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Lesung Jean Bagnol, 22.10.2013, Café Katzentempel

[singlepic id=1632 w=320 h=240 float=left]Münchens erste Katzencafé, das Café Katzentempel, erwies sich als der ideale Schauplatz für die Lesung aus Commissaire Mazan und die Erben des Marquis. Zwar gäbe es von technischer Seite noch Optimierungsbedarf, aber der Raum, l-förmig mit dem Autorenehepaar im Winkel und daher von jedem Platz aus gut zu sehen, eignete sich gut für das Zusammentreffen von literarischem Kater und echten Katzen. Und obwohl der Raum proppevoll war, kam keiner der tierischen Bewohner zu Schaden. Außerdem gab es ein superleckeres vegetarisches Büffet, großes Kompliment an die Küche!

Dass hier die Katzen an erster Stelle stehen, wurde gleich zu Beginn deutlich: Nina George bat die Zuschauer, nicht zu klatschen, da dieses laute Geräusch die Katzen erschrecken könnte. Stattdessen sollten wir mit den Armen in der Luft wedeln. Und das taten wir ausgiebig an diesem Abend. In Anbetracht der tierischen Zuhörer hatten sich die beiden entschieden, mehr kätzische Teile aus dem Buch zu lesen und das ist wirklich sehr, sehr gut gelungen. Anfangs wurden die beiden Ermittler, die nach Mazan abgeschobene Polizistin Zadira Matéo und der herrenlose schwarze Kater, genannt Commisaire Mazan, vorgestellt. Später kamen noch ein attraktiver Tierarzt, ein sabbernder Hund, vier zwielichtige Gestalten, ein Mordopfer sowie jede Menge Katzenpersonal dazu. Nina George und Jo Kramer lasen hervorragend mit verteilten Rollen und führten den Text schon fast halbszenisch auf. Köstlich war Nina als Hund oder der Höhepunkt am Schluss (die Trapeznümmer – denken Sie sich jetzt einen französischen Akzent dazu), als zwei Autoren sechs verschiedene Katzen (die tierische Ermittlerbande oder auch KatzenNSA) lasen und diese sehr unterschiedlich ausgestalteten. So wurde an diesem Abend auch viel gelacht.

Zwischen den einzelnen Abschnitten, die klug gewählt waren und extreme Lust auf das Buch machten, erzählten die Autoren vom Schauplatz Mazan. Der Ort liegt im Schatten des Mont Ventoux, jedem Fahrradenthusiasten bestens bekannt von der alljährlichen Tour de France. Es gibt in der Innenstadt keine Autos, dafür aber jede Menge Katzen. Er hat einen Friedhof, auf dem eine große Anzahl von Merowinger-Sarkophagen zu bewundern sind, wenn man sie denn findet und nicht für die Friedhofsmauer hält.  Marquis de Sade hatte eine Residenz dort und begründete hier das erste Theaterfestival Frankreichs. Außerdem hat Keira Knightley dort geheiratet, aber erst nachdem sich das Autorenduo dort die Inspiration für ihren ersten gemeinsamen Roman geholt hat.

Aus dem Publikum kamen nach dem sehr gelungenen Vortrag Fragen nach der Zusammenarbeit als Ehepaar, worauf die beiden eine typische Szene beim Schreiben vorführten. Sie hatten sich die Protagonisten aufgeteilt und waren jeder für die deren Detailausgestaltung  zuständig. Jo Kramer, von Nina George auch liebevoll Katzenflüsterer genannt, übernehm dabei die Katzen. In den gelesenen Abschnitten konnte man feststellen, dass es ihm sehr gut gelungen ist, aus deren Sicht zu schreiben. Den Namen Bagnol haben sie sich vom Friedhof in Mazan geliehen und nicht von dem französchichen Wort für Klapperkiste, bagnole. Die Autoren haben noch Ideen für viele weitere Bände um das ungleiche Ermittlerduo und so kann man nur hoffen, dass es bald Nachschub gibt.

Eine sehr, sehr gelungene Lesung, die nicht nur den Roman, sondern auch die Menschen dahinter und den Entstehungsprozeß vorstellte. Danke Nina George und Jo Kramer für einen großartigen Abend!

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Interview mit Jens „Jo“ Kramer und Nina George alias „Jean Bagnol“

[singlepic id=1626 w=320 h=240 float=left]Ihr seid beide erfolgreiche Schriftsteller. Wie war die Zusammenarbeit?
N.G.: Aufregend. Sie war insofern aufregend, weil wir zusammen mehr Ideen hatten als alleine. In der Summe unserer Teile sind wir mehr als jeder allein. Andererseits, während normale Ehepaare sich ungefähr nur sieben Minuten am Tag unterhalten, mussten wir zusehen, dass wir mal sieben Minuten Ruhe hatten. Wir mussten unglaublich viel reden, was wer gerade schreibt, denkt, meint, plant…. Wir mussten uns ständig unterhalten. Das war sehr, sehr zeitaufwendig. Irgendwann haben wir zwei Zimmerwände mit Kapitelplänen, Figuren-Details und Plotideen tapeziert, um immer auf demselben Stand zu sein.
J.K.: Und wir haben gelernt, füreinander anstrengend zu sein – und sich trotzdem auszuhalten. Während man in einer normalen Zusammenarbeit sagen kann: „Ach komm, lass stecken, wir machen jetzt einfach weiter…” ist es bei diesem Buch so gewesen: Wir mussten jede Unstimmigkeit ausräumen, denn sonst hätte es nicht geklappt. Wir mussten uns genau aufeinander einstimmen. Wenn das nicht hundertprozentig hinhaute, dann klappte die ganze Geschichte nicht. Wir mussten alle Eitelkeiten und Ängste vergessen, und uns mutig alles sagen, was wir wollen, und was wir nicht wollen.

Hat es euch vorangebracht im Hinblick auf eure eigenen Bücher?
N.G.: Absolut. Es gibt nichts Unausgesprochenes mehr zwischen uns. Wir haben geübt, Kritik zu üben. Wo man früher aus Nettigkeit oder Konfliktscheu verschwiegen hat, dass man fand: Oh, da ist eine Länge drin. Oh, die Figur ist nicht überzeugend, die gehört gar nicht in diese Geschichte! – haben wir jetzt trainiert, absolut ehrlich zu urteilen, ohne kränkend zu sein. So können wir jetzt gegenseitig unsere eigenen Projekte neu und freier beurteilen – frei von falscher Rücksicht. Für meine eigene Arbeit hat mir das sehr viel gebracht: Ich habe zwar immer noch einen Hang zu Reflexion und Landschaftsbeschreibung ohne Ende, aber das spare ich mir jetzt zum Beispiel beim Lavendelzimmer-Nachfolger. Das hat mir die Arbeit mit Jens gebracht: die eigenen Schwächen zu minimieren. Und die Stärken zu erkennen.
J.K.: Stimmt: Wir haben sowohl die Schwächen als auch die Stärken des anderen kennengelernt. Wir waren ja zum Teil im gleichen Kopf. Dadurch konnte ich sehen, wie Nina mit Sprache, Stil, Dramaturgie und Metathemen arbeitet, und sie konnte einiges von mir abgucken; Dialoge, Ironie, kreatives Chaos. Ich bin davon überzeugt, dass unsere gemeinsame Arbeit uns beiden neue Tricks beigebracht hat.

Wie kam es zu dem Projekt?
J.K.: Manche Romane entstehen im Kopf. Sie sind geplant, durchdacht, mit Zeit und Strategie erarbeitet. Und ganz selten – und das sind oft auch die richtig tollen Romane –, da entsteht die Geschichte praktisch durch eine Offenbarung, wie eine Ohrfeige aus dem Nichts: Auf einmal sieht man eine Szene, denkt einen Schlüsselsatz, sieht eine Figur. Nur ein Augenblick, und man denkt: „Wow! Das ist es!“ In unserem Fall haben wir beide etwas wahrgenommen. Eine bestimmte Beobachtung. Und wir haben uns angeguckt und haben gewusst, wie im Kopf des anderen die gleiche Idee entstand. Das war gelinde gesagt: irre. Null Strategie, sondern eine Musenwatsche.
N.G.: Zuerst hatten wir sogar die Idee, einen Koch und einen Gourmet-Kater ermitteln zu lassen. Aber wir haben gemerkt, dass der Koch mich – weil ich die Figurenhoheit über ihn gehabt hätte – nicht genug reizt, nicht für eine Serie. Dann haben wir gemeinsam die halbalgerische Drogenfahnderin Zadira entwickelt, während Jo sich den Kater vornahm. Wir hatten die Idee am Abend des 6.7.2012 in Mazan, 442 Tage später hatten wir das Ding ausgeliefert auf dem Tisch. Und dazwischen waren wir in der Zone des Wahnsinns. Schreiben, planen, zweifeln, streiten, versöhnen, weiter schreiben.
J.K: Die erste Zeit, in der wir uns nur darüber unterhalten haben, was wir aus dieser Grundidee machen könnten, war die schönste. Weil wir da noch nicht arbeiten, sprich: schreiben, planen, abwägen, entscheiden mussten! Wir haben die Wochen, in denen wir nicht geschrieben sondern gemeinsam auf dieser Idee herumgekaut haben, wahnsinnig genossen. Das ist sowieso immer das Schönste am Schreiben – entweder noch nicht zu schreiben oder schon geschrieben zu haben. Das Dazwischen ist leider unglaublich unromantisch.

Wie war das, einen Kater zu schreiben?
J.K.: Ich habe mich erstaunlicherweise recht schnell in die Katerpersönlichkeit einfinden können. Sich in eine Figur hinein zu versetzen gehört zur serienmäßigen Aussattung eines Autoren. Mann, Frau, Kind, Killer, Käfer, Kater … Man beobachtet, man studiert die Verhaltensweisen und versucht, die Lücken des Nicht-Wissens – die wir natürlich haben; wir wissen nicht, wie eine Katze denkt –, diese Lücken des Nicht-Wissens zu füllen. Das gelang ganz gut, so dass ich die Hälfte wieder rausschmeißen musste, sonst wäre der Roman 600 Seiten lang geworden.
N.G.: Irgendwann war die Geschichte so überbevölkert mit den charmanten Weltherrschern, dass der Krimiplot sich schamhaft in eine Ecke drückte.

[singlepic id=1625 w=320 h=240 float=right]Hast du ein Anschauungsobjekt gehabt?
J.K.: In der letzten Phase hatten wir einen Besuchskater, Gigi, ein Britisches Kurzhaar, das nur fließend Wasser trinkt und lieber Plastikfalter als Kunstmäuse jagt.
Ich war mein halbes Leben Katzenbesitzer, in meinem Wohnhaus in Eimsbüttel gibt es etliche Katzen, die täglich bei mir hereinschauen. Katzelein, Schröder, Mikesch … also, Rohmaterial läuft genug in der Gegend herum (lacht). Jeder, der Katzen hat, weiß, dass Katzen eigene Charaktere haben. Das hat besonderen Spaß gemacht, diese unterschiedlichen Katzenpersönlichkeiten darzustellen. Den dicken Faulen Oscar. Die feinfühlige Louise, die ein bisschen eingebildet ist, weil sie lesen kann. Den zünftigen, aber herzensguten Revierschläger Rocky, der nicht mehr mitbekommt, wenn Katzendamen etwas Bestimmtes von ihm wollen. Es gibt diese Katzentypen überall, ich konnte sie so aus dem Erleben herausgreifen.
N.G.: Ich muss verraten, dass Jo ein Katzenflüsterer ist. Wenn wir in der Fremde sind – zuletzt in Oxford – und die Katzen zur Nacht heraus kommen: Innerhalb kürzester Zeit sind die bei ihm! Da kann ich noch so süß locken: (Nina flötet: ) „Ja, halloo, wer bist du denn, du bist ja ein süßes Mädchen…“ Die ignorieren mich und krabbeln gleich auf Jo herum. Wir können nicht einmal Nachts spazieren gehen, ohne dass ihm was Pelziges hinterher maunzt. Es scheint also, als ob sie in dir irgendeine kätzische Seelenverwandtschaft spüren.
J.K.: Wahrscheinlich war ich in meinem letzten Leben eine Katze.
N.G.: Wahrscheinlich. Katzen sind die besseren Menschen, aber du hast was angestellt und wurdest zum Mensch zurück „degradiert“. Und sicher warst du ein schmusiger Kater in Mazan – dieses Städtchen im Vaucluse war für uns das totale „Katzablanca“. Es besitzt eine mittelalterliche Innenstadt ohne Autos, in der nur Katzen herumlaufen! Wir haben an fünf Abenden so viele unterschiedliche Katzentypen kennengelernt. Die schüchterne Schwarzweiße, die nur im Schatten läuft, die lässige Gescheckte, die so lange auf dem Auto liegen bleibt, bis es los fährt, der freche Schwarze, der einem die Wurst vom Teller zieht. Da haben wir uns auch bedient für die literarische Katzenbande.

Wie seid ihr auf den Namen gekommen, Bagnol?
N.G.: Der stand in Mazan auf ganz vielen Grabsteinen – der Friedhof dort ist berühmt für seine neunundsechzig Merowinger-Sarkophage, für Fans der Bestattungskultur ein echtes Highlight. Zuerst sollte der ermittelnde Koch so heißen, aber dann haben wir uns entschieden, Jean Bagnol für unser Pseudonym zu verwenden.

Gibt es schon weitere Pläne für Jean Bagnol?
N.G.: Wir haben Ideen für weitere elf Folgen. Aber wir müssen erst noch absprechen, welche als nächstes verwirklicht werden soll.

Dann herzlichen Dank und viel Erfolg!
Die Bagnols: Vielen lieben Dank – merci und „mau“!

Jean Bagnol ist das Pseudonym des Schriftsteller-Ehepaares Nina George und Jens “Jo” Kramer. Die Spiegel-Bestsellerautorin George und der Journalist, Pilot und Schriftsteller Kramer sind seit 2006 verheiratet, leben in Hamburg, schreiben unter insgesamt sieben Namen und Pseudonymen und veröffentlichten bisher insgesamt 29 Solowerke (Romane, Sachbücher, Thriller, historische Romane). George und Kramer wurden bisher dreimal – einzeln – für den DeLiA, den Preis für den besten deutschsprachigen Liebesroman, nominiert; 2011 gewann George ihn mit dem Knaur-Roman “Die Mondspielerin”. “Commissaire Mazan und die Erben des Marquis” ist der erste gemeinsame Jean-Bagnol-Provencethriller des Schriftsteller-Ehepaares Nina George und Jo Kramer. Sie wären beide gerne als Katzen auf die Welt gekommen, müssen sich aber damit begnügen, die Samtpfoten zu erforschen und erstmals über sie zu schreiben. Als Provence-Liebhaber und Spannungsautoren kam ihnen die erste Idee zu “Commissaire Mazan und die Erben des Marquis”, als sie im Château de Mazan im Vaucluse ihren zukünftigen Helden auf leisen Pfoten (und mit unwiderstehlicher Eleganz) eine Thunfischpastete stehlen sahen. Mehr über Jean Bagnol: www.jeanbagnol.com. Mehr über Jens “Jo” Kramer: www.jensjohanneskramer.de. Mehr über Nina George: www.ninageorge.de.

Fotos ©Angelika Scholz/Knaur

 

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