Bei dieser Vorstellung zeigte es sich, wie auch schon in der vorletzten, dass das Stück eindeutig gewinnt, wenn das Publikum offen ist und von Anfang an mitgeht. Diesmal gab es viel Gelächter und Applaus an den richtigen Stellen und das meiste war ein großer Spaß mit gutem Unterhaltungswert.
Zum ersten Mal habe ich Sonja Leutwyler als Minerva und Christina Gerstberger als Diana, die mir sehr gut gefallen hat, gesehen. Auch der Rest des Ensembles ist sehens- und hörenswert, sei es Frances Lucey als drollige Venus, Gunter Sonneson als genialer Styx oder Ann Katrin Naidu als betrogene Juno. Stefanie Kunschke als Cupido setzt ihre “Mutti”-Pointen einfach zu köstlich und lässt in ihrem Kuss-Couplet die Fliege schon mal stimmlich glänzend entstehen. Christoph Kayser legt ein halsbrecherisches Tempo im Rondo des Merkur vor, ist aber trotzdem gut zu verstehen. Marianne Larsen gibt der öffentlichen Meinung ein schön ironisches Gesicht und Dirk Lohr ist Jupiter auf den Leib geschneidert. Komplettiert wird der ausgezeichnete musikalische Gesamteindruck durch einen überzeugenden Mario Podrečnik als Pluto, sowie Cornel Frey und Sybilla Duffe in den Hauptrollen, szenisch und musikalischen gut gewählten Chorsolisten, dem schwungvollem Chor und dem spritzigen Orchester unter Jörn Hinnerk Andresen.
Langsam habe ich die Melodien im Kopf und kann mich auf die kleinen Gesten und Dinge konzentrieren. So zum Beispiel die tolle Lichtstimmung, wenn nur die Kuppel oberhalb des Kronleuchters beleuchtet ist. Oder seine schon etwas lädierten Gegenstücke auf der Bühne. Oder die wirklich sehenswerten Kostüme der Götter inklusive Unmengen von Glitzerschminke. Oder, oder, oder. Es gibt wahrlich noch viel zu entdecken, nur die Sängerriege und der Chor sind immer sind immer gleich ausgezeichnet. Jede Rolle ist aufs Beste besetzt und man merkt allen die Lust am Spielen und Singen an. Wenn dann auch noch das Publikum entsprechend mitgeht, das an diesem Abend leider etwas zurückhaltend war, ist ein unterhaltsamer Abend vorprogrammiert. Den Münchnern gefällt es jedenfalls, die Vorstellungen bisher waren immer sehr gut besucht.
Das ist jetzt wieder so ein typischer Fall, wo sich ein zweiter Blick lohnt. Ob es nur an dem Platz in der zweiten Reihe im Gegensatz zum 3. Rang bei der Premiere lag, oder an etwas anderem, kann ich nicht sagen. Jedenfalls habe ich mich heute Abend um einiges besser amüsiert.
Christoph Kayser singt das Rondo des Merkur “Eh hopp, eh hopp” mit zungenbrecherischer Schnelligkeit und gewann deutlich an Kontur wie auch “Um einst Alkmene zu betören” durch bessere Verständlichkeit. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass es etwas runder war, ohne es an etwas bestimmten festmachen zu können. Die Kommentare rund um mich waren durchweg positiv. Kann es sein, dass man sich selbst im Weg steht, wenn man zu viel über etwas nachdenkt?
Man merkt jedenfalls, dass die Akteure Spaß haben und wenn das Publikum offen ist, kann auch der Funke überspringen.
Mit Spannung erwartete ich diese Premiere, schließlich gehören die aktuellen Repertoire-Operetten “Die Piraten von Penzance” und “Boccaccio” zu meinen Lieblingsstücken.
Wenn sich der Vorhang hebt, befinden wir uns in in der Eingangshalle eines Luxushotels. Das Bühnenbild passt dazu, Säulen rechts und links, im Hintergrund eine zweite Bühne mit dem Vorhang des Theaters. Die Kostüme würde ich der Entstehungszeit der Operette zuordnen, sie sind sehr üppig, besonders bei den Göttern, und passend, bis auf diejenigen, die zur Unterwelt gehören und ein paar Kleinigkeiten wie eine goldene Maschinenpistole bei Mars und Cupido ohne Pfeil und Bogen. Über die Interpretation von Pluto als Teufel muss ich erst noch ein wenig nachdenken, immerhin heisst es ja sogar im original Libretto
Je quitte la maison parce que je suis morte, Aristée est Pluton, et le diable m’emporte.
An manchen Stellen sind mir zu viele Nebengeräusche, da rascheln die Zeitungen, da muss das Personal warum auch immer auf einen Tisch hauen, das überdeckt die Musik leider ein wenig. Mit der Choreographie kann ich mich auch nicht ganz anfreunden, bei “Seh Ich Eos Gold´ne Rosen” passen die Bewegungen nicht wirklich zur Musik und Breakdance-Elemente beim Galop Infernal, na ja, ich weiß nicht. Der Auftritt der Bacchantin erinnerte mich irgendwie an die Rocky Horror Picture Show und auch sonst kam mir einiges bekannt vor.
Die Ausleuchtung ist sehr gut, das Bühnengeschehen wird optimal unterstützt und auch das Bühnenbild für den Olymp und den Hades sind sehr schön. Das erste Bild plätscherte ein wenig dahin, im zweiten nahmen die Geschehnisse mit der Götterrevolte dann Fahrt auf und auch das Publikum ging besser mit. Jedesmal, wenn Cupido die Venus als Mutti bezeichnete, gab es viel Gelächter. Die großen Abräumer beim Szenenapplaus waren natürlich Gunter Sonneson alias John Styx, der das Couplet des “Prinzen von Arkadien” wirklich herzergreifend sang, das Menuett mit dem anschließenden Galop Infernal und Stefanie Kunschke als Cupido mit dem Kuss-Couplet.
Die einzelnen Rollen sind optimal besetzt und alle waren an diesem Abend in Höchstform. Sibylla Duffe als frustrierte Eurydike genauso wie Cornel Frey als Orpheus mit der Pistole der öffentlichen Meinung (Marianne Larsen mal wieder in Bestform) auf der Brust. Mario Podrečnik als dämonischer Gott der Unterwelt stimmlich und szenisch ein toller Gegenpol zu dem Jupiter des Dirk Lohr, der leider viel brüllen muss, aber dort, wo er singen darf, überzeugt. Ann Katrin Naidu bezaubert als Juno und so manch einer mag sich gefragt haben, warum ihr Göttergatte überhaupt nach anderen Frauen sieht. Den Götterreigen komplettieren Katja Stuber als tief betrübte Diana, Frances Lucey als komische Venus, Márta Kosztolányi als Minerva, Christoph Kayser als leichtfüßiger Merkur sowie die Chor-Soli Florian Wolf, Shirli Polena, Ute Walther, Stefan Thomas und Marcus Wandl, der ein tolles Neptun-Kostüm trägt.
Ohne die große Spielfreude des von Jörn Hinnerk Andresen und Inna Batyuk ausgezeichnet einstudierten Chores wäre der letzliche Erfolg des Abends nicht möglich gewesen. Das Orchester unter Andreas Kowalewitz rundete den musikalisch hervorragenden Gesamteindruck ab.
Am Ende gab es freundlichen Applaus für das Produktionsteam und stürmischen für Solisten, Chor und Orchester. Eine Inszenierung, die gut in das Repertoire des Theaters passt, auch wenn leider nicht das ganze Potential des Stückes ausgeschöpft wurde.
Wie immer am Sonntag vor der Premiere stand die Einführung zu dem neuen Stück auf dem Spielplan. Das Interesse war groß und so mancher ging leer aus und enttäuscht wieder nach Hause. Da man die Karten aber schon seit geraumer Zeit kaufen kann, hielt sich mein Mitleid in Grenzen. Allerdings wäre es schön, wenn es auch bei den Foyerveranstaltungen nummerierte Sitzplätze gäbe, denn die Ansteherei um einen guten Platz zu erwischen ist nervig.
Begrüßt wurden wir mit einem Auszug aus der Ouvertüre, am Flügel Benjamin Reiners, der nebenbei später auch noch als Duettpartner fungierte – Chapeau!
Die wie immer bestens vorbereitete zuständige Dramaturgin Sonja Westerbeck setzte zu Anfang die Entstehungsgeschichte der Operette in den zeitlichen Kontext und führte in die Handlung ein. auch die zwei verschiedene Fassungen des Stückes kamen zur Sprache. Die Regisseurin Johanna Schall erläuterte ihre Herangehensweise an die Operette. Es ist ihre erste Musiktheaterinszenierung, ihre bisherigen Erfolge feierte sie als Schauspielregisseurin. Das stimmt mich eher skeptisch, aber ich lasse mich gerne positiv überraschen. Was sie zur Übersetzung und zum Bühnenbild/Farbkonzept sagte, war jedenfalls schon mal nachvollziehbar. Auch hat sie, immer mit einem humorvollen Unterton, die Unterschiede zwischen dem mythologischen Orpheus und dem Libretto herausgearbeitet. Die Kostüme sind wohl sehr üppig, es wurden zwei ausgestellt, die sehr ansprechend waren. Für die musikalische Seite war Andreas Kowalewitz zuständig. Er erklärte zum Musikgenre passend witzig, welche musikalischen Zitate sich wo in Orpheus finden. Stefanie Kunschke begeisterte das Publikum mit zwei Stücken von Cupido, wobei wir beim “Kuss-Couplet” mitmachen “durften”.
Entlassen wurden wir nach einem heiteren, positiv stimmenden Vormittag mit dem “Galop Infernal”, dem wohl bekanntesten Stück aus “Orpheus in der Unterwelt”. Wobei ich inständig hoffe, dass niemand in der Vorstellung auf die Idee kommt, dazu zu klatschen, das hatte schon ziemlich was vom Musikantenstadel, vor allem weil die meisten den Takt nicht drauf hatten.
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