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Corinna Klimek am 29. Mai 2012 18:01 [singlepic id=1316 w=320 h=240 float=left]Empfand ich den Falstaff nach der Premiere noch als zu trocken, so hat sich dies im Laufe von fünf Vorstellungen doch gewandelt. Mittlerweile ignoriere ich die Übertitel komplett und konzentriere mich auf das Bühnengeschehen. So fallen mir auch viele kleine Gesten auf, die dem Ganzen mehr Biss geben. Meiner Meinung nach hätte ein bisschen mehr Komik bei den Frauen dem Stück ganz gut getan, dass der Regisseur Ulrich Peters dieses Genre gut beherrscht, hat er ja mit Fra Diavolo, Boccaccio und der Fledermaus hinreichend bewiesen. So aber bleibt es dabei, dass ich Die lustigen Weiber von Windsor dem Falstaff vorziehen würde, was die Umsetzung des Stoffes von Shakespeare betrifft. Dazu kommt noch, dass mir einfach keine Melodien im Kopf bleiben. Bei Nicolais Oper habe ich mich schwer damit getan, sie wieder aus meinem Kopf zu verbannen, aber hier bleibt nichts. Ich kann zwar, sobald ein Stück anfängt, zum Beispiel die wunderbare Arie des Fenton, genau sagen, wie es weitergeht, aber schon auf dem Nachhauseweg habe ich die Melodie vergessen. Naja, vielleicht schaffe ich es noch bis zur letzten Vorstellung, mir wenigstens ein bisschen was zu merken.
[singlepic id=1320 w=240 h=320 float=right]In der Besetzung gab es zwei Änderungen gegenüber der Premiere: Heike Susanne Daum sang bereits zum zweiten Mal die Alice, sie singt zwar fabelhaft, ist mir aber ansonsten ein bisschen zu bieder. Wer weiß, wieviel Schwung sie dem Stück hätte geben können, wenn man sie nicht so offensichtlich ausgebremst hätte. Ella Tyran darf als Nannetta ihre ganze Natürlichkeit zeigen, ihr bezauberndes Lächeln und sie kann ihre wunderbare Stimme fließen lassen, so dass selbst die Spitzentöne klar und rein klingen.
Auch die restlichen Protagonisten überzeugten wieder voll und ganz: Franziska Rabl und Ann Katrin Naidu scheinen die Partien der Meg bzw. der Mrs Quickly (wo ist eigentlich Mr Quickly, wenn sie am Ende mit Falstaff anbandelt?) auf den Leib geschrieben zu sein. Hans Kittelmann, Martin Hausberg und Mario Podrečnik sind ein köstliches Terzett, wobei besonders letzterer mit burleskem Spiel heraussticht. Robert Sellier singt den Fenton einfach klasse, ein Wunder, dass Nannetta nicht ständig in Ohnmacht fällt, wenn er für sie singt. Gary Martin ist stimmlich und szenisch ein sehr überzeugender Ford. Die Wandlungsfähigkeit dieses Ausnahmetalents ist wirklich ganz erstaunlich, immerhin war seine letzte Premiere im März der Joseph Süß in der gleichnamigen Oper von Detlev Glanert. Es gibt sicher nicht sehr viele Sänger, die beide Partien in einer Spielzeit so ausgezeichnet gesungen haben. Der Star des Abends ist aber, wie jeden Abend, Gregor Dalal als Falstaff. Er meistert diese große Rolle wirklich bravourös und lässt sich nicht mal ein Handicap anmerken, wegen dem es am Vorabend eine Ansage gab. Tolle Leistung!
Der Chor spielt wie immer ganz hervorragend mit und das Orchester unter Lukas Beikircher zeigt sein ganzes Können. Eine sehr schöne Vorstellung! Leider kommt das Stück nur noch drei Mal in München, am 31.5. und am 2. und 4.6.
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Corinna Klimek am 22. Mai 2012 18:24 Meine Gedanken zur Premiere des Falstaff finden sich wieder bei mucbook.
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Corinna Klimek am 4. Mai 2012 23:56 [singlepic id=1308 w=320 h=240 float=left]Selten hat ein Songtext auf eine Situation besser gepasst als dieser. Es war ja nicht nur ein Abschied von einem liebgewordenen Haus, sondern auch von vielen liebgewordenen Menschen. Meine Theaterleidenschaft begann im Mai 2007 und so konnte ich an diesem Abend viele Stücke noch mal Revue passieren lassen. In diesem Haus habe ich gelernt zu sehen, zu hören, zu fühlen und Gefühle zuzulassen. Ich bin sehr dankbar, dass ich so viel Neues kennenlernen durfte. Ich werde sicher noch viele Jahre davon profitieren.
Die musikalische Leitung dieses Galaabends hatten Lukas Beikircher, Andreas Kowalewitz, Jörn Hinnerk Andresen und Liviu Petcu inne. Die meisten Stücke wurden vom Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz begleitet, das damit mal wieder seine Vielseitigkeit und Ausdauer unter Beweis stellte. Die Choreografie des TTM stammte von Hans Henning Paar, der Chor wurde von Jörn Hinnerk Andresen einstudiert, die wahrlich nicht leichte Aufgabe der Programmkoordination hatte Gabriele Brousek zu bewältigen. Für die szenische Einrichtung und Spielleitung zeichnete Thomas Schramm verantwortlich, am Inspizientenpult saß Andreas Ehlers. Rolf Essers beleuchtete ganz ausgezeichnet und Dirk Buttgereit und Daniel Ployer betreuten den Ton hervorragend.
Der Abend begann mit einem Stück, mit dem ich auch meine erste aktive Erinnerung an das schönste Theater Münchens verbinde. Irgendwann in den Neunzigern hatte ich hier eine MY FAIR LADY gesehen und bis heute ist es eines meiner Lieblingsstücke. Marianne Larsen, die die Rolle der Eliza lange hervorragend verkörpert hat, trat im Kostüm ihrer anderen Glanzrolle auf: Mrs Lovett aus SWEENEY TODD. In diesen beiden Partien konnte sie ihr großartiges Musicaltalent voll ausspielen, wollte man mehr davon sehen, musste man ziemlich weit nach Osten fahren. Sie bot ihrer würdigen Rollennachfolgerin Milica Jovanovic dann auch Pasteten an, die erste war voll Alkohol (was da wohl drin war 😉 ), die letzte war marode und das war natürlich ganz klar das Gärtnerplatztheater. Unterstützt wurden die beiden von Sebastian Campione, Cornel Frey, Hans Kittelmann, Holger Ohlmann und dem Herrenchor.
Nach einem Prolog von Thomas Peters ging es weiter mit dem Überraschungserfolg DIE PIRATEN VON PENZANCE von Gilbert & Sullivan. Diese Stück hat bei mir das Interesse für die Musik des genialen Duos geweckt und seitdem beschäftige ich mich intensiv damit. Wenn das Kampfsignal ertönt schmetterten Thérèse Wincent, Frances Lucey, Ulrike Dostal, Martin Hausberg, der Chor und die Bobbies tanzten ein letztes Mal dazu. Als Schmankerl folgte dann noch das beliebteste Terzett im G&S-Kanon, Als Du uns schnöd verlassen hast, wie immer hinreißend vorgetragen von Rita Kapfhammer, Holger Ohlmann und Robert Sellier.
Sandra Moon sang Tschaikowsky, begleitet von Andreas Kowalewitz, und Neel Jansen und David Valencia zeigten Twin Shadow aus AUGENBLICK VERWEILE. Und weil so ein Dirigent auch wieder von der Bühne in den Graben muss, suchten in der kleinen Pause bis zum nächsten Stück drei fesche Herren im Bademantel die Sauna.
Das Warten hatte sich gelohnt, denn als nächstes stand Gary Martin mit To dream the impossible Dream aus DER MANN VON LA MANCHA an. Schade, dass ich das Stück nie live gesehen habe. Sebastian Campione brachte danach das Haus zum Kochen mit einer extralangen Version seiner Beatbox aus VIVA LA MAMMA. Im Anschluss unterlegte er dann auch noch den etwas abgewandelten Küchenrap aus der OMAMA IM APFELBAUM rhythmisch. Thérèse Wincent und Susanne Heyng zeigten nochmals, dass sie es drauf haben.
Der Chor sang danach Universal Good aus CANDIDE, noch ein Stück, bei dem ich mich ärgere, es nicht gesehen zu haben. Der nächste Programmpunkt, angekündigt durch Hans Henning Paar und Ursula Pscherer, hatte einige interessante Komponenten: konzipiert und einstudiert wurde das Stück von Artemis Sacantanis, ehemalige Solotänzerin und nun Probenleiterin am Haus. Ihr zur Seite standen ehemalige Tänzer des Gärtnerplatztheaters, die jetzt in anderen Berufen am Haus, zum Beispiel Orchesterwart, Probenleiterin oder Leiterin der Kinderstatisterie beschäftigt sind. Ihre Wandlung von „Auf der Bühne“ zu „Hinter der Bühne“ drückte sich sehr schön im Titel inVISIBLEs aus.
Thomas Peters, der am Haus in vielen, vielen Rollen glänzte (unter anderem Freddie in MY FAIR LADY, Dirigent in ORCHESTERPROBE, Toby in SWEENEY TODD und ganz besonders Frosch in der FLEDERMAUS) erinnerte nochmal an sein bezauberndes Stück SHOCKHEADED PETER mit dem Song Der fliegende Robert. Leider habe ich es nur einmal gesehen, anfangs war ich noch nicht ganz so süchtig, zuletzt war ich ja durchschnittlich an vier Abenden in der Woche im Gärtnerplatztheater. Ursache dafür war die Vielfalt und das interessante Programm des Hauses – und das wunderbare Ensemble.
Sehr bewegend war auch der persönliche Abschied von Gunter Sonneson mit Hier im Grandhotel. Ich bin sehr froh, diesen Ausnahmekünstler noch fünfmal als John Styx in ORPHEUS IN DER UNTERWELT erleben zu dürfen. Halt nur leider nicht in München, sondern in Heilbronn.
Im letzten Stück vor der Pause hatten die drei Herren endlich die Sauna gefunden. Das Schiff aus der L’ITALIANA IN ALGERI ist zwar schon vor ein paar Wochen gesunken, aber die beliebteste Szene hatte man offensichtlich retten können. Für Publikumsliebling Stefan Sevenich natürlich ein Heimspiel, für seine beiden Begleiter Cornel Frey und Juan Fernando Gutiérrez hätte ich mir jedoch einen etwas „würdigeren“ Abschied gewünscht.
Zu Beginn des zweiten Teiles erinnerten das Preludio und die Arie Tu del mio Carlo al seno, wunderbar vorgetragen von Elaine Ortiz Arandes, an die sehr gelungene Inszenierung von I MASNADIERI. Das Schlussbild von HÄNSEL UND GRETEL gibt zwar einen wunderbaren Auftritt des Kinderchores her, aber die Solisten Rita Kapfhammer, Ann-Katrin Naidu, Thérèse Wincent und Gary Martin standen etwas verloren herum. Ich kann nur hoffen, dass diese zauberhafte Produktion wiederaufgenommen wird und nicht zu Gunsten einer Eurotrashregie in der Versenkung verschwindet. Das Balkon-Duett aus ROMEO UND JULIA wurde von Hsin-I HUANG und Marc Cloot sehr ansprechend getanzt, wenn mal keine Blätter auf der Bühne rascheln oder unaufhörlich Schnee fällt, gefällt mir moderner Tanz sogar fast.
Der scheidende Staatsintendant Dr. Ulrich Peters hielt eine persönlich gehaltene Abschiedsrede und ich kann mich seinen Worten nur anschließen: das Ensemble in Zeiten der Heimatlosigkeit aufzulösen ist in meinen Augen ein schwerer Fehler. Damit und mit der anscheinend unvermeidlichen Ablösung des im Stadtbild mittlerweile fest verankerten Logos nimmt man der Institution zumindest einen Teil ihrer Identität.
Im Anschluss sangen Franziska Rabl und Ella Tyran mit Unterstützung des Chores die Barcarole aus HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN, auch ein Stück, dass schon länger zurück liegt und das ich nicht gesehen habe. Im FREISCHÜTZ war ich trotz der schrecklichen Inszenierung ziemlich oft, was für die Qualität der Sänger spricht. Christina Gerstberger und Sandra Moon sangen das Duett Ännchen-Agathe vom Beginn des zweiten Aktes. Das Duett Hans-Kezal gehört zu meinen Lieblingsstücken aus DIE VERKAUFTE BRAUT und es war schön, Derrick Ballard und Tilmann Unger damit noch einmal zu hören. Es folgte das Quintett aus der ZAUBERFLÖTE, gesungen von Sandra Moon, Ann-Katrin Naidu, Franziska Rabl, Daniel Fiolka und Robert Sellier. Danach kam noch ein Ausschnitt aus AUGENBLICK VERWEILE und da war ich dann doch ganz froh, dass ich es nicht gesehen habe, denn bei so schnell vorbeihuschenden Szenerien wird’s mir immer schlecht, ganz abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, was im Kreis laufen mit modernem Tanz zu tun hat.
Im Anschluss gabs noch das schöne Duett Marie-Wenzel aus DIE VERKAUFTE BRAUT, Stefanie Kunschke und Hans Kittelmann wären auch ein prächtiges Paar gewesen, wenn sie sich nicht jeweils anders entschieden hätten. Der Weibermarsch aus DIE LUSTIGE WITWE machte nochmal so richtig Laune. Daniel Fiolka, Sebastian Campione, Mario Podrečnik, Robert Sellier, Gunter Sonneson, Tilmann Unger und Martin Hausberg mussten sich mit der geballten Weiblichkeit des Theaters zu einer schönen Choreographie von Fiona Copley auseinandersetzen. Thomas Peters hatte noch einen allerletzten Auftritt als Frosch, seine Paraderolle, bevor mit Tutto nel mondo è burla (Alles ist Spaß auf Erden) aus FALSTAFF ein positiver Schlusspunkt gesetzt wurde. Heike Susanne Daum, Sandra Moon, Christina Gerstberger, Ella Tyran, Ann-Katrin Naidu, Franziska Rabl, Gregor Dalal, Martin Hausberg, Hans Kittelmann, Gary Martin, Mario Podrečnik, Robert Sellier und der Chor machten Lust auf die nächste Premiere am 18.05., dann im Prinzregententheater. Am Ende winkten Publikum und Ensemble sich gegenseitig mit weißen Taschentüchern zu und nicht nur bei mir flossen ein paar Tränen.
Mir bleibt nur Danke zu sagen. Danke an alle Beschäftigten des schönsten Theaters Münchens, die für mich die letzten fünf Jahre zu etwas ganz Besonderem gemacht haben. Ich werde die Erinnerung an diese Zeit immer in einer ganz speziellen Stelle meines Herzens bewahren. Danke für viel Heiterkeit und viele Tränen. Danke für emotionale, aufwühlende Stunden und für Lehrreiches.
Danke für so viel Schönes, liebes Gärtnerplatztheater.
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Corinna Klimek am 21. März 2012 23:57 Meine Eindrücke von der Premiere finden sich wieder bei mucbook.
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Corinna Klimek am 15. März 2012 19:45 [singlepic id=1037 w=240 h=320 float=left]Sehr geehrter Herr Podrečnik, herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft, uns ein Interview zu geben, im Vorfeld des Familienmusicals Heimatlos, der letzten Premiere am Gärtnerplatztheater vor der großen Renovierung. Stellen Sie sich kurz vor?
Ich bin Mario Podrečnik, ich bin (noch) am Gärtnerplatztheater als Spieltenor engagiert und werde versuchen, in Zukunft dieses Fach weiter zu bedienen. Mal sehen, was in den nächsten Jahren auf mich zukommt, weil durch den Umbau und den Intendantenwechsel die ganzen Kollegen nicht verlängert worden sind, was mich natürlich sehr getroffen hat.
Erzählen Sie uns etwas über Ihren Werdegang?
Mein Werdegang? Das ist eigentlich ganz schnell erzählt. Ich habe nach dem Abitur in Kärnten am Anfang Pädagogik und Medienkommunikation studiert, was ich abgebrochen habe, weil ich an das Kärntener Landeskonservatorium gegangen bin und dort meine Lehrerausbildung zum Gesangslehrer gemacht habe, und später noch das künstlerische Diplom. Im Diplomstudium habe ich dann einen neuen Lehrer bekommen, das war Ronald Pries, der hier in München dreizehn Jahre lang an der Staatsoper gesungen hat. Der hat mein Talent erkannt und mich zum Vorsingen nach München geschickt, damals noch zu der ZBF. Die haben mich dann weitervermittelt, und ich kam im Jahr 2000 an das Stadttheater in Regensburg. Dort habe ich zwei Jahre gearbeitet und als Anfänger viele Produktionen gemacht. 2002 bin ich dann an das Pfalztheater nach Kaiserslautern gegangen, wo ich fünf Jahre lang gearbeitet habe, und nach dieser Zeit an das Gärtnerplatztheater.
Was wären Sie in einem anderen Leben geworden?
Also ich hätte schon mehrere Möglichkeiten gehabt. Da mein Vater ja bei der Post gearbeitet hat, und ich damals als Ferialpraktikant auch bei der Post als Briefträger gearbeitet habe, hatte ich schon eigentlich relativ weit meinen Fuß drin, und die hätten mich auch mit Handkuß genommen. Dann habe ich mir gesagt: “Nein, das ist nichts für mich.” Dann habe ich, wie gesagt, Medienpädagogik und Medienkommunikation studiert. Eigentlich hat mich nur die Medienkommunikation interessiert, weil ich damals auch schon bei einer privaten Firma in Kärnten gearbeitet hatte, als Kameraassistent, eine Firma, die im Auftrag des österreichischen Rundfunks Beiträge gefilmt hat. Da waren wir einige Studenten, und diese Studenten, mit denen ich damals diesen Job geteilt habe, sind heute bei der Firma als Kameraleute angestellt, und ich bin Sänger geworden. (Lacht.)
Wie kam dieser Schwenk von der Medienkommunikation zur Musik?
In unserer Familie wurde schon immer gesungen. Meine Eltern haben in einem großen Chor in Kärnten gesungen, haben im Kirchenchor gesungen. Als Kind und Jugendlicher habe ich natürlich im Kinderchor gesungen, im Jugendchor, im Schulchor. Später die erste Schulband, danach noch die zweite Schulband. Sogar Oberkrainer-Musik habe ich fünf Jahre lang gemacht, mit einem Kollegen, was auch eine interessante Erfahrung war. Aufgrunddessen kann ich relativ gut auch Musical bedienen, weil man einfach damit groß geworden ist.
Da möchte ich gleich einhaken: Welche Musik haben Sie als Kind gehört?
Als Kind? Eigentlich alles. Vom Hardrock bis zu den Schnulzen. Aber auch Oberkrainer, Volksmusik, Chorstücke, etcetera. Alles, eigentlich.
Haben Sie das absolute Gehör?
Nein. Aber man muss es nicht unbedingt haben. Man sagt zwar immer wieder, wenn man mal ein Stück gut einstudiert hat, dann trifft man komischerweise die Töne so, wie sie sein sollten, in der richtigen Tonlage, obwohl kein Orchester oder Klavier dich begleitet. Das ist eigentlich ganz interessant. Ob das das absolute Gehör wäre, weiß ich nicht. Aber es ist besser, es nicht zu haben.
Spielen Sie ein Instrument?
Ich habe früher ein paar Jahre Klavier und dann noch Kirchenorgel gelernt; da war ich aber nicht so ein großer Meister. Das war eigentlich ausschlaggebend, dass ich dann angefangen habe zu singen, also, auch professioneller Art.
Hören Sie auch heute noch andere Musikrichtungen?
Ja, ich höre relativ viel. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, habe ich halt immer die gängigen Sender an. Ich habe auch von kroatischer Popmusik bis hin zu Rockmusik, auch Klassik. Es ist total gemischt bei mir.
Sie gehören der slowenischen Volksgruppe in Kärnten an. Sie sprechen also Slowenisch, Sie sprechen Deutsch. Welche Sprachen sprechen Sie noch, und in welchen Sprachen singen Sie auch?
Ich singe relativ viel in Italienisch, obwohl ich des Italienischen leider Gottes nicht so mächtig bin. Ich habe es zwar ein bisschen gelernt, aber einfach nie Zeit gehabt, es richtig zu lernen. Natürlich, Englisch geht auch noch, so das Gängige, dass man überleben kann. Aber sonst, im Slowenischen und Deutschen, da bin ich eigentlich zuhause.
Haben Sie musikalische Vorbilder?
Musikalische Vorbilder gibt es natürlich irrsinnig viele, speziell auch Sänger, die man einfach bewundern kann. Für mich ist einer der besten Tenöre des letzten Jahrhunderts auf alle Fälle Pavarotti gewesen: Eine wunderbare Stimme. Wenn man mal als Sänger eine Krise hat – es war immer für mich: “Hör dir mal wieder Pavarotti an.” Diese befreite Art des Singens, die er einfach gehabt hat. Ich sage immer dazu: Wenn er den Mund aufgemacht hat, da hat man so das Gefühl, wie der Hals bei ihm eigentlich offen ist, so als ob man hineinschauen könnte: Was hat er eigentlich zu Mittag gegessen? Und es tut einfach der Seele des Sängers gut, so etwas zu hören, und man gesundet seelisch wieder daran.
Haben Sie eine Lieblings-Opernaufnahme?
Naja, Aufnahme – eigentlich nicht. Ich bevorzuge da eher mal das Live-Erlebnis der Oper. Und da ich ja Darsteller und Sänger bin, fühle ich mich eher auf der Bühne wohler als im Zuschauerraum. Ich probiere es ja immer wieder mal, den Kollegen zuzuschauen. Aber irgendwie habe ich den Drang, einfach auch selber auf der Bühne zu stehen, und der ist so entsetzlich stark in mir, dass wenn ich da im Zuschauerraum sitze und zusehe es einfach sowas von zu kribbeln in mir anfängt, und eigentlich will ich mitmachen.
Gibt es eine Lieblingsoper?
Oh, da gibt es einige. Für mich auf alle Fälle ist die Traviata eine meiner Lieblingsopern. Da hatte ich ja auch das große Vergnügen, in Klagenfurt nach dem Umbau des Stadttheaters noch als Student im Extrachor mitsingen zu dürfen. Damals war die Wiedereröffnung des Hauses mit Traviata in einer Inszenierung von Dietmar Pfleger, wo sogar der schlimmste Kritiker Österreichs, das war dieser Karl Löbl vom ORF, gesagt hat: Die schönste Traviata seines Lebens. – Und in dieser Produktion durfte ich damals mitmachen. Auch wenn ich nur ein kleiner Chorsänger war, aber das hat riesig viel Spass gemacht. Weil es einfach eine wunderbare, schöne Inszenierung war. Die Leute haben geweint bei Violettas Tod. Das glaubt man einfach nicht, dass eine Oper solche Emotionen auslösen kann, bei alt und jung. – Da war ich dabei. (Lacht.)
Sie sind in Deutschland und Österreich zu Hause. Hatten Sie auch noch andere internationale Auftritte?
Ich habe auch schon in Slowenien gesungen, weil meine Frau aus Slowenien kommt und ich da drüben einen relativ großen Bekanntenkreis habe, auch in der Musikbranche. Zwar jetzt nicht in der klassischen Musikbranche, sondern eher im Pop- und Rock-Gewerbe. Da wurde ich schon einigermaßen oft eingeladen, auch bei Veranstaltungen mitmachen zu dürfen.
Sie stecken jetzt gerade mitten in den Proben zu Heimatlos; die Premiere ist in etwas über einer Woche. – Gibt es Komplikationen, die sich aus dem Lebensrhythmus eines Opernsängers ergeben? Zum Beispiel, wenn morgens eine Probe ist und abends eine Probe, oder eben abends die Vorstellungen. Das ist ja doch ganz etwas anderes als ein Nine-to-five-Bürojob.
Ja, es ist bekannt, dass wir in diesem Beruf vormittags proben und abends auch proben. Das ist halt eine besondere Belastung, die wir haben. Ab und zu denkt man, dass wir alle nur Spass machen. Aber wenn man dann so zusammenzählt, wie viele Stunden man eigentlich täglich unterwegs ist – nach Hause fährt, sich mal niederlegen nach der Vormittagsprobe, dann wieder hereinfährt, ins Theater kommt und wieder probt oder eine Vorstellung hat. Man kommt da schon mal auf über acht Stunden Arbeitszeit. Und das ist relativ viel, das kann auch sehr belastend werden. Speziell, wenn man in so einem Fach ist, wie ich am Gärtnerplatztheater bin, wo man ständig in irgendeiner Produktion drinhängt. Entweder Neuproduktionen oder auch Wiederaufnahmen, die wir ja en masse an diesem Hause haben. Das ist schon eine riesengroße Belastung. Natürlich hat man dadurch halt dann auch das Problem, wenn man einen neuen Job suchen muss, eine neue Arbeit suchen muss: Man geht im Endeffekt nicht ausgeruht zu den Vorsingen. Und das kann problematisch werden, das habe ich heuer selbst miterlebt. Das heißt, ich bin zu Vorsingen gefahren für Festengagements, und einfach aufgrund dessen, wo ich dann beim Vorsingen merke: Eigentlich dürfte ich gar nicht vorsingen, ich bin zu müde dazu. Jetzt habe ich aber zum Glück für Herbst eine Lösung gefunden, wie ich das jetzt mal als Übergang machen werde. Weil ich auch in diesen zwölf Jahren, die ich jetzt in diesem Berufsleben bin, sehr, sehr viel gearbeitet habe. Eigentlich zu viel, wenn man denkt: Zwölf Jahre, an die 900 Vorstellungen und über 50 Partien. Das heißt, so schon irrsinnig viel, und wo sind dann noch die Probenzeiten? Man muss ja das alles einstudieren, man muss alles auswendig lernen. Da habe ich mir gedacht jetzt für die Zukunft: was mache ich? Werde ich das weiter so führen wie bisher, oder – schauen wir mal, was passiert. Und jetzt hat sich gottseidank eine Lösung gefunden, für ein halbes Jahr mal: Ich werde in Kaiserslautern in einer Produktion im Weißen Rößl mitspielen, den Zahlkellner Leopold, und werde einfach diese Zeit mal nutzen, dieses halbe Jahr, um herunterzukommen, mich neu zu orientieren, mich vorbereiten, bei Agenturen vorsingen, bei Theatern, aber dann: ausgeruht.
Was tut Ihrer Stimme gut, und was verträgt sie gar nicht?
Ich bin relativ belastbar. Das heißt, ich kann auch unter großer Belastung arbeiten, ohne dass ich stimmliche Probleme habe. Heuer war es leider Gottes so – ich vermute auch durch diese ganze Situation mit der Nichtverlängerung – da habe ich mir in diesem Winter zwei Infekte eingehandelt, die mir Probleme gemacht haben. War mal der eine Infekt weg, dann ging es wieder gut mit der Stimme, und plötzlich war der zweite da. Das hat wieder eineinhalb bis zwei Monate gedauert, bis man sich davon erholt hat. Ich bin jetzt zwar auch relativ müde, aber komischerweise: auf der Bühne macht der Körper so einen Energieschub, dass plötzlich Sachen gehen, wo man denkt: “Wow – dass das jetzt noch geht, trotz Müdigkeit, trotz leichter Krankheit, die man hat.” Und man kann auch nicht die ganze Zeit krank machen. Das geht halt nicht in unserem Beruf.
Brauchen Sie Kondition für Ihre Arbeit, und was tun Sie dafür?
Wer mich kennt, weiß genau, dass ich relativ viel mit dem Fahrrad unterwegs bin, mit meinem Mountainbike. In der letzten Saison, also im letzten Jahr, habe ich zusammen 3800 Kilometer mit dem Rad gemacht. Wo ich richtig auch anstrengende Touren gefahren bin in die Berge, und diese Kondition braucht man dann auch auf der Bühne, um durchzuhalten. Das wird man natürlich dann auch bei Heimatlos sehen. Und da denke ich mir jetzt schon, wo es jetzt langsam zum Ende hingeht, zur Premiere: Gottseidank habe ich was gemacht.
Sie legen sehr viel Wert auf die Darstellung. War Schauspielunterricht ein Bestandteil Ihrer Ausbildung?
Sagen wir mal so: Ich habe eigentlich schon vieles als Kind mitbekommen. Wenn man aber weiß, dass mein Großvater – den ich leider nie kennengelernt habe, weil er verstorben ist, bevor ich überhaupt auf die Welt gekommen bin – in der Gemeinde in Kärnten, wo er zuhause war, Theater gespielt hat, Regie geführt hat. Kulissen haben sie selber gebaut, die Kostüme selbst genäht, es wurde viel gesungen. Und komischerweise: dieses Talent ist über eine Generation rübergesprungen, und ich habe es wieder voll abgekriegt. Es steckt etwas in mir, was man teilweise einfach nicht erklären kann. Da war dann im Endeffekt die große Ausbildung zum Schauspieler eigentlich gar nicht mehr so gravierend. Ich wurde einfach gut geführt von den Leuten, mit denen ich im Studium gearbeitet habe. Die waren natürlich dankbar, dass da so vieles da ist. Woher das gekommen ist? Ich vermute mal, es ist vererbt.
Sie haben vorhin gesagt, Sie sind Spieltenor, aber Sie haben ein sehr großes Repertoire. Gibt es Unterschiede in der Weise, wie man an eine Buffo-Rolle herangeht oder aber an eine dramatische Rolle?
Erstens einmal ist auch wichtig das Konzept des Stücks: Was ist das für eine Partie, die man übernimmt? Ist es jetzt eine lustige Partie, ist es mehr eine tragische Partie, ist das jetzt eine böse Partie? Nach dem geht man dann auch an die Arbeit heran. Wenn ich sehe, wie jetzt der Harry in Heimatlos geworden ist – ich habe ja damals in Kaiserslautern die deutsche Erstaufführung dieses Stückes mitgemacht. Und dieser Harry ist diesmal ganz anders geworden als damals. Ich schätze, das kommt durch die Jahre, durch die Erfahrung. Man will halt nicht immer alles gleich machen. Man probiert einfach, neu an eine Partie heranzugehen, auch wenn man sie schon mal gemacht hat. Es ist dasselbe Thema mit dem Alfred in der Fledermaus, den ich auch hier am Gärtnerplatztheater singe: Der ist zwar, so wie man ihn kennt, immer gleich, aber im Endeffekt ist er hier ganz anders geworden als ich ihn schon mal gemacht habe.
Also, wenn Sie eine Partie noch mal wieder aufnehmen, sozusagen, in einer anderen Inszenierung, dann versuchen Sie eher, anders heranzugehen?
Einfach nur das Neue suchen, neue Akzente finden. Ich schätze mal, auch mit der Reife der Jahre sieht man plötzlich eine Partie ganz anders. Das hilft einem schon auch weiter, die Partie neu zu gestalten. Denn immer das gleiche machen, über Jahre einer Partie in verschiedenen Produktionen immer die gleiche Linie zu geben oder immer das gleiche Spiel, die gleiche Gestik zu geben, das ist uninteressant. Das wird langweilig. Lieber neu suchen, neu entdecken, neu spüren oder auch neu leben. Ich versuche ja, meine Partien nicht zu spielen, sondern zu leben. Und das ist vielleicht ein großer Vorteil, um authentischer zu wirken auf der Bühne.
Sie sind ja unglaublich vielseitig. Wenn ich mal ein paar Glanzlichter herausgreifen darf – der Pirelli in Sweeney Todd, der Prinz in Boccaccio, der Rolla in I Masnadieri – das sind ja drei ganz unterschiedliche Genres. Wie sehen Sie die Unterschiede, und auch die Herangehensweise?
Am Anfang kommt natürlich auch die Musik dazu: Was ist es für ein Genre, ist es Oper, ist es Operette, ist es Musical? Und dann schaut man aber auch an: Wo liegt die Schwierigkeit in den Partien, wo soll er hingehen, was sollen das für Figuren werden? Und natürlich, das freut mich ja, dass die Leute es sehen, dass ich vielseitig bin. Einen Pirelli zu spielen, der ein total durchgeknallter, falscher Italiener ist, in diesem Fall. Einfach auch diese Spielastik zu geben, die diese Partie einfach braucht. Diese komische, übertriebene Art des Spiels – wobei sich ja später herausstellt, dass es ja gar kein Italiener ist – und der dann nebenbei noch richtig schwer zu singen hat: die Partie besteht aus vier hohen C! Das weiß man gar nicht. Wo findet man sonst einen Spieltenor, der so etwas kann? Buffonesk zu sein, zu spielen, und trotzdem dann noch so sicher zu sein, um die vier C zu halten. Ist ein Wahnsinn. Gar nicht machbar. Wenn man aber wieder hernimmt: Die Musik von Verdi, I Masnadieri, der Rolla. Auch das Konzept des Regisseurs war so überzeugend für diesen Bösewicht – der Handlanger des Todes ist, der dann den Carlo verführt, damit er die Amalia umbringt. Das hat schon was. Da war immer der Hauch des Todes zu spüren, der über dem ganzen Stück schwebt. Es ist schwierig, Bösewichter zu spielen. Das ist gar nicht so einfach. Dabei trotzdem auch glaubwürdig zu bleiben. Aber das hat halt dann auch Spaß gemacht. Wenn man dann wieder zurückgeht zur Operette: in Boccaccio der Prinz. Das ist halt mehr diese lyrischere Partie, der Schönling, der auftritt, die Damen verführt. Oder sich auch verführen lässt, weil er etwas erleben will. Das macht Spaß. Darum macht dieser Beruf so viel Spaß: Man steckt halt nicht nur in einer einzigen Schublade. Man hat vieles zu machen. Man kann verschiedene Partien neu gestalten, anders gestalten, anstatt nur immer die gleiche Linie zu fahren.
Wie sehen Sie das Verhältnis von Schauspielkunst und Gesangskunst auf der Bühne – was dominiert?
Ich würde sagen: Es darf nichts dominierender sein, es muss beides ausgeglichen bleiben. Natürlich, was den Text in einer Operette betrifft – die Dialoge sollen ja die Musik im richtigen Moment auslösen. Dann ist aber auch wichtig, dass die Dialoge gearbeitet werden. Nur manchmal hat man halt auch Regisseure, die leider Gottes speziell Musiktheater nicht gut führen können. Es darf nicht Schauspiel werden, weil Schauspiel wieder etwas ganz anderes ist, aber man muss einen gewissen Rhythmus in der Sprache entwickeln, in den Dialogen, damit man dann zu einem Punkt kommt, wo die Musik ausgelöst wird. Ich hatte vor Jahren mal eine Produktion gemacht, das war zwar keine Operette, sondern eine Spieloper, Die Entführung aus dem Serail, wo die Regisseurin sehr bedacht war, Schauspieldialoge zu führen. Bei der Bühnenorchesterprobe hat der Chef des Hauses dirigiert, der GMD höchstpersönlich; der hat während so einer Probe mal im Orchestergraben gestanden und hat nicht eingesetzt mit dem Orchester, hat sich umgedreht zu der Regisseurin und gesagt: “Ich fühle jetzt keine Musik.” – Weil irgendetwas vorher nicht stimmt. – Er sagte: “Ich fühle jetzt nichts. Ich weiß nicht, was für ein Tempo ich machen soll, damit das fließend übergeht.” Das sind so diese Momente im Leben, wo man sagt: Ja, man muss halt auch das Genre Operette oder Spieloper beherrschen, auch die Dialoge richtig führen. Jetzt nicht schauspielhaft, aber jetzt auch nicht übertrieben sängertechnisch gesehen, sondern einfach die Hinführung zur Musik sollte es bleiben. Das ist aber auch die hohe Kunst des Musiktheaters, und daran scheitern viele Regisseure.
Müssen Sie als Sänger sehr diszipliniert leben?
Auf alle Fälle sollte man schon diszipliniert leben, aber ich sage immer: Man muss wissen, was man im richtigen Moment machen kann. Man muss seinen Körper kennen, man braucht auch genug Schlaf. Man kann sonst alles machen, aber nur nicht übertreiben.
Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?
Ich bin da eher einer, der aus dem Bauch heraus arbeitet. Ich stelle mir jetzt nicht irrsinnig viele Fragen: Was ist das für ein Typ, woher kommt er? Ich probiere die Musik zu spüren, ich lese mir die Dialoge durch, und dann lasse ich es einfach aus mir heraussprudeln, aber schon ein bisschen mehr geführter. Und da ist halt auch wichtig, dass der Regisseur sagt: Was will er eigentlich haben, wohin soll das Ding führen? Wenn es aber nicht kommt – natürlich, die Begabung des Spiels ist einfach da, dass man dann eine Partie auch selbst erarbeitet. Ich hatte mal vor Jahren eine Produktion, das war die Zauberflöte, da habe ich den Monostatos gesungen, einzeln besetzt, und da war die einzige Regieanweisung, die ich vom Regisseur bekommen habe, dass er sagte: “Der Monostatos ist schlecht. Er hat einen Defekt: linkes oder rechtes Knie. Such es dir aus.” Ich bin damals auf der Probebühne gewesen, es war aufgebaut, wie die Bühne sein würde, mit Stufen, Gängen und so. Ich habe gesagt: “Moment!”, bin mal über die Probebühne gehuscht, über die Stiegen, runter, rauf, hin und her, und sagte: “Okay, rechtes Knie bleibt steif.” Und dann durfte ich eigentlich diese Partie für mich selbst anlegen. Er hat mir diese große Freiheit gegeben, es einfach selbst zu machen. Er hat mich dann nur noch geführt, indem er sagte: “In diesem Moment solltest du hier stehen, in diesem Moment solltest du da stehen, das andere passt alles. Danke.” Das ist natürlich auch lustig, wenn man die Möglichkeit hat, es einmal so zu machen. Und dieser Monostatos war – der hat so gelebt, der war auch so spritzig, so durchtrieben und frech, fast wie in Herr der Ringe, ein bisschen angelegt auf Gollum. Also, das hat schon viel Spass gemacht. Auch die Art, wie er dann gesprochen hat, ging schon in Richtung Gollum. Es war damals gerade diese Zeit, mit dieser Trilogie, Herr der Ringe. Das hat irgendwie super gepaßt. Und ich habe dann einige gute Kritiken bekommen. Zum Beispiel in einer Kritik stand, das war, glaube ich, in Wiesbaden: “Der heimliche Star des Abends: Ein in Bestlaune spielender und singender Monostatos.” – Das freut mich natürlich dann, wenn es so kommt.
Sie haben vorhin schon die Rolle des Harry Driscoll angesprochen, die Sie in der Produktion Heimatlos übernehmen. Erzählen Sie uns ein bisschen von Harry.
Harry. (Lacht.) Was soll man zu Harry sagen? Harry ist ein Drecksack. (Lacht.) Erstens mal ist er ein Gauner. Er ist verheiratet mit Maggie, also: Maggie und Harry Driscoll. Das sind hier die komischen Gauner, die den Auftrag kriegen, ein Kind umzubringen. Sie bringen das natürlich nicht übers Herz, sie verkaufen das Kind lieber weiter. Nur damit sie immer wieder zu Geld kommen. Ich weiß nicht, wie viel ich verraten soll, jedenfalls: es ist eine Paraderolle für mich, dieser Harry. Die Schwierigkeit liegt in dieser Partie auf alle Fälle in der Kondition. Der hat auch die zwei größten Nummern des Abends zu singen, die großen Shownummern. Aber er ist so ein Typ, der – wenn er Geld riecht, dann wird er, wenn ich das sagen darf: geil, er träumt von Frauen, er träumt von Sex. Er ist so ein Typ, so ein Schleimer, aber immer wieder kriegt er dann von seiner Frau einen auf den Deckel. Die holt ihn wieder zurück auf den Boden.
Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation dieser Rolle?
Natürlich ist vieles von mir gekommen. Ich habe auch probiert, ihm eine gewisse Richtung zu geben. Man probiert ja einiges aus in der Probenzeit: Wie könnte man da noch – soll ich in diese Richtung gehen, soll er mehr gnomhaft wirken oder nicht? Soll er mehr ernst bleiben? Aber dann haben wir uns auch mit dem Regisseur dazu entschieden – der hat mir den Tip gegeben, mal dieses Koboldhafte eher wegzunehmen und geradliniger zu bleiben, weil der Harry authentischer wirkt, viel stärker wird, aber trotzdem lustig. Und natürlich mit seiner Frau zusammen, Maggie, die übrigens Milica Jovanovic spielen wird. Zusammen sind wir ein tolles Team.
Was gefällt ihnen am besten an dieser Partie, und gibt es da auch etwas, was nervt?
Eigentlich nervt in diesr Partie nichts! Denn so etwas wünscht sich ein Sänger oder auch Darsteller immer wieder mal, solche Figuren spielen zu dürfen. Das sind nämlich die Interessanten im Musiktheater, da steckt so viel drin. Die Figur braucht so viel Energie. Das kann einen gar nicht nerven. Es ist halt nur, das Nervige ist halt: du musst das echt proben, was wir da machen! Das kann ab und zu nerven. Aber es ist wichtig, dass es gut geprobt ist, um einfach auch glaubwürdig am Abend dazustehen. Dass der Funke dann rüberspringt auf das Publikum. Und ich hoffe, es wird klappen.
Da habe ich eigentlich keinen Zweifel. – Es ist ja eine Kooperation mit dem Jungen Theater jtg und mit dem Seniorentheater stg. Wie ist das, mit Laien auf der Bühne zu stehen?
Ich finde es natürlich irrsinnig toll, dass hier die Jugend einmal die Möglichkeit bekommt – speziell im letzten Jahr, dass sie einmal mit professionellen Sängern zusammenarbeiten. Zum Teil gibt es Kinder, die später einmal solche Berufe ergreifen wollen, Künstler werden wollen, Sänger, Schauspieler. Einfach auch zu sehen, wie man mit solchen Partien dann als Profi umgeht. Wie viel Energie man in solche Partien hineinstecken kann, die die Kinder noch nicht haben, aber vom Leiter des jtg einfach vermittelt bekommen, wie es sein sollte. Ich denke, dass die Kinder jetzt in dieser Probenzeit, die wir zusammen hatten, viel, viel, viel gelernt haben. Das finde ich natürlich toll, dass so etwas passiert. Und natürlich auch, dass das stg dabei ist, das Seniorentheater: einfach mal so eine Koproduktion mitzumachen. Auf der einen Seite kommt es auch vom Regisseur – er hat hier das Seniorentheater mal gemacht, er hat das jtg geleitet und auch mit Profis gearbeitet, und das ist jetzt auch ein schöner Abschluss für ihn: Die letzte Produktion hier am Haus, seine letzte Regie hier am Haus. Damit einmal alles unter einen Hut kommt. Ich finde das toll. Und die Kids sind recht gut drauf, wirklich. Das macht einen Riesen-Spass, mit denen zu arbeiten.
In welchem Alter sind die Jugendlichen?
Oh, ich glaube, von 14 Jahren aufwärts bis über 20 Jahre. 23, 24 Jahre, sowas.
Können Sie uns ein Detail aus den Probenarbeiten erzählen?
Ein Detail. Irgendetwas Lustiges? – Okay, ja, gleich am Anfang: Harry und Maggie Driscoll treten auf. Es kommt der böse Onkel James Milligan, der das Baby entführt hat und das Baby uns übergibt. Ich mache das dann eigentlich für einen Spottpreis. Und natürlich regt sich sofort Maggie auf, nicht? Maggie, meine Frau, haut mir dann gleich in dieser Szene eine richtige Ohrfeige herunter. – Es ist auch ganz spannend, wie gewisse Kolleginnen dann an dieses Detail herangehen: Wie haue ich ihm jetzt eine runter? – Wir haben uns langsam schön dahingetastet; ich habe gesagt: “Du kannst richtig schön zuhauen.” Jedenfalls bitte nicht aufs Ohr schlagen, sondern einfach mal schön auf die Wange, es kann ruhig knallen. Das tut nicht weh, wir sind in Spannung auf der Bühne, wir werden unter Adrenalin stehen. Das tut nicht weh. Und in der Zwischenzeit langt sie ganz schön zu! (Lacht.)
Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja: was tun Sie dagegen?
Das hängt auch immer wieder davon ab, wie ein Stück geprobt ist. Wenn es gut geprobt ist, ist ein vernünftiges Lampenfieber immer vorhanden. Andererseits gibt es auch Abende – speziell, wenn ein Stück lange gelegen ist, dass man es lange nicht mehr gemacht hat, dass man besonders nervös ist. Aber das ist auch ein Zeichen, dann wieder unter höchster Anspannung zu arbeiten. Adrenalin wird ausgeschüttet, und dieses Adrenalin fördert die Konzentration, damit man da einfach besser spielen kann. Mir ist es auch schon passiert, dass ich Abende gehabt habe, wo ich relativ cool war, fast keine Nervosität vorhanden war. Diese Abende sind die schlimmsten. Da passieren so viele Sachen, die eigentlich sonst nie passieren. Also, eine gewisse kleine Nervosität ist immer wichtig zu haben. Sonst habe ich eigentlich damit keine Probleme. Man muss halt seine Partie ordentlich können, dann braucht man auch keine Angst haben vor nix.
Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?
Das Schönste in diesem Beruf ist, auf der Bühne zu stehen: Leute, wir machen Live-Erlebnis. Das heißt, wir bringen wirklich zweieinhalb bis drei Stunden Live-Unterhaltung. Du hast nur diese eine, einzige Chance am Abend, und die will man immer richtig machen. Natürlich, desto perfekter man ist – das ist so mein Ansporn: immer perfekt sein zu wollen, was aber nicht immer machbar ist. Wenn man so einen richtig perfekten Abend hat, sagt man: “Mensch, das war jetzt echt gut, das war super.” – Aber komischerweise, dann springt der Funke nicht so gut über beim Publikum, als wenn man so eine mittelmäßige Vorstellung hat. Das ist ein interessanter Effekt am Theater. Leiden die Leute mit einem mit, wenn man nicht so perfekt ist? Ich weiß es nicht. Eigentlich sollte unsere Arbeit perfekt sein. Wir haben das im Endeffekt auch gesehen in Grand Hotel, wie sich dieses Stück dann einfach höchst professionell eingeschliffen hat: Jeder hat an diesem Abend seinen Job toll gemacht, höchst professionell, und es wurde plötzlich ein großer Abend. Es war zwar nicht unbedingt mein Musical, dieses Grand Hotel, aber ich muss trotzdem sagen: Es war ein sehr guter Abend, jedesmal.
Und das Nervigste?
Das Nervigste ist – die Bezahlung. Das kann man ruhig mal sagen. Das Schlimme ist wirklich, dass zum Teil wir Künstler, speziell in den Festensembles, relativ schlecht bezahlt sind. Wenn man denkt, wie viel man arbeitet, speziell auch gewisse Fächer – so ist halt das Spielfach schlechter bezahlt als das lyrischere Fach, aber du hast trotzdem sehr viel zu tun. Wenn man dann die Relation hernimmt, was man verdient – das kann schon ganz schön nervig werden. Da spart die Kultur einfach zu viel. Aber komischerweise: bei uns kann man ja sparen. Das ist ja interessanterweise in jedem Theater so, dass bei den Künstlern, die Leute, die in vorderster Front auf der Bühne stehen – dort wird komischerweise zuerst gespart. Das ist ein großer Fehler. Das sollte sich die Kulturpolitik wirklich mal überlegen, ob sie das so weitermachen wollen. Wo andererseits dann in großen Häusern für sogenannte Stars große Beträge für einen einzigen Abend herausgeschmissen werden. Da denke ich mir: Wir machen auch unseren Job. Wenn man bedenkt: Die kleinen Stadttheater wurden vor ein paar Jahren zu den Opernhäusern des Jahres gekürt! Die Branche besteht nicht nur aus den großen Stars, sondern auch aus den kleinen Theatern, die irgendwo in der Provinz sind und Kunst und Kultur den Leuten bringen. Auch den Bildungsauftrag, den das Theater hat. Man könnte zum Beispiel auch die Theater hundertprozentig vollkriegen, wenn man nur solche Stücke spielt, die halt gehen. Aber ist das Kulturauftrag? Bildungsauftrag? Man muss auch Stücke machen, die unbequem sind, die halt nicht unbedingt Publikumserfolge sind. Und dann hört man aber: “Ja, das Haus ist ja nicht voll.” – Da denke ich mir: “Irgendetwas läuft in unserer Branche schief!” Und so etwas nervt mich am meisten.
Sie haben sich ja schon ein breites Repertoire erarbeitet. Gibt es noch eine Wunschpartie?
Aber natürlich! Die nächste Wunschpartie, die kommt zum Glück jetzt endlich mal auf mich zu, das ist der Leopold im Weißen Rößl. Auf diese Partie warte ich ja schon zwölf Jahre lang! Und eine zweite Partie, die ich auch irrsinnig gerne machen will, ist der Adam im Vogelhändler. Zwölf Jahre warte ich schon darauf, zwölf Jahre. Und er ist noch immer nicht gekommen! Ich hoffe, dass das jetzt mal passieren wird.
Dann bleibt mir eigentlich nur noch, Ihnen Toi-Toi-Toi zu wünschen für die Premiere von Heimatlos!
Danke schön!
(Das Interview wurde geführt am 7. März 2012 in München.)
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NachtMusik am 19. Dezember 2011 16:29 [singlepic id=1089 w=320 h=240 float=left]
Das Staatstheater am Gärtnerplatz und der Regisseur Holger Seitz haben sich für eine deutsche Fassung des Stücks “Der Mikado” von Gilbert & Sullivan entschieden. Diese deutsche Fassung ist von Walter Brandin und Arno Assmann und hat einen Erzähler, diesen gibt es im englischen Original nicht. Am Gärtnertheater wird diese Rolle von Thomas Peters sehr eindrucksvoll gestaltet, aber die Dialoge sind an einigen Stellen zu lange. Es hätte gerne gekürzt werden können, und die Übergänge der Szenen Dialog-Musik wäre schneller auf den Punkt gekommen. Nun aber genug davon. Es gibt ja so viel Schönes an der Produktion: Das schlicht gestaltete Bühnenbild von Peter Engel, das von der gelungenen Lichtgestaltung von Hans Guba zum Leben erweckt wird und in jeder Minute eine ganz besondere Atmosphäre entstehen lässt. Schon wenn sich beim langsamen Satz der Ouvertüre der Vorhang öffnet und die roten Lampions leuchten. Kostümbildnerin Sandra Münchow hat zeitlose Kostüme gestaltet, Anzüge in verschiedenen Graustufen mit Zeitungsaufdrucken, beim großen Auftritt des Mikado schwarze Anzüge mit goldgelben Ärmeln und für den Frauenchor bunte blumenbedruckte Kleider mit Schleifen. Holger Seitz kann bei seiner Regie und der Entwicklung der Personenführung ganz auf das spielfreudige Ensemble des Theaters setzen. Ein Glücksgriff ist auch der Dirigent der Produktion Benjamin Reiners: mit dem gut gelaunten und spielfreudigen Orchester blühen die Melodien von Sullivan aus dem Orchestergraben; an dieser Stelle ein besonderes Lob an die Holzbläser.
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Yam-Yam, Mündel von Co-Co, und Nanki-Poo wurden an diesem Abend von Therese Wincent und Mario Podrecnik gespielt. Therese Wincent beeindruckte während der ganzen Aufführung mit ihrer Bühnenpräsenz. In Gesang, Spiel und Choreographie war sie ideal für die Rolle der Yam-Yam. Der gut geführte Tenor von Mario Podrecnik stand ihr in nichts nach. Einen gelungenen Auftritt hatte auch Derrick Ballard als Mikado, mit kräftigem Bass und enormer Autorität. Rita Kapfhammer als älteres Hoffräulein Katisha war voll in ihrem Element, ausgestattet mit kräftigem Mezzo und großer Bühnengeste. Der Scharfrichter von Titipu, Co-Co, der kein Blut sehen kann, mit der Vergangenheit eines Schneiders, wurde gelungen verkörpert von Hardy Rudolz. Dieser hatte an diesem Abend Glück und bekam viel sichere Unterstützung aus dem Orchestergraben. Sehr aufmerksam! Die restlichen Rollen waren rollendeckend und gut besetzt: Sebastian Campione (Pooh-Bah, Minister für alles), Carolin Neukamm (Pitti-Sing), Ulrike Dostal (Peep-Bo) und Gregor Dalal (Pish-Tush, ein Edelmann). Der Chor, in der Einstudierung von Inna Batyuk, sang an diesem Abend sehr klangschön, und auch die Darstellung war wieder sehr gelungen.
Es ist schön, dieses Stück von Gilbert & Sullivan am Staatstheater am Gärtnerplatz zu sehen und zu hören mit dem noch existierenden Ensemble.
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Corinna Klimek am 4. Dezember 2011 13:02 Ich bin sehr zu haben für traditionelle Stücke im neuen Gewand, es muss nur passen. Das war so bei der Butterfly von Doris Dörrie, und auch die Orangen haben mir sehr, sehr, sehr gefallen. Hier jedoch passt nichts. Da ist zum einen die Fassung. Die Übersetzung ist lieblos, der feine Witz, für den Gilbert so bekannt ist, kommt nicht heraus. Der durch die Übersetzer eingeführte Erzähler gehört nicht ins Stück. Er bringt es weder voran, noch muss das Publikum von 2011 an die Hand genommen werden. Damit will ich nichts gegen Thomas Peters sagen, der in dieser Rolle das, was er tun muss, ganz hervorragend macht. Aber hier werden dem Librettisten Gilbert Worte in den Mund gelegt, die er nie geschrieben hat und die ihn, wie ich meine, in einem schlechten Licht erscheinen lassen. So ist zum Beispiel die Szene, in der Yum-Yum und Nanki-Po sich unsinnige und schlecht geschriebene Liebesschwüre an den Kopf werfen und der Erzähler gefühlte 35 Mal sagt: “…und dann sagt wieder er…und dann sagt wieder sie…”, im Original wirklich witzig und vor allem wesentlich kürzer:
NANK. Yum-Yum, at last we are alone! I have sought you
night and day for three weeks, in the belief that your guardian
was beheaded, and I find that you are about to be married to him
this afternoon!
YUM. Alas, yes!
NANK. But you do not love him?
YUM. Alas, no!
NANK. Modified rapture! But why do you not refuse him?
YUM. What good would that do? He’s my guardian, and he
wouldn’t let me marry you!
NANK. But I would wait until you were of age!
YUM. You forget that in Japan girls do not arrive at years
of discretion until they are fifty.
NANK. True; from seventeen to forty-nine are considered
years of indiscretion.
YUM. Besides—a wandering minstrel, who plays a wind
instrument outside tea-houses, is hardly a fitting husband for
the ward of a Lord High Executioner
Zitat aus “The complete plays of Gilbert & Sullivan”
Da fragt man sich dann schon, wie intensiv man sich mit dem Originallibretto beschäftigt hat. Oder mit den Wünschen Gilberts zur Umsetzung:
Gilbert told a journalist, “I cannot give you a good reason for our … piece being laid in Japan. It … afforded scope for picturesque treatment, scenery and costume,…
Gilbert, W. S. “The Evolution of The Mikado”, New York Daily Tribune, 9 August 1885
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Bühne und Kostüme sind irgendwie lieblos. Die bedruckten Anzüge der Männer sind von weiter weg nicht mehr zu erkennen, und auch von ihnen tragen manche weiß. Das mag zwar zu Ko-Ko als Farbe der Trauer passen, aber bei den Adeligen, die der Männerchor am Anfang ja darstellen soll, passt es nun mal überhaupt nicht. Ebenso wie die gelben Ärmel später, gelb ist die Farbe des Kaisers. Wenn man das Stück nicht im farbenprächtigen Originalsetting spielen lassen will, muss man vermutlich ganz weg von Japan. Die English National Opera hat eine relativ erfolgreiche Inszenierung in den Zwanzigern in einem englischen Badeort spielen lassen. Russland könnte ich mir auch gut vorstellen. Aber nicht dieses Japan, das so nicht existiert. Gilbert hatte den Ort möglicherweise zufällig ausgesucht, in der Umsetzung wollte er aber akkurat sein und hat unter anderem eine Japanerin damit beauftragt, den Sängern die richtigen Bewegungen beizubringen. Davon ist man hier leider meilenweit entfernt. Außerdem ist die Bühne nicht ungefährlich. Der rote “Teppich” wackelt wie ein Kuhschwanz, wenn sich zwei Menschen darauf bewegen, bietet wenig sichere Standfläche und ist bei der Premiere auch schon zur Seite gekippt. Die Kästen sind nicht standfest und rutschen, wenn die Sänger mit etwas Schwung darauf steigen.
Am allerschlimmsten ist aber die letzte Szene von Ko-Ko und Katisha. Wie man in diese Worte eine “perverse Sexualität” hinein interpretieren kann, ist mir ein absolutes Rätsel. Abgesehen davon, dass man vielleicht mal den Gebrauch des Wortes “pervers” überdenken sollte. Es gibt einige Stücke im G&S-Kanon, die sich unterschwellig mit Sexualität beschäftigen, DER MIKADO gehört jedoch nicht dazu. So wird man sicher keine Gilbert&Sullivan-Tradition in Deutschland wiederbeleben können.
Musikalisch war es mal wieder sehr, sehr gut. Mario Podrečnik als Nanki-Po und Thérèse Wincent als Yum-Yum ergänzten die Premierenbesetzung aufs Beste. Besonders Stefan Sevenich, der den Mikado mit ironischer Distanz und der Beweglichkeit singt und spielt, die die ihm zugeordnete Musik erfordert, und Rita Kapfhammer, die der Katisha mehr Tiefe verleiht, als der Übersetzer ihr zugebilligt hat. Wie schön wäre es, wenn sie ihr Schulterblatt selbst anpreisen dürfte! Gunter Sonneson ist eine Idealbesetzung für den Ko-Ko, das kann man sicher nicht besser machen. Aber auch die restlichen Solisten, Chor und Orchester waren an diesem Abend fast noch besser als bei der Premiere und tatsächlich sprang ein Funke auch schon vor der Pause zum Publikum über.
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Corinna Klimek am 5. Oktober 2011 21:31 Wir haben die beiden Solisten Heike Susanne Daum (Marie) und Mario Podrečnik (Wenzel) zu ihren Partien in “Die verkaufte Braut” befragt, die in wenigen Tagen am Staatstheater am Gärtnerplatz Premiere hat.
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Marie ist ja psychologisch sehr komplex. Wie werden Sie die Rolle anlegen?
Es gibt ein klares Rollenprofil des Regisseurs Peter Baumgardt, das ich sehr gut nachvollziehen kann. Marie ist auf dem Weg zur Eigenständigkeit, bewirtschaftet einen Milchpilz und ist trotz eines ominösen Heiratsversprechens seitens ihres Vaters heimlich mit Hans verlobt. Sie ist stark und wird um ihre Liebe kämpfen, sich nicht ohne Gegenwehr fremdbestimmen lassen.
Glauben Sie, Marie hätte tatsächlich aus Trotz Wenzel geheiratet?
Marie würde letzten Endes Wenzel nicht nehmen. Den Elternpaaren sagt sie das ganz deutlich: den Wenzel will ich nicht. Da bleib ich lieber ganz allein, treu der Erinnrung sein. Nur als sie sich von Hans betrogen und verkauft wähnt, steht sie vor einer Kurzschlussreaktion, die dem Grad ihrer Verletztheit und ihrer Impulsivität entspricht. Glücklicherweise löst alles sich in Wohlgefallen auf, bevor sie ihre Drohung wahrmachen muss!
Wird das eine glückliche Ehe werden?
Jedenfalls wird ihre Ehe mit Hans nicht ohne Streit verlaufen. Er ist verschlossen, sie mitteilungsbedürftig. Konflikte sind also vorprogrammiert. Das macht eine Ehe noch lange nicht unglücklich.
Wie viel Freiheit hat Ihnen der Regisseur gelassen? Wie viel von Ihrer Persönlichkeit steckt in dieser Interpretation?
Wie anfangs schon gesagt, hat Peter eine ziemlich genaue Vorstellung von seiner Marie. Ich versuche, dieser gerecht zu werden. Natürlich stehen mir da meine eigene Körperlichkeit und meine Lebenserfahrung als Mittel zur Verfügung. Das Lösen vom Elternhaus, das Treffen von Entscheidungen und Tragen der daraus resultierenden Konsequenzen, die Flucht aus der dörflichen Scheinidylle – das kenne ich sehr gut, wie jede erwachsene Frau.
Was ist die besondere Herausforderung bei dieser Rolle?
Marie ist meine erste wirklich lyrische Opernpartie. Da musste ich stimmtechnisch viel arbeiten. Mit Hilfe unseres Studienleiters Henning Kussel und des Musikalischen Leiters Lukas Beikircher bin ich auf einem guten Weg, die Feinheiten der großen lyrischen Phrasen auszuloten. Das macht viel Spaß! Wenn ich jetzt noch trotz Nervosität und mit dem Publikum vor Augen das Gelernte umsetzen kann, bin ich sehr glücklich!
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Wie ist der Wenzel als Persönlichkeit angelegt? Er ist ja nicht nur der Dorftrottel, diese Charakterisierung wäre ja ein bisschen zu simpel.
Der Regisseur wollte auf alle Fälle mal davon weggehen, dass der Wenzel ein Trottel ist. Er wird zwar gehänselt deshalb, weil er stottert, aber der Regisseur hat diese Partie mehr oder weniger so angelegt, dass es ein Maturand ist, ein Abiturient, der schon weiß, was er will. Nur hat er halt eine Sprachbarriere, sagen wir mal so, er stottert, er kriegt halt nicht alles gleich heraus. Das ist aber begründet darin, weil er unter der Macht seiner Mutter steht. Die Mutter kontrolliert ihn zu stark, und er hat dadurch einen Sprachfehler.
Wie setzen Sie das stimmlich um, das Stottern?
Es ist teilweise auf die Musik geschrieben, auf Noten geschrieben. Wir haben aber hier in diesem Stück mit diesem Regisseur uns erarbeitet, dass wir nicht jede Note singen, sondern zum Beispiel auch mal drüberhalten, um einfach diese Sprachhemmung zu zeigen.
Wieviel Freiheit hat Ihnen der Regisseur bei der Interpretation gelassen, und wieviel von Ihrer Persönlichkeit steckt da mit darin?
Freiheiten hat jeder Sänger zu Genüge eigentlich zu bekommen, das findet auch hier auf alle Fälle statt. Aber trotzdem, um das Konzept des Regisseurs aufgehen zu lassen, haben wir uns sehr oft auch untergeordnet in sein Regiekonzept.
Neben der musikalischen Umsetzung des Stotterns – was waren weitere Herausforderungen bei der Rolle?
Die Schwierigkeit beim Wenzel liegt eigentlich im Stottern: Wie bringt man jetzt ein Stottern herüber, das natürlich wirkt und nicht künstlich. Das ist für einen Spieltenor eine Riesen-Herausforderung, es natürlich zu gestalten, ohne Abstriche in der Musik zu haben.
Herzlichen Dank!
Bitte, gerne!
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Corinna Klimek am 30. Juni 2011 18:36 Zuerst mal muss ich ein wenig meckern: auch wenn es diesmal wesentlich besser verkauft war als beim ersten Mal Anfang Juni, das Durchschnittsalter war jenseits von Gut und Böse. Und auch wenn sich meine 80-jährige Theaterfreundin beharrlich verweigert, scheint es im fortgeschrittenen Alter in Mode zu kommen, bei Liedern, die einem vage bekannt vorkommen, mitzuklatschen. Und weil das mit dem Hören oft nicht mehr so gut funktioniert, haut das halt auch mit dem Takt nicht immer ganz so hin. An diesem Abend wars ganz besonders schlimm. Und der Boden des Orchestergrabens, der hochgefahren zur Vorbühne wird, ist schon arg schäbig. Kann man da nicht was drüber tun? Dann tanzt es sich bestimmt auch besser.
Aber genug des Gemaules, der Rest war fabelhaft. Angefangen bei der Stückauswahl, die halt nicht das übliche Repertoire einer Operettengala abspulte, sondern Highlights aus bekannten, aber nicht ganz so oft wie die Fledermaus gespielten Operetten bot. So gab es zum Beispiel drei Lieder aus “Wie einst im Mai”, auch der “Ball im Savoy” war mit zwei Stücken vertreten, “Paganini”, “Die Zirkusprinzessin”, “Das Feuerwerk” und die “Hochzeitsnacht im Paradies” ergänzte die ungewöhnliche Stückauswahl. Und selbst bei den drei Liedern aus “Im weißen Rössl” standen die nicht ganz so bekannten Stücke am Beginn, bevor das titelgebende Lied den Schlusspunkt setzte. Diese Auswahl hört man nicht alle Tage, schade, dass das Operettenkonzert nur zweimal auf dem Spielplan des schönsten Theater Münchens stand.
Fabelhaft agierte das Orchester unter dem jungen, enorm talentierten und leider, leider scheidenden Dirigenten Benjamin Reiners. Fabelhaft waren auch die Solisten, die nicht nur ganz hervorragend sangen, sondern auch, wie es in der Operette halt so üblich ist, tanzten und sich den Stücken entsprechend verkleiden. So sang die famose Rita Kapfhammer, die sich hier einmal mehr für das Genre empfohlen hat, “Spiel auf Deiner Geige” aus “Venus in Seide” in einem wirklich atemberaubenden Kleid und Christina Gerstberger gab eine barocke Primadonna bei dem entsprechenden Lied aus “Der arme Jonathan”. Für Heiterkeitsausbrüche beim Publikum sorgte auch das Kostüm von Marianne Larsen als “Julischka aus Budapest”. Die männlichen Solisten nutzten ihre Möglichkeiten ebenfalls und so trug Daniel Fiolka bei dem Gassenhauer “Mein Mädel ist nur eine Verkäuferin” einen passenden gestreiften Anzug. Stimmlich waren alle Solisten, noch nicht genannt sind Stefanie Kunschke, Tilmann Unger, Dirk Lohr und Mario Podrečnik, in allerbester Form und trugen die genau auf sie zugeschnittenen Stücke hervorragend vor. Besonders Frau Kunschke, die am nächsten Tag die Premiere vor sich hatte, und Frau Gerstberger, die am Sonntag “dran” ist, ist es hoch anzurechnen, dass sie den Wechsel von Barockoper zur Operette (und hoffentlich auch wieder zurück) spielend geschafft haben.
Ein sehr schöner Abend, der mit der Zugabe “Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände” aus “Viktoria und ihr Husar” ein bisschen wehmütig zu Ende ging.
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Corinna Klimek am 11. Mai 2011 21:22 [singlepic id=1134 w=320 h=240 float=left]Die letzte Fledermaus, glücklicherweise nur in dieser Spielzeit. Ich halte die Inszenierung nach wie vor für gelungen, einzig die Herren Balletttänzer könnten in der Sommerpause mal bei Stefan Sevenich in die Lehre gehen, damit der ihnen zeigt, wie man einen Spagat richtig macht.
Das Publikum taute leider erst im dritten Akt richtig auf, der hatte es aber auch wieder in sich. Thomas Peters brachte wieder einen topaktuellen Bezug zum Tagesgeschehen, einen neuen Witz des Tages und war auch sonst als Frosch unschlagbar mit pointiertem Spiel und genialem Witz. Franziska Rabls Prinz Orlofsky war meiner Meinung nach der beste, den ich bisher gehört habe, Ella Tyran überzeugte mich als Adele, auch Juan Fernando Gutièrrez gefiel mir als Dr. Falke sehr gut.
Mein persönliches Highlight war das Terzett im dritten Akt zwischen Mario Podrečnik, der wieder einen Alfred zu Dahinschmelzen sang, Daniel Fiolka, dessen Eisenstein für mich in Spiel und Gesang zu den Besten gehört, und Heike Susanne Daum als Rosalinde, deren Sopran von innen leuchtet und die dem Czárdás so viel Feuer verleiht, dass dort gut und gerne eine echte ungarische Gräfin stehen könnte. Auch der Chor war wieder sehr präsent und spielfreudig. Es lohnt sich, einen ganzen Abend mal nur diese Damen und Herren zu beobachten, wie viele kleine liebenswerte Details da gespielt werden, da lässt sich auch beim fünften Mal ansehen noch etwas Neu entdecken.
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