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Interview mit Rebecca Nelsen

[singlepic id=1120 w=240 h=320 float=left]Liebe Frau Nelsen, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns ein Interview zu geben. Könnten Sie uns zu Beginn einen Einblick in Ihren Werdegang geben?

Ich habe Gesang und Oper zuerst an der Texas Tech Universität in Lubbock, Texas, studiert. Danach ging ich nach Wien, mit einem Fulbright-Stipendium, um mein Studium dort an der Universität für Musik und Darstellende Kunst fortzusetzen. Noch während der Studienzeit habe ich mein erstes professionelles Vorsingen für die Neue Oper Wien absolviert und habe die weibliche Hauptrolle in der Oper God’s Liar von John Casken gewonnen. Die Oper war ein Erfolg, und es folgten viele weitere Engagements an der Neuen Oper Wien. Im Jahr 2007 wechselte ich ins Ensemble des Staatstheaters Braunschweig als festes Ensemblemitgleid, wo ich viele unterschiedliche Partien singen durfte, unter anderem Gilda (Rigoletto), Musetta (La Boheme), Sophie (Der Rosenkavalier), Blondchen (Die Entführung aus dem Serail), Komtesse Stasi (Die Csárdásfürstin), die Tochter (Cardillac) und Eurilla (Orlando Paladino), sowie die Hosenrolle des Ippolito in der deutschen Erstaufführung von Johann Simon Mayrs Fedra.

Auf diesem guten Fundament gelang es mir, meine Gast-Karierre aufzubauen. Bisher habe ich Violetta (La Traviata) gesungen, am Teatro La Fenice in Venedig, dann Adele (Die Fledermaus), Sophie, Susanna (Le Nozze di Figaro), Blondchen und Violetta an der Semperoper Dresden; Olympia (Les Contes d’Hoffmann) und Sophie am Aalto Theater Essen, Blondchen an der Oper Köln, Fiorilla (Il Turco in Italia) beim Garsington Opera Festival in London, Julia de Weert (Der Vetter aus Dingsda) und Gretel (Hänsel und Gretel) an der Volksoper Wien, und jetzt auch Blondchen an der Bayerischen Staatsoper München. Ich habe auch ein Konzert mit dem Pittsburgh Symphonieorchester in Heinz Hall, Pittsburgh, gesungen.

Sind Aufnahmen von Ihnen erhältlich?

Ja, ich bin auf verschiedenen kommerziellen Aufnahmen zu hören: als die Engel in Radek von Richard Dünser (ORF: Mitschnitt von den Bregenzer Festspielen), als Ippolito in Fedra von Johann Simon Mayr (Oehms Classics), als Mary in The Brothers von Georg Antheil (CPO), als Solistin in Es geht wohl anders – Kunstlieder von Walter Arlen (Gramola) und als Solistin in Creation – ein Crossover Album von MOMO mit Erfolgskomponist Toni Castells (Itunes).

Was gab den Ausschlag, Opernsängerin zu werden?

Also, ich bin in New Mexico geboren und in Texas aufgewachsen; dort ist Oper eher ein Fremdwort. Es gibt zwar eine sehr gute Oper in Santa Fe, New Mexico, und auch eine in Houston, Texas, aber im Großen und Ganzen gibt es sehr wenige Möglichkeiten, in die Oper zu gehen, besonders als Kind oder Student. Ich bin über meine Trompete zur klassischen Musik gekommen. Ich bin eines von sieben Kindern – meine Zwillingsschwester und ich waren das fünfte und das sechste Kind. Als wir acht Jahre alt waren, kamen unsere Eltern nach Hause mit einer Trompete und einer Klarinette und haben uns die einfach ausgehändigt. Wir haben dann begonnen, unsere neuen Instrumente kennenzulernen, und über die Jahre sind wir beide wirklich gut geworden: als wir am Gymnasium waren, saßen wir beide am ersten Pult im großen Jugendorchester in Texas. Das Orchester veranstaltete jedes Jahr einen Konzert-Wettbewerb, dessen Hauptpreis ein Auftritt als Solist mit dem Orchester war. Weil ich am ersten Pult saß, wurde es von mir erwartet, dass ich vorspielen würde. Ich hatte mir aber etwas anderes einfallen lassen: Ich dachte mir, dass es ein großer Gag wäre, wenn ich statt einem Konzert für die Trompete eine Opernarie darbieten würde. Ich habe also, nach der ersten Gesangsstunde meines Lebens als Achtzehnjährige, die Arie “O mio babbino caro” aus Gianni Schicchi gesungen und damit den Wettbewerb gewonnen. Das Preisträgerkonzert fand im großen Konzertsaal der Texas Tech Universität statt. Nach dem Konzert kam der Gesangsprofessor der Universität zu mir und sagte: “Ich weiß, du denkst, dass du Trompeterin bist, aber du bist eigentlich eine Opernsängerin.” Er hat mir auf der Stelle ein Stipendium angeboten und mich überzeugt, Gesang an der Uni zu studieren. Das war der unwahrscheinliche Anfang meiner Gesangskarriere.

Sie sind freischaffende Sängerin. An welchen Opernhäusern haben Sie schon gesungen?

Bisher habe ich am Staatstheater Braunschweig gesungen, an der Semperoper Dresden, an der Oper Köln, an der Volksoper Wien, am Teatro La Fenice in Venedig, beim Garsington Opera Festival, und jetzt auch an der Bayerischen Staatsoper in München.

Gibt es für Sie schöne Erlebnisse (Produktionen, Dirigenten, Kollegen), von denen Sie berichten möchten?

Eine der schönsten Erinnerungen, die ich bisher sammeln konnte, kommt aus meiner Braunschweig-Zeit. Ich habe im ersten Jahr meines Festvertrags in Braunschweig die Musetta in einer Neuproduktion von La Boheme gesungen. Damals war der Großteil des Ensembles neu am Haus und wir sind alle während dieser Produktion sehr gute Freunde geworden. Wir haben fast jeden Tag zusammen gegessen und haben sogar inoffiziell einen Club ,,La Boheme” begründet. Es war eine sehr schöne Zeit und die Freundschaften, die in dieser Zeit entstanden, zählen immer noch zu den wichtigsten meines Lebens.

Nun Ihr Debüt an der Bayerischen Staatstoper in der Entführung aus dem Serail. –  Es ist aber nicht ihre erste Blonde?

Meine erste Blonde war in Braunschweig während meines Festengagements. Es ist wunderbar, wie viele schöne Seiten von dieser facettenreichen Figur ich in Produktionen in Dresden, Köln und jetzt in München kennengelernt habe.

In der Münchner Inszenierung von Martin Duncan wurden die Dialoge durch eine Erzählerin ersetzt. Macht es das schwierig, eine Beziehung zum Partner auf der Bühne aufzubauen? Vermissen Sie die Dialoge?

Ich habe mit Martin Duncan in London gearbeitet, bei seiner wunderbaren Produktion von Il Turco in Italia für das Garsington Opera Festival. Er ist ein toller, phantasievoller Regisseur, und seine Produktion der Entführung finde ich wirklich einfallsreich. Die Figur der Erzählerin verwandelt die Oper fast in eine Gute-Nacht-Geschichte und hat einen echten Reiz an sich. Ich habe, natürlich, die schönen Dialoge vermisst, besonders diejenigen mit Osmin, aber ich hatte in München solche wunderbaren Kollegen, dass es mir sehr leicht fiel, eine Beziehung zu ihnen im Rahmen der Oper aufzubauen.

Wie sehen Sie die Figur der Blonde? In welchen Momenten liegen die musikalischen Besonderheiten?

Ich sehe Blonde als eine starke Frau, die sich in einer furchtbaren Situation befindet und es trotzdem schafft, positiv zu bleiben. Sie glaubt an die Liebe und an die unveräußerliche Freiheit, die das Geburtsrecht jedes Menschen ist. Sie ist stolz auf ihre englische Herkunft und gibt nie die Hoffnung auf. Sie ist oft ein wenig leichtsinnig dargestellt, aber ihre Fähigkeit, nach zwei Jahren Gefangenschaft die Freude zu empfinden, die man in “Welche Wonne, welche Lust” hört, sehe ich als eine wahre Stärke.

Wo liegen die Charakterunterschiede zwischen Blonde und Konstanze?

Ich glaube, der größte Unterschied zwischen den beiden liegt in ihrer Art, mit der Situation im Serail umzugehen. In seinem Paradise Lost schrieb John Milton: “The mind is its own place, and in itself can make a heaven of hell, a hell of heaven.” (“Der Geist ist eine Welt für sich, in der die Hölle zum Himmel und der Himmel zur Hölle werden kann.”) Konstanze leidet viel in ihrer Gefangenschaft und ist bereit, für ihre Liebe und für ihre Treue zu sterben. Blondchen versucht, das Beste aus einer furchtbaren Situation zu machen und bleibt eher auf der sonnigen Seite des Lebens. Beide Frauen behalten souverän ihre Würde, sie gehen nur sehr verschieden damit um.

Gibt es für Sie musikalische Vorbilder?

Ja, natürlich! Für mich sind Beverly Sills, Joan Sutherland, Maria Callas und Edita Gruberova die ganz Großen. Es gibt auch heute wirklich sagenhafte Sängerinnen, die ich unglaublich toll finde, wie Renée Fleming, Natalie Dessay, Anja Harteros und Diana Damrau.

Gibt es Wunschrollen und Lieblingskomponisten?

Ich würde wahnsinnig gerne eine Trompete-spielende Marie in La Fille du Régiment singen! Ich würde auch sehr gerne die Lucia singen … also, es kommt mir sicher Donizetti auf die Liste von Lieblingskomponisten! Ich liebe Strauss und hoffe, dass ich irgendwann die Chance haben werde, Zerbinetta zu singen. Verdi zählt ja auch zu meinen Lieblingskomponisten, weil seine Opern so leidenschaftlich musikalisch gestaltet sind. [singlepic id=1121 w=240 h=320 float=right]

Sie haben einen vollen Terminkalender! Wo und mit welchen Partien kann man Sie in der nächsten Zeit hören?

Meine weiteren Engagements in dieser Spielzeit werden mich wieder nach Dresden führen, als die Tochter in Cardillac und wieder als Violetta. Dann singe ich in München die Hauptrolle in einer Uraufführung der modernen Oper Mutter Dolorosa für die Münchener Biennale. Des weiteren werde ich in nächster Zeit die Susanna, Violetta und Gretel singen, außerdem Lauretta in Gianni Schicchi sowie meine erste Konstanze.

Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg und sage vielen Dank für dieses Interview!

Danke schön!

(Interview vom Januar 2012)

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Hänsel und Gretel, 02.01.2012, Gärtnerplatztheater

[singlepic id=1114 w=240 h=320 float=left]Zum vorerst letzten Mal – hoffentlich! – fiel der Vorhang nach 486 Aufführungen für die beliebte und immer ausverkaufte Vorstellung von „Hänsel und Gretel“. Es wäre sehr schön, wenn die zwar sicher im wörtlichen, nicht im übertragenen Sinn schon etwas angestaubte Inszenierung von Peter Kertz den halben Tausender vollmachen könnte. Abschied nehmen muss ich jedenfalls vorläufig von der schönen Tradition, am 23.12. jeden Jahres eine Aufführung zu besuchen. Die Gerüchteküche besagt, dass es an der BSO 2013 eine Neuproduktion des Stückes geben soll, die Inszenierung ist noch etwas älter als die im schönsten Theater Münchens. Hoffentlich macht man nicht so einen Mist draus wie im Royal Opera House.

Wie es sich für eine Abschiedsvorstellung gehört, war es eine der besten der Serie, sieben von acht habe ich gesehen. Ann-Katrin Naidu bestach als Hänsel, es ist wirklich immer wieder erstaunlich, wie eine erwachsene Frau einen Knaben so überzeugend rüberbringen kann. Thérèse Wincent als Gretel mit ihrem hellen, aber gut hörbaren Sopran ist die Idealbesetzung für diese Rolle, kindlich, aber wenns drauf ankommt, schubst sie auch ne Hexe in den Ofen. Der Abendsegen war wieder so – hach. Seufz. Stefan Sevenich als Vater Peter hat mir an diesem Abend am Besten gefallen von seinen drei Vorstellungen, mit viel Sinn für Komik bei Rallalala, rallalala und einem Schuss Dämonik beim Hexenritt. Rita Kapfhammer in der Rolle der Mutter Gertrud stand ihm in nichts nach und sang, als ob sie eine ihrer Paraderollen Carmen oder Isabella interpretieren würde. Man merkt einfach, dass die Sänger dieses oft fälschlicherweise als Kinderstück angepriesene Werk ernst nehmen. Cornel Frey als Hexe hatte zur Feier des Tages eine extra-Warze im Gesicht und sang und spielte seine Rolle wie immer ganz hervorragend. Auch der Kinderchor war wieder eine helle Freude und am Ende hatte ich nicht nur eine Gänsehaut, sondern auch ein Tränchen im Augenwinkel. Last but not least trug das Orchester unter Oleg Ptashnikov einen erheblichen Teil zum Gelingen des Abends bei.

Mir bleibt nur zu hoffen, dass dieses wundervolle, mit der neueren Geschichte des Theaters eng verbundene Stück, nicht sang- und klanglos in der Versenkung verschwindet, sondern zu gegebener Zeit in neuem Glanz erstrahlt und noch viele kleine und große Herzen höher schlagen lässt.

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Interview mit Derrick Ballard

[singlepic id=1106 w=240 h=320 float=left] Sehr geehrter Herr Ballard, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Bitte erzählen Sie uns doch etwas zu Ihrem Werdegang.

Sehr gerne, vielen Dank. – Zu meinem Werdegang: Ich bin in Denver auf die Universität gegangen, habe dort fünf Jahre Musik und Gesang studiert, und danach bin ich nach New York umgezogen, um dort meine Karriere weiterzuführen. Dort habe ich dann Privatunterricht genommen bei einem sehr guten Gesangslehrer namens Mark Oswald, ein Bariton, und ich habe bei ihm sechs Jahre lang studiert, bevor ich nach Deutschland kam.

Nachdem ich nach Deutschland kam, habe ich an der Staatsoper unter den Linden in Berlin gastiert. Dann habe ich mein erstes Festengagement in Kassel bekommen. Ich war vier Jahre dort, und danach zwei Jahre in Oldenburg, und jetzt bin ich in meiner zweiten Spielzeit am Gärtnerplatztheater.

Wie kamen Sie zu dem Beruf des Opernsängers?

Wow. Ich habe immer im Chor gesungen, und in der Sommerpause, bevor ich an der Uni angefangen habe, habe ich Gounods „Faust“ gesehen. Und sofort dachte ich: Das will ich machen, genau das.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Alles mögliche. Ganz viel Gospel und ein bisschen Klassik. In meiner Familie haben wir eher Gospelmusik gehört, weil mein Vater auch eine Zeitlang Gospelmusik gesungen hat.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein, zum Glück nicht. Ich merke nicht, wenn irgendetwas schiefgeht.

Spielen Sie ein Instrument?

Nein, ich spiele ein bisschen Gitarre und ein sehr kleines bisschen Klavier. Aber als Instrument – hm, nein, gar keines.

Sie haben gerade schon erwähnt, dass Sie als Kind Gospel gehört haben. Mögen Sie auch jetzt noch andere Musikrichtungen?

Ich fände es irgendwie interessant, wenn man Klassik mit Rock kombinieren und dazu singen könnte. Leider geht das nicht, denn sonst wird man entweder in der Oper oder im Pop nicht ernst genommen. Aber grundsätzlich hätte ich wohl Lust, irgendwie in einer Rockband zu singen.

Ja. (beide lachen) – Es gibt ja diese sogenannten Crossover Artists, Peter Hoffmann ist natürlich ein Beispiel dafür, und Sie haben natürlich schon recht, dass er dann vielleicht auch nicht mehr so ernst genommen wurde im klassischen Bereich.

Ja, das stimmt leider, und ich finde auch, man muss ein bisschen aufpassen, denn normalerweise kann man eines oder das andere viel besser. Das heißt, wenn man das nicht so gut macht wie normalerweise, das finde ich auch schade. Aber trotzdem würde ich mir sowas wünschen. (lacht)

Haben Sie eine Opernaufnahme, die Sie privat am liebsten hören?

Ja, mein Vorbild ist Samuel Ramey. Oder zwei eigentlich, Samuel Ramey und José van Dam. Die höre ich wahnsinnig gerne, denn ich mag einfach, was sie mit der Musik machen. Das ist auf so einem hohen Niveau, und das tut mir gut, so etwas zu hören.

Ich hätte Sie jetzt auch noch nach Ihren musikalischen Vorbildern gefragt, aber auch nach Ihren szenischen Vorbildern. Ich denke gerade zum Beispiel an Ihre Rolle des Kecal, da spielen Sie auch sehr intensiv. Hatten Sie auch Schauspielunterricht, und haben Sie szenische Vorbilder?

Nein, Schauspielunterricht hatten wir an der Uni zum Beispiel nie, oder nie offiziell. Ich habe das quasi zufällig studiert im Opernstudio, da hatte man ein paar Stunden mit Schauspiellehrer und so. Aber so offiziell habe ich das nie gelernt. Es ist eher einfach eine Gefühlssache. Wenn man das wirklich ehrlich spielt und versucht, nichts extra draufzutun – ich finde, das funktioniert am besten.

Sie sprechen Deutsch und Englisch. Haben Sie noch weitere Sprachen, die Sie sprechen und in denen Sie auch singen?

Ja, singen schon. Man lernt natürlich Italienisch und Französisch fürs Singen. Auf Italienisch kann ich Kaffee bestellen, mehr nicht, leider. Das gleiche gilt für Französisch. Ich habe auch ein bisschen Russisch gelernt fürs Singen, aber davon spreche ich wirklich kein Wort. Das würde ich gerne auch mal lernen.

Ist es dann schwierig, ein Lied oder eine Oper richtig zu interpretieren, wenn man die Sprache nicht kennt?

Ja, aber ich übersetze jedes Wort, wenn ich ein Stück in einer anderen Sprache singe, denn ich finde es auch wichtig, wenn man das singen will, dass man ganz genau weiß, was man singt. Sonst kann man das überhaupt nicht rüberbringen. Also, für mich ist es total wichtig, das wörtlich zu übersetzen.

Sie sind ja in Amerika aufgetreten und auch hier in Deutschland – haben Sie noch weitere internationale Auftritte gehabt?

Ja, ich habe einmal in Mexico City gesungen mit dem National Symphony Orchestra of Mexico, aber sonst Amerika und Deutschland.

Amerika hat ja nun ein ganz anderes System, was die Theater angeht. Diese Ensembletheater, die man hier in Deutschland hat, gibt es ja dort zum größten Teil nicht. Gibt es Komplikationen, die sich aus dem Leben hier als Opernsänger ergeben, und was sind die Unterschiede zu Amerika?

Ich glaube, der allergrößte Unterschied ist, dass dieses Festsystem in Amerika nicht existiert. Das heißt, man ist immer freischaffend und man arbeitet immer Stück für Stück. Es gibt so viele Sänger dort, und im Vergleich so wenige Opernhäuser, dass ich sagen würde, wahrscheinlich singt dort nur das beste halbe Prozent. Und es ist so eine Glückssache, ob man am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt ist. Hier finde ich es viel einfacher, eine Karriere aufzubauen, das gefällt mir sehr. Und auch ein Teil vom Ensemble zu sein.

Und wie unterscheidet sich das in den Proben zum Beispiel?

In den Proben zwischen den beiden Ländern? In Amerika stellt man ein Stück in zwei oder drei Wochen, inklusive Endproben, auf die Bühne, bis zur Premiere. Hier ist es normalerweise sechs bis acht Wochen. Ich fände was dazwischen ideal. Denn teilweise kommt man in Deutschland an einen Punkt, wo man denkt: Ich kann das Stück einfach nicht mehr proben, es geht mir so auf die Nerven. In Amerika dagegen ist es teilweise zuwenig geprobt. Ich fände vier bis fünf Wochen wirklich ideal.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was vertragen Sie überhaupt nicht?

Ja, ich glaube, bei mir – ich bin halt nicht wirklich empfindlich. Ich kann praktisch alles machen, was ich möchte, ohne stimmliche Nachteile. Aber ich finde es auch gut, generell genug zu schlafen. Das ist vielleicht das Einzige, was ich unbedingt brauche.

Brauchen Sie als Opernsänger Kondition, und tun Sie etwas dafür?

Auf jeden Fall. Singen ist Sport. Punkt. Und man muss wirklich körperlich gesund sein und eine gewisse Ausdauer haben, denn sonst kommt man nicht durch irgendeine Partie. Es ist sehr, sehr wichtig, dass man diese Ausdauer hat.

Müssen Sie besonders diszipliniert leben?

Besonders nicht, würde ich sagen, aber man muss schon ein bisschen darauf achten. Und je älter man wird, um so mehr merkt man es.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?

Erst mal Noten besorgen. Dann, was ich persönlich mache: Ich höre mir das ganze Stück an, einfach, dass ich weiß, von wo bis wohin geht es. Dann nehme ich meinen kleinen gelben Stift in die Hand, und ich markiere meine Partie. Wenn es in einer anderen Sprache ist, dann würde ich dann wörtlich übersetzen, und es dann ganz langsam angehen mit Notenlernen. So am Klavier für mich. Wenn ich das einigermaßen kann, dann fange ich an mit Korrepetition mit einem Pianisten, der das spielen kann.

Als nächstes kommt ja jetzt die Wiederaufnahme des „Freischütz“, in dem Sie die Rolle des Kaspar singen. Sie haben auch schon die Premiere gesungen, letztes Jahr im Oktober. Können Sie sich mit der Inszenierung identifizieren?

Ja, mit meiner Figur eher als mit der Inszenierung insgesamt. Aber man hat natürlich seine eigenen Ideen, und ich bin eher ein Traditionalist, was Produktionen angeht, und ich bin immer ganz skeptisch am Anfang, wenn das nicht ganz traditionell ist. Das muss ich mir abgewöhnen. Aber ich fand das eigentlich sehr schön, und die Arbeit mit den Kollegen hat wirklich geholfen, diese Figur zum Leben zu bringen.

Sind Sie selbst abergläubisch?

Nein, bin ich nicht.

Warum hat Agathe etwas dagegen, dass Max mit Kaspar Umgang hat?

Ich glaube, Agathe weiß schon, dass Kaspar kein guter Typ ist und nicht jemand, mit dem man irgendwas zu tun haben soll. Sie weiß das schon. Natürlich ist Max ein bisschen hin und her gerissen, denn er will unbedingt die Agathe haben, aber er will auch unbedingt akzeptiert werden in diesem Männerkreis.

Was war denn da genau mit Agathe?

Das ist immer offen gewesen. Es gab irgendwas in der Vergangenheit zwischen Kaspar und Agathe, und ich glaube, genau deswegen warnt sie den Max immer, dass er nichts mit Kaspar zu tun haben soll.

Die Angst ist ein bestimmendes Element im „Freischütz“. Wovor hat Kaspar Angst?

Vor Samiel. Denn das ist quasi die Quelle seiner Macht, aber das kann ihn genausogut und jederzeit komplett zerstören. Ich glaube, davor hat Kaspar Angst.

Der Wald ist ja ein Refugium – oder ist er eine Bedrohung?

Ja – beides. Je nachdem, zu welcher Jahreszeit, zu welcher Uhrzeit, was man dort vorhat – es kann beides sein.

Gibt es musikalische Besonderheiten des Kaspar?

Die ganze Partie, muss ich sagen. Es ist einfach wunderbar zu singen, es liegt sehr, sehr gut stimmlich. Er hat das eine Lied, „Hier im irdischen Jammertal“, und natürlich die große Arie. Die sind beide sehr schön zu singen. Dieses Terzett am Anfang macht ja auch Spass. Wolfsschlucht ist wunderbar. Und ich finde auch, ganz am Ende, wenn der Kaspar stirbt – die Musik ist wirklich beeindruckend.

Gibt es auch etwas an der Partie, was Ihnen nicht so gefällt?

Ach, gefallen tut mir das Ganze. Das Schwierige daran ist, das Lied zu singen und dann Dialog und direkt die große Arie danach singen, das ist sehr anstrengend.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Jedesmal habe ich ein bisschen. Ich finde, für mich, wenn ich nicht ein bisschen Lampenfieber habe, dann sind die Vorstellungen meistens nicht so gut. Ich tue nichts dagegen. Ich weiß ungefähr, was ich kann, und ich versuche das einfach ehrlich und mit hundert Prozent Energie zu geben.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Das Beste? Die Musik, die man singen darf und die Partien, die man verkörpern darf. – Das Schlimmste daran finde ich teilweise, dass man ganz wenig zuhause ist. Es gibt viele Reisen, und es macht Spass, aber irgendwann ist es auch ein bisschen lästig.

Sie haben vorhin gesagt, Sie haben sich erst relativ spät für den Beruf des Sängers entschieden. Gab es da auch irgendwann mal die Idee, etwas anderes zu machen?

Oh, tausende Sachen. Ich wollte mal Baseball-Spieler werden, ich wollte mal Tierarzt werden. Astronaut, aber ich glaube, das ist häufig bei Jungs. Alles mögliche. (lacht)

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Haben Sie eine Wunschpartie?

Ich habe mehrere. Ich würde gerne mehr Barockmusik singen, das liegt mir sehr gut. Ich würde natürlich gerne Verdis König Philipp singen, oder Attila, solche Sachen. Meine Liste ist lang.

Können Sie uns schon einen Ausblick geben, wie es weitergeht?

Ich werde in der nächsten Spielzeit freischaffend tätig sein. Ich habe schon ein paar Konzerte, und natürlich ist man für jedes Vorsingen bereit, aber Konkretes gibt es noch nicht so viel. Aber zu diesem Zeitpunkt in der Spielzeit ist das auch relativ normal, und ich bin mir sicher, irgendetwas wird schon kommen.

Dann sage ich herzlichen Dank für das Gespräch, und viel Spaß bei der Wiederaufnahme vom „Freischütz“!

Vielen Dank!

(Interview vom 01. Dezember 2011)

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Interview mit Sandra Moon

[singlepic id=1105 w=240 h=320 float=left] Frau Moon, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Bitte erzählen Sie uns doch etwas zu Ihrem Werdegang.

Eigentlich ging ich in die Musik, weil meine Schwester Musikerin war. Meine Mutter war auch sehr musikalisch. Nach der High School in den USA wusste ich gar nicht, was ich machen sollte. Ich war musikalisch, ich habe Klavier gespielt. Dann ging ich auf die Universität, Ohio University, und in meiner erste Prüfung habe ich versagt, total versagt (lacht). Da hat man mir gesagt: Wenn Sie sich nicht verbessern, sind Sie raus. – Dann habe ich sehr schwer gearbeitet, und das Jahr darauf habe ich einen Wettbewerb mitgemacht, nur aus Spaß, nur um Erfahrung zu sammeln, und habe den ersten Platz gewonnen. Das war so ein Zeichen, weiterzumachen.

Ich habe einen Bachelor Degree von der Ohio University. Danach ging ich ans Cincinnati Conservatory in Ohio, wo ich ein Stipendium bekommen habe. Eine sehr, sehr reiche Familie dort hat Studenten gefördert, und dieses Stipendium habe ich bekommen. Das war eine sehr gute Ausbildung. Wir haben Bühnenbilder gemacht, wir haben Kostüme genäht, Schauspielunterricht, Tanz, Maske – alles, was mit der Bühne zu tun hat. Von dort aus ging ich an mehrere Studios, Santa Fe war ein Sommer-Festspiel, und dann Lyric Opera of Chicago. Dort war ich im Studio für zwei Jahre, und da konnte ich mit großen Leuten arbeiten. Placido Domingo, Marek Janowski am Pult, Michel Plasson, Theresa Berganza, wirklich Top-Leute.

Marek Janowski hat mir empfohlen, nach Deutschland zu kommen. Dafür habe ich mir drei Wochen freigenommen von Chicago. In Deutschland habe ich ein Blitz-Vorsingen absolviert, 13 Vorsingen in drei Wochen. Für Agenturen, Häuser, alles mögliche. Dann habe ich ein Engagement in Aachen bekommen. So habe ich hier in Deutschland angefangen. In Aachen war ich drei Jahre, dann war ich freischaffend für zwei Jahre. Danach war ich in Karlsruhe für fünf Jahre fest engagiert, und schließlich kam ich nach München. Seitdem bin ich hier. Aber in der Zwischenzeit habe ich immer meine Kontakte in den USA gepflegt. Ich habe dort in verschiedenen Häusern, New York City Opera, Milwaukee, Columbus, Ohio, Staat New York, auch Festspiele gesungen. Dann hatte ich ein Vorsingen an der Metropolitan Opera. Ich konnte dort innerhalb von fünf Jahren in einigen Partien gastieren, während ich hier fest engagiert war. Das lief damals sehr gut, das habe ich irgendwie hingekriegt. Freischaffend wollte ich nicht arbeiten, denn meine Tochter war klein, und ich war alleinerziehende Mutter, also wollte ich an einem Ort bleiben.

An der Met habe ich dann große Partien gesungen. Ich wurde als Cover für das Echo in „Ariadne“ engagiert. Die Frau wurde krank, dann war ich tatsächlich neben James Levine, Deborah Voigt, Natalie Dessay das Echo in „Ariadne“. Das war eine tolle Erfahrung. Man wusste, dass ich viel Barockmusik mache, und wollte mich in irgendetwas Barockem. Dann habe ich Kleopatra gesungen, und daraufhin wurde ich engagiert als Cover für Kleopatra. Und wieder ist die Frau krank geworden. Dann hatte ich mein Debüt in einer riesigen Partie, mit acht Arien. Es war wirklich … Ich habe fast geweint, als ich gehört habe, dass die Frau abgesagt hat. Ich war so nervös. Aber dann musste ich nur meine Einstellung ändern, ich musste nur denken, dass ich am Gärtnerplatztheater Mimi mache oder irgendetwas, was für mich sehr einfach ist, und dann habe ich das gut geschafft. Danach haben die mich weiter engagiert, als Zdenka in „Arabella“ mit Rene Fleming, und das war wieder eine tolle Erfahrung.

Dann habe ich hier in Deutschland auch verschiedene Gastspiele gemacht. An der Wiener Volksoper, Dresden Musikfestspiele, Halle Händel-Festspiele. Düsseldorf, Bonn, Köln. Auch in Paris habe ich ein Konzert gegeben, in Polen, Warschau. In Spanien habe ich neulich, in Mallorca, eine Opern-Gala gemacht. Es gibt bestimmt noch mehr.

Das Gärtnerplatztheater ist ein Ensembletheater und ein Repertoiretheater. Die Met spielt im sogenannten Semi-Stagione-Betrieb. Wie unterscheidet sich die Proben von einem Repertoiretheater wie dem Gärtnerplatztheater zu einem Theater wie die Met?

Zuerst fangen die später an mit Proben, nicht um 10.00, sondern um 11.00 Uhr. Selten hat man, wenn man Vorstellung hat, dann eine Probe. Es sind normalerweise zwei Tage zwischen Generalprobe und Premiere. Als Cover ist man so gut vorbereitet und studiert, als ob man die Rolle singt. Deswegen konnte ich einspringen, weil ich die Partie so gut kannte. Man macht musikalische Proben genauso wie hier. Das ist auch hier sehr gut, auch eine gute Vorbereitung. Nur, man hat ein breiteres Band von Repertoire, das man machen muss, und das ist manchmal schwer. Wenn man große Partien wie „La Traviata“ hat und daneben etwas probieren muss, ist das nicht so einfach.

Also, wenn Sie als Cover in New York an der Met waren, dann hätten Sie theoretisch während der Vorstellung bereitstehen müssen, falls irgendetwas ist?

Ja. Wir mussten innerhalb von zwanzig Minuten an der Met sein können. Das heißt, wir konnten nicht in Queens sein, auf der anderen Seite des Flusses, wo ich eigentlich gewohnt habe. Ich musste in Manhattan sein. Es konnte in einem Restaurant sein, aber wir mussten erreichbar sein, die mussten wissen, wo wir waren. Wenn es eine Radioübertragung war, live, mussten wir im Haus sein, im „Green Room“. Wir waren so quasi auf Abruf, zum Einspringen, falls irgendetwas ist.

Sie haben erwähnt, dass Sie Barockmusik sehr gerne machen. Es gab in der letzten Spielzeit hier am Haus eine Barockoper, in der Sie auch mitgewirkt haben. Hätten Sie sich mehr Barockoper gewünscht am Gärtnerplatztheater?

Ja, auf jeden Fall. Wir hatten vor acht Jahren „Ein Theater nach der Mode“. Ein Pasticcio, aus verschiedenen Sachen zusammengestellt von Kobie von Rensburg und Peer Boysen. Das war genial, das war wirklich etwas Besonderes. Die hätten das weiter spielen sollen, das war so gut. „Sokrates“ von Telemann war auch eine tolle Erfahrung, das hat viel Spass gemacht. Aber mehr Barock – ja, das wäre schön gewesen.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein. Es gibt ein absolutes Gehör und ein relatives Gehör. Da kann man nicht so ganz genau die Töne verorten, aber, zum Beispiel, wenn ich eine Rolle wie Mimi kenne, dann weiß ich ungefähr, wo das in meinem Hals ist. Aber meine Tochter hat das.

Ist Ihre Tochter auch Musikerin?

Ja. Sie spielt Klavier und Gitarre, und sie kann auch gut singen.

Dann wird sie eines Tages ja auch in Ihre Fußstapfen treten?

Das weiß ich nicht. Sie ist auch sehr stolz auf ihren Vater, der auch Musicals und Popmusik macht. Sie ist sehr interessiert an Filmmusik. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Mögen Sie selbst auch andere Musikrichtungen?

Ja. Ich mag viele verschiedene Musikrichtungen. Ich singe nur Oper, weil das am besten für mich ist. Ich passe nicht zum Musical, zum Beispiel, oder Jazz habe ich nie probiert. Aber ich höre gerne Jazz oder Popmusik.

Sie sprechen gut Deutsch und natürlich Englisch. Sprechen Sie noch andere Sprachen, und singen Sie auch noch in anderen Sprachen? Sie haben ja hier am Haus auch schon auf Italienisch gesungen.

Ja. Ich komme gut mit Italienisch klar, Französisch auch. Und ich singe in allen diesen Sprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch. Im Februar gibt es einen Ballett-Abend, wo ich Tschaikowsky-Lieder singe, drei Tschaikowsky-Lieder in russischer Sprache, und das ist kompliziert.

Haben Sie da einen Sprachcoach?

Ja. Oleg Ptashnikov hat mir geholfen. Es gibt auch eine Dame im Chor, sie ist auch aus dieser Gegend und kann mir auch helfen.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Ja. Ich bin begeistert von Menschen wie Tony Bennett oder Michael Jackson. Auch Freni, Pavarotti, die sind Vorbilder von mir in der Oper. Aber ich bin sehr begeistert von Filmkomponisten, zum Beispiel, ich finde, Filmmusik ist jetzt die Musik unserer Zeit, nicht mehr Oper oder sinfonische Sachen. Filmmusik finde ich sehr schön. Ich finde auch Stevie Wonder genial. Er ist über 60 und konnte immer sehr gut singen, auch mit Emotion, mit verschiedenen Farben. Er hat die Stimme so gut gepflegt. Und Sänger wie Sting, Popsänger, Phil Collins, die haben die Stimme wirklich gut gehalten für ihr Alter, und die singen immer noch. Ich denke, das hat damit zu tun, dass sie nicht so viele Tourneen gemacht haben. Das kann einen sehr schnell ausbrennen, denke ich mir.

Haben Sie eine Opern-Aufnahme, die Sie privat am liebsten hören?

Ich würde sagen, meine Lieblings-Aufnahme ist „Turandot“ mit Zubin Mehta, Pavarotti, Caballé und Sutherland.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was vertragen Sie überhaupt nicht?

Viel schlafen tut gut. Leider, in Lokale zu gehen, wo es laut ist und wo man darüber laut sprechen muss, das ist schlecht. Ich trinke wenig Alkohol. Ab und zu genieße ich ein Glas Wein, Glühwein, wenn ich nicht so viel zu singen habe. Aber so etwas vermeide ich, wenn ich große Partien habe und die Stimme pflegen muss.

Da kommen wir gleich zur nächsten Frage: Wie diszipliniert müssen Sie leben als Sängerin?

Sehr. Manchmal ist es sehr schwer, ein soziales Leben zu haben und Freunde zu treffen. Wenn man viele Power-Partien hat, wie Traviata, Butterfly, kann man nicht ausgehen mit Freunden und es spät werden lassen, wenig schlafen. Man muss sehr diszipliniert sein, auch körperlich. Ich gehe joggen. Bei dem Wetter nicht so, aber im Sommer. Wenn ich nicht große Sachen zu singen habe, dann mache ich Fitness.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?

Zuerst höre ich es mir an, wenn es möglich ist, wenn es eine Aufnahme gibt, damit ich die Klangfarbe vom Orchester höre, wie groß das Orchester ist. Dann fange ich an, die Noten, die Töne zu lernen und die Sprache auch zu übersetzen, wenn es sein muß, Sachen, die ich nicht weiß. Und dann langsam, langsam kommt es. Man muss halt peu a peu ein bisschen jeden Tag machen, dann kommt das alles. Wenn man ganz schnell etwas lernen muss, dann eine Aufnahme hören. Das hören viele Leute nicht gerne, aber das ist das Beste, wenn die Leute in der Aufnahme keine Fehler machen. Dann hört man das richtig, auch wie die Einsätze sind, das ist sehr wichtig. Denn falls irgendetwas auf der Bühne passiert und einer setzt falsch ein, dann weiß man: Wo soll ich einsetzen. Und das hilft auch. Ja. Ein bisschen jeden Tag machen. Und dann in die Probe, dann fühlt man mit körperlicher Bewegung, lernt man langsam die Partie.

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Kommen wir zur Wiederaufnahme des Freischütz. Das war die Eröffnungspremiere der letzten Spielzeit. Sie haben die Partie der Agathe übernommen. Erzählen Sie uns ein bisschen von Ihrer Rolle.

Die Agathe, das ist eine sehr interessante Partie. Früher hatte ich im Kopf gehabt, dass die Agathe ein Heldensopran sei, ein schwerer Sopran. Aber sie ist nicht so. Man muss feine Elemente dabei haben, es ist fast wie Mozart. Bisschen dramatischer Mozart. Man muss auch leicht singen können, aber auch dann dramatische Ausbrüche. Weber hat sehr gut für die Sopranstimme geschrieben – immer große Ausbrüche in der Höhenlage, wo die Sopranstimme sowieso trägt. Diese leise, leise Arie ist tief, aber sehr wenig Orchester darunter. Ich finde, es ist eine sehr gesunde Partie. Gestern hatten wir einen Durchlauf, und ich habe mich fit gefühlt danach. – Zur Figur? Sie ist eine starke Frau, aber sie hat auch Ängste. Das sieht man im Laufe der Zeit. In unserer Produktion ist sie sehr ängstlich, obwohl sie stark bleiben muss für Max. Das Ännchen – natürlich habe ich diese Rolle auch gemacht – sie gibt der Agathe Energie, und es ist gut, dass Agathe so eine Freundin wie Ännchen hat, eine starke Frau neben ihr, die alles so selbstverständlich nimmt. Das hilft Agathe, nicht so ängstlich zu sein.

Die Inszenierung von Beverly Blankenship ist nicht ganz unumstritten. Können Sie sich damit identifizieren?

Ja, ich hatte keine Probleme damit, ich fand es sehr gut. Diese Wolfsschlucht-Szene ist eine sehr interessante Lösung, denn diese Szene könnte peinlich wirken, wenn es nicht gut gemacht ist. Ich denke, Beverly Blankenship hat eine sehr gute Lösung gefunden. Es ist sehr technisch, man muss aufpassen, wir müssen das gut probieren, denn es könnte gefährlich sein. Sie haben es gesehen: mit Hin-und-Her, Versenkungen, Herumkrabbeln, Löcher. Aber wenn man gut geprobt hat, sollte nichts passieren.

Die Agathe ist relativ passiv. Warum?

Ich denke, das ist so, weil Max derjenige ist, der labil ist und schwach und diese Kugel nimmt. Ännchen ist so ein frischer Wind. Ich denke, das passt, dass eine passiver ist. Stark, aber passiv. Sie ist stärker als Max. Max geht in diese Wolfsschlucht, wo er die Kugel will von Caspar. Sie bleibt …. Sie ist passiv, aber bleibt trotzdem stark und weiß, was sie will, mit Max und ihrer Hochzeit.

Agathe ist ziemlich abergläubisch. Sind Sie es auch?

Nein. Nein, gar nicht. Wie Pfeifen auf der Bühne, oder wenn man eine schwarze Katze sieht oder sowas? Abergläubisch bin ich gar nicht.

Was genau ist da mit Caspar vorgefallen?

In unserer Inszenierung? Ja, das ist sozusagen so inszeniert, dass entweder in ihren Träumen oder in Wirklichkeit etwas passiert ist. Dass sie eine Beziehung hatte, eine sexuelle Beziehung oder irgendwas. Aber die ganze Inszenierung ist sowieso Agathes Traum, und ich denke, das war mehr ihr Unterbewußtes.

Angst ist ein bestimmendes Element im „Freischütz“. Wovor hat Agathe Angst?

Ja, sie sagt: Wie entsetzlich, dass Max in die Wolfsschlucht geht. Sie sieht eine Gefahr da, ich weiß nicht, vielleicht, weil es im dunklen Wald ist. Diese Eremit-Figur, er ist so wie ein Mönch. Vielleicht sieht sie, wo Max geht, dass er auf die dunkle Seite gehen könnte.

Ist der Wald ein Refugium oder ein Ort der Bedrohung?

Ich glaube, sie empfindet ihn als Bedrohung.

Hatten Sie Freiheiten bei der Interpretation dieser Rolle?

Ja. Ja. Beverly Blankenship hat uns Ideen gegeben, aber wir haben uns auch unsere eigenen Ideen mitgebracht, und sie hat sie gut akzeptiert.

Sie haben vorhin schon über die Partie gesprochen. Was ist das Schönste daran, und was ist am schwersten?

Ich glaube, eine starke Figur zu präsentieren, ist wahrscheinlich das Schönste, denn ihre Musik ist manchmal sehr passiv, wie diese Wolken-Arie. In der ersten Arie kann man alles zeigen, und das finde ich gut. Diese erste Arie finde ich wirklich schön, das Schönste an Agathe. Denn sie kann diese leise, leise Stelle präsentieren und auch eine so aufblühende Ekstase, in der Musik und auch in der Figur. Und direkt danach sieht sie Max, und sie kommen zusammen, und das ist für sie – sie liebt Max über alles.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Normalerweise nicht. Wie gesagt, als ich gewusst habe an der Met, dass ich einspringen musste in dieser Riesen-Rolle – in diesem Haus waren fast viertausend Menschen – da habe ich geweint. Aber ich musste dann eine andere Einstellung denken: Okay, ich bin routiniert, ich mache das jeden Tag, jede Woche. – Was ich dagegen tue, ist, so vorbereitet zu sein, dass nichts passieren kann. Und gut ausgeruht. Ich riskiere nicht, am Vortag mit Freunden auszugehen. So etwas habe ich nie riskiert. Wenn die Stimme nicht funktioniert, oder wenn ich eine Partie nicht so gut kenne, dann würde ich Lampenfieber bekommen.

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was gefällt Ihnen gar nicht daran?

Das Schönste ist: Ich freue mich, dass ich seit meinem Studium immer noch das machen kann, was ich gelernt habe, was ich studiert habe, und seitdem habe ich nie etwas anderes machen müssen, das finde ich sehr schön. Was ich nicht schön finde, ist: diese Gefühle, wenn man sich nicht so topfit fühlt. Soll man absagen oder nicht? Das ist eine schwierige Sache. Wenn man nicht fit ist, könnte man versagen auf der Bühne, und das ist eine schwere Sache, oder wenn die Stimme gar nicht geht. Diese Entscheidung, dieser Stress, absagen zu müssen, finde ich wahrscheinlich das Schwierigste an diesem Beruf.

Sie haben schon viele große Partien gesungen. Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ja, ich habe viele Sachen, meine Traumpartien, gleich am Anfang meiner Karriere gemacht: Sophie im „Rosenkavalier“, Manon von Massenet. Ich würde sehr gerne zu manchen Partien zurückkommen können. Die Liu habe ich immer sehr gerne gemacht. Mimi natürlich. Butterfly. Dass ich wieder die Möglichkeit habe, diese Rollen zu machen. Ganz neue Partien? Ich liebe Puccini. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, welche Puccini-Partie, die ich noch nicht gemacht habe, zu mir passt. Tosca zum Beispiel: Tolle Musik, aber ich denke nicht, dass ich die Figur bin dafür. Strauss. Vielleicht Strauss. Vielleicht Arabella.

Sie haben ganz am Anfang erwähnt, dass Sie nach der High-School nicht genau wussten, was Sie machen wollten. Gab es irgendwie Alternativen, die Sie überlegt haben?

Nicht eigentlich, nein. Ich habe mich interessiert für Jura, aber nicht so ernsthaft, dass ich das studieren wollte. Aber das war ein Gedanke in der High School, im Gymnasium. Außer Musik gab es in unserem Gymnasium nicht viel, in dem wir gefördert wurden. Vielleicht bin ich deswegen in diese Richtung gegangen.

Da können wir Münchner uns ja glücklich schätzen, dass Sie sich für die Musik entschieden haben. – In dieser Spielzeit kommt noch als Neuproduktion die Alice Ford im „Falstaff“. Können Sie uns schon einen weiteren Ausblick geben?

Ich habe viele Pläne. Aber ich spreche ich noch nicht darüber.

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses Interview!

Herzlichen Dank auch!

(Interview vom 26. November 2011)

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Interview mit Harrie van der Plas

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Herr van der Plas, danke, dass Sie Zeit für ein Interview gefunden haben. Könnten Sie uns zu Beginn bitte einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich habe mein Gesangsstudium erst im Alter von 24 Jahren begonnen. Damals war ich Grundschullehrer in Holland, aber in meiner Familie wurde schon immer viel gesungen und musiziert. Mein Bruder ist ebenfalls professioneller Sänger. Mein Vater singt, meine Geschwister spielen Klavier oder Geige. Ich war bereits vom Kindesalter an ein grosser Fan der berühmten Tenöre, wie z.B. Schipa, Björling, Schmidt, Pertile und Fritz Wunderlich. Inspiriert wurde ich dazu durch meinen Vater. In unserem Elternhaus lief im Hintergrund ständig klassische Musik. Aber ich dachte damals, dass es für mich wohl nicht möglich wäre, das mit meiner Stimme zu erreichen. Das war für mich damals so weit weg, das konnte ich mir nicht vorstellen. – Meine Frau ist auch Sängerin und ist damals aus Rumänien geflüchtet … Soll ich erzählen, wie es dazu kam, dass wir uns kennenlernten?

Ja, bitte!

Sie nahm an einem Gesangs-Wettbewerb in der Stadt teil, in der ich geboren wurde. Dem „Internationalen Gesangswettbewerb `s-Hertogenbosch“. Meine Familie war ihre Gastfamilie während dieses Wettbewerbs. So haben wir uns kennengelernt. Sie sagte zu mir: „Du bist sehr begabt. Du solltest Gesang studieren, um professioneller Sänger zu werden.“ So ging ich nach Maastricht, habe für die Hochschule vorgesungen, und bin sofort aufgenommen worden. Ruxandra setzte ihr Studium ebenfalls an dieser Hochschule fort. Ich studierte dort drei Jahre. In dieser Zeit bin ich technisch nicht sehr weit vorangekommen, deshalb suchte ich Rat bei Ileana Cotrubas, die eine Bekannte meiner Familie ist. Ich machte mich auf den Weg nach Nizza und sang für sie vor. Sie meinte, dass es im Moment für meine Gesangskarriere nicht gut aussehen würde und ich schleunigst einen sehr guten Lehrer finden müsste, der mir beibringt, mit meinem Instrument richtig umzugehen. Denn damals war ich bereits 28 Jahre alt. Sie war sehr direkt und sehr ehrlich, was auch wichtig war, da es mich wachgerüttelt hat. Sie half mir, einen neuen Lehrer zu finden, zunächst in Luxemburg – Herr Panthea, und dann in der Nähe von Freiburg – Herr Antonius Niculescu. Als meine Frau ein Engagement in Karlsruhe bekam, ging ich mit ihr mit und besuchte die dortige Opernschule an der Staatlichen Hochschule für Musik. Dort habe ich bei Anton de Ridder noch zwei Jahre studiert. Das Glück war auch, dass die Staatliche Hochschule für Musik in Karlsruhe damals ein Abkommen mit Baden-Baden hatte, wo dann zwei Produktionen in dem dortigen Theater stattfanden. Ich sang Tamino in der „Zauberflöte“ und den Hans in der „Verkauften Braut“. Das Allerwichtigste für einen Sänger ist es, auf der Bühne zu stehen, denn dadurch kann man sich eigentlich erst richtig entwickeln. Natürlich ist eine bestimmte Gesangstechnik Voraussetzung, aber auf der Bühne lernt man am meisten, sammelt Erfahrung, und durch diese Erfahrung wiederum neue Engagements. An das Theater in Karlsruhe kam ich quasi durch meine Frau. Da sie bereits dort engagiert war, organisierte sie einen Termin für ein Vorsingen für mich beim damaligen Intendanten Könemann. Ich sang vor und hatte so das Glück, in Karlsruhe mein erstes Fixengagement zu bekommen. So hat es begonnen.

Sie sind ja auch international bei vielen Gastspielen unterwegs. Gibt es da besonders schöne Erinnerungen an Produktionen oder Aufführungen? Produktionen, die Sie sehr gerne gemacht haben?

Die „Bohème“ in Leeds war eine hervorragende Produktion. Dan Ettinger war damals Korrepetitor. Vor kurzem habe ich mit Dan in Mannheim wieder eine „Bohème“ gemacht. Er ist ein außergewöhnlicher Dirigent und trotz seines Erfolges immer noch der gleiche sympathische Mensch. Das fand ich sehr schön.

2002/2003 sind Sie dann ans Gärtnerplatztheater gekommen. Können Sie sich da noch an Ihre erste Rolle erinnern?

Meine erste Rolle war Werther. Französisches Repertoire hat meiner Stimme immer sehr gut getan, wahrscheinlich wegen der Sprache, selbst wenn diese Produktion damals auf deutsch gesungen wurde. Es war ästhetisch und auch sehr sängerfreundlich inszeniert. Der Charakter des Werther erinnerte mich an meine Zeit als Teenager. Man kann in seinem Charakter etwas von sich selbst wiedererkennen. Ich denke, jeder von uns war schon einmal in der Situation, verliebt zu sein, obwohl diese Liebe nicht erwidert wird. Ich liebe Massenets Musik, da sie romantisch und leidenschaftlich ist.

Sie hatten es schon angesprochen: Mit Ihrer Stimme verbindet der Hörer sehr das italienische und das französische Fach. In der ersten Produktion der Saison 2011/2012 haben Sie hier am Münchner Gärtnerplatztheater den Hans in der „Verkauften Braut“ in deutscher Sprache gesungen, und in Kürze, am 4. Dezember 2011, kommt der Max im „Freischütz“. Kommt es bei Ihnen zu einem Fachwechsel, oder sind das einzelne Ausflüge?

Nein, es ist für mich kein Fachwechsel, sondern eine Erweiterung meines bisherigen Repertoires. – Ich denke, man muss eine Zeit lang in einem Land wohnen, um sich mit der Sprache verbunden zu fühlen. Da Niederländisch und Deutsch beide germanischen Ursprungs sind, ist es ein großer Vorteil für mich, dieses Repertoire zu singen. Ich fühle mich der deutschen Sprache sehr verbunden. Und irgendwie passt es, dass sich alles so gut entwickelt. Ich bin jetzt auch im für dieses Fach richtigen Alter.

Ich freue mich schon sehr auf den „Freischütz“. Ich meine, Hans ist eine etwas lyrischere Partie. Die Rolle des Max kann sehr gefährlich sein, da die Partie hauptsächlich in der Mittellage liegt. Das muss man gesangstechnisch berücksichtigen. Die Gefahr besteht natürlich, wenn man in dieser Lage singt, dass man dazu tendiert, die Stimme zu sehr zu verdunkeln. Oder man denkt: „Ich muss mehr Stimme geben.“ Ich denke, dass ich jetzt so viel Erfahrung habe, dass ich nun damit umgehen kann.

Wie sieht es denn mit der Inszenierung aus von dem „Freischütz“? Können Sie sich damit identifizieren? Kommen Sie gut zurecht mit der Inszenierung von Frau Blankenship?

In dieser Inszenierung ist die Aufmerksamkeit auf Agathe gerichtet. Der erste Teil ist ein Traum, alles, was man sieht, ist eigentlich nicht real, sondern wie in Agathes Träumen. So hat die Regisseurin das gedacht. Somit ist es nicht ganz so einfach, den Charakter zu finden. Denn als Max bin ich dann sozusagen ein Teil des Unterbewußtseins von Agathe. Was ist dann Realität und was ist Traum? Damit befassen wir uns jetzt auch bei den Proben. Wir versuchen, dass die Gefühle nicht träumerische Gefühle sind, sondern echte Gefühle. Ja. Ich glaube, dass wir jetzt während der Proben einen Weg gefunden haben, diesem Charakter Substanz zu geben.

Die musikalischen Besonderheiten der Partie des Max, können Sie dazu noch etwas sagen?

Es ist ein romantisches Werk. Obwohl die Partie hauptsächlich in der Mittellage liegt, ist es trotzdem eine Herausforderung. Ich habe mich ein Jahr mit der Partie beschäftigt, und das ist auch notwendig, um eine Rolle wirklich in den Körper zu bekommen. Und nach den ersten paar Vorstellungen kann man die Partie dann sein Eigen nennen.

Im Libretto heißt es: „Mich umgarnen finstere Mächte“. Welche sind das?

Die finsteren Mächte, denke ich, sind seine eigenen Ängste. Seine Ängste, im entscheidenden Moment zu versagen und zu verlieren, was ihm wichtig ist. Was er liebt. Nämlich Agathe. Ich denke, dass sich diese Angst so hochschaukelt, dass er davon völlig übermannt ist. Er ist sich sozusagen selbst sein größter Gegner: Die finsteren Mächte sind eigentlich alles, was in seinem Kopf geschieht. Und diese Ängste werden durch die Gefühle, die er ihnen verleiht, zur Realität. Das ist für mich das Thema der Arie.

Würde Max noch weiter gehen, um das Glück zu zwingen?

(Lacht auf.) Naja. – Wie weit geht der Mensch? Das ist eine archetypische Frage, nicht wahr? Wie weit geht jemand, um etwas zu erreichen? Ich meine, er wird entlarvt. Denn wenn niemand dahinter gekommen wäre, hätte er dann so weitergemacht? Ich denke schon. Er würde alles dafür geben, um mit Agathe glücklich zu sein. Da er bereits so weit gegangen ist, würde er wahrscheinlich auch weitergehen. Ich halte ihn nicht für eine sehr sympathische Figur, wenn ich mal so sagen darf, ich finde ihn nicht sehr „liebenswert“, da es auch einen Moment gibt, in dem er Agathe schlägt. Und auch in dieser Inszenierung wird das stereotype männliche Verhalten noch intensiviert. Aber wie es nun mal des öfteren der Fall ist mit den Tenören, sie sind immer mal wieder die „Loser“. (Lacht.) Es ist egal, ob es italienische Oper ist oder eben jetzt deutsche. Der Tenor ist vom Charakter her meistens nicht so stark. Max ist da keine Ausnahme. Er lässt sich schnell von seinen Ängsten und seinem Umfeld beeinflussen. Vor allem will er es allen Männern rundherum recht machen, und da er nicht so eine starke Persönlichkeit besitzt, lässt er sich in die Ecke drängen.

Interessiert sich Max denn für die Gefühle seiner Verlobten?

In dieser Inszenierung kommt das auf alle Fälle nicht so heraus, finde ich. Es geht vorrangig um das Erreichen des Ziels, aber er spricht auch immer von seinen Ängsten und davon, was er nicht kann. Er spricht davon, dass Agathe sich sehr freut, ihm zu gehören. Aber dass er sie wirklich liebt, erwähnt er nicht direkt. Also, seine Liebe für sie habe ich nicht entdecken können. In den Texten dieser Inszenierung nicht.

Ist der Wald in dem Fall ein Refugium für Max oder eine Bedrohung?

Natürlich beides. Den Wald könnte man als die dunkle Ecke seines eigenen Geistes sehen: Es sind seine Ängste, er geht auch dort hin, um seinen Ängsten zu begegnen, aber es ist auch der Ort, an dem er denkt, dass niemand ihn beeinflussen und kontrollieren kann. Kein Schwiegervater und niemand kann ihm dort etwas sagen.

Könnten Sie uns noch einen Ausblick auf Ihre zukünftigen Rollen geben, und welche Rollen würden Sie gerne noch in Ihr Repertoire aufnehmen?

Also, als nächstes kommt jetzt „Narraboth“ in Bolzano auf mich zu. Danach Matteo in „Arabella“. Es wäre schön, wenn Wagner auch dazukäme. Ich glaube schon, dass man mit den Aufgaben wächst. Also, vor eineinhalb Jahren hatte ich noch nicht gedacht, dass ich so schnell in dieses Repertoire hineinwachsen würde. Man lernt dabei auch technisch so viel Neues. Und die Stimme selbst weist einem den Weg in die richtige Richtung. Es ist auch sehr spannend. Es kann noch überall hingehen. Das ist das Wunderbare an diesem Beruf.

Denken Sie über ein Festengagement nach in Zukunft, oder dann doch eher an freie Engagements?

Also, so hier am Gärtnerplatztheater war es für mich sehr angenehm. Wenn ich so arbeiten kann wie hier am Gärtnerplatz, würde ich auch ein festes Engagement annehmen. Aber vielleicht muss man auch mal den Sprung wagen und sagen: „Ich werde jetzt freischaffend“. Das ist natürlich dann auch wieder unsicher, aber es bietet die Möglichkeit, an verschiedenen Häusern mit neuen interessanten Menschen zusammenzuarbeiten.

Und haben Sie bestimmte Wunschrollen?

Da wären einige auf meiner Liste. Zum Beispiel „Lohengrin“, „Tannhäuser“, „Meistersinger“, im italienischen Fach Radames und Cavaradossi sowie Andrea Chenier, aber ebenso den Des Grieux in Massenets „Manon“. Ich könnte die Liste noch fortsetzen, da meine Stimme es mir erlaubt, sowohl im deutschen als auch im italienischen und französischen Fach zu Hause zu sein. Ich denke, dass ich wieder ganz neue Horizonte erforschen werde. Es sind spannende Zeiten, und ich freue mich auf die Zukunft.

Dann wünsche ich Ihnen alles Gute und sage vielen Dank für das Gespräch!

Danke schön!

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Interview mit Katja Stuber

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Frau Stuber, danke schön, dass Sie zwischen den Proben zum Freischütz am Gärtnerplatztheater und den Proben beim Bayerischen Rundfunk die Zeit für ein Interview gefunden haben. Könnten Sie uns bitte einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich war von klein auf begeistert von Musik und habe daheim in der Oberpfalz immer im Chor gesungen. Zwei Jahre vor dem Abitur besuchte ich zum ersten Mal einen Gesangsunterricht an der heimischen Musikschule. Erst begann ich aber ein Lehramtsstudium, für Realschule, mit den Fächern Deutsch und Musik. Noch während dieser Zeit habe ich über meine Gesangslehrerin an der Musikhochschule, Frau Angelica Vogel, den Anreiz bekommen, doch zu überlegen, ob ich ins Hauptfach Gesang wechseln oder das zusätzlich studieren möchte. Das interessierte mich schon, und ich probierte ein bisschen blauäugig die Aufnahmeprüfung. Prompt klappte es in München an der Musikhochschule. Dort habe ich bei Christian Gerhaher vier Jahre studiert, danach zwei Jahre im Aufbaustudium bei Ruth Ziesak in Saarbrücken. Das erste Engagement kam hier am Gärtnerplatztheater gleich nach dem Ende des Studiums in München. Ich wurde von der Musikhochschule als Stipendiatin für den Deutschen Bühnenverein vorgeschlagen. In diesem Vorsingen für die Auswahl der Stipendiaten saß der Intendant des Gärtnerplatztheaters, Herr Dr. Peters. Er gab mir dann die Möglichkeit, als Schwangerschaftsvertretung ein Jahr lang fest im Ensemble hier am Gärtnerplatztheater zu singen. Danach ging es weiter mit Gastpartien hier am Haus, in der „Zauberflöte“ und im „Orpheus“ und in der aktuellen Spielzeit eben als Sandmännchen/Taumännchen in „Hänsel und Gretel“, Papagena in der „Zauberflöte“ und Ännchen im „Freischütz“.

Gab es da eine Produktion, die besonders Spass gemacht hat?

Eigentlich haben alle Produktionen besonders Spass gemacht. Das war einfach alles super zum „Einstieg“, weil die Partien sehr überschaubar waren. Barbarina und Papagena sind Repertoirepartien, aus dem Studium bekannt, und Sandmännchen/Taumännchen auch. Neu war die Operette „Boccaccio“, eine Wiederaufnahme. Die Fiammetta zu singen war insofern eine neue Erfahrung, als mir erstens das Stück unbekannt war und zweitens, weil es ein anderes Arbeiten ist, in eine Wiederaufnahme-Produktion einzusteigen. Der „Boccaccio“ war auch sehr aufwendig inszeniert in Kostüm, Bühne usw. In meinem Jahr als Ensemblemitglied gab es zwei Neuinszenierungen, „Orpheus in der Unterwelt“ und „Zauberflöte“. Das war auch noch mal eine neue Erfahrung, wenn man so eine ganze Produktion vom Konzeptionsgespräch bis zur Premiere mitbekommt.

Jetzt kommt am 4. Dezember der „Freischütz“, das Ännchen. Wie erarbeiten Sie sich eine neue Rolle?

Es ist eine Repertoire-Partie. Die Arien sind bekannt, die habe ich häufig schon vorgesungen, in Diplomprüfungen und auch zum Beispiel letztes Jahr in Bayreuth. Dadurch, dass es eine Wiederaufnahme ist, bekommt man Noten und DVD vom Haus. Ich habe mir erst mal die DVD angeschaut. Im Vorfeld habe ich mich natürlich schon öfter mit dieser Oper beschäftigt. Lustigerweise habe ich während meines Praktikums fürs Lehramtsstudium eine Schulstunde im Musikunterricht mit dem Thema „Freischütz“ gehalten.

Können Sie sich mit der Inszenierung von Frau Blankenship identifizieren?

In einigen Punkten. In einigen auch weniger. Es ist schwer, sich manche Sachen anzueignen, die man jetzt vom Typ her vielleicht ein bisschen anders anlegen würde. Das Ännchen ist sehr burschikos in der ganzen Inszenierung, was schon auch Spass macht zu spielen, sie hat aber nie eine weiche Seite, was mir so ein bisschen fehlt. Außerdem ist die ganze Inszenierung wahnsinnig rabiat und oft fast brutal, es wird ständig mit Gewehren und Jagdmessern hantiert und diese werden auch zuhauf eingesetzt. Ännchen schießt auch, zwar nur mit einem gesprochenen „Peng“ angedeutet, aber trotzdem: Es sind ein paar so Sachen, die mir schon ein bisschen widerstreben, muss ich sagen, aber – ja. Man macht es dann halt trotzdem.

Was sind denn die musikalischen Besonderheiten der Partie?

Die Partie an sich liegt für einen Sopran relativ tief, gerade in den Ensembles. Man braucht aber in den Arien auch eine gute Höhe. Der Stimm-Ambitus ist also sehr groß. Ansonsten ist musikalisch-stimmlich alles drin. Es gibt sowohl Koloratur also auch große lyrische Bögen.

Und die Charakterunterschiede zwischen Ännchen und Agathe?

Ännchen ist hier eher der burschikose Typ. In Max verliebt, in dieser Inszenierung, oder sie denkt sich ständig, warum er eigentlich immer nur dieser traurigen Agathe hinterherrennt, wobei Ännchen doch eigentlich die viel interessantere Person ist. Sie ist aber sehr jugendlich dargestellt mit ihren Zöpfen usw., von daher unterscheidet sie sich schon sehr von der Agathe. Diese ist die weinerliche, absolut nicht starke Frau in der Inszenierung. Sie wird sogar öfter von Max geschlagen! Das ist auch so ein Punkt, den ich nicht ganz nachvollziehen kann. Das passiert am Ende von unserem Terzett: Die Frau, die sich zwar von ihrem Zukünftigen durch Schläge demütigen lässt, aber ihm dann doch hinterherläuft…

Ännchen macht sich über Agathes Aberglauben lustig. Aber als sie die Totenkrone statt des Brautkranzes in Händen hält, wird es ihr doch ein wenig mulmig zumute. Ist sie doch ebenfalls abergläubisch?

Ich glaube sie ist immer hin- und hergerissen zwischen der entsetzlichen Realität und ihrem Charakter-Typus. In einer schrecklichen Situation „Wie? Was? – Entsetzen! Dort in der Schreckensschlucht!“ denkt sie: „Ach, es wird schon alles gar nicht so schlimm sein, wie es da erscheint.“ Also, sie hat schon immer etwas Positives, oder versucht, überall etwas Positives zu sehen. Die Stelle mit dem Totenkranz ist wieder ähnlich: Erst wirkliches, von ihr auch gefühltes Entsetzen, dann animiert sie den Chor: „Singt einfach weiter, schnell, wir biegen das schon wieder um.“ Also, sie weiß um den Aberglauben, verfällt ihm aber selber nie wirklich. Das ist mit ihr vermutlich so wie beim Horoskope-Lesen. Man liest sie zwar, aber glaubt nicht wirklich daran. So geht es mir jedenfalls. Vielleicht passt das auch zum Ännchen.

Wie sieht es denn überhaupt mit der Rolle der Frau in dieser Oper aus?

Die zwei unterschiedlichen Charaktere, Ännchen und Agathe, fallen schon auf. Die Frauenfigur ist an sich recht schwach gezeichnet, finde ich, gerade in dem Fall von Agathe. Die Männer werden sehr dominant dargestellt. In die Richtung schlüpft Ännchen, indem sie eben, in schweren Stiefeln, mit Gewehr und Messern hantiert und herumläuft. Sie sympathisiert sogar stark mit der männlichen Seite.

Sie haben ja noch bis Januar einige Aufführungen in München. Können Sie uns da einen kleinen Ausblick geben?

Jetzt im Dezember kommen nach dem „Freischütz“ noch die „Hänsel und Gretel“-Vorstellungen mit Sandmännchen/Taumännchen. Im nächsten Jahr dann noch ein paar Mal die „Zauberflöte“. Ansonsten bin ich viel mit Konzerten unterwegs. Im Dezember habe ich mit dem Bayerischen Rundfunkchor ein Weihnachtskonzert und im Januar und Februar folgen zahlreiche Liederabende, die mich durch ganz Deutschland führen werden.

Sie haben im Sommer dieses Jahres in Bayreuth im neuen „Tannhäuser“ debütiert. Wie war die Arbeit am Hügel?

Spannend. Überwältigend. Sechs Wochen lang ein Wahnsinns-Aufwand, der betrieben wird, um fünf riesige Opern auf die Bühne zu bringen. Die Logistik mit den Proben vor allem in Räumlichkeiten, die oft für diese Zwecke nicht ausreichen. Das war zum Beispiel beim „Tannhäuser“ insofern ein Problem, weil eben die Probebühne leider nicht das komplette Bühnenbild fassen konnte. Deswegen haben manche Sachen auf der Probebühne funktioniert, die so letztendlich, als wir auf der großen Bühne waren, plötzlich nicht mehr hundertprozentig funktionierten. Die Wege waren plötzlich weiter, die Entfernungen, die die Sänger im Dialog zurückzulegen hatten, waren wesentlich größer usw. Für mich war es total beeindruckend, die Sängerkollegen dort zu erleben in diesen riesigen Partien. Insgesamt hätte ich es mir nie träumen lassen, mal Wagner singen zu dürfen an so einem „heiligen“ Ort. Das war eine tolle Erfahrung: Ein Rollen-Debüt, Hügel-Debüt und überhaupt Wagner-Debüt!

Sie sind neben der Oper eine sehr gefragte Konzert- und Liedinterpretin, von Alter Musik bis zur Moderne. Welchen Reiz übt das Konzert bzw. das Lied auf Sie aus?

Einen Liederabend zu bestreiten ist für mich die Königsdisziplin, weil es fast nichts Direkteres oder Unmittelbareres gibt zwischen Pianist, Sänger und Publikum. Man ist einfach so blank und in allem ausgeliefert, und das über eineinhalb Stunden. Das hat man auf der Theaterbühne nicht so. Dort hat man sein Kostüm und seine Maske, und irgendwo ist da noch eine Wand dazwischen.

Am 11. November 2011 haben Sie eine Uraufführung im Frankfurter Dom gesungen, von Gerhard Müller-Hornbach, und im Anschluss ein altbekannter Komponist, Händel. Wie gestaltete sich die Arbeit?

Ich kannte den Dirigenten Gerhard Jenemann und den Süddeutschen Kammerchor vorher noch nicht. Im Vorfeld habe ich natürlich sofort um die Noten für diese Uraufführung angefragt, die aber noch nicht fertig waren, sondern noch im Kopf des Komponisten … Das war spannend, weil man natürlich nicht weiß, was man kriegt. Ich kannte den Komponisten Gerhard Müller-Hornbach persönlich nicht, und er hatte mich vorher auch noch nicht gehört. So blieb die Frage, ob dieses Stück für mich überhaupt singbar ist. Der Komponist besuchte die Proben und gab noch den einen oder anderen Tipp, zu seinen Klangvorstellungen usw. Dann fand die Uraufführung im Frankfurter Dom statt, der uns allen aber wegen der akustischen Verhältnisse zum Verhängnis wurde. Der Klang verschwamm in jede Richtung, das war unser Hauptproblem. Der Sprecher Peter Fricke sprach mit Mikrofon, das hatte sich so ergeben. Er saß damit plötzlich zu nah an den Ersten Geigen und somit waren diese über die Lautsprecher zu dominant. Im Kirchenraum wirkte es eben insgesamt ganz anders als in dem kleinen Probenraum, den wir vorher zur Verfügung hatten.

Es ist ja auch bestimmt interessant dann, mit dem Komponisten selber mal sprechen zu können, was man ja – (lacht)

Jaja, eben, genau. Und um so schöner, wenn es ihm dann auch noch gefällt, was man aus seiner Idee macht.

Jetzt im Dezember kommt noch mal in der Akademie der Schönen Künste ein neues Projekt, mit Christian Gerhaher und Gerold Huber: Haydn – „Schöpfung“ als Einführung für Kinder.

Genau. Das ist quasi mein Konzert des Jahres, wenn ich das so sagen darf. Weil es einfach eine wahnsinnige Ehre für mich ist, mit meinem Lehrer, meinem Dozenten und Mentor auftreten zu dürfen, gerade auch in dem schönen Rahmen der Akademie. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit. Wir treffen uns nächste Woche und besprechen das Konzept. Christian Gerhaher wird das ganze Konzert moderieren, und in Auszügen werden die Arien vorkommen, meistens aber nicht in ganzer Länge. Ich weiß noch nicht genau, wie das Konzept insgesamt aussehen wird, aber auf jeden Fall aufbereitet für Kinder, das wird wunderbar. Es werden ganze Schulklassen dabei sein.

Schön.

Ja. Ich freue mich sehr.

Und 2012 gibt es auch wieder einen vollen Terminplan bei Ihnen, nicht?

Genau. Glücklicherweise. (lacht)

Wie sieht es da dann aus? Also, die Liederabende haben Sie schon erwähnt –

Es werden zwei Projekte mit Thomas Hengelbrock und dem Balthasar-Neumann-Ensemble dabei sein: Im März die Marienvesper von Monteverdi und im Juni der „Orfeo“ von Monteverdi, hier mit der Partie der Eurydike. Damit geht es mitunter nach Paris, darauf freue ich mich sehr. Im Mai gibt es noch eine neue Operninszenierung, und zwar von Joseph Schuster: „Il marito indolente“. Das wird Dominik Wilgenbus inszenieren, mit dem ich viel in der Kammeroper München zu tun hatte. Das wird bei den Tagen Alter Musik in Regensburg aufgeführt. Im Juni geht es dann schon wieder nach Bayreuth. Mitte Juni beginnt die Probenzeit und die Vorstellungen laufen bis Ende August. Und dann steht die erste Susanna an, im „Figaro“, das wird in einer kleinen Produktion von der „Neue Philharmonie München“ veranstaltet. Die Aufführungen sind im Cuvillies-Theater in München zu sehen. Darauf freue ich mich sehr.

Wir uns auch! Sehr schön! Vielen Dank!

Danke auch!

 

 

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Interview mit Rita Kapfhammer

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Liebe Frau Kapfhammer, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklären zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Würden Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?

Ich habe eigentlich Hotelfachfrau gelernt und mich erst nach ein paar Jahren durch Zufall oder durch äußere Einflüsse entschieden, ein Gesangsstudium als Solist zu beginnen. Ich habe dann in München an der Musikhochschule studiert, von 1988 bis 1993, und zwar Konzertfach, weil ich dachte, Oper und vielleicht auch längere Aufenthalte irgendwo, das würde sich nicht mit einer Familie vereinbaren lassen. Dann nach dem Studium hatte ich noch keine großen Engagements. Ich habe mich auch nicht sehr dafür eingesetzt. Dann habe ich mich an der Opernschule  der Hochschule, nicht im Opernstudio, angemeldet, um als Gast Opernliteratur mitzustudieren. Dort werden ja etliche Produktionen im Jahr gemacht, und da es in meinem Fach nicht ganz so viele gibt, konnte man mich ganz gut einsetzen und ich war eben durch meine erste Lehre schon ein bisschen älter. Unter Professor Kertz habe ich etliche Sachen dort gemacht: Poulenc zum Beispiel, „Gespräche der Karmelitinnen“. „Figaros Hochzeit“ mit Sir Colin Davis war auch damals auf dem Programm. Ich habe auch im Prinzregententheater unter ihm im „Rosenkavalier“ Alina gesungen. Dann natürlich auch viel mit zeitgenössischen Komponisten. Das hat mir wahnsinnig viel Spass gemacht, und ich war überrascht, dass ich eigentlich viel lieber spiele, beziehungsweise die Kombination so genieße von Spiel und Singen. Wobei ich schon mehr Wert auf Gesang lege, aber eben das Spiel eher als hilfreich, eher als Chance sehe und nicht als Hindernis, und mir deswegen die Kombination einfach zusagt. Mein erstes Engagement war in Ulm, und da war ich dann auch zehn Jahre. Das ging durch die ZAV-Künstlervermittlung der Agentur für Arbeit, die auch die Hochschulproduktionen immer angeschaut und betreut hatten. Die haben mich dort hingeschickt. Ich habe nur zwei, drei Vorsingen absolviert, und das hat geklappt, es war eine Schwangerschaftsvertretung. Und da dachte ich: “Naja, sowas kann man vielleicht schon mal annehmen, für ein halbes Jahr, das ist absehbar.” Mein Mann hat sich dem auch nicht in den Weg gestellt sondern gesagt: „Ja, mach nur!“ Daraus sind zehn Jahre geworden, dort habe ich Rollen wie Santuzza in „Cavalleria Rusticana“, Adalcisa in „Norma“, Amneris in “Aida”, Dalila in “Samson und Dalila”, sowie die Jane Seymour in “Anna Bolena” gesungen. Während des Studiums habe ich immer im Hotelfach gearbeitet, und das Studium immer als Auszeit betrachtet, weil ich nie gedacht hätte, dass man gerade auf mich warten würde. Ich hatte wahnsinnig Spaß daran, und das habe ich heute noch. Es hat sich einfach so ergeben. Der Herrgott hat ein bisschen dazu beigetragen und ein bisschen Glück, und vielleicht auch die Gelassenheit, die man braucht, wenn man nicht muss, sondern auch andere Alternativen sieht. Diese Kombination hat mich vielleicht auch jetzt hier an den Gärtnerplatz gebracht.

Das Können haben Sie noch vergessen!

Okay, das Können, aber das müssen dann vielleicht auch andere beurteilen. Ich glaube, das Können können viele. Aber man braucht schon auch mehr. Ja, Liebe dazu, die Bereitschaft, auch viele Ungelegenheiten in Kauf zu nehmen. Gelassenheit. Auch viel Zuspruch von der Familie, einfach, dass man keine Klötze ans Bein gelegt bekommt oder irgendwelche anderen „Bremserer“. Ja.

Sie haben vorhin von äußeren Umständen gesprochen, die Sie dann dazu bewogen haben, das Studium aufzunehmen. Was waren diese äußeren Umstände?

Ganz konkret hatte ich bei Dietrich Schneider Gesangsunterricht. Der hat damals den Kirchenchor betreut. Dann baute er seine Gesangsschule auf, und da hatte ich Unterricht bei ihm. Der war ziemlich schnell dahinter, dass ich unbedingt studieren muss. Ich verdanke ihm den Schritt, dass ich es gemacht habe. Ihm auf alle Fälle.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Das ist eine gute Frage, aber es ergibt sich, ich bin Bayerin. Ich habe viel Schlager gehört, so nebenbei eigentlich nur, aber mein Liebling war bayerische Musik, das heißt, Dreigesang habe ich gemacht als Kind, mit meiner Schwester und meinem Bruder, ich habe Stubnmusi gespielt, ich habe Hackbrett gespielt und bin einfach mit bayerischer Musik groß geworden. Mein Vater war nur an Blasmusik interessiert, das hat mich jetzt weniger erfreut, das war mir einfach zu martialisch, aber die Richtung war bayerische Musik. Volksmusik, also richtige, ursprüngliche Volksmusik.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein. – Das heißt, ich stelle fest, dass ich natürlich, wenn man sich viel mit Musik beschäftigt und tagtäglich ja nur singt und Musik hört oder halt auch sich zurechtfinden muss in verschiedenen Tonlagen, dass das Gehör sich natürlich verbessert. Aber das absolute Gehör habe ich nicht, nein.

Spielen Sie ein Instrument?

Leidlich Klavier. Ich habe nie viel Spaß daran gehabt, aber es hilft ungemein. Hackbrett eben, aber sonst nichts.

Sie haben gerade schon gesagt, Sie haben als Kind viel bayerische Volksmusik gehört. Mögen Sie auch noch andere Musikrichtungen?

Hmm. Da bin ich wahrscheinlich ziemlich einschlägig. Ich höre also privat gar nicht mehr so viel Musik. Zuhause, wenn ich nichts zu tun habe, habe ich es eigentlich eher still und ruhig. Also, ich habe ja Familie, meinen Mann und meinen Sohn, die haben natürlich ihre Musikrichtungen. Es läuft immer irgendwas, aber wenn ich allein bin, bin ich ganz froh, wenn eben nichts läuft. Ich höre schon ganz gerne moderne Musik, aber ich kann Ihnen nicht mal sagen, was das für eine Richtung ist, weil ich dann nicht jetzt speziell irgendwas mir anschalte, sondern am Radio herumdrehe, und dann gefällt mir etwas, oder es gefällt mir eben nicht, und dann mache ich aus. Aber generell habe ich es lieber ohne Hintergrund.

Welche Sprachen sprechen Sie, und in welchen Sprachen singen Sie?

Ich kann einigermaßen Englisch und auch Italienisch, leider nie so gut, wie ich es gerne hätte. Ich habe in Französisch gesungen. Ich habe mal einen Kurs belegt, das Wichtigste verstehe ich, aber auch viel zu wenig. Ich habe einen Traum, dass ich mir noch mal die Zeit nehme, um einfach mal nach Italien oder nach Frankreich zu fahren, um diese Sprachen besser auch im Alltag zu benutzen, weil ich sie einfach schön finde. Ich habe auch schon auf Tschechisch Lieder gemacht und werde wahrscheinlich um das russische Programm nicht herumkommen, das finde ich total schön, aber ich kann natürlich kein Wort Russisch oder Tschechisch, keine Frage. Aber viele Sachen gehen auch phonetisch. Man muss sich halt dann viel mehr Zeit nehmen, um die Texte übersetzen zu lassen oder auch mit einem Coach direkt durchzugehen. Damit man weiß, was es bedeutet. Es kommt oft auf Worte, auf Wortwendungen an, und es ist schon sehr wichtig, dass man weiß, was man spricht. Es dauert halt dann einfach länger, wenn man die Sprache nicht wirklich versteht oder kennt.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Ganz aktuell habe ich, ich glaube vor zwei Jahren war das, die Frau Damrau gehört, das erste Mal eigentlich ganz bewußt, in diesem Neujahrskonzert, und das hat mich schwer beeindruckt. Also diese Beweglichkeit und dann diese Power von dieser Frau. Das fand ich ganz genial. Deswegen hätte ich mir so gewünscht, in „Hoffmanns Erzählungen“ zu gehen, aber das ist ja ausverkauft, und ich weiß nicht, ob ich da irgendwie an gute Karten herankomme. Sonst gibt es verschiedene. Kerstin Ferrier fand ich auf den Aufnahmen immer so gut. Oder auch Marilyn Horne ist nicht schlecht, aber da ist niemand, wo ich einfach alles gut finde, sondern es gibt immer irgendwas, was mir nicht gefällt. Aber ich finde es auch ganz gut, wenn man mehr Sachen vergleicht, anhört, und dann einfach sagt: Das gefällt mir bei dieser Person, und das bei der anderen, oder auch mal sagt: „Okay, das ist schön, aber ich kann es vielleicht gar nicht so, oder: das würde ich anders machen.“ Und musikalisch – wie meinen Sie das noch?

Personen, die Sie geprägt haben, zum Beispiel in der Ausbildung.

In der Ausbildung? Ich hatte ja Unterricht bei Frau Reri Christ, und diese Frau ist schon sehr beeindruckend, wie sie so selber auf der Bühne steht. Ich habe sie ja nicht mehr live gehört, wie sie noch Auftritte hatte, aber wenn sie etwas vorgemacht oder gezeigt hat, das ist schon – das ist eine richtige Persönlichkeit. Ich hatte dann auch bei Jan Henrik Rotering Unterricht. Ich habe ganz, ganz viel bei ihm auch technisch gelernt. Bei Professor Hellmann war ich im Oratorienfach. Der Mann hat mir nie was vorgesungen, aber was er mir an Interpretation und an Ideen für diese Darstellung gegeben hat, fand ich immer ganz großartig. Ich glaube, generell ist es ganz wichtig, dass man selber so selbstständig und auch mündig, wenn ich das so sagen darf, ist und selber herausfindet, was einem gut tut, was die Stimme betrifft, und auch gut tut in Bezug auf die Musikalität – oder was einem gefällt. Es geht dann gar nicht so darum, ob man irgendetwas nachmacht, denn das, glaube ich, wird niemals so identisch oder authentisch sein. Wenn man sich also zuerst einen Überblick verschafft oder einfach eine Idee davon hat, wie man etwas machen möchte oder wie man etwas singt und sich auch mal etwas anhört, aber dann seinen eigenen Weg damit findet, das ist das Wichtigste für mich.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Noch nicht allzuviele. Aber ich war mit „Musica Mallorca“ schon vier Mal in Palma de Mallorca und habe konzertant „Cavalleria“ gesungen. Ich habe die „Carmen“ dort gemacht und auch Rossini, „Stabat Mater“. Dann war ich in Danzig, das ist schon ein paar Jahre her, habe dort die Premiere gesungen in „Anna Bolena“ und habe dann hier auch gastiert mit einem Tourneetheater. Danzig war schon eine sehr spezielle Erfahrung und hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich mache Galas in der Toskana, seit ein paar Jahren immer wieder, aber eher in kleinem Rahmen. Ich finde das einfach schön, wenn man näher an den Leuten dran ist. Ich glaube, das war’s. Sonst war ich noch nicht allzuviel im Ausland, als Musiker.

Sie haben vorhin erwähnt, Sie haben Familie. Was für Komplikationen ergeben sich aus dem speziellen Arbeitsrhythmus eines Opernsängers?

Mit Komplikationen möchte ich das gar nicht jetzt in Verbindung bringen. Es ist halt so: Ich habe wenigstens das Glück, dass ich einen Mann an der Seite habe, der das gutheißt, was ich mache. Er will jetzt nicht unbedingt immer dabei sein, aber er findet das gut. Und dann ist mein Sohn die meiste Zeit natürlich auch abends betreut, weil er einen „anständigen“ Beruf hat. Es gibt natürlich immer Komplikationen, weil ich als Mutter und Hausfrau, das bin ich natürlich auch – und die Rollenverteilung ist bei uns auch ziemlich klar – auch irgendwie immer einen Spagat machen und erleben muss, aber ich habe das in Kauf genommen. Das klingt jetzt ganz blöd, aber ich finde das gar nicht so schlimm. Ich mache mein Ding, und ich darf diesen Traum als Opernsängerin – und das ist auch ein Traum für mich – leben. Und dafür ist es manchmal einfach so, dass man zu hause mal schnell diese Welt draußen lässt und ganz normal wie jede andere Hausfrau diese Sachen erledigen muss, und das ist manchmal mühsam oder dauert einfach, dass man da den richtigen Drall findet, dass es halt auch schnell gehen muss.. Dass man die Prioritäten setzt, ob jetzt mein Sohn die Hausaufgaben und das alles auch geregelt kriegt, und ich bin auch ziemlich streng, aber das funktioniert ganz gut. Wie gesagt, ich glaube, dieser Spagat ist in allen Berufen nicht einfach und als Sängerin vielleicht noch schwieriger, denn im normalen Alltagsleben hat man auch einen regelmäßigen Tagesablauf. Der ist bei der Sängerin eben unregelmäßig. Da geht es einfach darum, dass man das organisiert und diese Logistik auch den Beteiligten, eben meinem Sohn oder meinem Mann, gut mitteilt, und dann ist es ganz okay.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was mag sie überhaupt nicht?

Singen tut meiner Stimme gut. Ich hatte noch nie Probleme damit, auch wenn es ein bisschen mehr ist. Was nicht gut ist, ist, wenn ich kalte Füße bekomme, wenn ich wirklich in den Regen komme oder einfach mich friert: komischerweise schlägt sich das auf die Stimme. Was auch nicht gut ist: Wenn ich in einem Raum, wo es ziemlich laut ist, immer über die anderen darüber reden muss, also wenn man ziemlich laut immer am Anschlag sprechen muss. Das mag ich nicht, das macht mir auch keinen Spaß, und da merke ich, dass auch die Stimme sehr anfällig dafür ist. Singen tut ihr sehr gut, und sonst mache ich keine großen Umstände damit. Das ist ja ein Instrument, sage ich jetzt mal, das man auch immer braucht, das ist einfach da, und wenn man sie gut hält, dann ist alles okay.

Tun Sie etwas für Ihre Kondition?

Ja. Früher dachte ich, ich bin total unsportlich und hatte nie wirklich Lust am Sport. Aber seit ein paar Jahren merke ich, dass mir das von der Kondition und vom Atem her einfach gut tut. Ich gehe walken, zweimal die Woche, oder auch joggen. Wobei ich Joggen zwar viel schlimmer finde, aber ich danach einfach mehr das Gefühl habe, ich habe wirklich etwas für mich getan. Es geht natürlich immer ums Gewicht, aber das hat sich noch nie verändert, bzw. also ist nicht viel weniger geworden, aber das ist ein Problem, das viele Frauen haben. Solange ich es noch einigermaßen im Griff habe, und das, glaube ich, ist so, ist es okay. Also, ich schwimme sehr gern, aber dieses Walken und das Joggen mache ich regelmäßig.

Wie diszipliniert müssen Sie leben?

Wie gesagt, ich mache keine großen Umstände wegen meiner Stimme, dass ich deswegen diszipliniert wäre, aber ich merke wohl, dass ich mich gegenüber früher verändert habe. Gerade, was meinen Freundeskreis betrifft, meine Geschwister, die gehen teilweise auch viel aus, sie trinken auch gern mal was, denen ist es jetzt auch egal, ob sie eine Jacke mitgenommen haben oder nicht. Ich habe einen anderen Rhythmus bekommen, auch durch meine Arbeit, weil es oft spät wird, so dass ich länger schlafe, als ich es früher getan habe. Das bedeutet nicht an Stunden länger, aber eben morgens ein bisschen länger, weil ich abends später ins Bett gehe. Ich glaube, als Künstler oder Darsteller wird man einfach ein bisschen feinfühliger und ein bisschen empfindlicher – empfindlicher in dem Sinne, dass man auch Empfindungen mehr spürt, was den anderen betrifft oder was den Umkreis, wo man sich befindet, angeht. Das hat sich verändert. Dass ich da einfach rücksichtsvoller bin oder einfach oftmals Schwingungen spüre, die der Normalbürger jetzt nicht unbedingt wahrnimmt.

Dann kommen wir zur Neuproduktion DER MIKADO. Sie werden die Rolle der Katisha übernehmen. Wenn ich so an die Carmen zurückdenke: Neben einer wirklich tollen Stimme beeindrucken Sie ja auch immer durch ein sehr ausdrucksvolles Spiel. Wie haben Sie sich denn auf die Rolle der Katisha vorbereitet?

Das ist ein bisschen verfänglich, natürlich lese ich den Hintergrund ein bisschen, von Gilbert und Sullivan, ich lese mir die Geschichte durch. Aber ich mache mir erst mal nicht so ein großes Bild, wie ich es anlegen möchte, sondern wenn ich zum Beispiel die Musik erst einmal lerne – zum Probenbeginn muss man einfach die Musik auswendig kennen – habe ich mir einen vagen, einen ganz vagen Faden durch dieses Stück gestrickt. Aber ich möchte mich eigentlich nicht so festlegen, weil ich einfach noch offen sein will für den Regisseur, was der eigentlich von mir will, um dann auch umschwenken zu können, wenn ich denke: “Das muss jetzt gar nicht so sein”, oder ich habe mir das so zurechtgelegt, aber der will eigentlich ganz was anderes. Und dieser Faden zurrt sich eigentlich mit jeder Probe, die ich dann in der szenischen Arbeit mache, fest. Das macht mir Spaß, dass es eben nicht nur ist, wenn ich auf der Bühne bin, sondern auch der Rest von Szene zu Szene, die ich dann habe, wenn zwischendrin auch Löcher passieren, dass dieser Faden weitergeht. Das finde ich so spannend, und darum sind diese sechs Wochen, die ohnehin immer meistens zu kurz sind, wirklich sehr wichtig, und in der Zeit prägt sich mein Bild von der Rolle. Vielleicht macht es auch etwas aus, dass man so eigentlich immer frisch bleibt oder ich mich wohlfühle, weil ich dann nicht so festgefahren bin in irgendeiner Richtung, die ich mir ausgedacht habe. Das macht man natürlich, aber man muss natürlich auch beweglich bleiben. Ein Satz, der ist gegeben, und den kann man in fünf verschiedenen Varianten sich dann auch ausdenken. Man muss nur wollen, oder man muss nur einfach den Tipp oder den Anstoß dazu haben, und das finde ich spannend.

Erzählen Sie uns ein bisschen von der Partie der Katisha.

Die Katisha ist eigentlich eine alternde Jungfrau, denke ich mal, in diesem asiatischen Umfeld, die den jungen Nanki-Poo heiraten soll, oder darf, also sie ist ganz glücklich darüber, und er will sie natürlich nicht heiraten. Er ist ein junger, hübscher Bursche, und die Katisha soll sogar hässlich sein, also ganz unakzeptabel. Es ist ja jetzt nicht so, dass ich hässlich bin, wobei ich da nichts dagegen gehabt hätte, aber das war von der Maskenbildnerin und der Kostümbildnerin nicht so angelegt. Aber ich glaube, es ist auf alle Fälle eine Frau, die Männer erschreckt. Es muss jemand sein, die stark ist, die selbstbewusst ist und sich den Mann auch selber aussucht und mit dieser Härte und mit dieser Strenge die Männer einfach eher verschreckt und deswegen ungeliebt ist, sage ich jetzt mal, so haben wir das auch angelegt. Und in unserem Fall, wenn ich das verraten darf, ist es dann auch eher diese erotische Schiene, Sado-Maso oder wie auch immer. Ganz so schlimm ist es nicht, aber so ein bisschen auf das angelegt. Am Schluss kriegt sie eben dann ihresgleichen, mehr oder weniger, mit vielen Verwirrungen. Ich habe jetzt heute den ersten Durchlauf auch gesehen, und dabei vieles, was ich vorher gar nicht mitbekommen habe, weil ich eben in diesen Szenen nicht dabei bin. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, und ich glaube, das geht auch auf.

Wird Katisha glücklich mit Koko?

Ich denke ja! Die zwei haben sich dann doch gefunden. Ich meine, es war am Anfang eher so eine Zufallsbeziehung oder Zufallstreffer, weil der Koko den Auftrag hatte, diese Katisha wegzuräumen: Er soll sie heiraten, damit Nanki-Poo frei wird für Yum-Yum. Und somit ist aber eigentlich jedem gedient. Doch, ich glaube, die werden glücklich.

Was ist das Schönste an Ihrer Partie, und was ist das Nervigste?

Also, das Schönste an der Partie ist, dass diese Rolle doch wirklich gesungen werden muss. Da kann man jetzt nicht säuseln. Ich will nicht sagen Wagner, denn dafür ist einfach die Musik nicht so genial wie bei Wagner. Aber man kann das auf keinen Fall als leichten lyrischen Mezzo betrachten, da braucht man eine dicke Stimme. Da ist die Kunst, dass man nicht so viel reingibt, dass nicht dadurch sich irgendwie stimmliche Probleme ergeben. Das fordert mich schon heraus, das macht Spass. Ich mag auch diesen Witz der Katisha. Ich habe einfach Spaß am Spielen und an dieser Komik. Und was mich nervt, kann ich jetzt gar nicht sagen. Da ist mir noch gar nichts aufgefallen.

Hatten Sie Freiheiten bei der Interpretation der Rolle?

Ja, die Freiheiten hat man ja schon. Die wenigsten Regisseure legen das ganz knallhart fest, was man da jetzt denkt. Ich meine, die Gedanken sind frei, das ist so, und solange ich mir meine Gedanken gesponnen oder meinen Faden gesponnen habe, und der Regisseur aber das sieht, was er sehen will, ist es vollkommen egal, was ich jeweils dazu denke. Es ist mir überlassen, wie ich zu dem Urteil oder zu dem Ergebnis komme. Wenn es hakt oder wenn der Regisseur sagt: Nein, das will ich lieber anders haben, dann ist auch oft der Gedanke wirklich falsch, aber das ist ja eben dieser Spaß, den ich dann habe, das umzustellen oder das zu suchen, mit meinen Gedanken eben unterlegt.

Waren Sie schon mal in Japan?

Nein! Leider. (Lacht.)

Beim MIKADO ist ja die Kritik an der damaligen britischen Gesellschaft in das Japanische verpackt, durch diesen sogenannten Exotismus. Sehen Sie da aktuelle Bezüge?

Ich glaube, dass in allem schon auch hier und heute immer noch Wahrheiten dabei sind. Vielleicht nicht so überzogen, und vielleicht sind manche Sachen auch wirklich extrem dargestellt. Aber ich glaube, das kann man ganz gut auch heutzutage so nehmen. Ja.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen, denn ich kenne eigentlich nur die PIRATEN und MIKADO, wobei MIKADO das bessere Stück ist.

Was für Gemeinsamkeiten gibt es mit den PIRATEN, und was sind die grundlegenden Unterschiede?

Also, Gemeinsamkeiten – ich weiß, nicht nur von diesen beiden Stücken, weil ich mir das auch angelesen habe – Gilbert und Sullivan, die haben sich immer praktisch die gleichen Personagen zurecht gestrickt. Es ist immer die gleiche Anzahl, und eben diese komische Alte, und ein Liebespaar, und dann die Mädels – diese Grundpersonage ist eigentlich immer gleich, und dann strickt Gilbert halt irgendeine Geschichte dazu.

Ist es eine traditionelle Inszenierung?

Hm. Gute Frage. Auf alle Fälle ist es mehr oder weniger eine Fortführung der PIRATEN für mich. Das ist wie PIRATEN zweiter Teil, nur besser. Glaube ich. Ich hoffe es. (Lacht).

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Ich glaube, wenn jemand sagt, er hätte kein Lampenfieber, der lügt! Ich habe Lampenfieber, aber ich finde es eher angenehm. Es ist niemals etwas gewesen, was mich hindert, oder dass ich panisch bin oder Angst habe, sondern das ist eher so was wie: „Ha, und jetzt raus da!“ oder irgendwie so eine Motivation und ein Spaß. Und das ist glaube ich eher das gute Lampenfieber, das habe ich auch immer so empfunden. Ganz, ganz selten, wenn ich mir nicht sicher war oder wenn Sachen vielleicht noch zu früh waren, also stimmlich, dass man wirklich ein bisschen fast – überfordert will ich nicht sagen, aber einfach an die Grenzen geht, dass man natürlich da Angst hat zu versagen, das gibt es, gerade bei Premieren. Aber es war nie irgendwie ein Hindernis. Und ich tue nichts Großartiges. Ich beschäftige mich einfach vorher, ich nehme mir die Zeit, dass ich nicht nur eine halbe Stunde oder Stunde vorher da bin, wenn die Maske beginnt, sondern ich bin oft zwei Stunden vorher da, ich singe mich in Ruhe ein, ich gehe auch noch mal einen Kaffee trinken. Also einfach keinen Stress aufkommen zu lassen vorher. Leider plappere ich auch viel, das mag auch Nervosität ausdrücken, was vielleicht auch mal die Kollegen nicht so schätzen. Aber sonst ist, glaube ich, alles ganz normal.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Das Beste ist, dass man eigentlich Sachen darstellen oder spielen oder sein kann, Personen sein kann, die man ja sonst niemals irgendwie erreicht, oder auch Kleider tragen kann, auch Sachen ausprobieren kann, die man im Alltag so mit Sicherheit niemals für sich finden würde. Natürlich auch, dass man einfach den Zuhörer so mitnehmen kann, dass man etwas bewirkt im Zuhörer. Bei einer Opernvorstellungen ist es ein bisschen schwieriger, eine Rückmeldung zu bekommen, weil man die Zuhörer danach nicht mehr sieht. Es ist bei Konzerten leichter, wenn man Liederabende gibt, denn die Leute warten dann, und man bekommt richtig hautnah mit, dass sie einfach entweder einen schönen Abend hatten oder irgendwie durch die Musik etwas im Herzen mit nach Hause nehmen, und nicht nur an dem Abend, sondern auch später noch Erinnerungen haben an solche Abende. Und das, finde ich, ist eine ganz tolle Variante. Das ist eigentlich ein Geschenk, dass man sowas kann oder dass man das darf. – Nervig? Also, ich kann Ihnen das nicht sagen, da fällt mir jetzt nichts ein.

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Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ich bin ja mehr oder weniger durch Zufall, wie gesagt, zur Oper an sich gekommen und hatte vorher gar nicht so viele Berührungspunkte. Deswegen ist mein Wissen, was es an Partien für mich speziell gibt, fast zu wenig. Denn man muss auch sagen – mit Oper habe ich mich vorher nicht beschäftigt, nur mit Konzert. Ich war auch, dadurch dass ich Hotelfach gelernt habe und die ganze Studienzeit gearbeitet habe, nicht viel in anderen Inszenierungen oder in Opern. Dann ist es auch eine Frage: Wie schätze ich mich selber ein? Ich hatte einfach immer sehr viel Spaß an Vielfalt. Ich mag Operette, ich mag Musical. Und große Oper – ich habe inzwischen auch Spaß an Wagner, muss ich gestehen. Ich hatte immer gedacht: „Nein, Wagner verstehe ich nicht, das ist mir zu hoch, und auch die Sprache finde ich nicht mehr so zeitgemäß“, und das hat sich total geändert, ich finde die Sprache wunderschön. Man kann wirklich an einem Satz, wenn man fünf Mal den gleichen Satz spricht, fünf andere Varianten finden oder zehn. Was man mit Sprache alles machen kann, gerade im Deutschen finde ich das spannend. Ich habe immer vertraut, dass die Intendanten mir die richtigen Partien geben. Und ich habe eigentlich dann Spaß. Ich mache mir den Spaß an dem und suche an jedem Stück irgendetwas anderes. Natürlich werde ich mich bei Operette nicht nur verzetteln in schönem Singen, denn das ist nicht der Hauptpunkt. Natürlich ist es bei Wagner wieder anders als bei Musical; Musical macht auch viel Schauspiel aus. Da muss man für sich selber den richtigen Weg dazu finden. Was ich immer noch gerne möchte, ist: einfach noch mal „Samson und Dalilah“, diese Dalilah noch mal wirklich als Produktion zu singen, nicht nur einzuspringen, und ich würde wahnsinnig gerne noch mal diese Belcanto-Opern machen: Ich habe gesungen „Maria Stewart“, diese Jane Seymour,  in „Anna Bolena“ noch mal – ja, und für Elisabetta eben. Das würde mich sehr interessieren.

Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Zukunft geben?

Nein, leider noch nicht so viel. Wir sind ja alle gekündigt, das ist nun mal so. Natürlich gibt es ein paar Anfragen, aber konkret habe ich für die nächste Spielzeit noch nichts. Ich habe auch jetzt eigentlich noch wirklich viel zu tun, so dass ich auch gar nicht so richtig auf den Gedanken komme, irgendwie panisch zu werden. Ich glaube, das kommt dann so im neuen Jahr, wenn man dann noch immer nichts haben sollte. Ich hoffe jetzt schon, dass es irgendwie weitergeht, und – mal sehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, und Toi-toi-toi für die Premiere!

Danke schön!

Interview vom 10.11.2011

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Interview mit Benjamin Reiners

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Herr Reiners, herzlichen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns doch bitte etwas von Ihrem Werdegang.

Werdegang. Ja. – Ich bin 1983 in Duisburg geboren und bin dort ganz normal aufgewachsen und zur Schule gegangen. Meine Eltern glaubten, so mit vier Jahren, eine gewisse musikalische Begabung bei mir festzustellen, bzw. dass ich einfach auf Musik sehr aktiv reagiere, und haben mich deshalb in der musikalischen Früherziehung angemeldet an der Niederrheinischen Musik- und Kunstschule. Da hat man dann Noten gelernt, auf dem Xylophon und allen möglichen orffschen Instrumenten rumgehauen. Das geht über zwei Jahre, und danach steht eben an, sich für ein Instrument zu entscheiden, das man dann erlernen soll, und dann kann man sich die verschiedenen Instrumente angucken und sich umhören. Ich habe mich damals für die E-Orgel entschieden. Meine Eltern, die beide keine Musiker sind, haben das dann so angenommen, diese Entscheidung. Im Nachhinein denke ich: Ah, hätten sie mich mal gezwungen, vielleicht doch sofort Geige oder Klavier zu erlernen. Nein, Quatsch, das war schon alles richtig so… Auf jeden Fall: Da sollte es dann die E-Orgel sein. Über diese E-Orgel kam der Wunsch, auch Orgel in der Kirche zu spielen, also Kirchenorgel zu lernen. Den Wunsch haben mir meine Eltern dann erfüllt und so habe ich beim Kantor der evangelische Kirche Orgel-Unterricht bekommen, und später auch klassischen Klavierunterricht. Natürlich habe ich dann auch im Chor gesungen, Kinderchor, Jugendchor, und schließlich in der Kantorei. Dann kam eben immer mehr der Wunsch, das auch beruflich zu machen. Also, ich denke, dass ich schon so mit 15, 16 Jahren wusste, dass ich eigentlich mal Kirchenmusiker werden will, oder Dirigent, Chorleiter, wie auch immer. In dieser Zeit entstand auch meine Liebe zum Musiktheater…
Ok, ich kürze ab: Nach dem Abitur hat mich der Weg dann an die Kölner Musikhochschule geführt, wo ich Evangelische Kirchenmusik studiert habe. Zu dem Zeitpunkt tatsächlich allerdings schon mit der Absicht, dass sich an das Kirchenmusik-Studium ein Dirigierstudium anschließen sollte. Ich war nur so in der Kirchenmusik verwurzelt, dass ich das auf jeden Fall machen wollte. Der Studiengang Kirchenmusik ist ein so umfassender Studiengang, dass es als Einstieg, auch mit dem Ziel, Dirigent zu werden, eine super Sache ist, weil man einfach sehr viele verschiedene Fächer hat und es eine sehr gute Grundlage bietet. Ja, das habe ich dann eben absolviert, dieses Studium, und eben genau, wie das auch ursprünglich geplant war, danach dann mein Dirigierstudium angeschlossen. Das habe ich dann an der Hochschule für Musik in Detmold absolviert. Und von da bin ich  direkt schon an den Gärtnerplatz gekommen, 2009, als Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung.

Seit dieser Spielzeit sind Sie an der Staatsoper Hannover als Zweiter Kapellmeister und jetzt zurückgekehrt für die Neuproduktion DER MIKADO von Gilbert & Sullivan. Fühlt es sich jetzt anders an, hier zu sein, als Gast, sozusagen, als noch vorher als festes Ensemblemitglied?

Es fühlt sich tatsächlich ein bisschen anders an. Obwohl es auf der einen Seite einfach so ist wie Nach-Hause-Kommen, und das ist total schön, die Leute alle wiederzusehen und so in die Familie zurückzukehren, und obwohl jetzt eigentlich nur ein paar Monate dazwischenliegen, habe ich doch das Gefühl, dass ich schon mit einer anderen Perspektive zurückkomme und  auch so aufgenommen werde. Also, dass da jetzt so jemand kommt, den wir alle sehr gut kennen, aber der jetzt einfach woanders ist, schon eine andere Tätigkeit hat… Es ist so ein Mix aus Althergebrachtem, aber auch mit neuen Impulsen. Oder einer neuen Sicht auf die Dinge.

Sie haben in Hannover auch interessante Aufgaben übernommen, „Die Reise nach Reims“ zum Beispiel. Was steht denn da diese Spielzeit noch an?

Genau. Die „Reise nach Reims“ war dort meine erste eigene Wiederaufnahme, in einer ganz tollen Inszenierung und ganz super Musik, und parallel dirigiere ich gerade noch die sehr spektakuläre Inszenierung von „La Traviata“, über die man auch in allen Zeitungen und Opernmagazinen lesen konnte , eine wirklich ganz, ganz atemberaubende Inszenierung mit einem ganz außergewöhnlichen Raumkonzept, was auch dirigentisch eine große Herausforderung ist. Ich habe nicht die Premiere gemacht, aber ich dirigiere das nach. Dann erwarten mich jetzt in der nächsten Zeit die Wiederaufnahme von „La Boheme“, Nachdirigate von der Neuproduktion „Der Barbier von Sevilla“, noch ein Ballettabend „Alice im Wunderland“ und eine Uraufführung einer Kinder- und Jugendoper „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren.“

Ganz schön viel.

Ja. (Lacht.) Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben.

Mögen Sie auch andere Musikrichtungen?

O Gott. Darf ich das hier sagen? Was ich tatsächlich sehr gerne mag, ist guter deutscher Schlager. Ich muss gestehen, dass ich ein großer Udo-Jürgens-Fan bin und da tatsächlich auch schon auf dem einen oder anderen Konzert war. Ja. Also, ich höre nicht viel Musik in meiner Freizeit, aber wenn, dann mal so Gute-Laune-Musik.

Haben Sie musikalische Vorbilder?

Ja, als Dirigent hat man immer musikalische Vorbilder. Es gibt einfach da so viele geniale Menschen, die diesen Job ausgeübt haben oder noch ausüben, dass man da ohne Vorbilder gar nicht auskommt. Da sagen wahrscheinlich auch alle Dirigenten dieselben Leute. Natürlich ist Carlos Kleiber jemand, der unerreicht ist, was die musikalische Interpretation, aber auch seine Art zu dirigieren angeht. Ein anderes Vorbild ist einfach immer noch mein Dirigier-Professor in Detmold, Karl-Heinz Bloemeke, dem ich wahnsinnig viel verdanke, und der für mich sowohl in musikalischer und dirigentischer aber auch in menschlicher Hinsicht ein großes Vorbild ist.

Haben Sie eine Lieblings-Opernaufnahme?

Ja, ich mag ganz gerne von Eugen d’Albert „Tiefland“. Ich glaube, es gibt gar nicht wahnsinnig viele Aufnahmen davon. Ich habe eine mit Rene Kollo und Eva Marton, eine ganz tolle Aufnahme.

Hatten Sie auch schon internationale Auftritte?

Ich habe Klavier am Bosporus in „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ gespielt, in Kostüm und Maske. (Beide lachen ausgiebig.) Nee, ich glaube, das ist das einzige, was jetzt so international hier angefügt werden kann.

Braucht ein Dirigent Kondition, und was tun Sie dafür?

Es ist auf jeden Fall nicht zu leugnen, dass eine Vorstellung zu dirigieren schon eine wahnsinnige körperliche Anstrengung ist und das schon sicherlich auch eine gewisse körperliche Kondition erfordert. Ich gehe ganz klassisch ein- bis zweimal die Woche ins Fitness-Studio und stelle mich da auf den Cross-Trainer und mache noch so ein bisschen Zirkeltraining, um mich körperlich fit zu halten. Es ist schon auch ein Job, der manchmal auch gerade auf den Rücken geht, man steht sehr lange und viel, und da muss man auch, glaube ich, ein bisschen Prävention betreiben, dass man diesen Job wirklich lange ausüben kann und da die richtigen Muskeln stärkt.

Müssen Sie sehr diszipliniert leben als Dirigent?

Ich weiß nicht, ob man es muss. Ich tu’s nicht. (Lacht.) Nein, also, im Gegensatz zu Sängern, die natürlich immer vor allen Dingen ihre Stimme im Auge haben müssen, ist das bei uns nicht ganz so extrem. Für mich ist es sehr wichtig, dass ich genug schlafe, gerade wenn ich anstrengende Proben oder Vorstellungen habe. Dass man am Abend wirklich ausgeruht ist, dass man sich den Tag so gestaltet, dass man sich mittags vor der Vorstellung wirklich noch mal ein Stündchen hinlegen kann und dann abends wirklich fit ist. Weil man ja doch zu relativ ungewöhnlichen Arbeitszeiten arbeitet, oder eben spät am Abend eben noch zu höchsten Konzentrationsleistungen bereit sein muss.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein. Habe ich nicht.

Ist das ein Nachteil, oder empfinden Sie es als Nachteil?

Es gibt sicherlich Momente, wo man denkt: Ach, warum hat man es nicht?! Aber wenn ich an meinen ersten Gehörbildungs-Professor denke – der hatte es, wenn ich mich recht erinnere, auch nicht – der hat immer gesagt, dass das absolute Gehör auch nicht nur Vorteile hat. Gerade wenn man auch Alte Musik macht, wo oft etwas nicht in 440 aufgeführt wird. Ich glaube, ein gutes relatives Gehör zu besitzen, ist genauso viel wert.

Wie bereiten Sie sich auf ein neues Stück vor?

Ja, da gibt es immer diese klassischen Antworten, die man sagen muss: dass man sich zuerst das Buch durchliest und dann den Klavierauszug in langen Nächten sich erst lesend erarbeitet, oder die Partitur. Bei mir ist es tatsächlich so, dass ich mir zuerst den Auszug nehme und einfach spiele und dazu singe. Ich scheue es auch nicht, mir früh eine Aufnahme dazuzunehmen und einfach mal reinzuhören. Oder sich auf Youtube durchzuklicken, was es da so gibt. Tatsächlich sollte man dann die Aufnahmen beiseite legen und sich dann das Werk wirklich für sich erarbeiten und erst spät wieder die Aufnahmen hinzuziehen, aber um so einen ersten Eindruck zu bekommen, kann man auch einfach die Medien, die einem zur Verfügung stehen, nutzen..

Kommen wir zur Neuproduktion „Der Mikado oder Die Stadt Titipu“ von Gilbert & Sullivan. – Waren Sie schon mal in Japan?

Nein, ich war bisher weder in Großbritannien noch in Japan.

Kennen Sie auch andere Stücke von Gilbert & Sullivan – außer den „Piraten von Penzance“ natürlich, die hier am Haus gelaufen sind?

Mir ist bisher auch nur die „Piraten von Penzance“ begegnet, hier. Das habe ich zwar nicht selber dirigiert oder gespielt, aber ich habe da ein paar Vorstellungen von gesehen und die Wiederaufnahmeproben, und habe mich jetzt im Zusammenhang mit dieser Neuproduktion ein bisschen mit Gilbert & Sullivan beschäftigt, auch ein bisschen Musik gehört abseits seiner komischen Opern.

Haben Sie für diese Inszenierung eine eigene Fassung von DER MIKADO erarbeitet, oder ist das die Original-Partitur?

Es war tatsächlich nicht so einfach, an das Original zu kommen, aber natürlich ist das angestrebt und wir haben es jetzt auch geschafft, weil der Verlag, von dem wir die deutschen Aufführungsrechte haben, nur eine bearbeitete Orchesterfassung in seinem Sortiment hatte, obwohl sie mit der Originalbesetzung geworben haben. Aber nach langem Hin und Her ist es uns jetzt gelungen, wirklich die Original-Instrumentierung von Sullivan zu bekommen, und ich finde, das sollte auch im Jahr 2011 oberste Priorität sein, dass man so was in seiner Originalgestalt aufführt. Wir machen auch mit Ausnahme einer Musiknummer alle Stücke.

Können Sie uns verraten, welche gestrichen ist?

Dieses große Trio mit Chor im zweiten Akt. Das ist einfach in unserer deutschen Fassung nicht drin.

Wie würden Sie MIKADO musikalisch beschreiben?

Das Komponistenduo – nein, so sagt man immer, aber es ist der Komponist Sullivan, der in Verbindung mit dem Textdichter Gilbert diese komischen Opern geschaffen hat – hat da einfach eine sehr spezielle und eigene Tonsprache geschaffen, die auf den ersten Blick sehr, sehr trivial erscheint. Es ist harmonisch, alles sehr, sehr überschaubar, es sind kurze, einprägsame Melodien, die man spätestens nach dem zweiten Hören gut mitpfeifen kann. Ich sage mal, es ist jetzt von dem musikalischen Gehalt natürlich nicht mit einer Beethoven-Sinfonie oder einer Wagner-Oper zu vergleichen. Trotzdem ist es so professionell gut und geschickt gemacht, dass es einfach den Nerv des Publikums und des Zuhörers trifft und auch alle Beteiligten, also auch die Musiker, sofort Spaß daran haben. Nur ist es, sagen wir, im besten Sinne gefällige, unterhaltende Musik.

Aber sie hat schon auch einige Besonderheiten. Zum Beispiel taucht mitten im Japanischen ein Madrigal auf. Ist es zwingend, dieses Musikstück an dieser Stelle zu haben, oder ist es einfach ein Spleen von Gilbert & Sullivan, in jedem ihrer Stücke ein Madrigal zu haben?

Ich würde das nicht als Spleen bezeichnen. Ich glaube, tatsächlich gehört das zu ihrem Konzept. Und dieses Stück spielt halt zufällig in Japan. Es könnte auch in Afrika oder auf irgendeiner Insel in der Antarktis spielen. Ich glaube, es ist zufällig Japan, und auch die musikalischen Anklänge an Japan sind ja durchaus sehr überschaubar. Sie hatten einfach nicht den Anspruch, wirkliches Japan abzubilden, weder auf der Szene noch in der Musik. Und deshalb kommt es vielleicht sogar ihrer Aussage dieses Stücks sehr nahe, dass sie da etwas typisch englisches, dieses Madrigal, hineingepackt haben. Weil sie ja eigentlich dem Publikum die eigene Welt vor Augen führen wollen und das nur immer anscheinend woandershin verlagert haben, in eine x-beliebige Stadt nach Irgendwo. Und deshalb spricht das für ihr Konzept.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Wenig, tatsächlich. Also am Abend selber bin ich jetzt nicht nervös in der Form, dass ich irgendwie Herzklopfen habe. Vielleicht mal schwitzige Hände. Aber ich habe nicht dieses direkte Lampenfieber unmittelbar vor der Vorstellung oder in der Vorstellung. Ich bin eher den ganzen Tag über sehr hibbelig, vielleicht auch schon in der Nacht davor. Was könnte alles passieren, was kann alles schiefgehen, woran muss ich denken?
Aber ich brauche Rituale. Also, ich muss mir beispielsweise wirklich unbedingt immer noch mal einmal vor der Vorstellung kurzfristig die Zähne putzen. Ich weiß auch nicht, das habe ich seit Jahren, und ich glaube, das ist so ein bisschen Aberglaube. So wie manche andere Kreuzzeichen machen oder sich ihr Maskottchen mitnehmen.

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Was soll ich sagen? Für mich ist es das Größte, Oper zu dirigieren. Also, abends in so einem wunderschönen Raum zu stehen, so wunderbare Musik zu machen und das dann auch noch entscheidend mitgestalten zu können. – Das Nervigste. Keine Ahnung. Was ist denn das Nervigste? Manchmal mit den Widrigkeiten des Repertoiresystems kämpfen zu müssen. Dass man eine Sache sich erarbeitet und probt und eigentlich nach einer Probe etwas auf einem tollen musikalischen Stand hat und vielleicht auch noch in der ersten Vorstellung, und dann aber ab der zweiten oder dritten Vorstellung eine völlig andere Besetzung auf der Bühne oder im Orchestergraben hat, und da dann einfach nicht mehr die Qualität erreicht, die man sich manchmal wünscht.

Haben Sie ein Wunsch-Stück, das Sie gerne dirigieren möchten?

Das nächste kommt jetzt, als nächstes im Dezember in Hannover: „La Boheme“. Ich glaube, das ist ein Traum-Stück eines jeden Dirigenten. Ebenso gefürchtet, natürlich. Aber damit erfülle ich mir jetzt schon den nächsten Wunsch. Gerade kommen ganz viele Wunsch-Stücke nacheinander, das ist ganz toll.

Sie haben am Anfang gesagt, Sie waren schon ab dem Alter von vier Jahren an Musik interessiert. Gab es aber irgendwann mal in Ihrem Leben auch mal den Wunsch, etwas anderes zu machen?

Klar überlegt man sich mal so kurz vor dem Abitur, bevor es so richtig ernst wird: „Hm, vielleicht mache ich doch noch mal was anderes.“ Und dann hat man auch Familienangehörige, die sagen: „Ah, willst du nicht mit dem guten Abitur vielleicht doch was Anständiges machen und Rechtsanwalt oder Arzt werden?“ Ich habe tatsächlich mal kurz über Arzt nachgedacht, und auch mal über Lehrer. Lateinlehrer wäre ich vielleicht geworden, aber eigentlich stand das nie wirklich zur Debatte. Also, das waren nur mal so Überlegungen – man weiß ja auch nie, ob das mit den Aufnahmeprüfungen klappt –  was es für Alternativen gegeben hätte, aber der eigentliche Wunsch war immer, Musiker zu werden.

Dann sage ich ganz herzlichen Dank für dieses Interview und Toi-toi-toi für die Premiere von DER MIKADO.

Ja. Danke schön, also für’s Interview, nicht für’s Toi-toi-toi!

 

Interview vom 13.11.2011

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Interview mit Frances Lucey

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Liebe Frau Lucey, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben für ein Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns doch bitte etwas von Ihrem Werdegang.

Also erst mal: Vielen Dank für die Einladung! – Ich bin gebürtige Irin, in Dublin geboren, und kam mit 22 Jahren nach Deutschland. Vorher hatte ich schon einen Bachelor-Abschluss in Musik und Sprachen gemacht, ich hatte an der Universität in Dublin studiert, und Gesang nebenbei. Aber mein Ziel war, Sängerin zu werden. Ich hatte die Möglichkeit bekommen, ein Vorsingen für das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper zu machen. Es war erfolgreich, zu meiner Überraschung. Ich wusste gar nicht, was das wirklich hieß. Deswegen kam ich nach München, war zweieinhalb Jahre im Opernstudio, wurde dann übernommen ins Ensemble der Staatsoper, und nach neun Jahren als Ensemblemitglied habe ich dann gewechselt und kam dann ins Gärtnerplatz-Ensemble.

Gab es dafür Gründe? Das Repertoire im Gärtnerplatztheater?

Ja. Zum einen das Repertoire, weil Musical mich sehr reizt, und mir wurde versprochen, dass ich „West Side Story“ singen könnte, und das finde ich ein tolles Stück. Außerdem wusste ich, dass es schwer sein könnte, in der Staatsoper länger als zehn Jahre zu bleiben. Das war zur Zeit von Peter Jonas. Er hat mich sehr, sehr gemocht. Aber manchmal ist man dann plötzlich nicht mehr so beliebt. Ich fühlte mich dann nicht mehr so wohl, und deswegen habe ich ein bisschen geschaut. Ich hatte zu der Zeit Vorstellungen als Despina in „Cosi fan tutte“ und konnte Herrn Schulz zu einer Vorstellung einladen. Er war begeistert, und das hat mir dann die Möglichkeit verschafft, hierher zu kommen.

Wie sind Sie zu dem Beruf der Opernsängerin gekommen?

Eine gute Frage, weil: Mein Vater war gar nicht glücklich. Er hat sich große Sorgen gemacht. Ich bin eines von fünf Kindern, und er wollte eigentlich fünf Ärzte haben. Meine Mutter ist Ärztin, er war Ingenieur, und er hat es so weit gebracht, dass drei von den fünf Ärzte wurden. Ich bin die Jüngste, ich habe tatsächlich immer gesungen. Auch als vierjähriges Kind stand ich vor der Schule und habe für viele Leute gesungen. Es war immer ein Hobby. In Irland ist es dann schwierig, sich ein Leben als Opernsänger vorzustellen. Man muss natürlich Irland verlassen – obwohl, das ist nicht das Problem, das machen viele sowieso. Es war überhaupt nicht selbstverständlich, aber ich habe dann meinen Vater überzeugt, dass ich wenigstens Musik studieren sollte und Gesang. Und ja, dann hat er gesehen, dass ich wirklich Ehrgeiz hatte. Es war nicht so, dass er gesagt hat: „Auf keinen Fall!“ Ich habe ihn verstanden. Er wollte nur, dass ich nicht plötzlich auf der Straße lande. Ich glaube wirklich, die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen, hat es für mich möglich gemacht. Sonst, wahrscheinlich, wäre es nicht gegangen. Aber – ja, der Traum war immer da. Aber ich habe durchaus auch an Jura und ganz viele andere Sachen gedacht. Aber die Bühne kannte ich gottseidank von Schulaufführungen, ehrlich gesagt. Und auch Gesangswettbewerben. In Irland haben wir eine Tradition von Musikfestivals, die heißen auf Gälisch „Feis Ceol“, „Ceol“ ist das Wort für „Musik“. Da habe ich im Alter von zehn bis achtzehn Jahren jedes Jahr mitgemacht und verschiedene Preise und Pokale gewonnen, es war immer ein ganz großes Interesse. Und dann mit 17 Jahren, glaube ich, traf ich meine erste Gesangslehrerin. Eine ganz verrückte, große Persönlichkeit, aber sie hatte tatsächlich eine Karriere in Covent Garden gehabt. Und sie konnte einem wirklich zeigen, was es bedeutet. Ich habe schon sehr viel von ihr gelernt. Und zur Zeit hat meine ehemalige Lehrerin, Veronica Dunne, in der Staatsoper noch eine Schülerin: Tara Erraught.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Das war sehr gemischt. Da war Klassik dabei, auch sehr viel Musicals, sehr viel Gilbert & Sullivan (lacht), weil fast alle in meiner Familie singen. Auch sehr viel traditionelle irische Musik. Bei Familienfesten oder Familientreffen, da wurde musiziert. Und so hatte ich eigentlich zu der Zeit eine sehr lockere Einstellung zum Singen: Jeder musste singen, also meine Tante hat immer dieses Lied gesungen, oder mein Onkel jenes Lied. Dann kamen Freunde mit traditionellen irischen Instrumenten wie bodhran und uilleann pipes, das war schon toll. Es passierte nicht jedes Wochenende, aber schon öfters, so 6-7 Mal im Jahr. Dann habe ich auch Klavier gespielt, mein Bruder auch. Ja, dann haben wir auch natürlich klassische Musik gehört, aber, Singen, das war irgendwie schon immer im Haus. Einer von uns hat immer gesungen. Es war für mich dann ein bisschen ein Problem, als ich nach Deutschland kam, und plötzlich musste ich sagen, in welchem Fach. Und ich sagte: „Ja, Sopran.“ (Kichert) Punkt. Vorher habe ich an so etwas nicht wirklich gedacht. Ich habe einfach alles gesungen, was mir gefiel. Aber Tosca nicht, das gebe ich zu. Oder Brünnhilde. (Lacht)

Sie spielen Klavier. Spielen Sie auch noch ein anderes Instrument?

Leider nein. Ich hätte sehr gerne die irische Harfe gelernt oder studiert, das ist eine sehr schöne Kombination. Die ist kleiner als eine Konzertharfe. Oder Orgel fand ich auch ganz toll, aber kam leider nicht dazu. Das Singen hat dann schon mit 17, 18 Jahren die Oberhand gewonnen. Und das Klavierspiel wurde auch vernachlässigt, muss ich sagen. Ich kann noch spielen, aber ich möchte nicht als Pianistin auftreten (Lacht).

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Wenn ich ein Stück gelernt habe, dann kann ich es. Ich weiß nicht, ob das ein Segen ist oder nicht, manchmal muss man sich einfach anpassen innerhalb des Ensembles oder so. Und man muss sowieso kontrollieren, denn oft ist es so, dass man wirklich nicht weiß, wie es da draußen klingt. Aber ich bin froh, dass ich, wie gesagt, ein sehr gutes Gedächtnis habe. Wenn ich etwas wirklich gut studiert habe, dann weiß ich: Das ist der Ton. Und ich singe sehr viel a-capella, aber das kommt eher von der irischen Kultur. Da singen wir sehr viel a-capella.

Sie sprechen sehr gut Deutsch.

Oh, danke! Ich weiß nicht, ob meine elfjährige Tochter einverstanden wäre.

Englisch sicher auch, und vermutlich auch Irisch. Sprechen Sie noch weitere Sprachen, und singen Sie auch in weiteren Sprachen?

Ja. Ursprünglich für meinen Bachelor habe ich Französisch und Italienisch auch studieren müssen, und gar kein Deutsch. Ich kam ohne Deutsch nach Deutschland. Ich fürchte, dass Deutsch natürlich jetzt auch viel stärker präsent ist in meinem Gehirn. Mit Gälisch – leider habe ich das nicht so gemocht in der Schule. Das war vielleicht ein bisschen wie Latein hier ist für manche Kinder, es war ein Pflichtfach, und das bereue ich wirklich. Aber ich singe schon auf Gälisch. Für mich die schwerste Sprache – ich habe Xenia in „Boris Godunov“ auf Russisch gemacht an der Staatsoper, und das fand ich sehr schwer. Wenn es wirklich kyrillisch geschrieben ist, erkennt man gar nichts. Das fand ich schwer. Aber Französisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Englisch – das ist so quasi leicht.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Musikalische Vorbilder? Ja, auf jeden Fall. Von Sängern? Das auf jeden Fall. Janet Baker kommt mir da sofort in den Sinn. Wir haben sehr viel von ihr gehört als Kinder, und auch Victoria de los Angeles. Die mochte meine Mutter sehr. Von der jetzigen Generation finde ich Garancha super. Jetzt habe ich zwei Mezzi erwähnt. Das ist tatsächlich ein bisschen ein Dilemma. Ich liebe diese dunklen Stimmen. Und das ist immer so ein Zwiespalt, denn – ja. Ich glaube nicht, dass ich wirklich sehr dunkel bin. Musikalische Vorbilder? Blasinstrumente imponieren mir immer sehr. Wenn eine Oboe ein schönes Legato hat, finde ich das wunderschön. Klaviermusik ist natürlich wunderbar. Aber es ist perkussiv. Die ganz Großen schaffen auch wunderbare Legati, aber ich glaube, von Blasinstrumenten und Sängern hoffe ich am meisten zu lernen.

Und szenische Vorbilder? Ich denke da an diese wunderbare Venus in „Orpheus in der Unterwelt“.

Da fällt mir eigentlich kein Name ein. Ich mag sehr viele Comedians. Lachen finde ich immer das Beste.

Welche Opern-Aufnahmen hören Sie privat am liebsten?

Hmm. Komischerweise höre ich am liebsten zu Hause Lieder, da fühle ich mich sehr wohl. In den 90er Jahren, bevor meine Tochter geboren ist, habe ich auch sehr viele Liederabende machen können, das war super. Aber von Opern – ooch, da so die ganze Palette. Sehr gerne Barock. Natürlich die Bach-Passionen, wunderbar. Das ist natürlich nicht Oper. Aber dann auch bei einer Puccini-Oper hinzuschmelzen, das ist wunderbar. Schwer zu sagen. Aber ich höre sehr gerne Klavier und Lieder in Kammermusik. So die kleinere Besetzung.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Ja, ich habe einen sehr guten Agenten in Amerika, und durch ihn habe ich das Glück gehabt, in der Carnegie Hall aufzutreten, und auch in New York sehr viel, und dann auch mit der Seattle Opera und in Washington. In Amerika kam so einiges. Zuhause in Irland natürlich auch. Das war es eigentlich. Und sonst – o doch, in Spanien auch, da habe ich auch Oratorien gemacht und so. Aber wie Sie wissen, seit zehn Jahren bin ich eher Mutter, würde ich sagen, als Sängerin. Da bin ich sehr dankbar für das deutsche System hier. An ein Haus gebunden zu sein, gibt einer Sängerin große Sicherheit.

Sie haben ja gerade schon erwähnt, dass Sie Familie haben. Was für Komplikationen ergeben sich aus dem Lebensrhythmus eines Opernsängers an einem Ensembletheater?

Ja. Das Theater an sich ist nicht für Leute mit Familie gedacht. Komischerweise, das hat meine Mutter, als ich noch Studentin war, und noch an gar kein Theater gebunden war, auch gesagt: Meine Güte, du hast immer eine Probe, wenn wir essen müssen. – Das ist wirklich wahr! Wir arbeiten vormittags und dann hauptsächlich abends. Hier zumindest in Deutschland, das ist nicht überall so. Und ja, das ist genau die Zeit, wo man sonst denkt, dass die Familien zusammenkommen. Essenszeiten, die Abende natürlich, wir sind sehr viele Abende weg. Oder dass ich jetzt aufpassen muss und nicht zuviel reden oder nicht zu laut werde. Inzwischen versteht das meine Familie schon, wenn ich schweige oder meine Stimme schone, aber manchmal denken sie: „O mein Gott, jetzt spinnt sie wieder.“ Ich nehme an, wir erscheinen ziemlich eigen manchmal für Leute, die nicht verstehen, dass die Stimme doch für die meisten Leute fragil ist. Es gibt schon Sänger, Dennis O’Neill, vielleicht kennen Sie ihn noch, ein Waliser Tenor, der hat immer voll gesungen, bei jeder Probe, alles. Und ich habe ihn bewundert. Das konnte ich nie. Ich muss schon schauen – ich muss meine Stimme einteilen. Und das macht manchmal das Zusammenleben schwer. Man muss egoistisch sein und sich zurückziehen, und das fällt mir auch schwer, denn ich bin eigentlich gesellig. Deswegen sind Gastspiele, auch wenn sie manchmal ein bisschen einsam sind, plötzlich, was weiß ich, sechs Wochen in Seattle alleine zu sein – aber man hat den Luxus, sich nur auf sich zu konzentrieren. Super.

Was tut denn Ihrer Stimme gut, außer, sich ein bisschen zurückzunehmen, und was ist gar nicht gut für sie?

Reden. Reden, und ich rede viel. (Lacht.) Ja. Da muss ich aufpassen, wenn ich innerhalb einer Gruppe bin, dass ich nicht versuche, dem Lautstärkepegel zu entsprechen und auch lauter werde. Feiern, zuviel reden. Gottseidank trinke ich sowieso nicht. Das dehydriert, und das wäre nicht gut. Schlafen ist natürlich auch, finde ich, sehr erholsam, wenn man vielleicht ein bisschen länger schlafen kann. Man muss natürlich auch diese Balance finden zwischen Zuviel, oder dass man rechtzeitig aufsteht, bevor die Vorstellung losgeht oder so. Aber ich versuche auch, normal zu sein. Als ich im Opernstudio angefangen habe – und man muss natürlich auch noch bedenken, ich komme aus einer Arztfamilie, und als Kind musste ich wirklich dem Tode nahe sein, wenn ich die Schule nicht besuchen durfte. Und das, glaube ich, war gar nicht schlecht. Denn für mich war das Opernstudio plötzlich wie die Schwarzwaldklinik. Die kamen alle: „Oh, heute ist das. – Oh, ich glaube, jetzt spüre ich was.“ Und ich dachte: „Mein Gott, was haben die alle?“ Und das kann ansteckend sein. Ich verstehe es auch: Wenn man nervös ist, kann man sehr schnell was kriegen, tatsächlich. Oder man bildet sich das ein. Es ist so viel Psychologie dahinter. Und ich glaube, es ist ganz gut, dass ich diese harte Schule in der Kindheit hatte: Krank sein ist was anderes. Und da muss man diszipliniert mit sich selber umgehen: Nein, komm, es ist okay. Es wird schon gehen. Und es gibt natürlich ein-, zweimal im Jahr, wo man unbedingt dann absagen muss. Ich habe es einmal erlebt, lange her, bei „Die Sache Makropulos“ mit Hildegard Behrens in der Staatsoper. Ich hatte irgendeine Magen-Darm-Geschichte und fühlte mich wirklich nicht wohl. Ich bin sogar umgekippt in meiner Wohnung vorher und ich dachte: „O Gott, schaffe ich die Vorstellung heute Abend?“ und habe eine Ansage gemacht. Und da kamen einige Sänger auf mich zu und sagten: „Ja, was ist los? Aber die Stimme ist in Ordnung!“ Ich habe gesagt: „Es war eigentlich nicht die Stimme!“ – Also für Sänger gibt es nur eine Möglichkeit. (Lacht.) Ich fühlte mich sonst schrecklich unwohl. Am besten, wenn man krank ist, dann einfach ganz absagen. Ansagen finde ich etwas problematisch.

Was tun Sie für Ihre Kondition? Oder brauchen Sie überhaupt Kondition als Opernsängerin?

Ja, doch, doch, schon. Oh, ich habe schon Fitness-Studios und alles mögliche gemacht. Seit einem halben Jahr habe ich einen Hund (lacht), und ich bin tatsächlich eineinhalb bis zwei Stunden mit ihm draußen, und das finde ich super, die frische Luft. Ich habe wirklich auch nichts gehabt, seit ich Lucky habe. Das ist ganz gut. Natürlich, selber üben, dann hofft man, dass die richtige Muskulatur gestärkt und entwickelt wird. Aber man muss schon fit sein. Glaube ich schon. Ja.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?

Als erstes geht man einfach mit dem Highlighter durch, ganz banal. Dann lese ich es, und ich versuche zuerst den Rhythmus, und Text. Ich spreche den Rhythmus zuerst vor. Ich versuche es dann, in kleine Abschnitte für mich aufzuteilen, so, dass es leichter ist zu lernen, und dass ich auch genau sehe, wo es ein Problem geben könnte. Ich versuche, ziemlich weit zu kommen ohne Repetition. Natürlich, hier im Theater ist das anders, man hat sehr früh Repetition. Aber wenn ich etwas außerhalb des Theaters lernen muss, mache ich das so. Und dann arbeite ich dann doch intensiv, aber ich möchte das Gefühl vorher haben, ich habe wirklich so viel wie möglich alleine gemacht. Und dann aufnehmen, natürlich, viel aufnehmen und selber hören, was manchmal schwer fällt. Denn du denkst: Oh, das war bestimmt toll! Und dann bist du manchmal so etwas von enttäuscht von dem Ergebnis. Aber das muss sein. Ja, und natürlich viel üben!

Sie haben vorhin gesagt, Sie haben in der Kindheit schon Gilbert & Sullivan gehört. Sie sind damit vermutlich die Gilbert & Sullivan-Expertin an diesem Theater.

O nein, das möchte ich nicht sagen!

Haben Sie denn schon mal vor den PIRATEN VON PENZANCE, in denen Sie ja auch mitgewirkt haben, schon mal Gilbert & Sullivan gesungen?

Jaa, ja, ja. Yum-Yum hatte ich gemacht, Mabel hatte ich gemacht, natürlich. „Trial by Jury“ und auch „Iolanthe“.„Pinafore“ habe ich selber nicht gemacht, aber innerhalb meiner Familie waren „Pinafore“, MIKADO und die PIRATEN die beliebtesten Stücke.

Wird es eine traditionelle Inszenierung?

Halb-halb, würde ich sagen. Ich war nicht sicher, denn die PIRATEN waren sehr traditionell, und ich hatte das Gefühl, der Regisseur wollte sich vielleicht nicht selber wiederholen. Ich bin angenehm überrascht zu sehen, dass er das nicht tut, und trotzdem – Es ist eine gute Balance, würde ich sagen, zwischen modern, von der Ausstattung, und trotzdem japanisch. Und dass wir auch Gilbert & Sullivan entsprechend spielen. Ich bin zufrieden, wirklich. Ich war am Anfang nicht sicher: Wird es wieder gut klappen? Aber ich fühle mich wohl, es ist jetzt traditionell genug. Wir müssen nicht an irgendetwas kleben, natürlich, das wäre auch falsch.

Sie übernehmen die Partie der Yum-Yum. Erzählen Sie uns ein bisschen davon.

Yum-Yum ist das junge Mädchen, das jetzt aus dem Internat kommt. Sie ist schon Koko, dem Schneider, versprochen, mit ihm verlobt. Da ist sie nicht begeistert, weil Koko viel älter ist als sie. Sie will leben, sie will etwas erleben. Eine sehr angenehme Partie zu singen. Insgesamt finde ich, Mikado hat sehr schöne Melodien. Sie soll auch spritzig sein, aber sie hat eine sanfte, runde Seite. Aber ist, ja, hoffentlich auch witzig. Das ist mein Ziel.

Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation dieser Rolle gehabt?

Ich konnte mit dem Regisseur Holger Seitz schon darüber reden, wie ich es schon erlebt habe. Das ist natürlich nicht immer der Fall. Viele Regisseure wollen das nicht wissen. Das war sehr schön. Auch mit Benjamin Reiners, dem Dirigenten. Das war sehr schmeichelhaft, dass er zuhören wollte, was ich schon gehört hatte. Ansonsten – Ich fühle mich sehr als ein Teil von einer Gruppe. Es ist nicht so, als ob ich plötzlich sage: Ich will unbedingt zwei Schritte vor den anderen stehen. Das entspricht nicht meinem Wesen. Ich will mich eigentlich anpassen und trotzdem der Rolle gerecht werden.

Was ist das Schönste an Ihrer Partie – Sie haben gerade schon erwähnt, dass sie sehr rund ist und sanft – und was ist das Schwierigste daran?

Ja, manches scheint sehr leicht und sehr einfach. Ich glaube, das ist eine Binsenweisheit: Was leicht scheint, ist meistens nicht so. Man muss es trotzdem machen wie der Schwan auf dem See, so elegant oben: Man sieht überhaupt keine Mühe, aber unter dem Wasser arbeitet er wie verrückt. So muss es bei uns auch sein. Das Lied von Yum-Yum liegt mir sehr am Herzen, und das muss mühelos und schwebend klingen. Das ist manchmal leichter, und manchmal nicht.

Yum-Yum ist, wie Sie vorhin schon gesagt haben, ein junges Mädchen, das gerade aus dem Internat kommt und sich in Nanki-Poo verliebt. Aber als sie dann hört, dass sie, wenn er stirbt, mit verbrannt werden soll, da flacht die Liebe dann schon ein bisschen ab. Ist sie wankelmütig?

Nein, ich sehe das nicht so: Koko hat auch vorher im Finale eins gesagt, dass er bereit ist, Yum-Yum aufzugeben. Und er liebt Yum-Yum sehr, keine Frage! Aber er liebt sich selber mehr. Da, finde ich, ist Gilbert einfach vernünftig. Let’s be honest! Wie viele wollen wirklich lebendig begraben werden, auch für den schönsten Adonis der Welt? Ein brutaler Tod! Das verzeihe ich ihr. Ich sehe das nicht als wankelmütig, aber das ist schon viel verlangt, oder? Nicht realistisch. Und vor allem glaube ich, das ist auch das Schöne an Gilbert und Sullivan: Die zeigen die Ideale, und wichtige Leute, Autoritäten, und sagen: Komm. Let’s look at what it really is like. Schauen wir es uns an, wie es wirklich ist: Die meisten Leute, die wichtige Positionen haben, haben keine Ahnung. Die meisten Leute, die sagen, dass sie verliebt sind – naja, also: Was ist Liebe?

Aber Nanki-Poo und Yum-Yum werden glücklich am Ende.

Genau. Jaaa. Es gibt ein Happy-End. Das war lange vor Walt Disney!

Waren Sie schon mal in Japan?

Ja, das war ich, insgesamt dreimal. Ah, das habe ich vergessen bei der Frage vorher. Ja, da war ich mit Sawallisch, da war ich mit einem Projekt, in der Münchner Partnerstadt Sapporo. Da war ich mit einer Tournee für eine Kinder-Aufführung der „Zauberflöte“. Und noch einmal. In der Santori Hall habe ich auch die „Schöpfung“ gemacht.

Ist Ihnen dabei auch das traditionelle Japan begegnet?

Es war eine Augenweide. Denn es ist so voll, so viele Leute da auf kleiner Fläche. Sehr modern, sehr amerikanisch. Und tatsächlich dann doch diese Punkte von einer ganz anderen Kultur. Auf den ersten Blick denkst du: Oh, die haben zuviel von Amerika übernommen. Und dann siehst du: Nein, das stimmt nicht. Eine Hochzeit zum Beispiel. In einem Hotel, wo ich übernachtet habe, da gab es sehr viele Hochzeiten. Da war ich tatsächlich acht Wochen lang. Und, oh meine Güte, wie sie sich schmücken, Kimonos und Obis, das ist wirklich fantastisch! Ich glaube, da müsste man längere Zeit da bleiben, um es wirklich zu verstehen. Ich glaube, es ist immer noch schwierig, eine Frau zu sein dort. Als ich nach der ersten Tournee wieder zurückgeflogen und in Frankfurt gelandet bin, dachte ich: „Ja, jetzt bin ich wieder in meiner Welt, meiner Kultur.“ Obwohl ich Irin bin! Aber das war so ganz anders in Japan. Es war faszinierend.

Im MIKADO ist Kritik an der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in Großbritannien verpackt – sehen Sie da auch aktuelle Bezüge?

O ja. Komisch, als Sie gesagt haben: 19. Jahrhundert – ja, das stimmt. Ich meine, mein Gott, mit Berlusconi oder – ja, vielleicht sollte man nicht zu viel sagen. Aber Pooh-Bah ist natürlich ein fantastisches Beispiel für Korruption in Regierungen. Ja, aktuell auf jeden Fall. Ich glaube, das ist ein Teil des Reizes von Gilbert & Sullivan, oder? Nicht nur, dass die Musik hübsch ist, aber dass es immer noch so auf den Punkt trifft.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Hmm. Ich finde, es hat durchweg die stärkste Musik. Fast jede Nummer ist gut. Aber das ist vielleicht zu einfach, ich weiß es nicht. Ich glaube auch, dass es dieser Kontrast zwischen Japan und der westlichen Welt ist, das ist es auch vielleicht, eine gelungene Handlung, gelungener Text. Aber, gute Frage, denn, ich meine, PIRATEN hat auch starke Nummern. Aber es gibt so viele „winners“ in MIKADO, und so viele, die umgangssprachlich bekannt sind, immer noch, in der englischen Sprache. Ich glaube, das muss es sein, oder?

Ist der Humor dieses Stückes ein englischer, oder ist es ein allgemeingültiger?

Ich behaupte, guter Humor ist dann vielleicht doch allgemein. Aber es hat natürlich diese englischen Nuancen. Wie dieses berühmte Understatement. Ja.

Noch ein paar abschließende Fragen: Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Es kommt darauf an. Ich bin schon lange dabei, aber wenn es etwas Neues ist, insbesondere wenn es ein neues Stück ist oder vielleicht ein neuer Spielort, kann es mir auch passieren. Nicht in der Art wie viele Leute, dass ich da schwitze und flattere, nein, ich merke, dass meine Konzentration vielleicht nicht fokussiert ist oder dass ich das Gefühl habe: O Gott, jetzt bin ich müde. – Und das ist natürlich Quatsch: Das bin ich nicht. – Was tue ich? Ja, vor vielen, vielen Jahren hat eine Lehrerin mir gesagt: „The antidote to nerves is a clear conscience.“ (Gegen Nervenflattern hilft ein reines Gewissen.) Und das stimmt. Wenn man das Gefühl hat, ich habe wirklich meine Hausaufgaben gemacht, ich habe alles gecheckt, ich bin rechtzeitig ins Bett gegangen, ich habe wirklich dieses Stück in mir drin, dann muss man, auch wenn das Herz klopft, sagen: „Beruhige dich. Es wird gut.“ Und auch bei Stressbewältigung sagt man sowieso: „Denk nicht zu weit voraus!“ Denk nur an die nächste Nummer, oder den nächsten Takt, oder das, was als Nächstes passiert. Und das versuche ich.

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Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Ich empfinde es schon als sehr schön – auch wenn ich vorher gelästert habe über die Arbeitszeiten, aber die Tatsache, dass ich nicht irgendwo um 8 Uhr sein muss, oder jeden Tag das gleiche habe. Es gibt schon viel Abwechslung. – Das Nervigste ist, dass man immer selbstkritisch sein muss und immer eigentlich demütig sein muss und sagen: Nein, wir müssen wieder von vorne anfangen. Dass man immer sich selber betrachten muss, das finde ich schwer. Aber das ist nur eine Seite. Ja, es gibt sehr, sehr viel Konkurrenz. Und da muss man ehrlich sein und sagen: „Ja, das habe ich nicht gut gemacht.“ Oder Kritik, natürlich. Ob es in einer Zeitung ist, dann musst du das – ja, ich finde nicht am nächsten Tag lesen. Aber vielleicht in einem Monat oder so. Oder man hört es. Es gibt so viele Sänger, die sagen: „Ich lese es nie.“ Das stimmt. Ich suche es nicht heraus. Aber irgendjemand dann sagt: „Oh, übrigens, das tut mir leid.“ Oder: „Übrigens, Gratulation!“ Und dann siehst du es, und dann musst du wirklich ehrlich sein und überlegen: „Was ist dran? Stimmt das? Stimmt das nicht?“ Ich finde diese Nabelschau manchmal nervig.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Nein. Das klingt jetzt nicht besonders ehrgeizig, aber: Ich würde gerne viel mehr ins Oratorium gehen. Früher habe ich mehr, wie gesagt, „Schöpfung“ und „Messias“ und „Matthäuspassion“ gemacht. Ich würde gerne zurück ins Konzertfach gehen. Allerdings bin ich ein Bühnenmensch, das stimmt. Ich würde gerne … das ist jetzt ein Geheimnis: Ich würde gerne etwas spielen, ohne Gesang. Straight. Wirklich Sprechtheater. Aber ich würde es niemandem auf Deutsch zumuten. Also dann auf Englisch. (Lacht.)

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses tolle Interview und Toi-toi-toi für die Premiere!

Vielen Dank! Es hat Spaß gemacht!

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Interview mit Thomas Peters

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Herr Peters, herzlichen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben zu einem Interview für das Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns bitte etwas zu Ihrem Werdegang?

Ich habe meine Ausbildung gemacht hier in München an der privaten Schauspielschule Gmelin. Wie ich zur Schauspielerei gekommen bin, war ein bisschen ein Zufall. Ich hatte früher meine eigene Band und sollte irgendwann die Filmmusik schreiben für einen Kurzfilm, den ein Freund von mir machen wollte. Und der sagte: „Ja, du warst doch in der Schul-Theatergruppe, du kannst doch auch spielen, spiel doch noch mit.“ Da habe ich jemand kennengelernt, der eine Laienspieltruppe hat, und habe dann mit denen eine Produktion gemacht – lustigerweise war das „Der Goggolori“, was wir ja vor kurzem hier im Foyer gemacht haben, wo ich ebenfalls die Rolle des „Aberwien“ gespielt habe – rund 20 Jahre später! Sie sehen, ich habe mich gut gehalten. Dann hat sich das alles ein bisschen verselbständigt, bis ich dann eben meine Ausbildung gemacht habe. Die dauerte drei Jahre, dann kam mein erstes festes Engagement in Ingolstadt, dann kam Augsburg, und jetzt eben Staatstheater am Gärtnerplatz.

Sie haben gerade schon gesagt, Sie sind über die Musik eigentlich zu dem Beruf gekommen. Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Ich habe als Kind relativ harte Musik, also was man zur damaligen Zeit als hart verstanden hat, gehört. Heavy Metal, im weitesten Sinne, Iron Maiden, Judas Priest. Meine erste Band allerdings, also meine erste Platte, war von Supertramp. Ich habe mich dann irgendwann mal auch gelöst von Lieblingsrichtungen und habe mich in allen Sparten umgehört, was es da noch so gibt. Ich mag eigentlich heute immer noch sehr viele verschiedene Musikrichtungen. Womit ich nicht so viel anfangen kann, ist Techno, aber ich versuche gerne, mich in jede Musikrichtung einzuhören und zu entdecken, worum es dort geht.

Ich denke da an Ihre Interpretation der Rolle des Freddy Eynsforth-Hill in „My Fair Lady“. Sehen Sie sich als singender Schauspieler oder „nur“ als Schauspieler?

Ich sehe mich absolut als singenden Schauspieler. Ich mache auch nach wie vor immer noch Musik nebenher. Das hat sich für mich immer bedingt, beziehungsweise, das hat einander immer unterstützt und gegenseitig bereichert. Musikalität auf der Bühne ist essentiell wichtig, gerade auch im Schauspiel. Ich finde zum Beispiel, dass alle Texte einen eigenen Rhythmus haben. Schiller hat eine ganz eindeutige Sprachmelodie, genauso wie ein Goethe, ein Shakespeare sowieso. Auch die modernen Texte. Ich denke, es geht immer darum, die Melodie eines Textes zu erfassen, zu interpretieren und dann zu „verkörpern“.

Welches Instrument spielen Sie?

Richtig gelernt habe ich Schlagzeug und habe mir dann aber selber so ein bisschen das Bass-Spielen, das Gitarre-Spielen, und auch ein klein wenig Klavier beigebracht.

Welche Sprachen sprechen Sie, und in welchen Sprachen würden Sie auch singen?

Ich spreche sehr gut Englisch. In dieser Sprache singe ich auch mit der Band, die ich im Moment habe. Ansonsten spreche ich keine Sprache fließend. Ich habe ein bisschen Französisch in der Schule gehabt. Aber ich fände es auch sehr reizvoll, in einer Sprache zu singen, die man selber nicht fließend spricht. Ich finde zum Beispiel Spanisch eine wahnsinnig tolle Sprache. Die würde ich gerne können, aber ich bin bis jetzt noch nicht dazu gekommen, mir sie anzueignen.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Ja, natürlich ganz viele. Aber ich habe jetzt nicht ein Haupt-Vorbild, nach dem ich strebe. Ich möchte von vielen Sachen lernen und vielen Sachen etwas abgewinnen. Von daher lasse ich mich gerne von den Dingen beeinflussen, die meines Weges kommen.

Sie sind ja hier am Theater sehr vielseitig unterwegs: Musical, Operette. Welche Aufnahmen aus diesen Genres hören Sie privat am liebsten?

Ich wurde hier bislang nicht in der Oper eingesetzt in einer Singpartie. Jetzt kommt der „Henker“ im Joseph Süss auf mich zu. Wenn ich die Oper jetzt mal dazunehme, gucke ich mir eigentlich am liebsten von den Dreien eine Oper an. Lieber noch als ein Musical. Ich finde, die Oper ist so etwas Großes, Gewaltiges, das mir zum Gucken sehr, sehr viel mehr Freude bereitet als die anderen beiden.

Bevorzugen Sie eine spezielle Oper?

Nein, in dem Sinne nicht. Ich habe vor ein paar Jahren an der Staatsoper hier eine Aufführung von „Tristan und Isolde“ gesehen, da hat noch Herr Jerusalem den Tristan gesungen, der mich sehr beeindruckt hat, weil er eigentlich stimmlich im letzten Akt schon ein bisschen…ja, wie sag ich’s…ein bisschen müde war, sage ich jetzt mal. Das soll nicht despektierlich klingen. Ich habe sehr, sehr großen Respekt vor diesem Mann, weil der das trotz allem durchgezogen hat und mit einem Stolz auf der Bühne stand, auch beim Schlussapplaus, wo die eine Hälfte des Saales gejubelt und die andere Hälfte gebuht hat. Das hat mich sehr beeindruckt. Seitdem verfolgt mich diese Oper so ein bisschen. Und „La Traviata“ habe ich sehr gerne – bestimmt auch durch meine Erfahrung hier am Gärtnerplatz mit meinem Stück „Orchesterprobe, Traviata, III. Akt“.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Ja, das hatte ich schon. Ich habe ganz zu Beginn – also bevor ich mein erstes Festengagement hatte – mit der britischen Performance-Theatertruppe „Forced Entertainment“ zusammengearbeitet, was eine sehr, sehr tolle und spannende Theaterarbeit war. Das war sehr improvisativ und so eine ganz andere Art von Theater. Es war eine 24-Stunden-Performance, also wir standen tatsächlich 24 Stunden am Stück auf der Bühne. Das war damals noch eine Koproduktion zwischen dem „Spielart-Festival“ hier in München und dem Londoner Theaterfestival „LIFT“. Damit sind wir auch in München aufgetreten, und mit der Produktion sind wir dann so ein bisschen getourt. Also, wir waren eben in England unterwegs, in Holland haben wir gespielt, auch in Wien.

Gibt es Komplikationen, die sich aus dem Lebensrhythmus eines Sängers an einem Theater ergeben?

Komplikationen inwiefern?

Zum Beispiel lange Probezeiten oder geteilte Probezeiten, oder morgens eine Probe, abends ein Auftritt. Oder auch mal durchgehend frei, wenn andere Leute nicht frei haben.

Dadurch, dass ich einen kleinen achtjährigen Sohn habe, einen ganz zauberhaften kleinen Mann, wird es manchmal mit der Betreuung ein bisschen schwierig, wenn die Regisseure entweder geteilte oder lange Proben ansetzen, also der eine von 10 bis 16 Uhr, der andere von 10-14 und 18-22 Uhr. Wenn das so ein bisschen durcheinander geht, wird es bei mir mit der Betreuung ein bisschen schwierig, weil meine Frau auch berufstätig ist. Aber ansonsten gewöhnt man sich natürlich – wie an alles im Leben – auch an solche Rhythmen.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was tut ihr überhaupt nicht gut?

Überhaupt nicht tut meiner Stimme gut: Verrauchte Räume. Also da bin ich sehr empfindlich geworden mittlerweile. Früher war das nicht so dramatisch. Ich bin ein glühender Anhänger des Rauchverbotes in öffentlichen Kneipen und auch in Konzerthallen. Was meiner Stimme gut tut, ist innere Gelassenheit und Zufriedenheit.

Was tun Sie für Ihre Kondition? Müssen Sie etwas für Ihre Kondition tun?

Ich weiß nicht, ob ich etwas tun muss, ich tue es aber trotzdem. Ich gehe joggen. Das versuche ich auch dreimal die Woche zu praktizieren, um mich so fit zu halten, weil ich doch merke, dass eben die Kondition für das Singen und für das Auf-der-Bühne-Stehen wirklich das A und O ist. Zum Beispiel bei einer Doppelvorstellung von „Der Zauberer von Oz“, wo ich ja als Vogelscheuche einzeln besetzt bin. Das geht unverschämt auf die Kondition. Oder auch bei der „Fledermaus“, wo ich zwar nichts zu singen habe und auch in den ersten Akten eigentlich kaum Text – aber die ganze Zeit da zu sein und dann im dritten Akt so plötzlich das Tempo anzuziehen, diese Figur zum Frosch zu ändern…das sind so Konditionssachen, dass ich das Gefühl habe, wenn ich nichts tun würde, mich nicht um meine Kondition kümmern würde, dann würden mir solche Rollen vielleicht schwerer fallen.

Dann möchte ich gleich einmal einhaken bei der „Fledermaus“: Es ist wirklich beeindruckend, wie Sie jedesmal einen neuen Text bringen und jedesmal auf tagesaktuelle Ereignisse Bezug nehmen. Schreiben Sie Ihre Texte selber?

Ja, ich kümmere mich selber um die Texte. Manchmal ist es so ein bisschen angelehnt an aktuelle Zitate, Politikerzitate oder Ähnliches, die sehr markant sind. Und die funktionieren hier immer am besten, wenn man sie in den Kontext des einfachen Mannes setzt, der der Frosch ja letztlich ist. Diese Figur des Frosches hat natürlich auch diese Tradition, dass man das auch ein bisschen von ihr erwartet, tagesaktuell zu sein. Man kann sich hier zwar viel erlauben. Man sollte sich aber nicht zu viel erlauben, denn ich finde, es ist ein schmaler Grat der Komik, auf dem man sich hier bewegt.

Wie diszipliniert müssen Sie als singender Schauspieler leben?

Also, ich glaube, sehr diszipliniert, was gerade solche Sachen wie Kondition oder so betrifft. Ich versuche, vor Aufführungen genügend Schlaf zu bekommen. Also so ganz durchnächtigt spielen sollte ich persönlich jetzt nicht allzu oft – es kommt natürlich auch immer ein bisschen auf die Partie an. Wenn das jetzt wirklich nur eine kleine Geschichte ist, dann ist das nicht so dramatisch, aber gerade so was wie „Die Fledermaus“ oder jetzt hier auch „Mikado“, „Zauberer von Oz“ und „La Cage aux Folles“: Das kann ich mir nicht vorstellen, dass ich das auf lange Sicht durchhalten könnte, wenn ich jeden Abend feiern gehen würde und mich mit zwei Stunden Schlaf dann auf die Bühne schleppe. Ich glaube, das würde nicht sehr lange unterhaltsam sein – auch für mich nicht. Von daher möchte ich da meinen Beruf auch ernst nehmen und versuchen, auf mich acht zu geben.

Sie haben jetzt gerade schon die Neuproduktion angesprochen: DER MIKADO. Sie haben da die Rolle des Erzählers. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Also, in dem Sinne „vorbereitet“ habe ich mich auf diese Rolle eigentlich nicht, weil es ja rein von der Wesensart dieser Rolle eine ist, die so ein bisschen außen steht. Die Rolle gibt es ursprünglich in dem Stück nicht, also im englischen Original. Die wurde von, ich glaube, dem Übersetzer oder den Übersetzern dieser Fassung, die wir spielen, eingefügt. Ich habe das zunächst nur auf mich wirken lassen und habe überlegt: Was kann man machen, wie kann man das umsetzen, was die Übersetzer wollten: eine Brücke zu schlagen von der Handlung und den Darstellern zum Publikum, das Publikum an die Hand nehmen, und so ein bisschen durch das Stück führen, und das aber auf eine möglichst unaufdringliche und vielleicht auch manchmal ein bisschen bissige, vielleicht auch skurrile Art und Weise.

Erzählen Sie ein bisschen von dieser Partie. Was genau macht der Erzähler?

Wie gesagt, der Erzähler ist meines Erachtens dafür da, das Publikum durch diesen Abend zu führen, ihnen Dinge zu erklären, ihnen Dinge deutlicher zu machen oder auf Sachen hinzuweisen, und er ist auch durchaus einer, der das Geschehen so ein bisschen kritisch kommentiert. Auch, um den Leuten zu verstehen zu geben: „Ich weiß, dass ihr da seid…“ Und er bringt am Schluss das Stück zu seinem Ende.

Waren Sie schon mal in Japan?

Leider noch nicht, aber ich würde wahnsinnig gerne hinfahren. Eine der großen Städte, die ich gerne bereisen möchte, die auf meiner Liste ganz oben sind, ist Tokio.

Die Operette verpackt ja Gesellschaftskritik des 19. Jahrhunderts in den sogenannten Exotismus. Sehen Sie auch aktuelle Bezüge?

Ja, ich sehe viele aktuelle Bezüge, also ich sehe vor allem zeitlose Bezüge. Ich finde, wie in dem Stück über das Beamtentum so ein bisschen augenzwinkernd erzählt wird oder auch über die Eitelkeit der Damen und auch – in anderer Form – der Herren. Auch hat der Kollege Gunter Sonneson ein kleines Liedchen, das ursprünglich augenzwinkernd Aktualität enthalten sollte, und wir haben das…sagen wir…den momentanen aktuellen Gegebenheiten angepasst und ich finde, das tut dem Ganzen auch gut.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Gilbert & Sullivan-Stück ist?

Ich kann es nicht erklären, weil ich nicht alle Gilbert & Sullivan-Stücke kenne. Ich kann nur sagen: Ich finde, die Musik ist wirklich sehr reizend, es geht ins Ohr, es ist eine leichte Musik im absolut besten Sinne. Ich finde es auch eine sehr interessante Musik, denn ich höre manchmal Anleihen bei anderen Komponisten, Schubert zum Beispiel. Und die Mischung aus dieser Musik und die Verbindung mit Japan ist etwas, was ich persönlich so nicht kenne – das ist eine Mischung, die ganz gut aufgeht. Vielleicht macht das den Reiz aus.

Ist es eine traditionelle Inszenierung?

Das müssten Sie den Regisseur fragen. Ich würde sagen, es ist eine moderne Inszenierung mit vielen traditionellen Anleihen.

Hatten Sie Freiheiten bei der Interpretation Ihrer Rolle?

Ja. Holger Seitz hat er mir sehr viele Freiheiten gelassen. Ich spiele diese Rolle 98% mit einer Maske. Da muss man sich natürlich erst mal zurechtfinden und gucken: Was ist möglich, wie sieht das aus, wie bewegt sich diese Figur? Wir kennen uns jetzt schon wirklich sehr lange, Holger Seitz und ich. Er weiß, dass ich einer bin, der auch mal alleine an einer Rolle fummeln kann und sich so was überlegt, und das haben wir dann zusammen überprüft und dann hieß es: „Das finde ich gut, das finde ich nicht so gut, schau mal, da ein bisschen so und da könnte man ein bisschen so….“

Was ist das Schönste an Ihrer Rolle, und was ist das Nervigste?

Ich liebe es, wenn Rollen eine Körperlichkeit, also einen ganz eigenen Körper haben. Jede Rolle, finde ich, sollte auf eine eigene Art und Weise sprechen und sich bewegen können. Diese Rolle hat etwas sehr Tänzerisches, eine Mischung aus Tanz und Tai-Chi. Die Maske, die ich aufhabe, ist nicht ganz ohne, weil sie ein sehr mächtiges Trumm ist, sehr groß und sehr wuchtig, und wenn ich singe oder auch spreche, dann sammelt sich der gesamte Schall in dieser Maske und man hört von außen nichts mehr. Und der Erzähler hat eben auch drei kleine Sachen zu singen, und das ohne Mikroport-Verstärkung und – wie gesagt – oft ohne das Orchester wirklich zu hören. Und da das für mich eh etwas Neues ist, in einer Operette über das Orchester zu singen, bin ich auch sehr aufgeregt deswegen, aber der wunderbare Benjamin Reiners hat mir da sehr geholfen.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Ja, ich habe Lampenfieber. Ich glaube, dass es dazugehört, dass es auch notwendig ist, weil es einen in eine Wachheit, eine Grundspannung versetzt, die man, glaube ich, auf der Bühne braucht. Ich habe das, also bei einer großen Partie und einer großen Verantwortung, mitunter sehr stark. Aber ich versuche mich einfach durch ganz ruhiges Atmen und bewusstes Atmen herunterzuregeln, und – ja, Vertrauen zu haben. Am schlimmsten ist der Moment, bevor man auf die Bühne geht. Und wenn man dann aber auf der Bühne ist, dann verschwindet das auch meistens schnell, gottseidank.

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Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Also, das Schönste: Es ist ganz toll, solche Sachen spielen zu dürfen wie den Frosch, die Vogelscheuche, Jean-Michel. Das kann man mit Geld ja gar nicht bezahlen. Das ist so eine große Ehre, eine Chance, ja ein Glück. Ich kann da gar nicht dankbar genug sein, um dieses Glück, auch in der Vergangenheit solche tollen, großen Rollen gespielt zu haben wie den Mephisto, Don Carlos, Garcin in „Geschlossene Gesellschaft“, den Christian im Stück „Das Fest“. Da bin ich ganz, ganz dankbar.
Das Nervigste an meinem Beruf, würde ich sagen: Dass dieser Beruf so wahnsinnig subjektiv ist. Was manchmal sehr, sehr hart sein kann. Das heißt: Zwei Leute sehen ein- und dieselbe Vorstellung, ein und denselben Künstler, und der eine sagt: „Großartig!“, und der, der direkt daneben sitzt, sagt: „Der größte Mist !“ Und man selbst steht dazwischen und muss das aushalten, und sich immer wieder neu beweisen und vor jedem neuen Regisseur oder Intendanten bestehen und sich wieder neu verkaufen. Beim Eiskunstlauf kann man einen doppelten Rittberger beurteilen, den stehst du oder den stehst du nicht. Aber eine Rolle, einen Künstler, eine Interpretation, eine Nase im Gesicht kann man so oder so sehen. Das ist manchmal schwer.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ich würde wahnsinnig gerne den Higgins irgendwann mal spielen. Was das Schauspiel betrifft: Ich würde den „Theatermacher“ von Thomas Bernhard sehr gerne spielen. Später mal. Ich liebe Thomas Bernhard, das ist ein von mir ganz hochgeschätzter Autor. Und da gibt es bestimmt noch ganz, ganz viele, die mir jetzt nicht einfallen…

Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Zukunft geben?

Ich weiß bislang nur, dass ich bis Ende April noch hier bin bzw. hier gut zu tun haben werde, was danach kommt, wird man dann sehen. Ich habe großes Vertrauen in die Zukunft, fragen Sie mich nicht, woher ich das nehme…aber es wird alles gut.

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses Gespräch und Toi-toi-toi für die Premiere!

Herzlichen Dank für dieses Interview!

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