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Premiere Die verkaufte Braut, 08.10.2011, Gärtnerplatztheater II

Meine Eindrücke der Premiere finden sich wieder bei mucbook 🙂

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Interview mit Tilmann Unger

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Herr Unger, vielen Dank für Ihre Bereitschaft, ein Interview zu geben für den Blog „Nacht-Gedanken“.

Sehr gerne!

Könnten Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?

Ich habe in Würzburg studiert und bin dann direkt aus dem Studium ans Stadttheater Würzburg engagiert worden. Dort war ich drei Jahre lang und habe etliche große Rollen gesungen: Tamino, Pelleas, Zigeunerbaron, Cassio, Lensky, solche Sachen. Der Werdegang ist ein bisschen unkonventionell insofern, als dass ich danach eine Babypause eingelegt habe, während der ich nur Gastverträge annehmen konnte, z.B. in Linz und Wuppertal. Danach bin ich wieder ins Festengagement gegangen, nämlich nach Augsburg, ein Jahr bevor Ulrich Peters Intendant in München wurde – schon mit dem Plan, dann mit nach München zu kommen. Mittlerweile bin ich die fünfte Spielzeit hier am Staatstheater am Gärtnerplatz.

Wie kamen Sie zum Singen?

Eigentlich mehr über das Theaterspielen. Musik war in der Familie sehr präsent, zudem hatte ich schon während der Schulzeit Gelegenheit in einem guten Chor zu singen, das war für mich auch eine Leidenschaft. Schon an der Schule, aber auch später in freien Theatergruppen in Freiburg, wo ich eine Zeit lang Musikwissenschaftsstudent war, habe ich Theater gespielt, beleuchtet und ausgestattet. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, Stimmbildung zu betreiben, und die Stimmbildung war dann so fruchtbar, dass sehr bald die Idee kam, das professionell weiter zu betreiben. Daraufhin habe ich mich an der Hochschule beworben, was sofort funktioniert hat, und ich hatte dann im Handumdrehen einen Studienplatz in Würzburg.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Als Kind habe ich, kann man sagen, fast ausschließlich „klassische“ Musik gehört, also alles im Bereich der großen sinfonischen Sachen. Viel Romantisches: Brahms, Mendelssohn, Schubert, Beethoven, um etwas weiter zurückzugehen, dann später die großen Instrumentalkonzerte, Klavierkonzerte, Schumann, Rachmaninoff, das hat mich sehr begeistert. Auch Operette habe ich sehr gern gehört als Kind. Da ist auch ein intuitiver Zugang zur Operetten-Musik entstanden, die ich heute ja immer noch sehr gerne singe und spiele. Es stört mich nicht bei der Oper, die jetzt das Kerngeschäft ist, beziehungsweise von Anfang an auch schon Kerngeschäft war. Ich mache es sehr gerne, es macht mir Freude. Ich finde, dass sich beides sehr gut ergänzt.

Also Sie teilen nicht die Einschätzung mancher Sänger, dass die Operette eher minderwertig ist?

Sagen wir mal so: Zunächst mal ist es – wenn man die Partien singt, die ich in der Operette singe – eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Operettenarien und Duette, die da zu singen sind, auch die Finali zum Teil, wenn Sie da zum Beispiel an den Zigeunerbaron denken, die sind gewaltig, auch für die Operettendiva oft wirklich eine größere Herausforderung als manche Oper. Zuweilen wird das mit gewisser Geringschätzung beurteilt, weil die Sujets oft – naja, etwas halbseiden sind und die Dialoge manchmal hanebüchen, und natürlich auch viel Gebrauchsmusik dabei ist, die eben nach einer Ausstattung, nach Tanz und ein bisschen Revue schreit, und da rümpfen dann manche die Nase. Natürlich ist Operette eine besonders anspruchsvolle Aufgabe durch die Dialoge, die in der Regel mit dabei sind. Ich sage immer, wenn ich eine Partie wie den Tassilo in „Gräfin Mariza“ singe – was ich hier gemacht habe in den letzten zwei Jahren – da habe ich einen höheren Aufwand an Stimme, als wenn ich in eine Opernpartie wie beispielsweise den Prinz in „Die Liebe zu den drei Orangen“ singe, obwohl die Orangen viel artifizieller sind und von der Tessitur ganz anders. Aber eben die großen Dialoge, auch das Melodrama, auch über das Orchester zu sprechen, das erfordert schon ein gewisses Standing.

Spielen Sie ein Instrument?

Ich habe als Kind Geige gelernt, aber das pflege ich nicht mehr, das habe ich sehr bald wieder geschmissen. Klavier hat mich dann lange begleitet und heute ist es für mich, wie soll man sagen, ein Gebrauchs-Instrument. Die musikalische Kernaktion ist und bleibt das Singen.

Hören Sie heute auch noch andere Musikrichtungen?

Nicht so viel, in Wirklichkeit. Ich spitze die Ohren gerne bei gewissen Jazz-Sachen, das erfreut mich. Ich entdecke auch neue Welten, die in meiner Jugend einfach nicht präsent waren. Ich entdecke heute viel, wobei ich sagen muss, dass ich von der schieren Lautstärke verstärkter Musik sehr schnell verschreckt werde und das Weite suche. Das führt dazu, dass ich zu manchem keinen rechten Zugang finde, weil es mir einfach zu laut ist.

Welche Aufnahmen im Bereich der klassischen Musik mögen Sie am liebsten? Gibt es eine spezielle Aufnahme, die Ihnen ganz besonders am Herzen liegt?

Könnte ich so allgemein nicht sagen. Es gibt natürlich gewisse Highlights, zum Beispiel fällt mir eine Walküren-Einspielung von Solti mit James King als Siegmund ein, oder eine Götterdämmerung unter Karajan mit Helge Brilioth, einem wenig bekannten Tenor, der einen formidablen Siegfried singt. Sie merken schon, es hängt sich ein bisschen an den Sängern auf. Sonst habe ich bei den instrumentalen Sachen immer mehrere Aufnahmen griffbereit und bin da nicht dogmatisch.

Hören Sie sich Aufnahmen der Opern an, bevor Sie die Rolle einstudieren?

Jein. Vieles kennt man natürlich, ich bin ja mittlerweile schon eine Weile dabei und habe vieles schon gehört, lange bevor ich es selbst mal zu singen bekomme. Also, man hat es gewissermaßen im Ohr, leider oft auch – wenn man über Stücke wie die „Verkaufte Braut“ redet, oder andere, die mit Übersetzung arbeiten – mit “ falschen“ Texten. Falsch im Sinne von: für die aktuelle Inszenierung nicht passend, was man dann wieder umlernen muss. Gerade bei der „Verkauften Braut“ habe ich mich ein paar Mal ertappt, dass ich in die sehr schöne Aufnahme mit Fritz Wunderlich und Gottlob Frick verfallen bin, das muss man halt dann wegarbeiten. Aber ich benutze die Aufnahmen nicht, um die Stücke zu lernen. Das ist nicht meine Art zu arbeiten.

Wie bereiten Sie sich auf eine Rolle vor?

Der erste Schritt, gerade mit einem Stück, das ich gar nicht kenne, ist immer, den Klavierauszug durchzuarbeiten, mit dem Stift zu markieren: was ist meine Partie. Dann das Ganze mal durchzulesen. Ich lese mir, ohne die Musik zu hören, einfach die Texte durch und versuche, die Geschichte zunächst mal zu erfassen, mir ein Bild zu machen: Was ist impliziert vom Librettisten, vom Komponisten, welche Spielorte sind vorgesehen, damit ich ein Gesamtbild bekomme, bevor ich mich dann an die musikalische Umsetzung wage.

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Erzählen Sie uns etwas vom Hans aus der „Verkauften Braut“.

Der Hans ist einer, der schon etwas erlebt hat, nicht mehr ganz jung. Ein junger Mann, Ende Zwanzig, kann man vermuten, der aus einem problematischen Elternhaus weggelaufen ist, wahrscheinlich, weil der Vater eine zweite Frau geheiratet hat, mit der er nicht zurecht kam, die ihn vielleicht auch schlecht behandelt hat, das bleibt offen. Jedenfalls ist er unterwegs gewesen, auf der Walz, man kann sich sonst was ausmalen, was er erlebt hat. Es war sicher kein Zuckerschlecken, für einen Jugendlichen und dann später einen jungen Mann, sich durchzuschlagen. Man kann also davon ausgehen, dass er, wenn er zurückkommt in dieses Dorf und sich in Marie verliebt, ein gewisses Standing hat, dass er kein Unbedarfter mehr ist und sich auch von diesen Figuren im Dorf nicht mehr verunsichern lässt. Er hat sich emanzipiert von diesem Umfeld und kann deshalb auch mit einer gewissen Chuzpe diese Geschichte so einfädeln, wie sie dann eben später mit dem „Verkauf“ der Braut kulminiert.

Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation der Rolle?

Also generell, muss ich sagen, fühle ich mich selten durch eine Regie, eine Inszenierung eingeengt. Man bringt sich ja doch immer sowieso selber mit. Selbst wenn der Regisseur irgendetwas forderte, was mir zunächst nicht passt, bin es ja doch immer ich, der es umsetzt. Das ist genau wie mit dem Singen auch. Wenn jetzt irgendeiner zu mir sagt: Sing es so oder sing es so: Es bleibt ja doch immer meine Stimme. Das heißt, ich bleibe ein Stück weit immer ich. Auch wenn man unterschiedliche Partien spielt, wie ich es ja hier am Gärtnerplatztheater tue: heute Abend Eisenstein und morgen früh dann wieder Hans probieren, da sind ja doch Welten dazwischen, aber das geht mit durchlässiger Stimme und ebensolchem Körper, und ich finde mich in allem wieder.

Was gefällt Ihnen am besten an der Partie des Hans, und was ist das Schwierigste dabei?

Am besten gefällt mir, dass es eine Partie ist, die sich nicht nur im Ariosen erschöpft, dass man Text und Musik aus der Szene heraus sehr gut motivieren kann. Natürlich gibt es ariose Momente, wo man sehr blühend singen kann, und das macht mir auch viel Freude. Also, ich könnte eigentlich gar nicht sagen, dass es etwas gibt, was mir nicht gefällt an der Partie. Ich finde mich da gut zurecht.

Wie geht der Hans damit um, dass die Marie so eine starke Persönlichkeit ist?

Ja, das findet er doch anziehend! Der Junge war unterwegs in der Welt, der hat sicher auch schon etwas erlebt mit Frauen, und ich glaube, wenn die zu langweilig wäre, würde er sich für sie gar nicht interessieren.

Und wie wird die Ehe von Hans und Marie in zehn Jahren aussehen?

Das ist sehr spekulativ, aber ich bin da prinzipiell optimistisch.

Die „Verkaufte Braut“ ist ja eine Übersetzung. Würden Sie es auch im Original singen?

Ich würde es sicherlich auch im Original singen. Sich das Tschechische heranzuarbeiten ist natürlich viel Arbeit, aber da sehe ich kein grundsätzliches Problem.

In welchen Sprachen singen Sie?

Das ist natürlich eine „Fachfrage“ bei mir, da ich gerade hier sehr aufs deutsche, slawische Fach festgelegt bin. Ich habe Italienisch natürlich schon gesungen, auch französische Partien, beispielsweise „Pelleas e Melisande“, Russisch wenig, nur Teile von Stücken. Das sind so die Dinge, die ich gemacht habe.

Haben Sie Vorbilder, musikalisch oder auch szenisch?

Szenisch würde ich sagen: Nein. Es gibt natürlich Sänger, ich habe vorhin Helge Brilioth und James King erwähnt, wo man einfach so berührt ist von der Interpretation, berührt im doppelten Sinne, sowohl von der emotionalen Seite, aber auch, dass die Art zu singen sich in einem widerspiegelt und man das Gefühl hat, da kann etwas in diese Richtung wachsen.

Würden Sie sagen, Sie haben eine 38-Stunden-Woche?

Nein, das habe ich natürlich nicht. Es ist ja bei uns oft schwer zu unterscheiden zwischen Arbeitszeit und Freizeit: da sind viele Stunden, die man mit sich allein verbringt, um die Partie vorzubereiten, das heißt, sich mit dem Text, mit der Musik beschäftigt, sich gesangstechnisch weiterentwickelt. Aber ich würde nicht anfangen, die Stunden zu zählen.

Also Sie haben Freude an Ihrem Beruf.

Auf jeden Fall, sonst täte ich es nicht.

Gibt es Komplikationen, die sich aus dem Lebensrhythmus eines Opernsängers ergeben?

Naja. Das würde ich nicht so hoch hängen. Es gibt gewisse Dinge, die man halt nicht gut machen kann: Wenn Sie zum Beispiel einen Tanzkurs belegen wollen, der immer zu einem bestimmten Termin ist, sind Sie sehr eingeengt, weil eben gerade die Zeiten, wo andere Menschen Zeit haben, so etwas zu machen, wo so etwas auch angeboten wird, meistens nicht gehen, weil wir eben in der Zeit auf der Bühne sind, aber das sind nur Kleinigkeiten. Dafür haben wir oft auch mal einen Tag frei, wo andere Menschen arbeiten müssen, mitten in der Woche, wo wir dann auch mal sagen können: Das Wetter ist schön, wir fahren raus, und man macht dann quasi Wochenende in der Wochenmitte. Das bringt eine Spontaneität ins Leben, das verlangt eine gewisse Flexibilität.

Was tut Ihrer Stimme gut und was ist gar nicht gut? Auf was müssen Sie achten?

Generell meide ich laute Situationen. Das ist auch ein Grund, warum ich eben gewisse musikalische Erlebnisse nicht hatte und habe. Ich würde auch zum Beispiel nicht in ein Bierzelt auf dem Oktoberfest gehen, weil mir das einfach zu laut ist. Sowohl für die akustische Wahrnehmung, als auch um dagegen anzusprechen. Was mir gut tut, ist alles, was mir als Mensch auch gut tut: Mich in der Natur zu bewegen, was so mein wesentliches Steckenpferd ist. Das kann ein Waldspaziergang ebenso sein wie eine Stunde Arbeit im Garten. Das entspannt mich sehr, und alles, was einen lockermacht, findet sich auch wieder in der Qualität der Stimme.

Tun Sie etwas für Ihre Kondition?

Ja, es gibt da eine Reihe von Übungen, die ich relativ regelmäßig mache.

Müssen Sie sehr diszipliniert leben?

Ich habe nicht den Eindruck, nein. Ich komme mit der Verbindung von meinen Freizeitaktivitäten und dem Beruf sehr gut zurecht. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich gewisse Dinge nicht mache, die vielleicht schädlich sein könnten. Ich habe das nie als Komplikation empfunden.

Was empfinden Sie als das Schönste an Ihrem Beruf, und was nervt Sie daran?

Das Schönste ist, dass man immer wieder die Chance hat, sich selbst neu zu entdecken. Dass man sich aktualisiert, dass man ja, wenn man authentisch sein möchte, immer wieder die Energie, die man für diesen Beruf und für das Singen braucht, immer neu mobilisieren muss. Und das ist ja kein Müssen im Sinne eines Zwangs, sondern es ist im Prinzip wie eine Aufforderung, sich mit sich selbst zu beschäftigen, was vielen anderen Menschen nicht gegönnt ist in ihrem Beruf, und das ist ein absolutes Privileg in diesem Beruf. Schwierig ist, dass man gewissen Unbilden sehr ausgeliefert ist. Es gibt halt leider doch mal Erkältungskrankheiten, die einem das Leben sehr schwer machen können. Da muss man manchmal dann die Reißleine ziehen und sagen: Jetzt geht’s einfach nimmer. Manchmal kann man sich aber über das Singen wieder fit machen, man kann sich quasi gesundsingen. Das geht, wenn man locker bleibt.

Hatten Sie irgendwann einmal überlegt, etwas anderes zu machen als zu singen?

Das habe ich wohl, ja, ich habe mich mit allen möglichen Sachen beschäftigt. Ich bin sehr naturverbunden und habe das auch sehr gepflegt und könnte mir manchen Beruf vorstellen, der im weitesten Sinne damit zu tun hat. Aber es ist auch sehr schön, das jetzt als Freizeitperspektive zu haben.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Es gibt deren einige. Was ich jetzt vorbereite, ist z.B. der Parsifal. Es geht jetzt ganz konkret in das deutsche Fach hinein, und die Partien, die ich jetzt hier am Gärtnerplatz singen kann und durfte und auch diese Spielzeit noch singen werde, in den Wiederaufnahmen vom „Freischütz“ und den „Orangen“, die passen da sehr gut, um das aufzubauen.

Können Sie uns einen Ausblick auf diese Spielzeit und auf die kommenden Jahre geben?

Diese Spielzeit bringt jetzt, wie bereits erwähnt, neben der „Verkauften Braut“ dann noch mal den „Freischütz“, auf den ich mich sehr freue, genauso auch auf die „Liebe zu den drei Orangen“. Ich singe sehr gerne auch die „Fledermaus“. Anfang des nächsten Jahres wird es auch noch ein Liedprogramm geben, mit Duetten, das wird eine schöne Sache, denke ich. Und dann wird es ja hier am Gärtnerplatz unruhig. Ich werde an den beiden Produktionen, die im Prinzregententheater stattfinden, nicht mitwirken, werde aber dort auch noch eine „Zauberflöte“ singen, wo ich den Geharnischten gebe. Und dann gibt es auch schon Pläne für die Spielzeit darauf, aber die sind noch in statu nascendi, da möchte ich noch nicht darüber sprechen.

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses Interview und Toi-Toi-Toi für die Premiere der „Verkauften Braut“!

Vielen Dank!

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Interview mit Ann-Katrin Naidu

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Liebe Frau Naidu, herzlichen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben für ein Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Könnten Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?

Es sah zunächst wie ein Zufall aus, dass ich hauptberuflich Sängerin wurde. Ich habe in Stuttgart Musik studiert und dabei so viel wie möglich an Fächern belegt: Kirchenmusik, Ensembleleitung und Früherziehung und später dann Liedklasse und Opernschule. Nebenbei habe ich viel im Rundfunk-Chor gesungen, und dabei hatte ich immer wieder auch die Chance auf ein Solo. Allerdings waren mir die Gesangsstudenten in der Hochschule eher suspekt, vieles wirkte aufgesetzt und künstlich. Mir ging es beim Studium wirklich um die Musik, und deshalb fand man mich dann eher bei den Kirchenmusikern oder bei musikwissenschaftlichen Seminaren. Obwohl ich damals das vage Ziel, Redakteurin zu werden, vor Augen hatte, habe ich durch die solistischen Auftritte bald gemerkt: Man kann mit Singen mindestens einen Studentenhaushalt finanzieren.
Dann ergab sich die Gelegenheit für ein richtiges Vorsingen an einem Opernhaus, das eigentlich meine Freundin bekommen hat, aber ich habe den Termin von ihr übernommen, weil sie erkältet war. Dort habe ich tatsächlich dann unter anderem eine Arie aus der Johannes-Passion vorgesungen und trotzdem direkt ein Dreijahres-Engagement bekommen.
Also, es war wirklich ein Riesenglück oder, wer weiß, Vorsehung. Ich hätte niemals diesen Weg gewählt, wenn ich diese Ochsentour mit endlos vielen Vorsingen hätte machen müssen. Umso glücklicher bin ich jetzt, dass ich trotzdem in diesem erfüllenden Beruf gelandet bin!

Nach dem ersten Engagement, wie ging es dann weiter?

Nach drei ausgefüllten Jahren in Saarbrücken, wo ich glücklicherweise gleich mit Mezzo-Hauptpartien betraut wurde, ging es nach Mannheim weiter. Dort blieb ich zwei Jahre, wurde schwanger und bin dann nach München gegangen, weil hier auch die Großeltern meiner Tochter leben, die mir durch ihr engagiertes Mithelfen ermöglichten, gleichzeitig berufstätig und Mutter zu sein. Ich bin jetzt in der 16. Spielzeit hier am Gärtnerplatztheater engagiert.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Als Kind oder Jugendliche?

Vom Kind zur Jugendlichen.

Meine Mutter hat daheim viel Bach, Brahms und Jazz gehört. Ich habe zusätzlich, wie alle anderen in der Schule, Pop- und Rockmusik gehört und auch in einer Band gesungen. Pink Floyd, Deep Purple, Genesis, das war in der Zeit so in. Ich habe Frank Zappa noch live gehört (lacht). Später kam Jazz dazu. Ich war dann auch Sängerin in der Big Band von Erwin Lehn an der Musikhochschule in Stuttgart.

Was hören Sie heute? Ausschließlich klassische Musik, oder auch andere Musikrichtungen?

Also, wenn ich mir privat etwas auflege, ist es sehr selten Oper, möglicherweise zum Studium. Ich höre gern sinfonische Musik, Kammermusik, auch gut gesungene Chormusik. Ansonsten – gute Qualität ist Genre-unabhängig. Ob das jetzt Jazz oder durch meine Tochter auch die neuesten Poptitel sind, das ist egal. Ich kann nur nicht Musik einfach nebenher hören, wie die meisten Musiker.

Haben Sie das absolute Gehör?

Ich habe ein relativ absolutes Gehör, das heißt, ich treffe oft die richtigen Töne.

Wie beeinflusst das die Herangehensweise, oder das Einstudieren einer neuen Rolle?

Das beeinflusst es gar nicht. Das hat höchstens den Effekt, dass, wenn ich eine Partie draufhabe und dann aus dem Stand irgendwie an einer Stelle anfangen soll zu singen, dann treffe ich sie meistens. Das hat mehr etwas mit dem In-die-Kehle-Singen zu tun, vermutlich.

Wie gehen Sie an eine neue Rolle heran?

Es kommt auf die Rolle an. Wenn es eine Partie wie die Ludmilla in der „Verkauften Braut“ ist, dann bereite ich die Noten und den Text dazu vor und versuche, es möglichst vor der szenischen Probe im Kopf zu haben. Meistens lerne ich Noten noch leichter, wenn ich eine Bewegung dazu mache. Wenn es eine große, wichtige, für mich essentielle Partie ist, dann lese ich auch möglichst viel darum herum. Also, z.B. in die Carmen-Thematik habe ich mich gut eingelesen.

Spielen Sie ein Instrument?

Ich habe früher Klavierunterricht gehabt und spiele ein bisschen Gitarre.

Und auch heute noch?

Auch heute noch, ja, aber zum Zeitvertreib. Meine Tochter hat mich, was das Können betrifft, längst überholt, aber es reicht aus, um eine gewisse Vorstellung von einem neuen Stück zu bekommen.

Welche Sprachen sprechen Sie, und in welchen Sprachen singen Sie?

Ich bin mit Englisch zweisprachig aufgewachsen, und ich singe sehr viel auf Französisch und gelegentlich Italienisch. Ich habe auch Russisch gesungen, aber das nur phonetisch gelernt. Das würde ich mir nicht anmaßen, dass das dann wirklich auf Russisch war (lacht).

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Ich habe das Glück gehabt, dass ich mit wirklich bedeutenden Regisseuren gearbeitet habe. Ich denke da z.B. an Christoph Loy. In Inszenierungen von Harry Kupfer, Ruth Berghaus und Martin Kusej habe ich mitgewirkt und dabei tolle Kollegen neben mir auf der Bühne gehabt. Das klingt jetzt wie Angeberei, aber es ist halt einfach so, man lernt da unglaublich viel. Anna Netrebko, Anja Harteros, Barbara Bonney, Matti Salminen; das sind dann einfach in dem Moment Vorbilder. Ansonsten verdanke ich viel Inspiration dem Unterricht bei der wunderbaren Brigitte Fassbender.
Und dann sind da auch viele Musiker, die ich sehr schätze, die erst mal nichts mit dem Gesang zu tun haben. Es gibt da eine ganze Reihe aus der Generation junger Kammermusiker, die ich sehr schätze.

Als Sie mit Harry Kupfer und Christoph Loy gearbeitet haben, dann war das ja nicht am Gärtnerplatztheater.

Stimmt. Ich habe ja das Riesen-Glück gehabt, dass ich zu meinem Festvertrag hier doch auch viel gastieren konnte. Relativ am Anfang übernahm ich an der Komischen Oper den Cherubino in der Inszenierung von Harry Kupfer, und Christoph Loy kenne ich noch aus Stuttgarter Zeiten, in einer seiner ersten Inszenierungen überhaupt, der „Krönung der Poppea“, da habe ich den Ottone gesungen. Das wird heute nur noch von Countertenören gesungen.

Dann haben Sie auch internationale Erfahrung?

Ja, ich bin doch relativ viel herumgekommen. In Tokio habe ich Mahlers Dritte gesungen. In Amerika habe ich mehrfach gearbeitet, z.B. in Seattle, „Hoffmanns Erzählungen“. In Italien „Salome“, „Rheingold“ und „Götterdämmerung“. In Südafrika, Indien und in Israel habe ich gesungen, und auf Tournee war ich mit Lorin Maazel und mit Zubin Mehta.

Wenn Sie von Amerika sprechen – da gibt es ja dieses Konzept des Ensemble-Theaters nicht. Ist das eine andere Arbeitsweise in einem Cast, das nur aus Gästen besteht?

Absolut. Also erstmal kennt man natürlich die Kollegen zunächst nicht. Das ist erst einmal ein Abenteuer, zu sehen: Wie agieren sie auf der Bühne, wie ist die Chemie untereinander. Und natürlich ist es ein Vorteil, dass man sehr konzentriert nur an dieser einen Oper arbeitet. Gerade von Seattle kann ich sagen, dass die Produktion hervorragend organisiert war und unter dem Motto stand: Only happy birds can sing well. Es gab viele Kleinigkeiten bei der Sängerbetreuung, die dann ausmachen, dass man sich wirklich wertgeschätzt fühlt. Andererseits ist es wunderbar und ein Riesenprivileg, hier in einem Ensemble eingebunden zu sein. Wenn man mit Kollegen seit fünfzehn Jahren auf der Bühne steht und weiß, dass, wenn man zum Beispiel spontan auf der Bühne etwas erfindet, der Ball aufgefangen und weitergespielt wird. Das ist lebendiges Theater.

Also würden Sie das Ensemble-Theater einem auf Gäste-Basis geführten vorziehen?

Es gibt für beides Argumente. Ich fände es furchtbar schade, wenn es hier kein Ensemble mehr gäbe, das ist ja ganz klar. Gerade an so ein Haus gehört ein Ensemble. Aber international geht es nicht anders. Da muss auf Stagione-Basis gearbeitet werden.

Würden Sie sagen, Sie haben eine 38-Stunden-Woche?
Wir haben ja sehr oft Tage, wo wir überhaupt gar nicht mehr herauskommen aus dem Beschäftigen mit dem, was wir gerade tun. Wo wir nicht nur in messbaren Arbeitsstunden auf der Bühne stehen, sondern daheim noch mal ins Buch schauen und Melodien sich im Gehirn bewegen. Und dann gibt es natürlich wieder Tage, wo wir ganz frei haben. Das lässt sich schwer mit einem normalen Berufstag vergleichen. Wir müssen eben durchgehend präsent bei einer Vorstellung sein. Das kann sich dann anfühlen wie ein gesamter Tag gearbeitet.

Gibt es besondere Komplikationen, die sich aus dem Lebensrhythmus eines Sängers ergeben?

Als Mutter kann ich sagen: Jeder Tag muss neu organisiert werden. Wenn der Probenplan für den nächsten Tag erst kurz vor zwei Uhr herauskommt, dann muss man sehr flexibel sein, und die Menschen aus dem ganzen Netzwerk, das man sich aufgebaut hat, müssen gegebenenfalls mit springen. Verabredungen können kurzfristig platzen, Feiertage sind meist nicht dienstfrei. Das ist eine Komplikation, ja. Ansonsten versuche ich, mein Leben ganz normal zu führen: Ich werde nicht hysterisch, wenn es zieht oder wenn um mich herum geniest wird.

Da sind wir dann gleich bei der richtigen Frage: Was tut Ihrer Stimme gut, und was verträgt sie überhaupt nicht?

Gegen das Rauchen werde ich immer allergischer, leider. Ich finde es sehr schade, dass wir jetzt draußen auf unserer schönen Dachterrasse nur selten sitzen können, ohne dass wir eingeräuchert werden. Von wegen: Ich gehe mal an die frische Luft. Apropos Luft, das ist natürlich das A und O: Ein langer, ausgedehnter Waldspaziergang ist natürlich für jeden Menschen gut und für einen Sänger, glaube ich, erst recht. Viel schlafen tut gut. Viel trinken.

Tun Sie etwas für Ihre Kondition?

Es hat sich ja vielleicht herumgesprochen, dass ich seit früher Kindheit mit Asthma lebe, aber ich habe das durch das Singen auch relativ gut im Griff. Jedenfalls hängt meine Konditionsarbeit natürlich auch immer damit zusammen: was kann ich mit dem Asthma überhaupt leisten. Also, Joggen ist bei mir dann nicht angesagt, aber ich mache regelmäßig Yoga, gehe in die Berge und schlafe viel (lacht).

Wie diszipliniert müssen Sie leben?

Unter manchen Aspekten sehr. Man muss immer wissen: Auf der Bühne geht es nicht um mich, sondern um den Charakter, den ich gerade darstelle. Für mich geht es auch noch weiter, das zieht sich bis in das Garderobenleben hinein: man sollte seine privaten Probleme während Vorstellungen aus der Garderobe draußen lassen, um auch die Kollegen nicht unnötig zu belasten. Das heißt nicht, dass man nicht miteinander sprechen soll, wenn es sich ergibt, aber es gibt da so eine mangelnde Disziplin, dass man einfach ungefiltert jede Laune herauslässt, und das kann einen gelegentlich – wie sage ich es diplomatisch – irritieren. Aber ansonsten, ich habe es ja vorhin schon gesagt, versuche ich, jetzt zu leben und nicht später, wenn ich mal nicht mehr singe. Also, jetzt ist Leben.

Dann haben Sie also kein Problem damit, die Schwiegermutter Ihres Partners zu spielen?

Nein, das ist wirklich egal, höchstens in der Vorbereitung lustig, aber in dem Moment, wo ich auf der Bühne bin, da bin ich der Charakter, den ich zu spielen habe.

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Dann kommen wir mal zur Neuproduktion der „Verkauften Braut“. Wie sieht denn der Regisseur die Ludmilla?

Ludmilla und Kruschina, die Eltern von Marie, sind ganz einfache Leute, die von diesem Kecal, dem Heiratsvermittler, recht eingeschüchtert werden und aus Geldnöten die Tochter verhökern. Viele Hinweise auf eine Figur werden ja auch durch die Wahl der Kostüme gegeben. Unsere Kostüme wurden jetzt noch mal nach der ersten Klavierhauptprobe geändert, weil ich z.B. noch zu elegant war. Ein einfaches Kostüm hilft natürlich bei der Darstellung so einer Partie.

Man kann ja die Braut auf verschiedene Arten inszenieren, aber hier wird dann offensichtlich so ein bisschen die Kitsch-Falle umgangen?

Das Folkloristische wird herausgenommen. Das kann ich schon einmal sicher sagen. Aber es ist ja bei einer Produktion so: Je länger man dabei ist, desto weniger sieht man den Wald vor lauter Bäumen. Insofern – ich bin jetzt, glaube ich, nicht mehr geeignet, über das Regie-Konzept zu sprechen. Ich könnte vielleicht eine andere Produktion, bei der ich nicht beteiligt wäre, viel unbefangener beurteilen.

Welche Freiheiten hat Ihnen der Regisseur gelassen, und wieviel von Ihrer Persönlichkeit steckt in der Ludmilla, die dann auf der Bühne stehen wird?

Zuerst zur letzten Frage: Ich bin mir nicht sicher. Natürlich geht man immer lebendig auf die Bühne, wir sind ja keine Roboter, also es wird immer irgendetwas von mir mit einfließen, aber das ist mir nicht bewusst. Das kann natürlich passieren, dass in meinem Spiel möglicherweise eine schnelle Bewegung entsteht, die vielleicht für den Charakter der Ludmilla unpassend ist. Aber sie ist ja andererseits keine alte Frau, sie ist eben die Mutter von einem jungen Mädchen. Und Freiheiten – es wurde viel vorgegeben und wir haben viel am Subtext gearbeitet, die Gänge sind inzwischen festgelegt, aber ich habe mich dabei nicht gegängelt gefühlt.

Was war für Sie bei der Interpretation dieser Rolle besonders wichtig? Oder was war eine besondere Herausforderung?

Rein musikalisch gibt es da ein sehr schönes Sextett im dritten Akt, das ist musikalisch eine Herausforderung, weil es streckenweise a capella ist, und die Ludmilla – für einen Mezzo ungewöhnlich – die höchste Stimme im Ensemble singt. Heute bei der Orchesterprobe lief es gut, und ich freue mich richtig darauf.

Maries Eltern sind ja unterschiedlicher Meinung, wie man den Ehemann für die Tochter auswählen sollte. Was ist das für eine Ehe zwischen Kruschina und Ludmilla?

Ich denke, wenn es in dem Kontext der 50er Jahre gesehen wird, was, glaube ich, mal so als grobes Raster angedacht war –

Bei der Einführung hieß es, es ist zeitlos.

Schwierig. (Lacht). Dass die Männer die Geschäfte machen und Töchter verheiraten, ist doch hoffentlich nicht zeitlos. Die Ehe ist nicht besonders schlecht, aber trotz der über die Jahre gewachsenen Vertrautheit gibt es Gräben. Musikalisch gibt es aber schon ein Argument für Harmonie: Wir singen eigentlich sehr viel parallel.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Eine unschätzbare Chance ist, dass man unglaublich viele Facetten des Lebens kennen lernt.
Zusätzlich wird man durch die Begegnung mit den vielen Menschen, mit denen man es zu tun hat, bereichert.
Die Beschäftigung mit der Musik und der Darstellung ermöglichen es, an Seiten von sich selber heranzukommen, die man vielleicht in einem anderen Beruf niemals erleben würde. Zudem gibt es keine Routine im Sinne von gleichförmiger Wiederholung. Auch wenn ich zwanzigmal die gleiche Vorstellung mache, es ist einfach jedes Mal anders. – Das Nervigste? Nennen wir es das Herausforderndste: Auch flache Texte, langweilige Regie, stumpfe Musik immer wieder mit Freude und Elan „verkaufen“ zu müssen.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ich finde es wirklich schade, dass ich den ganzen Octavian noch nicht machen konnte. Ich habe ihn immer nur in Auszügen konzertant gemacht. Die Wagner-Sachen, die dürfen auch ruhig weitergehen. Jetzt habe ich ja die Rheintöchter, die Waltraute und die Fricka gesungen, aber da könnte gerne noch etwas kommen (lacht).

Können Sie uns einen Ausblick geben auf diese Spielzeit, und vielleicht schon auf die folgende?

Auf die folgende noch nicht, aber auf die jetzige: Acht Partien sind es, glaube ich. Ich habe immer noch den Hänsel auf dem Programm. Die Mrs. Quickly im „Falstaff“ im Prinzregententheater wird eine Premiere sein – bisher habe ich die Meg gesungen. Außerdem komme ich nun auch dazu, die Rolle der Fata Morgana in der „Liebe zu den drei Orangen“ zu singen.

Ganz herzlichen Dank für dieses Interview!

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Kurzinterview mit Heike Susanne Daum und Mario Podrečnik

Wir haben die beiden Solisten Heike Susanne Daum (Marie) und Mario Podrečnik (Wenzel) zu ihren Partien in “Die verkaufte Braut” befragt, die in wenigen Tagen am Staatstheater am Gärtnerplatz Premiere hat.

[singlepic id=974 w=320 h=240 float=left] Marie ist ja psychologisch sehr komplex. Wie werden Sie die Rolle anlegen?

Es gibt ein klares Rollenprofil des Regisseurs Peter Baumgardt, das ich sehr gut nachvollziehen kann. Marie ist auf dem Weg zur Eigenständigkeit, bewirtschaftet einen Milchpilz und ist trotz eines ominösen Heiratsversprechens seitens ihres Vaters heimlich mit Hans verlobt. Sie ist stark und wird um ihre Liebe kämpfen, sich nicht ohne Gegenwehr fremdbestimmen lassen.

Glauben Sie, Marie hätte tatsächlich aus Trotz Wenzel geheiratet?

Marie würde letzten Endes Wenzel nicht nehmen. Den Elternpaaren sagt sie das ganz deutlich: den Wenzel will ich nicht. Da bleib ich lieber ganz allein, treu der Erinnrung sein. Nur als sie sich von Hans betrogen und verkauft wähnt, steht sie vor einer Kurzschlussreaktion, die dem Grad ihrer Verletztheit und ihrer Impulsivität entspricht. Glücklicherweise löst alles sich in Wohlgefallen auf, bevor sie ihre Drohung wahrmachen muss!

Wird das eine glückliche Ehe werden?

Jedenfalls wird ihre Ehe mit Hans nicht ohne Streit verlaufen. Er ist verschlossen, sie mitteilungsbedürftig. Konflikte sind also vorprogrammiert. Das macht eine Ehe noch lange nicht unglücklich.

Wie viel Freiheit hat Ihnen der Regisseur gelassen? Wie viel von Ihrer Persönlichkeit steckt in dieser Interpretation?

Wie anfangs schon gesagt, hat Peter eine ziemlich genaue Vorstellung von seiner Marie. Ich versuche, dieser gerecht zu werden. Natürlich stehen mir da meine eigene Körperlichkeit und meine Lebenserfahrung als Mittel zur Verfügung. Das Lösen vom Elternhaus, das Treffen von Entscheidungen und Tragen der daraus resultierenden Konsequenzen, die Flucht aus der dörflichen Scheinidylle – das kenne ich sehr gut, wie jede erwachsene Frau.

Was ist die besondere Herausforderung bei dieser Rolle?

Marie ist meine erste wirklich lyrische Opernpartie. Da musste ich stimmtechnisch viel arbeiten. Mit Hilfe unseres Studienleiters Henning Kussel und des Musikalischen Leiters Lukas Beikircher bin ich auf einem guten Weg, die Feinheiten der großen lyrischen Phrasen auszuloten. Das macht viel Spaß! Wenn ich jetzt noch trotz Nervosität und mit dem Publikum vor Augen das Gelernte umsetzen kann, bin ich sehr glücklich!

 

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Wie ist der Wenzel als Persönlichkeit angelegt? Er ist ja nicht nur der Dorftrottel, diese Charakterisierung wäre ja ein bisschen zu simpel.

Der Regisseur wollte auf alle Fälle mal davon weggehen, dass der Wenzel ein Trottel ist. Er wird zwar gehänselt deshalb, weil er stottert, aber der Regisseur hat diese Partie mehr oder weniger so angelegt, dass es ein Maturand ist, ein Abiturient, der schon weiß, was er will. Nur hat er halt eine Sprachbarriere, sagen wir mal so, er stottert, er kriegt halt nicht alles gleich heraus. Das ist aber begründet darin, weil er unter der Macht seiner Mutter steht. Die Mutter kontrolliert ihn zu stark, und er hat dadurch einen Sprachfehler.

Wie setzen Sie das stimmlich um, das Stottern?

Es ist teilweise auf die Musik geschrieben, auf Noten geschrieben. Wir haben aber hier in diesem Stück mit diesem Regisseur uns erarbeitet, dass wir nicht jede Note singen, sondern zum Beispiel auch mal drüberhalten, um einfach diese Sprachhemmung zu zeigen.

Wieviel Freiheit hat Ihnen der Regisseur bei der Interpretation gelassen, und wieviel von Ihrer Persönlichkeit steckt da mit darin?

Freiheiten hat jeder Sänger zu Genüge eigentlich zu bekommen, das findet auch hier auf alle Fälle statt. Aber trotzdem, um das Konzept des Regisseurs aufgehen zu lassen, haben wir uns sehr oft auch untergeordnet in sein Regiekonzept.

Neben der musikalischen Umsetzung des Stotterns – was waren weitere Herausforderungen bei der Rolle?

Die Schwierigkeit beim Wenzel liegt eigentlich im Stottern: Wie bringt man jetzt ein Stottern herüber, das natürlich wirkt und nicht künstlich. Das ist für einen Spieltenor eine Riesen-Herausforderung, es natürlich zu gestalten, ohne Abstriche in der Musik zu haben.

Herzlichen Dank!

Bitte, gerne!

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