben dem Playback untergehen. Kraft hätten sie alle genug, das beweisen sie oft genug. Dass die Instrumentalmusik nicht life gespielt wird, stört ansonsten überhaupt nicht, schließlich ist das Theater nicht sonderlich geräumig. Auch der Chor der Handygirls wird mittels Video eingespielt, können also als “Schwestern” des bösen Handy-Monsters Mrs. Alice gesehen werden, dem Ben Schobel eine diabolische und sadistische Ader verleiht, dass es dem Zuschauer eiskalt den Rücken runter läuft. Schade eigentlich nur, dass Magda Stief als einzige komplett mit Playback singt. Sie spielt die ältere Kundin Frau Eigelb nämlich sehr liebenswürdig und schrullig.
Der verrückte Handyladen macht seinem Namen alle Ehre, die Geschichte und die Inszenierung sind schrill und fetzig. Und auch der treueste Musicalfan kann das Fehlen von Lifemusik sicher dank des großartigen Ensembles schnell vergessen!

Mugdan: Sebastian Killinger
Alice: Marina Granchette
Mrs. Alice: Ben Schobel
Herr Trumpf / Dr. Herbert van Haylen / Tim Tilman: Sebastian Brummer
Frau Eigelb: Magda Stief
Handygirls: Julia Haug, Sampaguita Mönck, Dalma Viczina

Regie: Christiane Brammer
Bühne / Kostüm: Tamara Oswatitsch
Film: Michael Klinsik
Choreografie: Ben Schobel
Ton / Licht: Florian Hofbauer
Maske: Charmaine Gezgin

Weitere Termine:
16., 17., 18., 23., 25., 26., 30. November, 20:00 Uhr
26. November, 18:00 Uhr
2., 7., 8., 9., 10., 14., 17., 21., 22., 23. Dezember, 20:00 Uhr
10., 17. Dezember, 18:00 Uhr

Karten 30€ / 25€ ermäßigt / 15€ Kinder
unter 089/24209333 oder online
www.hofspielhaus.de/karten.html

 

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Live-Hörspiel der Krimi Komplizen, 13.07.2017, Hofspielhaus München

©Marina

Hörbücher und Hörspiele erfreuen sich ja mittlerweile nicht nur bei Kindern großer Beliebtheit. Auch Erwachsene lassen sich immer öfter etwas vorlesen, was überhaupt nichts mit Faulheit zu tun hat. Vielmehr ist es spannend, mithilfe der Sprecher in die Welt einer Geschichte einzutauchen und mit den Charakteren mitzufiebern.
Ich kann mich aus meiner Kindheit daran erinnern, dass ich mir von meinem Taschengeld immer die neuesten Kassetten mit den Abenteuern von Tabaluga, Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg gegönnt habe, später hat sich meine Hörspielleidenschaft jedoch merkwürdigerweise fast ganz verflüchtigt.
Nichtsdestotrotz ist es tatsächlich noch spannender, wenn Sprecher und Schauspieler ein sogenanntes Live-Hörspiel präsentieren, vor Publikum und ohne Bühnenbild oder Kostüme: also allein mit ihren Stimmen in verschiedene Rollen schlüpfen.
Durch meinen Bekannten Kai Taschner, wohl einer der bekanntesten Stimmen Deutschlands, wurde ich bei Facebook auf eine Veranstaltung der Krimi Komplizen im Hinterhof Münchner Hofspielhaus aufmerksam. Die Krimi Komplizen wurden von dem jungen Schauspieler Felix Strüven gegründet, einem begeisterten Höspiel-Fan, der – inspiriert von den 3 Fragezeichen – die Kriminalfälle für verschiedene deutsche Städte erfindet.
So wurde vergangenen Donnerstag unweit der Opernfestspiele zwei Münchner Krimis präsentiert, mit Strüven selbst sowie seinen Kollegen Sabine Lorenz und Kai Taschner.
Die Kommissare dieser Hörspiele nannten sich ganz münchnerisch Schwabing, Neuhausen und Giesing und hatten in einem Fall mit einem mysteriösen Erpresserbrief an einen alten Herren zu tun, in ihrem zweiten mit einer verfluchten antiken Uhr.
Beide Fälle waren tatsächlich sehr spannend und konnten mit unerwarteten Auflösungen trumpfen, das wahre Highlight waren jedoch definitiv die drei Sprecher, die gekonnt und sehr unterhaltsam mit ihrer Stimme umzugehen wussten. So spielten sie perfekt mit Dialekten, Sprechgeschwindigkeit und Stimmhöhe, um ihre Charaktere klar zu zeichnen und dem Zuhörer unmittelbar schräge Typen vor das geistige Auge zu zaubern. Auch die Geräusche wie Zeitungsrascheln wurden zum Teil live erzeugt, zum Teil mit dem Laptop eingespielt. Und auch die Münchner Fauna in Form von den Tauben im Hinterhof schien an dem Hörspiel mitwirken zu wollen, sehr zu Belustigung von Künstlern und Publikum.
Ein kleines Manko habe ich tatsächlich nur in den Hauptcharakteren gesehen, da im ersten Krimi Kommissar Neuhausen als Liebhaber antiker Möbel etabliert wurde, in der zweiten Geschichte war dies jedoch der junge Kollege Giesing. Wenn die beiden Geschichten an einem Abend erzählt werden hätte man darauf vielleicht etwas besser achten sollen. Aber das ist wirklich das einzige, was mich irritiert hat.
Die Krimi Komplizen treten in verschiedenen deutschen Großstädten auf und im Zweimonatsrhythmus auch in München. Ich kann die Veranstaltungen also nicht nur bayerischen Krimi- und Hörspielfans durchaus ans Herz legen! Infos zu den Aufführungen findet man auf ihrer Facebook-Seite.
https://m.facebook.com/Krimi-Komplizen

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Vorschau: Die Fledermaus, Premiere 02.02.2017, Hofspielhaus

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