Nachdem der BR diesen Beitrag leider in der Sendung “Aus Schwaben und Altbayern” vom 01.06.2011 versteckt hat, erlaube ich mir einfach mal, ihn bei mir festzutackern.
Ich halte diese Entscheidung des designierten Intendanten Josef Köpplinger für falsch. Kultur lebt selbstverständlich vom neuen Inspirationen, braucht aber auch eine gewisse Konstanz. Natürlich gibt es bei einem Intendanzwechsel, der im Hinblick auf die Umbauzeit des schönsten Theater Münchens zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kommt, auch immer einen Personalwechsel, das fängt beim Künstlerischen Betriebsbüro an und hört bei den Solisten nicht auf. Aber so einen radikalen Schnitt beim Front End, bei denjenigen, die die künstlerische Seite des Theaters nach außen, dem Publikum gegenüber vertreten, zu machen, ist unüblich und nicht nachvollziehbar. Herr Köpplinger gibt finanzielle Vorgaben als Grund für die Nichtverlängerung des gesamten Ensembles an. Wie er in diesem Interview sagt, rechnet er für sein bisheriges Haus, das Stadttheater Klagenfurt, mit einem Qualitätsverlust, weil man sich ein Ensemble nicht leisten könne.
Dazu muss man wissen, dass ein Ensemblemitglied mit einem Festvertrag eine gewisse Anzahl von Vorstellungen spielen, darüber hinaus für Proben praktisch rund um die Uhr zur Verfügung stehen, bei Vorstellungen der Doppelbesetzung am Ort sein muss, falls er einspringen muss oder eine Vorstellung geändert wird. Dafür erhält er einen festes monatliches Gehalt, von dem er alle Kosten selber trägt. Das bedeutet für Solisten, die ihren Lebensmittelpunkt nicht in München haben, doppelte Haushaltsführung und hohe Aufwendungen für Fahrtkosten, wenn sie kurzfristig eingesetzt werden.
Für das Haus bedeutet ein eingespieltes Ensemble eine gleichbleibend hohe künstlerische Qualität und Vermeidung von kompletten Vorstellungsausfällen, da entweder die Doppelbesetzung einspringen oder auch kurzfristig ein anderes Stück gespielt werden kann.
Für das Publikum sind Sänger, die man in verschiedenen Rollen an einem Haus erlebt, eine nicht zu unterschätzende Attraktion. Wenn man die Menschen, die das Theater am häufigsten besuchen, fragen würde, warum sie das tun, würde die überwiegende Mehrheit die Sänger als wesentlichen Grund angeben, da bin ich mir durch Pausengesprächen sicher. Gerade in einer Zeit, in der das Haus als Klammer wegfällt, braucht es Anknüpfungspunkte für die Stammbesucher. Das fällt bei einem Stück, das nur mit Gästen besetzt ist, weg. Das schaut man sich halt dann einmal oder vielleicht zweimal an, wenn die Inszenierung nett und die Musik ansprechend ist. Ob dann noch Leute, wie das derzeit der Fall ist, bis zu zweimal wöchentlich eine längere Anreise in Kauf nehmen, um einen bestimmten Sänger zu sehen, darf bezweifelt werden.
Ein Sänger, der als Gast an einem Theater eingesetzt wird, erhält neben einer Gage pro Vorstellung eine Probenpauschale und Reise- sowie Unterkunftskosten. Die Höhe der Gage richtet sich natürlich nach der “Qualität” des Sängers. “Junge Sänger”, wie in diesem Interview angesprochen, können natürlich noch nicht so viel verlangen. Wenn man gegenüber dem jetzigen Ensemble aber keinen Niveauverlust in Kauf nehmen will, wird man schon etwas tiefer in die Tasche greifen müssen. Und dabei ist sicher auch die Proben- und Aufführungssituation eines Theaters ohne festen Wohnsitz zu berücksichtigen, während ein festes Ensemblemitglied da spielen muss, wo es der Dienstherr will. Ob sich der ausschließliche Einsatz von Gästen wirklich immer rechnet und vor allem auch entsprechende Einnahmen generiert, bezweifle ich.
Sicher wird es in der Zeit des Umbaus nicht so viele Vorstellungen wie jetzt geben und für das En-Suite-Spielen, wie es ja in der nächsten Spielzeit schon bei Falstaff und Das schlaue Füchslein praktiziert wird, bedingt, dass man Solisten nicht durchgängig beschäftigen kann. Aber was hätte denn dagegen gesprochen, Verträge mit geringerer Vorstellungszahl bei entsprechend geringerem Festgehalt auszuhandeln? Die Solisten hätten zumindest eine Grundsicherung, die sie durch Gastverträge an anderen Häusern aufstocken können und das Theater eine verlässliche Sängerbasis, die ihre Kosten vor Ort selbst tragen und die bei Bedarf durch teurere Gäste ergänzt werden kann.
Eines sollte man bei seinen Entscheidungen immer bedenken: was in Klagenfurt funktioniert hat, muss nicht notwendigerweise in München funktionieren. Die Kulturlandschaft ist in dieser Stadt und dem Umland anders strukturiert. Es gibt hier zum Beispiel ein eigenes Musicalhaus, mit dem konkurriert werden muss. Natürlich ist die Umbauphase eine Ausnahmesituation, deshalb befindet sich Herr Köpplinger in der glücklichen Lage, keine quantitative Messlatte zu haben. Aber eine emotionale hat er, und die hat er zumindest bei mir schon gerissen. So sehr ich seine Regiearbeiten schätze, als Intendant ist er bei mir untendurch.
Schwer enttäuscht bin ich auch vom obersten Dienstherr der Bayerischen Staatstheater, Minister Heubisch. Noch während des Wirbels um die Ablösung des bisherigen Intendanten lies er versichern, dass es nicht um Kürzungen gehe. Die Aussagen von Herrn Köpplinger sprechen einen andere Sprache. Es läuft etwas falsch in diesem Land. Für Rettung von Banken stellt Bayern Milliarden zur Verfügung und setzt gleichzeitig Solisten auf die Straße. Ich kann nur für jeden einzelnen hoffen, dass er ab der Spielzeit 2012/2013 eine neue Festanstellung findet, wenn er das möchte.
Es liegt jetzt am Münchner Publikum, dem zukünftigen Intendanten und der Politik zu zeigen, dass es mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden ist.
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