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Premiere Rheingold, 30.01.2015, Anhaltisches Theater Dessau

[singlepic id=2042 w=320 h=240 float=left]2012 mit der Götterdämmerung quasi von hinten begonnen, fand der Dessauer Ring an diesem Abend mit einer intelligenten und humorvollen Inszenierung von Rheingold seinen zum Gesamtkonzept passenden Abschluß.

Regisseur und scheidender Staatsintendant André Bücker hat auch hier das Konzept des Rings – Bauhauselemente als Reminiszenz an den Aufführungsort und die Geschichte der Medien – konsequent umgesetzt. Spielte die Walküre noch zur Hochzeit des Filmes, wurde das Rheingold an den Beginn der bewegten Bilder verlegt. Die Rheintöchter befinden sich in einem Zootrop, einer bewegten Bildergeschichte gleich wirken ihre Bewegungen und immer wieder blitzt das Gold auf, um das sich alles dreht. Die Bühne (Jahn Steigert) und die Kostüme (Suse Tobisch) sind ganz in Weiß gehalten mit einem roten Farbtupfer bei Loge und einer farbigen Überraschung am Schluß. Jeder hat eine charakteristische Kopfbedeckung, die Kostüme deuten auf spätes 19. Jahrhundert hin. Zusammen mit weißen Scherenschnitten als Projektionen, die die Personen doubeln, aber durch abweichende Handlung auch noch mehr Tiefe verleihen, ergibt sich ein spannendes Gesamtbild. Es könnte kalt und klinisch wirken, hat aber tatsächlich einen anderen Effekt: man sieht genauer hin und ist weniger abgelenkt, achtet mehr auf die Bewegungen und die Mimik.

[singlepic id=2041 w=320 h=240 float=right]Walhall in der zweiten Szene zeigt schon Anklänge an den Brünhilden-Felsen, ein verbindendes Element aller vier Teile, genauso wie der Rundvorhang, auf den die Projektionen (Frank Vetter, Michael Ott) auch diesmal eine weitere Ebene einführen. Die Nibelungen sind Kinder, die Mönchen in Skriptorien gleich, im Akkord Bilder, vielleicht für ebenso ein Zootrop wie es in der ersten Szene gezeigt wurde, anfertigen, das Gold wird durch Filmrollen symbolisiert. Hier manifestiert sich Bückers Grundlage: wer die Macht über die Erzählung hat, hat die Macht über die Welt.

[singlepic id=2040 w=320 h=240 float=left]Die Sänger sind überwiegend aus dem ganz hervorragenden Ensemble besetzt. Katharina Göres aus Berlin, die bereits in der Carmen schon kurzfristig eingesprungen war, zeigte ihre Wandelbarkaeit als Woglinde. Zusammen mit den beiden anderen Rheintöchtern Jagna Rotkiewicz und Anne Weinkauf flirtete sie prächtig mit Alberich und mahnte als Greisin am Ende die übermütigen Götter. Javid Samadov als Donner, David Ameln als Froh und Angelina Ruzzafante als Freia mögen manchmal, freiwillig oder unfreiwillig, etwas zu slapstickhaft rübergekommen sein, passten aber ganz hervorragend zu dem eigentlich heiteren Stück. Die Riesen Fasolt (Stephan Klemm) und Fafner (Dirk Aleschus) waren das nicht nur körperlich, sondern auch stimmlich. Der Alberich von Stefan Adam war herrlich verdruckst, Ivan Tursic als Mime unterwürfig. Anja Schlosser hatte einen kurzen, aber einprägsamen Auftritt als Erda, die Fricka von Rita Kapfhammer machte dem Wotan richtig Dampf. Die beiden Abräumer des Abends waren aber Albrecht Kludszuweit als Loge und Ulf Paulsen als Wotan. Ausgleichend der eine und herrisch und fast schon verschlagen der andere, dabei stimmlich auf höchstem Niveau.

[singlepic id=2039 w=320 h=240 float=right]Die Anhaltische Philharmonie unter Antony Hermus leistete Großartiges, der Abend war ein musikalischer Höchstgenuß und lässt großes erwarten für die beiden kompletten Ringe im Mai und Juni, die übrigens dann in der richtigen Reihenfolge gespielt werden. Das wird sicher auch noch einmal sehr spannend, die Rückwärtsentwicklung dann vorwärts zu erleben. Für den Juni-Ring gibt es noch wenige Restkarten.

Weitere Vorstellungen:
21.02.2015, 17:00 Uhr
05.04.2015, 19:00 Uhr
13.05.2015, 19:30 Uhr (Ring, ausverkauft)
23.06.2015, 19:30 Uhr (Ring)

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Premiere Carmen, 08.11.2014, Anhaltisches Theater Dessau

[singlepic id=2023 w=320 h=240 float=left]Carmen ist sicher eine der meistgespielten Opern in Häusern rund um den Globus und damit eine der am schwierigsten auf die Bühne zu bringenden, denn schliesslich muss ja immer etwas Neues her und der Zuschauer hat nicht nur szenische, sondern auch musikalische Vergleichsmöglichkeiten ohne Ende. Das Anhaltische Theater Dessau überzeugte mit einem musikalisch großartigen Abend, der keine Vergleiche zu scheuen braucht.

[singlepic id=2022 w=240 h=320 float=right]Das Neue hier war, dass Regisseurin Jana Eimer die Geschichte aus der Sicht Don Josés erzählte, was mich leider nicht überzeugte. Auch wenn ihr mit Marcel Reijans ein stimmlich und szenisch fantastischer Tenor zur Verfügung stand (alles andere wäre vermutlich auch ein Desaster geworden), so hatte sie doch in der Titelrolle mit Rita Kapfhammer ein Ensemblemitglied, die das Haus von den Füßen gerissen hätte, wenn man sie in den Mittelpunkt stellen würde. Statt dessen muss Rita Kapfhammer die Habanera zur Hälfte auf dem Rücken liegend singen (und jagt einem trotzdem noch Schauer über den Rücken), sieht im ersten Akt schon aus wie der leibhaftige Tod und trägt eine mausfarbene Perücke. Und trotzdem zeigte sie die sinnliche und erotische Seite der Carmen, als ob sie tatsächlich die feurige Spanierin ware.

Ich hatte insgesamt den Eindruck, dass die Musik sich dem Szenischen unterordnen musste, so geriet zum Beispiel das Schmugglerquartett sehr wackelig, was vermutlich an der Hyperaktivität auf der Bühne lag. Und das Schlussbild wäre großartig gewesen, hätte Don José seine Carmen nicht von hinten erstochen. Das war kein Mord aus Leidenschaft, sondern aus Heimtücke. Dem Opfer beim Zustechen in die Augen zu sehen ist der Gipfel der Unterwerfung. Die Interpretation der Micaela als Sternenkranzmadonna war so überhöht, dass sie schon wieder fast parodistisch wirkte. Cornelia Marschall bezauberte in der Partie mit glockenhellem Sopran.

[singlepic id=2021 w=320 h=240 float=left]So blieb manches an Fragen offen, weil vieles sich dem unterordnen musste, dass Don José die Handlung, wenn er eigentlich gar nicht auf der Bühne ist, entweder heimlich mitansieht oder halluziniert. Dabei war die Bühne sehr klug durchdacht, ein schräg liegendes großes Kreuz auf einer Drehbühne, das immer wieder neue Räume öffnete und am Ende in blutrotes Licht getaucht ein sehr starkes Bild abgab.

Der Chor war von Helmut Sonne hervorragend einstudiert und auch sehr spielfreudig, ebenso wie der Kinderchor (Dorislava Kuntscheva). Musikalisch war dieser Abend ein Genuß, die anhaltische Philharmonie unter Daniel Carlberg schwelgte in der Musik Bizet und dank der großartigen Sänger wird dieser Abend auch lange im Gedächtnis bleiben.

[singlepic id=2020 w=320 h=240 float=right]Musikalische Leitung Daniel Carlberg, Inszenierung und Bühnenkonzept Jana Eimer, Konzeptionelle Mitarbeit André Bücker, Ausführende Bühnenbildner Nicole Bergmann | Nancy Ungurean, Kostüme Katja Schröpfer, Choreografie Joe Monaghan, Chor Helmut Sonne, Kinderchor Dorislava Kuntscheva, Dramaturgie Ronald Müller

Carmen, Zigeunerin Rita Kapfhammer; Don José, Sergeant Marcel Reijans; Escamillo, Stierfechter Ulf Paulsen; Micaela, Bauernmädchen Cornelia Marschall; Remendado, Schmuggler David Ameln; Dancaïro, Schmuggler Adam Fenger; Frasquita, Zigeunerin Alexandra Joel; Mercédès, Zigeunerin Anne Weinkauf; Zuniga, Leutnant André Eckert; Moralés, Sergeant Pawel Tomczak; Lillas Pastia, Schankwirt Philipp Feige; Stimme Josés Gerald Fiedler; Opernchor des Anhaltischen Theaters; Extrachor des Anhaltischen Theaters; Kinderchor des Anhaltischen Theaters; Statisterie des Anhaltischen Theaters; Anhaltische Philharmonie

Weitere Vorstellungen: 16.11.14, 19.00; 28.11.14, 19.00; 19.12.14, 19.00; 04.01.15, 16.00; 15.02.15, 17.00; 22.03.15, 17.00; 11.04.15, 17.00; 01.05.15, 19.00; 25.05.15, 17.00

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Premiere Die Walküre, 27.09.2014, Anhaltisches Theater Dessau

[singlepic id=2005 w=320 h=240 float=left]Eineinhalb Jahre nach der Premiere von Siegfried bringt Intendant André Bücker nun die Walküre auf die Bühne, bekanntermaßen inszeniert er den Ring ja rückwärts. Und es gelingt ihm und dem ganzen Anhaltischen Theater damit wieder ein großer Wurf. War mir bei Siegfried das vorhergehende Stück noch sehr präsent im Gedächtnis, so haperte es diesmal leider mit dem erkennen der Entwicklung etwas. Natürlich war da wieder der kubische Brünnhildenfelsen und Siegmund und Sieglindes Kostüme (Suse Tobisch) sind Vorläufer von Siegfrieds in Farbgebung und Schnitt ebenso wie bei Brünnhilde zum Beispiel. trotzdem fehlte mir ein bisschen der Zusammenhang zu den vorhergehenden Teilen, das mag aber ausschließlich an der Zeit, die dazwischen lag, gelegen haben.

Für sich genommen ist auch dieser in der Dessauer Fassung dritte Teil des Rings großartig. Regisseur Bücker inszeniert nicht nur die Ring-Teile rückwärts, sondern dreht auch die Uhr zurück. Nach dem Elektronikzeitalter von Siegfried findet man sich hier in der Hochzeit des Films wieder, als Hollywoodbosse die Welt beherrschten. Der erste Aufzug scheint auf den ersten Blick nicht viel mit dem Grundthema zu tun zu haben bis auf den Kabelstrang, aus dem Siegmund Notung zieht. Sieglinde serviert Coladosen und Fertigfraß im adretten Stewardessenkostüm auch an vermummte Hundingkämpfer (bei deren Anblick mein älterer Sitznachbar sehr scharf den Atem einsog), betäubt den Gatten und gibt sich dem Bruder in ewiger Liebe hin. Das Ganze war ein wenig nichtssagend, wurde aber durch die fabelhaften Angelina Ruzzafante und Robert Künzli als inzestuöses Geschwisterpaar ausgeglichen.

[singlepic id=2015 w=320 h=240 float=right]Im zweiten Aufzug geht dann die Post ab: Filmproduzent Wotan sitzt in seinem Büro mit fabelhaftem Ausblick auf eine nächtliche Großstadt und wird von seiner Frau Fricka für seine Unterstützung des ehebrecherischen Siegmund in dessen Zweikampf mit dem gehörnten Hunding zur Sau gemacht. Fabelhaft, wie Rita Kapfhammer ihren Göttergatten Ulf Paulsen einfach niedersingt, obwohl der eigentlich unglaublich stimmgewaltig ist und an diesem Abend eine seiner besten Leistungen zeigt. Er gibt Drehbuchanweisungen an Brünnhilde, Siegmund über die Klinge springen zu lassen, aber die reißt die Regie an sich und erst sein persönliches Eingreifen entscheidet den Zweikampf zugunsten Hundings. Sehr genial hier die direkte Projektion der durch einen Kameramann (Kruno Vrbat) aufgenommenen Bühne an die schon bekannten halbrunden Prospekte in wechselnde Szenen, so finden sich Siegmund und Sieglinde zum Beispiel am Mount Rushmore wieder.

[singlepic id=2016 w=320 h=240 float=left]Im dritten Aufzug begegnet dem Zuseher dann zum ersten Mal der kubische Brünnhildenfelsen, momentan allerdings Partylocation der aufgedonnerten Walküren und ein bisschen leckerem Personal. Brünnhilde bringt Sieglinde und das im Zweikampf zerschlagene Schwert Notung in Sicherheit, damit sie den Helden Siegfried auf die Welt bringen kann. Sonst gäbs ja keinen dritten und vierten Teil des Rings. Das war spannend und kurzweilig. Wotan ist durch Brünnhildes eigenmächtiges Handeln so erzürnt, dass er sie zur Strafe in den Felsen verbannt und sie erst wieder rauslassen will, wenn sie ein Heimchen am Herd wird. Immerhin gesteht er ihr zu, zwar keine Dornenhecke wie bei Dornröschen, aber immerhin einen Ring aus Feuer um den Felsen zu legen, damit sie nicht gleich mit dem erstbesten Schwachkopf mitgehen muss. Brünnhilde, gar nicht dumm, denkt dabei natürlich an den noch nicht mal geborenen Siegfried. Mit Altersunterschieden hatten die Nibelungen anscheinend kein Problem. Kammersängerin Iordanka Derilova zeichnete ein stimmstarkes und gleichzeitig berührendes Porträt der Brünnhilde.

[singlepic id=2017 w=320 h=240 float=right]Intendant und Regisseur André Bücker erzählte übrigens später, der Felsen wäre mitnichten elektronisch gesteuert, sondern darin säßen zwei Techniker, die den Kubus live drehen. Hut ab, kann man da nur sagen. Überhaupt stellt die ganze Bühne (Jan Steigert) hohe technische Anforderungen, die fantastisch gemeistert werden. Natürlich gibt es auch wieder jede Menge Projektionen (Frank Vetter, Michael Ott), die wieder sehr anstrengend fürs Auge sind. Für den Zyklus werde ich mir wohl Tropfen besorgen.

Die Anhaltische Philharmonie Dessau unter GMD Antony Hermus begeisterte das Publikum mal wieder mit einem Spitzen-Wagner. Am Ende Standing Ovations für alle Beteiligten.

Musikalische Leitung Antony Hermus, Inszenierung André Bücker, Bühne Jan Steigert, Kostüme Suse Tobisch, Projektionen Michael Ott | Frank Vetter, Dramaturgie Felix Losert

Siegmund Robert Künzli, Sieglinde Angelina Ruzzafante,Hunding Stephan Klemm, Wotan Ulf Paulsen, Fricka Rita Kapfhammer, Brünnhilde KS Iordanka Derilova, Helmwige Einat Ziv, Gerhilde Gerit Ada Hammer, Ortlinde Cornelia Marschall, Waltraute Anne Weinkauf, Siegrune Kristina Baran, Roßweiße Jagna Rotkiewicz, Grimgerde Gwendolyn Reid Kuhlmann, Schwertleite Constanze Wilhelm, Kameramann Kruno Vrbat, Statisterie des Anhaltischen Theaters, Anhaltische Philharmonie Dessau

Weitere Vorstellungen: 05.10.14, 16.00, 18.10.14, 17.00, 23.11.14, 16.00, 18.01.15, 16.00, 14.05.15, 18.00, 24.06.15, 17.00

Spieldauer ca 5 Stunden (inkl. 2 Pausen)

Foto Claudia Heysel

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Premiere Esclarmonde, 26.05.2013, Anhaltisches Theater Dessau

Fast auf den Tag genau 124 Jahre ist es her, dass die Oper Esclarmonde des französischen Komponisten Jules Massenet während der Weltausstellung in der Pariser Opéra-Comique ihre Uraufführung hatte. Am Anhaltischen Theater Dessau wurde sie jetzt erstmals in Deutschland gespielt und man darf schon fragen, warum das so lange gedauert hat.

Kaiser Phorcas ist mit Hilfe von Zaubermächten an die Macht gekommen. Müde seines Amtes, will er seine Tochter Esclarmonde zur Kaiserin machen und ihr auch seine Zauberkräfte übertragen. Bedingung dabei ist, dass sie den Sieger eines Turniers an ihrem 20. Geburtstag heiratet und sich bis dahin nur verschleiert zeigt. Aber Esclarmonde ist verliebt, sie hat den Ritter Roland gesehen und ist ihm rettungslos verfallen. Bestärkt durch ihre Schwester Parseis, die eigentlich über sie wachen sollte, nutzt sie ihre Zauberkräfte, um Roland auf eine einsame Insel zu bringen. Dort gestehen sie sich ihre Liebe und verbringen eine Liebesnacht. Am Morgen muss Esclarmonde zurückkehren, verspricht Roland aber, jede Nacht bei ihm zu sein. Als seine Heimatstadt Blois angegriffen wird, stattet sie ihn mit dem Schwert des Heiligen Georg aus, das ihn aber nur so lange beschützt, wie er ihr treu ist. Mit Hilfe des Schwertes besiegt Roland den Anführer der Sarazenen. Zum Dank dafür soll Roland die Tochter des französischen Königs heiraten. Dieser lehnt dankend ab, kann seinen Unwillen wegen seines Versprechens an Esclarmonde aber nicht begründen. Als der Bischof ihm trickreich sein Geheimnis entlockt, erscheint Esclarmonde und ist entsetzt über den Verrat. Nur mit Hilfe ihrer Geister kann sie fliehen, Roland bleibt mit den Bruchstücken des Schwertes verzweifelt zurück. Phorcas kommt zurück aus seiner Einsiedelei und zwingt Esclarmonde, auf Roland zu verzichten, da dieser sonst sterben würde und sie Kaiserthron und Zauberkräfte verlieren würde. Roland möchte sterben und nimmt deshalb an dem Turnier teil, an dessen Ende Esclarmondes Ehemann bestimmt wird. Roland gewinnt das Turnier und kann endlich seine Esclarmonde rechtmäßig in die Arme schließen.

Ein Märchen für Erwachsene, ein Ritterroman sei Massenets Esclarmonde, und so wurde das Stück von Regisseur Roman Hovenbitzer in Szene gesetzt. Er setzt auf große Gesten, die das Geschehen manchmal etwas künstlich wirken lassen, was aber wiederum sehr gut in den Kontext des Ritterromans passt. Leider gibt es nicht ganz das zuvor in der Einführung von Operndirektor und Dramaturg Felix Losert versprochene Happy End, aber der Phantasie des Publikums sind keine Grenzen gesetzt. Die Bühne von Tilo Steffens besticht durch symbolträchtige Bilder und seine Kostüme lassen den Zeitrahmen offen. Besonders gut gelungen sind die Videoeinspielungen von Barbara Janotte, die sehr ästhetisch sind. Erwähnenswert ist auch das sehr schön gestaltete Programmheft im Art Nouveau Stil. Hier finden sich sehr viele Hintergrundinformationen, die zum Verständnis der Oper beitragen. Leider fehlen die Bilder fast gänzlich, vielleicht kann man hier über einen Einleger nachdenken.

Gesungen wurde an diesem Abend auf ganz hohem Niveau. Angelina Ruzzafante ließ ihren Sopran strömen und präsentierte die zahlreichen Spitzentöne glasklar, aber ohne Schärfe. Leider blieb ihre szenische Darstellung ein bisschen dahinter zurück, die heiße Liebe zu Roland wirkte etwas lendenlahm. Gesangstechnisch ihr kongenialer Partner war Sung-Kyu Park als Roland. Ebenfalls gesanglich und auch szenisch oberste Liga waren Rita Kapfhammer als Parseis und Ulf Paulsen als Kaiser Phorcas. Komplettiert wurde das hervorragende Ensemble durch David Ameln als Eneas, dem Verlobten von Parseis, und Nico Wouterse als Bischof von Blois. Der Chor, Extrachor und der freie Opernchor coruso waren von Helmut Sonne ganz hervorragend einstudiert. Die Anhaltische Philharmonie unter der musikalischen Leitung von Daniel Carlberg ließ die wunderbare und durchaus eingängige Musik von Massenet strömen. Ein Höhepunkt im musikalischen wie auch übertragenen Sinn war sicher das Zwischenspiel im zweiten Akt, das die Liebesnacht von Esclarmonde und Roland symbolisiert. Ein besonderes Lob gebührte an diesem Abend der Statisterie des Anhaltischen Theater Dessau. Die Darstellung der Geister und insbesondere die wirklich berührende Darstellung der von Roland abgewiesenen französischen Königstochter rundeten diesen fantastischen Opernabend ab.

Zum wiederholten Mal bereitet mir das Anhaltische Theater Dessau einen Opernabend, den ich nicht so schnell vergessen werde. Wer diesen gehobenen Schatz noch sehen möchte, hat noch am 15. und am 29.06.13 Gelegenheit dazu. Der Abend ist auch eine weitere Anreise wert.

 

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Premiere Siegfried, 30.03.2013, Anhaltisches Theater Dessau

Auch mit dem zweiten Teil des von rückwärts aufgezähmten Ringes, dem Siegfried, lieferte das Anhaltische Theater mit seinem Ensemble wieder ein Meisterstück ab.

Der erste Akt zeigt zwei Computerfreaks, Mime eine Mischung aus Bill Gates und Elton John, Siegfried ein Möchtegernrapper. Beide liefern sich ein Spielduell, das in der Wiedererstehung von Nothung gipfelt. Mal ganz abgesehen davon, dass die Projektionen teilweise unscharf waren, und es hätte mich schon interessiert, was genau Siegfried da programmiert, fehlte hier die Kraft und die Magie der Schmiedeszene komplett. Ich verstehe den Ansatz des Regisseurs André Bücker durchaus, finde ihn aber nicht mit dem Text und der Musik schlüssig umgesetzt.

Das änderte sich ab dem zweiten Akt, ab hier nahm mich das Geschehen auf der Bühne völlig gefangen, wie schon bei der Götterdämmerung. Verschiebbare, dreiseitige Prismen, deren eine Seite als Projektionsfläche diente und die anderen zwei Seiten eine Gitterkonstruktion zeigte, die sowohl einen dichten Wald als auch eine Art Gefängnis hervorragend symbolisierte, bildeten zusammen mit den schon aus der Götterdämmerung bekannten halbrunden Vorhängen, auf die ebenfalls projiziert wurde, das Bühnenbild. Dazu kam ein Fafner mit einem wirklich imposanten Kostüm, ein Waldvogel mit einem gut aussehenden, symbolträchtigen, vielleicht etwas bewegungsunfreundlichen Kostüm und ein Alberich, der auch einer Pyramide entsprungen sein könnte.

Im dritten Akt weisen Bühne und Kostüme schon deutlich in Richtung Götterdämmerung, der kubische Brünnhildenfelsen ist wieder da, Siegfried schält sich langsam aus seiner Lederjacke und zeigt die darunter liegenden Bandagen, seine Brünnhilde trägt beim Erwachen noch unschuldiges Weiß, hüllt sich aber schon in die erdigen Farben des letzten Teiles des Rings. Die Projektionen beim Auftritt der Erda deuten auf ihre Eigenschaft als Urmutter hin, ein Nukleus, der Ursprung allen Lebens. Ihr Kostüm soll wohl so etwas ähnliches symbolisieren, ganz wurde ich nicht schlau draus. Auch der staksige Gang von Siegfried erklärt sich hier, die Figuren wirken marionettenhaft, jemand anderes zieht die Fäden, sie sind Erfüllungsgehilfen der Vorsehung, keine eigenständig Handelnden.

Insgesamt bilden Bühne (Jan Steigert), Kostüme (Suse Tobisch), die Projektionen von Frank Vetter und Michael Ott sowie die Regie von Generalintendant André Bücker wieder eine sehr schöne Einheit, die einen fast hypnotischen Sog erzeugen und die Zeit vergessen lassen. Ein paar Kleinigkeiten wie die unscharfen Projektionen im ersten Akt oder die leicht zeitverzögerte Projektion  von Fafners Mund beim Aufwecken durch den Wanderer irritieren zwar kurzfristig, stören aber den großartigen Gesamteindruck nicht nachhaltig. Vieles trägt Formen in sich, die eine eigene Bildersprache haben. So besteht das Kostüm des Waldvogels unter anderem aus einer liegenden Acht, dem Symbol für die Unendlichkeit. Hier bietet sich schon viel Stoff zum Nachdenken an. Bückers Inszenierung ist ein  fabelhaftes Beispiel für eine sehr gelungene Neuinterpretation, die das Publikum fordert, aber nicht überfordert. Eine Regie muss sich selbst erklären, und das ist sowohl bei Siegfried wie auch bei der Götterdämmerung der Fall. Ich bin schon sehr gespannt auf die Walküre. Und habe mir fest vorgenommen, mir den ganzen Ring anzusehen, denn der innere Zusammenhang, den Bücker herstellt, gefällt mir jetzt schon sehr. Insgesamt muss man wieder sagen: Hut ab, was Sänger, Orchester und Bühnentechnik geleistet haben.

Musikalisch war der Abend auf sehr hohem Niveau. Peter Svensson, der sehr überzeugend spielte, merkte man im dritten Akt dann doch die noch nicht ganz auskurierte Erkältung an, aber davor zeigte er eine wirklich tolle Leistung, wie eigentlich alle Beteiligten. Herausragend der Wanderer von Ulf Paulsen, der neben einer tollen Stimme eine starke Bühnenpräsenz zeigte. Der Auftritt von Stefan Adam als Alberich war kurz und prägnant und Dirk Aleschus  als Fafner ist nicht nur in der Statur imposant. Albrecht Kludszuweits Interpretation des Mime hat mir im ersten Akt noch nicht so gut gefallen, das änderte sich im zweiten jedoch schlagartig. Ich fühlte mich an die Humperdincksche Knusperhexe erinnert, was ganz ausgezeichnet zu der Rolle passte. Angelina Ruzzafante war in Stimme und Spiel ein ganz bezaubernder Waldvogel, wenn ich jetzt an die Vorstellung zurückdenke, habe ich ihre Partie im Ohr. Iordanka Derilova ist eine fantastische Brünnhilde und das zeigte sie auch an diesem Abend, wobei ich in meiner persönlichen Vorstellung die Figur hier noch etwas zurückhaltender ist. Rita Kapfhammer sang eine Erda aus dem Bilderbuch, die Stimme passte perfekt zur Partie, dunkel und erdig und zugleich göttlich. Antony Hermus hätte hin und wieder das Orchester etwas zurücknehmen können zugunsten der Sänger, aber über weite Strecken war es perfekt.

Ein sehr erfüllender Abend, der zeigt, dass sich das Anhaltische Theater Dessau nicht zu verstecken braucht und durchaus mit groß- und hauptstädtischen Theatern mithalten kann. Weitere Vorstellungen am 13.04., 09.05. und 09.06., Karten von 18,50€ bis 49€.

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Premiere Götterdämmerung, 12.05.2012, Anhaltisches Theater Dessau

Nach diesem Abend weiß ich nun endgültig, dass ich mich vor der Musik Richard Wagners nicht zu fürchten brauche. Sie ist so bildgewaltig, so sprechend, dass sie mich in einen derartigen Rausch versetzt hat, wie es kein Alkohol und vermutlich auch keine Drogen bewirken können. Am ehesten ist es wohl mit einem fünfeinhalbstündigen Liebesrausch zu vergleichen, der hier noch durch die wirklich fabelhafte Inszenierung von André Bücker verstärkt wurde.
Im Prinzip könnte die Götterdämmerung Vorlage für Serien wie Denver und Dallas gewesen sein, hier wie dort geht es nur um Macht, Intrigen, Sex und Liebe. Der eine will durch den Ring die Welt beherrschen, der andere durch das Öl. Und weil die Geschichte wirklich zeitlos und ortsunabhängig ist, erzählt sie André Bücker nicht mit Wikingerkitsch, sondern als das, was sie ist: eine Zauberoper. Dabei verknüpft er geschickt die Oper mit der Spielstätte und präsentiert die Götterdämmerung in Bauhausästhetik mit klaren Formen und kräftigen Farben.

Schon das Eingangsbild fand ich überwältigend. Die drei Nornen sind mit mit langen Bändern mit dem “Himmel” verbunden, sie verweben diese auch wie bei einem Maibaumtanz, am Ende fallen diese wie abgeschnitten zur Erde. Das Spiel der Bänder setzt sich mittels Videoprojektionen (Frank Vetter, Michael Ott) auf dem Portal fort, das einem geöffneten Briefumschlag ähnlich sieht. Der Beginn setzte Maßstäbe für das, was noch kam. Ein Walkürenfelsen, der einem Kubus gleicht, aber einen überraschenden Weg nach oben innehat (Bühne Jan Steigert). Eine Gibichungenhalle, in der Aufzüge und eine bewegliche Plattform für Verwandlung und Distanz oder Nähe sorgen. Ein halbrundes Prospekt, das als Projektionsfläche dient oder als Abgrenzung. Alles wirkt so, als hätte Richard Wagner genau das im Sinn gehabt, als er die Götterdämmerung geschrieben hat.
Die Kostüme von Suse Tobisch sind fantastisch, ein Mix aus Antike und Science Fiction. Lediglich ausgerechnet beim Helden Siegfried hat sie daneben gegriffen, mit seinen stilisierten Bandagen sieht er aus wie Frankenstein und die Hülsen um seine Knie lassen ihn extrem x-beinig aussehen. Und warum der den ganzen Abend wie ein Storch durch den Salat über die Bühne stakst, hat sich mir auch nicht ganz erschlossen. Das ist aber zusammen mit den zwar super schönen und sehr faszinierenden, aber auf die Dauer für die Augen ermüdenden Projektionen schon das einzige, was ich an dieser Produktion auszusetzen habe. Mir hat die Regie wirklich ausgesprochen gut gefallen, die Deutung war für mich bis auf winzige Nuancen schlüssig. Die Bilder entfalten eine unglaubliche Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann.

Das wäre aber alles nur halb so schön, wenn nicht auch die musikalische Seite stimmen würde. Unter der Leitung von Antony Hermus zauberte die Anhaltische Philharmonie Bilder aus Klängen. Der Chor, verstärkt durch den Extrachor und “coruso”, den Ersten Freien Deutschen Opernchor, war durch Helmut Sonne ausgezeichnet einstudiert. Für die Partie der 3. Norn und der Woglinde war kurzfristig Sonja Freitag eingesprungen, die mir ja schon im Maskenball in Meiningen als Oscar positiv aufgefallen war. Anne Weinkauf als 2. Norn und Wellgunde war eher unauffällig, allerdings waren die Szenen der Nornen und der Rheintöchter auch nicht dazu geeignet, sich darstellerisch in Hochform zu präsentieren. Von ihrem ausgezeichneten, dramatischen Spiel und ihrer fantastischen Stimme konnte Rita Kapfhammer zumindest als Waltraute (auch 1. Norn, Flosshilde) das Publikum überzeugen. Ihre Warnung an Brünnhilde war so eindringlich, dass ich eine Gänsehaut bekam. Angelina Ruzzafante war als Gutrune eher zurückhaltend, aber nur im Spiel, ihre Stimme wies sie als starke Frau aus. Ein Erlebnis der ganz besonderen Art war die Gestaltung der Brünnhilde durch Iordanka Derilova. Stimme und Spiel passten perfekt zu der Partie und machten den Abend zu einem ganz besonderen Genuss.

Auch bei den männlichen Protagonisten gab es nur Superlative. Der Siegfried von Arnold Bezuyen war ein echtes Erlebnis und auch Ulf Paulsen als Gunther hinterließ einen bleibenden Eindruck. Stephan Klemm war vielleicht kein dämonischer Hagen, aber ein sehr menschlicher. Mir ist er noch bestens in Erinnerung als König in Die Liebe zu den drei Orangen am Gärtnerplatztheater und er enttäuschte mich auch an diesem Abend nicht. Nico Wouterse als Alberich fügte sich nahtlos in das tolle Ensemble ein. Besonders gut hat mir gefallen, dass beim Schlussapplaus sich auch die Techniker verbeugten, die an diesem Abend wirklich Schwerstarbeit geleistet hatten. Auch das Orchester durfte mit auf die Bühne und musste sich nicht im Graben verstecken. Das war ein würdiger Abschluss dieses denkwürdigen Abends, der vom Publikum mit lang anhaltenden Begeisterungsstürmen und Standing Ovations gefeiert wurde.

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