Leopold, Oberkellner im weißen Rössl, liebt seine Chefin, die Josepha Vogelhuber, aber die ist in einen Stammgast aus Berlin, einen Dr. Siedler, verschossen. Der wiederum verliebt sich auf den ersten Blick in Ottilie, die Tochter von Wilhelm Giesecke. Dieser grantelnde Berliner mag den Dr. Siedler ja gar nicht, vertritt er doch die Gegenseite in einem Patentstreit mit Papa Sülzheimer aus Sangershausen. Lange wähnt er seine Tochter auf eine Verlobung mit dem Sohn Sülzheimer zusteuernd, der aber ein Auge auf Klärchen, die Tochter des Privatgelehrten Hinzelmann geworfen hat. Um das Chaos komplett zu machen, steigt auch noch der Kaiser im Rössl ab, und er ist es, der Josepha den Schubs in die richtige Richtung gibt.
Die Bühne von Toto besteht aus zwei verschiedenen Elementen: ein sehr schön gerahmtes Gemälde vom Wolfgangsee, vor dem sich einige Szenen abspielen und dahinter ein Kubus, der vorne Wirtschaft und hinten Kuhstall ist, aber irgendwie sieht beides gleich aus. Und obendrauf wahlweise ein Berggipfel oder das ominöse Balkonzimmer. Dazu noch ein paar Fenster von oben, die je nach Bedarf nach unten gefahren werden können, fertig ist die Idylle am See. Dazu Kostüme, die durchaus als passend angesehen werden können, wenn man auf Tüllrüschen unterm Dirndl steht. Also beides weder zu realistisch noch zu entfremdet.
Thomas Enzingers Regie setzt auf viele kleine komische Elemente, ohne in den Klamauk abzurutschen. Da muss man schon genau hinsehen, um alles mitzubekommen. Wie die Postbotin die zweite Maß Bier auf ex trinkt zum Beispiel. Oder man dem wackligen Kaiser (sehr souverän Richard Kindley) vom Pferd helfen will und ihn dabei erst mal in Schieflage bringt. Überhaupt: das Pferd! Und die Kühe! Und die steppenden Schwimmer! Und überhaupt. Das sprüht geradezu vor guter Laune. Lediglich mit der Jodlerin und dem Hahn und ihrem überzogenen Gekreische konnte ich mich nicht anfreunden, aber das ist sicher eine Gewöhnungssache. Er lässt aber genauso die leisen Elemente zu, etwa wenn Josepha mit dem Kaiser spricht.
[singlepic id=1619 w=320 h=240 float=right]Das Staatstheater Nürnberg spielt eine Rekonstruktion der Originalfassung, die erst 2009 in Zagreb wieder aufgetaucht war. Da wechselt sich die Zither mit jazzigen Elementen ab, Slowfox, Walzer, Watschentanz beleben nicht nur die Bühne, sondern auch den Graben. Gábor Káli findet sich in diesem musikalischen Dschungel bestens zurecht und hält Orchester und Bühne immer schön in Einklang. Das ist bei dieser Revueoperette von Ralph Benatzky besonders wichtig, denn sie bezieht viel Komik aus dem exakten Timing. Der Chor zeigt sich spielfreudig und ist gut einstudiert von Tarmo Vaask.Ein besonderer Coup gelungen ist dem Staatstheater bei der Verpflichtung von Volker Heißmann als Leopold. Der weit über die fränkischen Grenzen hinaus bekannte Kabarettist ist der Publikumsliebling dieser Vorstellung, kein Wunder, er singt nicht nur, sondern wirft auch noch immer wieder scheinbar mühelos tagesaktuelle Pointen in den Raum. Lediglich beim schönsten Liebeslied des Abends Es muss was wunderbares sein lässt er ein bisschen den Schmelz vermissen, den dieses Lied braucht, um authentisch zu sein. An seiner Seite spielt und singt Heike Susanne Daum die Josepha mit Bravour, sie zeigt die empfindliche Seite der resoluten Wirtin, dass es mich fast zu Tränen gerührt hat. Ein besonderes Highlight ist auch Uwe Schönbeck als Giesecke, der polternde Berliner hat das Herz auf dem rechten Fleck. Ein schönes Paar sind Martin Platz als Siedler und Isabel Blechschmidt als Ottilie, rührend schüchtern Monika Reinhard als Klärchen und passend galant-schlüpfrig Wolfgang Gratschmaier als Sigismund. Bis in die kleinste Nebenrolle wurde sehr genau auf den Typ geachtet und so zeigt sich ein homogenes Ganzes, das einen ganzen Abend voller Spaß verschafft. Am Ende verlässt man pfeifend oder summend das Opernhaus.
Musikalische Leitung Gábor Káli, Inszenierung Thomas Enzinger, Bühne und Kostüme Toto, Choreographie Markus Buehlmann, Chor Tarmo Vaask, Dramaturgie Sonja Westerbeck
Heike Susanne Daum (Josepha Vogelhuber, Wirtin zum “Weißen Rößl”), Volker Heißmann (Leopold Brandmeyer, Zahlkellner), Uwe Schönbeck (Wilhelm Giesecke, Fabrikant), Isabel Blechschmidt (Ottilie, seine Tochter), Martin Platz (Dr. Otto Siedler, Rechtsanwalt), Wolfgang Gratschmaier (Sigismund Sülzheimer), Richard Kindley (Kaiser Franz Joseph I), Erik Raskopf (Professor Dr. Hinzelmann), Monika Reinhard (Klärchen, seine Tochter), André Sultan-Sade (Piccolo Gustl), Stefanie Gröschel-Unterbäumer (Kathi), Andrea Jörg (Jodlerin), Tobias Link (Fremdenführer), Adolf Pivernetz (Bergführer)
Weitere Vorstellungen: Sonntag, 13.10.2013 19:00 Uhr • Samstag, 09.11.2013 19:30 Uhr • Montag, 11.11.2013 20:00 Uhr • Freitag, 06.12.2013 20:00 Uhr
Letzte Kommentare