Doch bevor er sein neustes Buch vorstellte, las er von Musik begleitet seinen Beitrag zu den Freedom Papers vor. Eine Kurzgeschichte mit dem Titel State of Truth, die in Nordkorea spielt, wo 25 Millionen Menschen in einem Nationaltheater lebten uznd die Wahrheit künstlich hergestellt werde.
In North Korea sei entstanden, weil er sich gefragt habe, wer “die Nordkoreaner” seien, die Individuen in diesem Land und warum uns das wichtig sei. Ein Land, in dem 25 Millionen Menschen unfrei leben, täglich Darsteller in einem streng choreographierten Stück.
Gemeinsam mit dem Fotografen Nick Danziger reiste er auf Einladung des British Council nach Nordkorea, um dort zwölf nordkoreanische Bürger zu treffen.
In Peking bestiegen sie den Zug nach Pjöngjang, gemeinsam mit zahlreichen nordkoreanischen Händlern. Diese Nordkoreaner betreiben mit Genehmigung ihrer Regierung sei Kurzem Handel, vorwiegend mit China, und bilden die neue Mittelschicht. An der Grenze verwandeln sich die meist jungen Männer drastisch, die Kleidung nach der neusten Mode verschwindet mit den Sonnenbrillen im Gepäck, auch die Haare werden umfrisiert. Aufgrund von Befragungen und Durchsuchungen dauerte der Grenzaufenthalt rund 2,5 Stunden.
Sie übernachteten in Pjöngjang in einem der zwei für Ausländer erlaubten Hotels und hatten kaum Kontakt zu den anderen Ausländern. Einige seien ägyptische Ingenieure gewesen, die das Intra(!)net für den Mobilfunk ausbauen und auch die zahlreichen christlichen Missionare wollten ihre Ziele nicht durch Kontakt zu Journalisten gefährden.
Von Anfang an sei die Atmosphäre furchterregend gewesen. Sie wurden fast permanent von mindestens zwei Aufpassern begleitet und es wurde versucht, kaum eine der zuvor getroffenen Absprachen einzuhalten. Alle geplanten Gesprächspartner seien zu beschäftigt für ein Interview. Bei einem Besuch der “Massenspiele” mit rund 80.000 Teilnehmern und 20.000 Studenten auf den Rängen sollten sie weder Fotos machen noch mit einem der Teilnehmer sprechen dürfen. Es sei auch ein Staatsgeheimnis, wie die Studenten auf den Rängen alle 3-5 Sekunden andersfarbige Tafeln hochhalten und so komplexe Bilder entstehen lassen.
Noch am gleichen Abend fanden sie heraus, dass ihr Hotelzimmer abgehört wurde. Nick Danziger telefonierte mit seiner Frau und Rory MacLean ging in die Hotellobby, wo er die Stimmen von Nick Danziger und dessen Frau aus einem Nachbarraum hörte… Dies nutzten sie zu ihrem Vorteil und diskutierten in ihrem Hotelzimmer das lächerliche Staatsgeheimnis. Am folgenden Morgen wurde ihnen dann ein fünfminütiges Interview erlaubt.
Anfangs sei die Reise eher ein Desaster gewesen, weil nichts nach den Absprachen lief und praktisch jeder ihrer Schritte und jedes Foto und Wort streng kontrolliert wurden. Mit der Zeit fanden sie Strategien, ihre Aufpasser abzulenken, damit einer entkommen konnte um kurz einen Blick um die Ecke werfen zu können oder ein paar Worte zu wechseln.
So fanden sie heraus, dass alle Nordkoreaner ein Buch über die freiwillig geleistete Arbeit führen müssen und ein Tagebuch der Selbstkritik. Letzteres sei die Perfektion des Stalinismus, denn wöchentlich müsse ein Seite mit Kritik gefüllt werden. Zwei Drittel mit Selbstkritik, ein Drittel Kritik an Anderen.
Sie sahen am Mansudae Monument einen älteren General, der stolz erzählte, dass er im Alter von 18 Jahren 367 feindliche Soldaten getötet habe, trafen in einer Luxuswohnung im Stadtzentrum von Pjöngjang zwei dort angeblich lebende Fabrikarbeiter und einen so bombastischen wie blitzblank geputzten U-Bahnhof, der in den 1950ern von sowjetischen Ingenieuren gebaut wurde.
Mit den dort verkehrenden Zügen, die noch aus der DDR stammen und fast wie neu aussahen, durften sie erst am folgenden Tag nach einer gezielten Diskussion in ihrem verwanzten Hotelzimmer fahren.
Als Lockmittel hätten sie immer wieder eine Ausstellung genutzt, die Nordkorea gemeinsam mit den British Council in London veranstalten wollte. Auf keinen Fall wollten sie sich zum Sprachrohr der nordkoreanischen Regierung machen lassen und versuchten alle möglichen Tricks um mehr zu erfahren, zwischen den Zeilen und in der Mimik ihrer Gesprächspartner zu lesen. Zu einem Zeitpunkt wurden sie und eine Gesprächspartnerin von drei Aufpassern begleitet, die wiederum von drei weiteren Aufpassern bewacht wurden, von denen alle handschriftliche Aufzeichnungen machten.
Erst mit einer Sondergenehmigung für interne Reisen sei es ihnen gelungen, aus der Blase Pjöngjang zu entkommen und sie besuchten unter anderem einen Strand ganz ohne Aufpasser – allerdings auch ohne größere Kommunikationsmöglichkeiten, da keiner der beiden Koreanisch sprach und sich vermutlich auch dann keiner am Strand getraut hätte, öffentlich mit ihnen zu sprechen.
In einem Frisiersalon sollten sie ein Foto wieder löschen, auf dem ein Mann unter einem Poster mit 15 Frisuren saß – weil nicht 15 unterschiedliche Frisuren erlaubt seien, sondern 24. Als sie in einer Kooperative eine Familie in ihrer fingierten Luxuswohnung besuchten, sahen sie die beiden Söhne bei den Hausaufgaben sitzen. Der eine lerne für Geschichte die Biographe von Kim Il-sung, der andere löse Textaufgaben. Wenn drei nordkoreanische Soldaten 10 Imperialisten töten, wieviele Imperialisten können 30 nordkoreanische Soldaten töten?
Warum solle Nordkorea wichtig für uns im Westen sein? Seitdem er in den 1970ern die Berliner Mauer gesehen habe, eine Grenze mit Mauer und Stacheldraht mitten in Europa, habe er sich gefragt, wie es dazu gekommen sei. Gleichzeitig wollte er verstehen, was die Motive der dortigen Grenzpolizei seien, der einfachen Leute, die an sich keine Tyrannen seien. Im Kern stehe die moralische Frage, wie man selbst in dieser Situation gehandelt hätte.
Nordkorea werde als ein instabiles Regime dargestellt, während es seit 1947 von einer Familie regiert wird und versucht, Weltmacht durch Atomwaffen zu erlangen, genau wie China vor langer Zeit. In den Staatsmedien wird ausführlich dargestellt, dass Kim Jong-un mit Donald Trump auf Augenhöhe verhandelte und es werde vermitteln, dass andere Ländern Nordkorea generell beneiden.
Auf die Frage, was ohne die Familie Kim passieren würde, antwortete Rory MacLean, dass vermutlich auch ohne die Kims eine gewisse Elite an der Macht bliebe. Personen, die jetzt schon in den obersten Positionen sitzen, denn das Regime sei auf Angst und Belohnungen aufgebaut.
Das Ziel ihrer Reise sei nie gewesen, Staatsgeheimnisse zu enthüllen, sondern die nordkoreanische Gesellschaft durch Individuen zu porträtieren. Es sei sicher fraglich, ob eine solche Reise nicht mehr dem Regime nutze, das alle Devisen bekomme, aber seiner Meinung nach sei es wichtig, Zeuge des Regimes zu sein und die Situation so gut wie möglich durch Berichte zu dokumentieren.
Das Buch ist bisher ausschließlich als Ebook bei wander2wonder press erschienen.
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